Vorwort: Christian Reder | Text & Bilder: Melodie &
Rhythmus (unbekannter Verfasser und Fotograf)
Am 5. Dezember wäre Herbert Dreilich 80 Jahre alt geworden. Über ihn wurde auf unserer Seite schon viel geschrieben und er ist hier noch immer gegenwärtig. Ein weiterer Beitrag über ihn aus unserer Feder wäre daher nur ein Wiederkäuen von bereits Gesagtem. Darum kramen wir zu diesem Anlass heute mal einen Artikel von den Kollegen der "Melodie & Rhythmus" hervor, den dort ein namentlich nicht bekannter Redakteur unter der Überschrift "Portrait neuer Komponisten" in der Ausgabe 4/1974 veröffentlichte, und erinnern damit einmal mehr an den großartigen Sänger, Musiker und Komponisten Herbert Dreilich, der damals bei PANTA RHEI spielte und von KARAT noch nichts ahnte.
Zu den erfolgreichsten Funk- und Plattenproduktionen von PANTA RHEI gehören "Hier wie nebenan", "Nachts", "Tuyet" und "Über mich". Ihr Komponist heißt Herbert Dreilich. Er ist einer der Gründer von PANTA RHEI und hat mit seinen Titeln dazu beigetragen, dass die Gruppe zu den führenden in unserer Republik gezählt wird.
Als Angela Davis widerrechtlich verurteilt werden sollte, schrieben Sie spontan den Titel "Free Angela". Klar in der politischen Aussage, ungewohnt in der Wahl der musikalischen Mittel, löste er große Resonanz bei jungen Hörern aus. Als das heldenhafte Volk von Vietnam um seine Freiheit kämpfte und unter den barabrischen amerikanischen Bombenangriffen zu leiden hatte, komponierten Sie das mahnende "Tuyet" und das zur Solidarität auffordernde "Hier wie nebenan". Beide Werke wurden Spitzenreiter in der Gunst junger Menschen. Als sie in der Veranstaltung "Rhythmus '72" erklangen, verlangte man stürmisch Zugaben. Was bewog Sie, diese Themen zu gestalten? Zu "Tuyet" habe ich beides geschrieben - Text und Musik. Angeregt wurde ich durch die Lektüre einer Broschüre über Vietnam. Die Leidensgeschichte des Mädchen Tuyet ging mir nicht mehr aus dem Sinn. Es drängte mich, meine Gefühle in Musik und Worte zu kleiden. Auf die gleiche Weise entstand auch der Titel "Hier wie nebenan", der die Menschen zur Solidarität und Wachsamkeit auffordert. Vom Typ her bin ich ein wenig "romantisch" veranlagt. Was beispielsweise der Titel "Nachts" ausweist. Andererseits gibt es nichts Schrecklicheres als Einseitigkeit. Unter meinen Kompositionen findet sich folglich recht unterschiedlich Gearbeitetes. Ein Überblick Ihres Schaffens zeigt, dass Sie sich nur im Ausnahmefall den Text selbst schreiben. Ja - und diese Ausnahme hieß "Tuyet". Ansonsten arbeite ich, wie Henning Protzmann und Ulrich Swillms, überwiegend mit Jens Gerlach zusammen. Es entstanden jedoch auch gute und engagierte Titel in Zusammenarbeit mit Joachim Krause. Das viel gespielte Beispiel ist "Über mich". Der Text lässt einen jungen Menschen selbstkritisch feststellen, dass nicht schöne Worte, sondern Taten das Leben verändern. Die Melodie habe ich bewusst schlicht gehalten, um die Gedanken nachhaltiger wirken zu lassen. Gerade fertig geworden ist "Meine Liebe" mit einem Text von Heinz Kahlau. Wo sich die Möglichkeit bietet, sich mit mehreren Lyrikern zu verbünden, sollte man es tun. Es wirkt sich zweifelsohne anregend aus. Um einer obligatorischen Frage vorwegzugreifen, sei gesagt, dass es mir gleich ist, ob zuerst Text oder Musik vorliegen. Wichtiger scheint mir zu sein, dass Text und Musik als Endergebnis der künstlerischen Bemühungen eine überzeugende Einheit bilden. Sie spielen bei Panta Rhei Gitarre. Komponieren Sie auch mit Hilfe dieses Instruments? Ja! Ich präludiere gern auf der Gitarre. Nicht selten bleibt dabei eine interessante Wendung haften, die ich notiere und weiter ausarbeite. Die Arrangements entstehen in enger "Koproduktion" mit unserem Pianisten Ulrich Swillms. Der endgültige Sound kristallisiert sich allerdings erst auf den Proben heraus, indem jeder seinen Teil dazu beiträgt. Wann haben Sie zu komponieren begonnen? Das geht weit zurück. Am besten, ich beginne beim "Urschleim". Geboren wurde ich am 5. Dezember 1942 in Mauterndorf. Es liegt bei Salzburg. Bis zum 9. Lebensjahr wohnte ich bei meinen Eltern in Österreich. Dann war ich längere Zeit bei einer Tante in England. Meine Eltern hatten inzwischen in der DDR ihre Wahlheimat gefunden. Damit fand auch meine unstete Wanderei endlich ein Ende. In Halle, unserem Wohnsitz, lernte ich Gebrauchswerber und übte diesen Beruf mehrere Jahre aus. Nebenher musizierte ich als Gitarrist und Banjospieler in verschiedenen Bands. In einer "Herzklopfen-Sendung" war ich mit einem spanischen Bravourstück für Gitarre zu hören. 1962/63 lernte ich Reinhard Lakomy kennen. Wir musizierten eine Zeitlang zusammen. Die nächsten Stationen hießen: Leipzig Sextett und Music-Stromers (1967). 1968 schloss ich mich den PUHDYS an, von ihnen ging es zu den Alexanders. 1971 half ich, die Gruppe PANTA RHEI zu gründen. Um den Berufsmusiker-Ausweis zu erlangen, besuchte ich von 1969 bis 1973 die Musikschule in Berlin-Friedrichshain. Mein Lehrer war Jürgen Kliem, der schon viele Gitarristen ausgebildet hat. Sie haben nicht nur Titel komponiert, sondern waren in einigen Fällen auch Ihr eigener Erfolgsinterpret. Es wäre somit falsch, wollte man über den Musiker und Komponisten den Sänger Herbert Dreilich vergessen. Sie haben recht: Ich singe gern; mag meine Art auch etwas eigenwillig sein. Bei PANTA RHEI ist es eine abgesprochene Sache, dass ich bei künftigen Veranstaltungen gezielt Auftritte als Gesangssolist haben werde. Die Darbietungen dürften dadurch an Farbigkeit gewinnen. Als Komponist werde ich dafür Sorge tragen, dass auch dem Sänger Herbert Dreilich in Zukunft mehr attraktive Titel zur Verfügung stehen. |