Wieviele Schläge aufs Maul
kann man eigentlich ertragen?
Ein Beitrag von Christian Reder (Fotos: Benjamin
Weinkauf, Dani Wintoch, Reinhard Baer, Nicola Reder)
"Viel Zeit, keinen Druck und ganz viel Spaß" wollte sich Klaus Scharfschwerdt mit seiner neuen Band nehmen, machen und haben ... nicht wissend, wie kurz die Zeit dafür nur noch war. Es ist gerade mal vier Jahre her, da betrat Klaus Scharfschwerdt "Neuland". Ganze 36 Jahre hatte er bei den PUHDYS getrommelt, vorher bei VULCAN und PRINZIP, und am Pfingstsonntag des Jahres 2018 bestieg er mit seiner neuen Band SCHARFSCHWERDTS NEULAND erstmals die Bretter einer Live-Bühne. Der Boden bebte und es kündigte sich eine tolle Zeit mit ebenso toller Musik an. Doch was nur wenige Menschen in seinem Umfeld wussten war, dass Klaus da schon schwer krank war. Er befand sich mitten im Kampf gegen den Krebs. Lungenkrebs, und das als Nichtraucher. Du hältst Dich fit, lebst gesund und dann ereilt Dich dieses Schicksal. Was für ein schlechter Witz des Universums!
Kurz vor der Premiere zu Pfingsten 2018 traf ich mich mit Klaus für ein Interview. Abseits des später öffentlich zu lesenden Teils dieses Gesprächs erzählte er mir von seinem schweren Los mit der Bitte, dies für mich zu behalten. Bei einer Routine-OP an der Leiste stellte der Operateur etwas fest, das da nicht hin gehörte. Eine entnommene Probe brachte die unschöne Wahrheit ans Licht. Ich war erschüttert und es fasste mich extrem an, denn mein Vater starb an der gleichen Art des Krebs' wie der, die nun Klaus befallen hatte. Ich war auch dankbar für das große Vertrauen, denn ich war immerhin jemand "von der Presse" und kein Kumpel aus der Nachbarschaft. Er war optimistisch, dem hinterhältigen Attentäter ein Schnippchen schlagen und ihn am Ende besiegen zu können. Dafür drückte ich ihm die Daumen. Dass er zur Premiere nur wenig Haare und eine Raspelfrisur hatte, konnte er gut "verbergen", denn es fiel irgendwie niemandem richtig auf. "Schöne Kurzhaarfrisur", meinte irgendwer aus dem Publikum im Kesselhaus Berlin, als NEULAND beim Konzert zum 45. Bühnenjubiläum von Hans die Geige die besagte Premiere spielte. Dass eine Chemotherapie der Friseur war, ahnte wohl niemand.
Nach der Premiere folgte eine längere Zeit der Stille. Unter den vom ersten Auftritt angefütterten Fans und denen, die endlich mehr von der ihnen angekündigten Band hören wollten, machte sich langsam Ungeduld breit. "Kommt da jetzt noch was, oder war's das schon?", fragte einer im Internet. Geduld ist in der Neuzeit ja sowieso nur noch selten anzutreffen und ich dachte so, "Wenn Ihr wüsstet …" Aber Klaus und seine Freunde von NEULAND waren im Hintergrund fleißig, während er noch in Behandlung war. Neben ihm waren Hans Wintoch als Geiger und Sänger, der Gitarrist Thomas Glatzer und die Cellistin Sylvia Eulitz in der neuen Band aktiv und mit der Produktion des Albums "Made in Europe" beschäftigt. Klaus schien tatsächlich den Feind schlagen zu können. Was für schöne Aussichten. Im September 2019 wurde die Ungeduld und Neugier der Leute gestillt, denn das Album erschien beim Label Buschfunk, verbunden mit der Ankündigung, die Band würde im Dezember 2019 ein Konzert in der Berliner Kulturbrauerei geben. Alles war bereit für eine geile Zeit mit knackigem Rock und einer spielfreudigen Formation namens SCHARFSCHWERDTS NEULAND.
Das Konzert am 20. Dezember lief wie geschmiert. Klaus sah gut aus, die "Kurzhaarfrisur" war dem gewohnten Bild gewichen und sein Schlagzeugspiel ließ zu keinem Moment des Abends den Verdacht aufkommen, er sei müde, alt oder der Sache nicht mehr gewachsen. Er fühlte sich gut, der Krebs scheinbar weg. Nach der Show war Klaus ausgepowert, gab mit einem Handtuch um den Hals und mit seinen Kollegen neben sich aber fleißig Autogramme und stand für den einen oder anderen Plausch zur Verfügung. Pläne für die nahe Zukunft waren gemacht, das Unternehmen NEULAND stand auf dem Gleis in Richtung Zukunft. Dann kam Corona …
Es blieb erst einmal bei der Mugge in Berlin, denn kurze Zeit später legte ein Lockdown die komplette Kulturszene und vieles mehr lahm. Konzerte gab es keine mehr, höchstens aus sicherer Entfernung über Stream oder in Autokinos. Nix für die NEULÄNDer und quasi als Nebengeräusch nahm ich wahr, dass es Klaus nicht gut ging. Nun gehöre ich nicht zu denen, die dann sofort zum Hörer greifen und dem Betroffenen auf den Nerv gehen. Derartige "besorgte Anrufe" braucht niemand, der in so einer Situation steckt. Wenn sich der Betroffene mitteilen will, dann tut er das von sich aus. Klaus hatte mit seiner Erkrankung zuvor auch sorgsam darauf geachtet, dass es kein Thema in der Öffentlichkeit wird. Mit manchen Sachen will man allein oder nur mit seinen engen Vertrauten sein. Sowas gehört respektiert. Über einen gemeinsamen Freund erfuhr ich dann, dass der Krebs zurückgekehrt war und die ganze Prozedur für ihn wieder von vorn losging. Wieder Chemo, wieder die Nebenwirkungen und das kräftezehrende Programm. Was für eine Tragödie … Zuerst nimmt ihm ein Virus aus Asien das weg, was er so sehr liebte, nämlich die Möglichkeit, live zu spielen und gleichzeitig Zeit mit seiner neuen Band zu verbringen, und dann kommt in dieser Phase auch noch der Scheiß Krebs zurück. Wieviele Schläge aufs Maul kann man eigentlich ertragen?
Es war wohl auch die Pandemie und das eben erwähnte Aus der Kultur, dass der Öffentlichkeit nichts weiter auffiel. SCHARFSCHWERDTS NEULAND war wie alle anderen Künstler auch zum Nichtstun verdammt, da bekam niemand mit, dass es sowieso nicht mit weiteren Aktivitäten hätte klappen können. Im April, also vor ein paar Wochen, postete Klaus' Freund Hans Wintoch auf seinem privaten Account in einem sozialen Netzwerk Fotos von einem Urlaub auf Rügen. Die Bilder zeigten ihn und einen sichtlich gezeichneten Klaus Scharfschwerdt. Die Leser unter Euch, die sowas schon mal im Familien- oder Freundeskreis miterleben mussten, wissen, wie der Verlauf bei einer solchen Erkrankung ist und wie die Vorzeichen aussehen. Die Bilder hinterließen bei mir die böse Vorahnung, dass dies die letzte Reise von Klaus sein könnte. Ein letztes Ausreißen aus dem Alltag vor der großen Reise, die man freiwillig nie buchen würde. Ein Abschied vor dem Abschied. Es waren aber auch Bilder der Ruhe und des Glücks, denn die Freundschaft der beiden Musiker, die man den Fotos deutlich ablesen konnte, strahlte eine angenehme Wärme aus. Was für ein Glück, wenn man in einer solchen Situation Freunde wie Hans Wintoch hat und sich dessen Rückhalt sicher sein kann. Beide arbeiteten bis zum Schluss auch im Studio zusammen und bereiteten das 50. Bühnenjubiläum von Hans vor. Eine Aufgabe, die sicher auch nochmal Wind unter die Flügel des geschwächten Klaus war. Nur noch kurze Zeit sollte Klaus dies genießen können, denn wenige Wochen später würde er von seinem Leid, das Krankheit und Nebenwirkungen der Therapie mit sich brachten, erlöst sein. Am Freitag, den 10. Juni 2022, starb er in einem Berliner Krankenhaus. Die letzten Kräfte waren aufgebraucht. Nach Klaus Selmke von CITY im Frühjahr 2020 ging mit ihm nun der nächste große Schlagzeuger unserer Rockmusikszene. Beide hatten sich in ihren schwersten Stunden noch gegenseitig Mut zugesprochen und den Plan gefasst, es packen zu wollen.
Klaus habe ich als immer fröhlichen und aufgeschlossenen Menschen kennenlernen dürfen. Er war interessiert und sein Interesse an den Dingen war echt. Eine unserer Begegnungen war bei Ulli Neumanns Rock-Stammtisch in Braunsdorf im Jahre 2016, jenem Beisammensein, das aus den legendären Puhdys-Fantreffen entstanden war. Da plauderten wir über dies und das, erinnerten uns an das erfolgreiche Konzert in meiner Nachbarstadt Marl ein Jahr zuvor und er erzählte mir über seine Pläne, irgendwann wieder auf die Bühne gehen zu wollen. Damals freute er sich aber erst einmal auf das Nichtstun nach fast vier Jahrzehnten PUHDYS. Die Band gab im Januar ihr Abschiedskonzert und war gerade noch mit den Rock Legenden unterwegs. "Neuland" war da noch keins in Sicht, wohl aber ein verdienter Ruhestand, viel Freizeit und Abstand finden von den letzten Jahren, in denen man bei den PUHDYS gute Nerven brauchte. Klaus zeigte sich egal wo ich ihn traf, ob bei diesem Treffen in Braunsdorf, bei der PUHDYS-Mugge in Marl, bei Ostrock in Klassik, den Rock Legenden oder anderswo genauso, wie ich ihn eben beschrieb. Er war stets guter Laune und hatte immer einen flotten Spruch auf den Lippen. Er begegnete den Leuten auf Augenhöhe und ohne irgendwelche Allüren. Das freundliche Gesicht, das einem von zahlreichen Plattencovern und Autogrammkarten entgegen lächelte, entsprach der Wahrheit - es war echt. Er war authentisch und unverstellt. Dazu kam, dass es böse Worte oder Nachtreten in Richtung von Zeitgenossen, die es nicht gut mit ihm meinten, nie gab. Nicht einmal, als ein ehemaliger Kollege einen Rechtstreit vom Zaun brach und damit sogar vor Gericht zog. Mitten in einer Zeit, in der Klaus dies so überhaupt nicht gebrauchen konnte, da er seine Kräfte für andere Kämpfe hätte sparen müssen. Aber auf Rücksichtnahme brauchte er da nicht hoffen und gerade deshalb hätte er allen Grund gehabt, seinen Unmut zu äußern. Hat er aber nicht! Und bei all den charakterlichen Feinheiten des Klaus Scharfschwerdt darf seine Handwerkskunst nicht vergessen werden. Wenn er an seinem Arbeitsgerät saß, war es für ihn ein Leichtes, sich auch damit tief ins Innere seines Gegenübers einzugraben und sich unvergessen zu machen. Ich denke da an verschiedene Drum-Soli bei den PUHDYS und dem Battle bei den Rock Legenden, die einem den Staub aus dem Scheitel pusteten.
Abschiede von Bands, die aufhören, und Künstlern, die voraus gehen, sind immer traurig. Sie hinterlassen nie ein Gefühl, das man gern und öfter in sich spüren möchte. Bei Klaus Scharfschwerdt ist dieser Abschied besonders traurig. Er war mit 68 Jahren der jüngste aller PUHDYS, gehörte vom äußeren Erscheinungsbild und von seinem Wesen her zu den "Jugendlichen" der Ostrock-Szene, hatte mit seiner neuen Band noch echte Ziele und wollte damit auch wirklich noch was Kreatives und Neues bringen (was er ja auch hat). Es war immer gut zu wissen, dass er da war und irgendwann wieder irgendwo trommeln würde. Das Wissen, dass speziell Letzteres nicht mehr passieren wird, hinterlässt eine unbeschreibliche Leere, genauso wie die Tatsache, dass ein feiner Mensch wie er in so kurzer Zeit so viel Pech auf einen Haufen haben konnte, einen traurig und wütend zugleich macht. Manchmal ist das Große Ganze, das über uns wacht, uns lenkt und in dessen Hand unser Schicksal liegt, einfach nur ungerecht. Gute Reise, lieber Klaus. Du wirst mir immer in guter Erinnerung bleiben, und diese Erinnerung werden wir bei Deutsche Mugge am Leben erhalten. Versprochen!
Kurz vor der Premiere zu Pfingsten 2018 traf ich mich mit Klaus für ein Interview. Abseits des später öffentlich zu lesenden Teils dieses Gesprächs erzählte er mir von seinem schweren Los mit der Bitte, dies für mich zu behalten. Bei einer Routine-OP an der Leiste stellte der Operateur etwas fest, das da nicht hin gehörte. Eine entnommene Probe brachte die unschöne Wahrheit ans Licht. Ich war erschüttert und es fasste mich extrem an, denn mein Vater starb an der gleichen Art des Krebs' wie der, die nun Klaus befallen hatte. Ich war auch dankbar für das große Vertrauen, denn ich war immerhin jemand "von der Presse" und kein Kumpel aus der Nachbarschaft. Er war optimistisch, dem hinterhältigen Attentäter ein Schnippchen schlagen und ihn am Ende besiegen zu können. Dafür drückte ich ihm die Daumen. Dass er zur Premiere nur wenig Haare und eine Raspelfrisur hatte, konnte er gut "verbergen", denn es fiel irgendwie niemandem richtig auf. "Schöne Kurzhaarfrisur", meinte irgendwer aus dem Publikum im Kesselhaus Berlin, als NEULAND beim Konzert zum 45. Bühnenjubiläum von Hans die Geige die besagte Premiere spielte. Dass eine Chemotherapie der Friseur war, ahnte wohl niemand.
Nach der Premiere folgte eine längere Zeit der Stille. Unter den vom ersten Auftritt angefütterten Fans und denen, die endlich mehr von der ihnen angekündigten Band hören wollten, machte sich langsam Ungeduld breit. "Kommt da jetzt noch was, oder war's das schon?", fragte einer im Internet. Geduld ist in der Neuzeit ja sowieso nur noch selten anzutreffen und ich dachte so, "Wenn Ihr wüsstet …" Aber Klaus und seine Freunde von NEULAND waren im Hintergrund fleißig, während er noch in Behandlung war. Neben ihm waren Hans Wintoch als Geiger und Sänger, der Gitarrist Thomas Glatzer und die Cellistin Sylvia Eulitz in der neuen Band aktiv und mit der Produktion des Albums "Made in Europe" beschäftigt. Klaus schien tatsächlich den Feind schlagen zu können. Was für schöne Aussichten. Im September 2019 wurde die Ungeduld und Neugier der Leute gestillt, denn das Album erschien beim Label Buschfunk, verbunden mit der Ankündigung, die Band würde im Dezember 2019 ein Konzert in der Berliner Kulturbrauerei geben. Alles war bereit für eine geile Zeit mit knackigem Rock und einer spielfreudigen Formation namens SCHARFSCHWERDTS NEULAND.
Das Konzert am 20. Dezember lief wie geschmiert. Klaus sah gut aus, die "Kurzhaarfrisur" war dem gewohnten Bild gewichen und sein Schlagzeugspiel ließ zu keinem Moment des Abends den Verdacht aufkommen, er sei müde, alt oder der Sache nicht mehr gewachsen. Er fühlte sich gut, der Krebs scheinbar weg. Nach der Show war Klaus ausgepowert, gab mit einem Handtuch um den Hals und mit seinen Kollegen neben sich aber fleißig Autogramme und stand für den einen oder anderen Plausch zur Verfügung. Pläne für die nahe Zukunft waren gemacht, das Unternehmen NEULAND stand auf dem Gleis in Richtung Zukunft. Dann kam Corona …
Es blieb erst einmal bei der Mugge in Berlin, denn kurze Zeit später legte ein Lockdown die komplette Kulturszene und vieles mehr lahm. Konzerte gab es keine mehr, höchstens aus sicherer Entfernung über Stream oder in Autokinos. Nix für die NEULÄNDer und quasi als Nebengeräusch nahm ich wahr, dass es Klaus nicht gut ging. Nun gehöre ich nicht zu denen, die dann sofort zum Hörer greifen und dem Betroffenen auf den Nerv gehen. Derartige "besorgte Anrufe" braucht niemand, der in so einer Situation steckt. Wenn sich der Betroffene mitteilen will, dann tut er das von sich aus. Klaus hatte mit seiner Erkrankung zuvor auch sorgsam darauf geachtet, dass es kein Thema in der Öffentlichkeit wird. Mit manchen Sachen will man allein oder nur mit seinen engen Vertrauten sein. Sowas gehört respektiert. Über einen gemeinsamen Freund erfuhr ich dann, dass der Krebs zurückgekehrt war und die ganze Prozedur für ihn wieder von vorn losging. Wieder Chemo, wieder die Nebenwirkungen und das kräftezehrende Programm. Was für eine Tragödie … Zuerst nimmt ihm ein Virus aus Asien das weg, was er so sehr liebte, nämlich die Möglichkeit, live zu spielen und gleichzeitig Zeit mit seiner neuen Band zu verbringen, und dann kommt in dieser Phase auch noch der Scheiß Krebs zurück. Wieviele Schläge aufs Maul kann man eigentlich ertragen?
Klaus und Hans Wintoch auf Rügen im April 2022
Es war wohl auch die Pandemie und das eben erwähnte Aus der Kultur, dass der Öffentlichkeit nichts weiter auffiel. SCHARFSCHWERDTS NEULAND war wie alle anderen Künstler auch zum Nichtstun verdammt, da bekam niemand mit, dass es sowieso nicht mit weiteren Aktivitäten hätte klappen können. Im April, also vor ein paar Wochen, postete Klaus' Freund Hans Wintoch auf seinem privaten Account in einem sozialen Netzwerk Fotos von einem Urlaub auf Rügen. Die Bilder zeigten ihn und einen sichtlich gezeichneten Klaus Scharfschwerdt. Die Leser unter Euch, die sowas schon mal im Familien- oder Freundeskreis miterleben mussten, wissen, wie der Verlauf bei einer solchen Erkrankung ist und wie die Vorzeichen aussehen. Die Bilder hinterließen bei mir die böse Vorahnung, dass dies die letzte Reise von Klaus sein könnte. Ein letztes Ausreißen aus dem Alltag vor der großen Reise, die man freiwillig nie buchen würde. Ein Abschied vor dem Abschied. Es waren aber auch Bilder der Ruhe und des Glücks, denn die Freundschaft der beiden Musiker, die man den Fotos deutlich ablesen konnte, strahlte eine angenehme Wärme aus. Was für ein Glück, wenn man in einer solchen Situation Freunde wie Hans Wintoch hat und sich dessen Rückhalt sicher sein kann. Beide arbeiteten bis zum Schluss auch im Studio zusammen und bereiteten das 50. Bühnenjubiläum von Hans vor. Eine Aufgabe, die sicher auch nochmal Wind unter die Flügel des geschwächten Klaus war. Nur noch kurze Zeit sollte Klaus dies genießen können, denn wenige Wochen später würde er von seinem Leid, das Krankheit und Nebenwirkungen der Therapie mit sich brachten, erlöst sein. Am Freitag, den 10. Juni 2022, starb er in einem Berliner Krankenhaus. Die letzten Kräfte waren aufgebraucht. Nach Klaus Selmke von CITY im Frühjahr 2020 ging mit ihm nun der nächste große Schlagzeuger unserer Rockmusikszene. Beide hatten sich in ihren schwersten Stunden noch gegenseitig Mut zugesprochen und den Plan gefasst, es packen zu wollen.
Klaus habe ich als immer fröhlichen und aufgeschlossenen Menschen kennenlernen dürfen. Er war interessiert und sein Interesse an den Dingen war echt. Eine unserer Begegnungen war bei Ulli Neumanns Rock-Stammtisch in Braunsdorf im Jahre 2016, jenem Beisammensein, das aus den legendären Puhdys-Fantreffen entstanden war. Da plauderten wir über dies und das, erinnerten uns an das erfolgreiche Konzert in meiner Nachbarstadt Marl ein Jahr zuvor und er erzählte mir über seine Pläne, irgendwann wieder auf die Bühne gehen zu wollen. Damals freute er sich aber erst einmal auf das Nichtstun nach fast vier Jahrzehnten PUHDYS. Die Band gab im Januar ihr Abschiedskonzert und war gerade noch mit den Rock Legenden unterwegs. "Neuland" war da noch keins in Sicht, wohl aber ein verdienter Ruhestand, viel Freizeit und Abstand finden von den letzten Jahren, in denen man bei den PUHDYS gute Nerven brauchte. Klaus zeigte sich egal wo ich ihn traf, ob bei diesem Treffen in Braunsdorf, bei der PUHDYS-Mugge in Marl, bei Ostrock in Klassik, den Rock Legenden oder anderswo genauso, wie ich ihn eben beschrieb. Er war stets guter Laune und hatte immer einen flotten Spruch auf den Lippen. Er begegnete den Leuten auf Augenhöhe und ohne irgendwelche Allüren. Das freundliche Gesicht, das einem von zahlreichen Plattencovern und Autogrammkarten entgegen lächelte, entsprach der Wahrheit - es war echt. Er war authentisch und unverstellt. Dazu kam, dass es böse Worte oder Nachtreten in Richtung von Zeitgenossen, die es nicht gut mit ihm meinten, nie gab. Nicht einmal, als ein ehemaliger Kollege einen Rechtstreit vom Zaun brach und damit sogar vor Gericht zog. Mitten in einer Zeit, in der Klaus dies so überhaupt nicht gebrauchen konnte, da er seine Kräfte für andere Kämpfe hätte sparen müssen. Aber auf Rücksichtnahme brauchte er da nicht hoffen und gerade deshalb hätte er allen Grund gehabt, seinen Unmut zu äußern. Hat er aber nicht! Und bei all den charakterlichen Feinheiten des Klaus Scharfschwerdt darf seine Handwerkskunst nicht vergessen werden. Wenn er an seinem Arbeitsgerät saß, war es für ihn ein Leichtes, sich auch damit tief ins Innere seines Gegenübers einzugraben und sich unvergessen zu machen. Ich denke da an verschiedene Drum-Soli bei den PUHDYS und dem Battle bei den Rock Legenden, die einem den Staub aus dem Scheitel pusteten.
Klaus und Hans Wintoch auf Rügen im April 2022
Abschiede von Bands, die aufhören, und Künstlern, die voraus gehen, sind immer traurig. Sie hinterlassen nie ein Gefühl, das man gern und öfter in sich spüren möchte. Bei Klaus Scharfschwerdt ist dieser Abschied besonders traurig. Er war mit 68 Jahren der jüngste aller PUHDYS, gehörte vom äußeren Erscheinungsbild und von seinem Wesen her zu den "Jugendlichen" der Ostrock-Szene, hatte mit seiner neuen Band noch echte Ziele und wollte damit auch wirklich noch was Kreatives und Neues bringen (was er ja auch hat). Es war immer gut zu wissen, dass er da war und irgendwann wieder irgendwo trommeln würde. Das Wissen, dass speziell Letzteres nicht mehr passieren wird, hinterlässt eine unbeschreibliche Leere, genauso wie die Tatsache, dass ein feiner Mensch wie er in so kurzer Zeit so viel Pech auf einen Haufen haben konnte, einen traurig und wütend zugleich macht. Manchmal ist das Große Ganze, das über uns wacht, uns lenkt und in dessen Hand unser Schicksal liegt, einfach nur ungerecht. Gute Reise, lieber Klaus. Du wirst mir immer in guter Erinnerung bleiben, und diese Erinnerung werden wir bei Deutsche Mugge am Leben erhalten. Versprochen!
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