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Ein Beitrag von Christian Reder. Fotos: Pressematerial
(EMI, CBS), Archiv Bodo Staiger, Thomas Stelzmann



001 20191211 1356141765Ich werfe einen Blick aus dem Fenster und so richtig hell will es heute nicht werden. Es ist grau, ja sogar dunkelgrau, es regnet und das einzige bisschen Licht strahlen nur die äußerst geschmacklosen Weihnachtsdekorationslichtlein in der Nachbarschaft aus. Was für ein trübsinniges Szenario. Nach bunten Lichtern und Weihnachts-Feeling ist mir schon seit gestern irgendwie nicht. Wieder einmal musste man sich mit dem Tod eines Menschen beschäftigen, den man zwar persönlich nicht kannte, der einem aber mit seiner Kunst viel gab. Ich hasse es, wenn ich mich von Helden meiner Kindheit und Jugend verabschieden muss. Dass auch sie nicht unverwundbar sind und sterben können, ist mir schon länger bekannt. Da hat es mir schon oft die Füße weggehauen und an den Gedanken gewöhnen kann man sich trotzdem nicht. Die Zeilen für den Nachruf über diesen Menschen habe ich gerade in den Rechner getippt, da wird dieser Dezembertag des Jahres 2019 noch ein bisschen dunkler und freudloser. Die Nachricht über den Tod von Bodo Staiger, der bereit vor einer Woche vertorben ist, erreicht mich aus dem Internet. Und anders als die vom Ableben der ROXETTE-Sängerin Marie Fredriksson verursacht die über den Tod von Bodo bei mir einen dumpferen Ton, denn Bodo hat mir nicht nur mit seiner Musik viel gegeben, ich kannte ihn auch persönlich.

Im März 2017 lernte ich Bodo Staiger kennen. Vorher war er einer von vielen Künstlern, der sich mit seinem Output in meiner umfangreichen CD- und Plattensammlung befand. Unter dem Namen RHEINGOLD machte er seit 1980 Musik und veröffentlichte insgesamt fünf Studioalben, die bei mir allesamt im Regal stehen. Auch der Kinofilm "Der Fan", in dem er einen Popmusiker spielte, der von einem weiblichen Fan "fan-fan-fanatisch" verfolgt und am Ende im Wahn getötet und verspeist wird, ist in einer ungeschnittenen Fassung auf DVD in meinem Besitz. Es waren hier weniger die blutrünstige Story und die nicht weniger blutig umgesetzten Effekte in dem Streifen, die es mir angetan hatten,002 20191211 1276468150 sondern die schauspielerische Leistung des Künstlers - übrigens seine erste und einzige Hauptrolle - und die im Film verwendete Musik, die natürlich von RHEINGOLD stammte und diesem insgesamt ziemlich düsteren Werk den passenden "Unterton" verlieh. Noch bevor Staiger mit RHEINGOLD im Jahre 2017 ein Comeback feierte und mit "Im Lauf der Zeit" nach über 30 Jahren wieder ein neues Studioalbum veröffentlichte, hatten wir Kontakt. Er half mir dabei, seine Band in einem Portrait auf deutsche-mugge.de richtig abzubilden und steuerte Infos und Fotos dazu bei.

Als besagtes Comeback und das neue Album in den Startlöchern stand, meldete er sich bei mir und erzählte mir davon. Was vorher per Mail hin und her ging, wurde nun auf eine andere Ebene gehoben. Das Interview, das die neue CD, das Comeback aber auch die Geschichte seiner Band beleuchten sollte, wurde persönlich geführt (siehe HIER). Vor, während und nach diesem Gespräch gab es immer wieder Gelegenheiten, auch abseits des Themas Musik zu sprechen. Ich lernte dabei einen sehr freundlichen, in sich ruhenden und aufgeschlossenen Menschen kennen, der in Sachen Bodenhaftung keine Probleme hatte. Dabei hätte er mit seiner Geschichte und seinem klangvollen Namen in der Szene so hoch fliegen können ... Tat er aber nicht, er traf sich mit seinen Gesprächspartnern lieber auf Augenhöhe. Bodo Staiger hatte statt irgendwelcher Allüren eher viel zu erzählen, denn er hatte schließlich schon so vieles erlebt. Er gehörte zur Düsseldorfer Schule, war weit mehr als "nur" RHEINGOLD und "Dreiklangsdimensionen" nur ein winziger Ausschnitt aus einem Gesamtbild, das heute wie ein teures und überdimensionales Gemälde wirkt. Immer wieder wurde medial der Fehler gemacht, ihn und RHEINGOLD der Neuen Deutschen Welle zuzuordnen. Da gehörte er nicht hinein!003 20191211 2099330877 Als einer der Pioniere der deutschen Elektronik-Szene, zu der Kraftwerk, NEU! und La Düsseldorf ebenso zählten, wie später PROPAGANDA und natürlich auch RHEINGOLD, lagen seine musikalischen Wurzeln aber noch viel tiefer als beim ersten Spatenstich erkennbar. Schon in den 60ern machte er Musik. Beat-Musik, und die zusammen mit keinem Geringeren als Marius Müller-Westernhagen. Während der eine dann in den Rock-Bereich wechselte, forschte der andere mit elektronischen Hilfsmitteln. Das Ergebnis dieser Forschungen kann man noch heute auf "Rheingold" (LP, 1980), "R." (LP, 1982), "Dis-Tanz" (LP, 1984), "Electric City" (CD, 2008) und eben auf "Im Lauf der Zeit" (CD, 2017) abhören.

Bodo war ein Überzeugungstäter. Einer, bei dem die Musik im Mittelpunkt stand, aber nicht er selbst. Er hatte da eine bestimmte Vorstellung, was die Musik betraf. Die lebte er. Ebenso wie die Überzeugung, was das Stehen im Rampenlicht betraf, denn das war nicht so wirklich seins. Wer im Deutschland der 80er Jahre einen Hit in der Muttersprache landete, hatte sich damit gefälligst in der ZDF-Hitparade vorzustellen. Auf diese Art der Präsentation hatte Bodo, der mit RHEINGOLD gerade die "Dreiklangsdimenskionen" mit guten Verkaufszahlen und Radiopräsenz weit verbreiten konnte, allerdings keinen Bock. Er lehnte die Einladung von Dieter Thomas Heck dankend ab und sorgte damit in der Chef-Etage seiner Plattenfirma wohl für hohen Blutdruck und reichlich Diskussionen. Diese Herrschaften dürften die Entscheidung sicher als falsch und für die Verkaufszahlen der Platten eher kontraproduktiv eingestuft haben, aber für Bodo war es keine Option. Sein Hauptaugenmerk lag auf der Musik, RHEINGOLD war ein reines Platten- bzw. Studio-Projekt. Es hat nie eine Tour oder einzelne Konzerte gegeben.004 20191211 1901749462 Die Arbeit der Musiker beschränkte sich aufs Studio und auf den einen oder anderen Auftritt im Fernsehen. Nur eben nicht bei Heck ... Und auch in der Pause, die RHEINGOLD Mitte der 80er einlegte, arbeitete Bodo in seinem Rheinklang-Studio weiter an Musik und Sounds. Da fühlte er sich wohl, das war sein Zuhause.

In seinem "Zuhause", dem eben erwähnten Rheinklang-Studio in Düsseldorf, war der inzwischen 70-jährige Musiker bis zuletzt auch tätig. Am Abend des 3. Dezember verließ er das Studio und fuhr in seine Wohnung. Nach vollbrachtem Tagwerk ließ er sich dort in einem Sessel nieder und schlief darin ein. Irgendwann in der Nacht zum 4. Dezember verließ Bodo dann diese Welt und wurde nicht mehr wach. Laut seinem direkten Umfeld war er - anders als in manch einem Zeitungsbericht vom heutigen Tage in Umlauf gebracht - nicht krank und sein Tod auch entsprechend unerwartet. Bodo hinterlässt seine Frau Brigitte, die auch Teil der Gruppe RHEINGOLD war, sowie seinen Freund und Geschäftspartner Marcel. Und es bleibt die Erinnerung an diesen bescheidenen und freundlichen Künstler, von denen man sich heute eigentlich mehr wünscht, die man aber nur noch selten trifft. Es bleibt die Musik, die auf fünf Alben veröffentlicht wurde und die all die guten Ideen des Bodo Staiger in Töne verwandelt festgehalten haben. Eine angedache Tour zum 40. Geburtstag der Band im kommenden Jahr, die die Gruppe RHEINGOLD erstmals überehaupt auf eine Live-Bühne gebracht hätte, wird nun leider nur eine Idee bleiben ...

005 20191211 1678490223Nun habe ich schon wieder einen Nachruf geschrieben, von denen es in letzter Zeit einfach zu viele anzufertigen gab. Als ich diese Zeilen fertig hatte, fiel mein Blich wieder aus dem Fenster. An der Tristesse von vorhin hat sich auch gegen Mittag nichts geändert. Es ist immer noch dunkelgrau, es regnet weiterhin und die gruseligen Weihnachtsdekorationen in der Nachbarschaft spulen weiter ihr programmiertes Lichterspiel ab. Aber nachdem ich nochmal über Bodo schreiben konnte und nebenbei das letzte Album seiner Band, "Im Lauf der Zeit", gehört habe, ist es zumindest in mir etwas heller geworden. Ich bin dankbar dafür, den Musiker und Menschen Bodo Staiger für eine kurze Zeit kennengelernt zu haben und auch für die Geschichten, die er mir erzählt hat. Daran erinnere ich mich gern. Ich bin in Gedanken aber auch bei seiner Frau und seinem Freund, die sich die Weihnachtszeit sicher anders und wesentlich schöner vorgestellt haben, und deren Blick in die Welt gerade ganz sicher noch dunkler ist als meiner. Ich wünsche ihnen viel Kraft in den nächsten Tagen und auch dafür, den weiteren Weg auch ohne Bodo Staiger weitergehen zu können. Von ihm bleiben die Erinnerungen und seine Musik. Am Freitag, den 20. Dezember 2019, kann man von Bodo Abschied nehmen. Um 12:40 Uhr findet dann in der Kapelle des Südfriedhofs Düsseldorf eine Messe statt. Anschließend wird die Urne beigesetzt.

Vielen Dank an Marcel Lauterborn von 3klangrecords und Thomas Stelzmann
für die Hilfe und die netten Gespräche aus traurigem Anlass am heutigen Tag!






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