Zum Tod von ...
 
Marie Fredriksson


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Ein Beitrag von Christian Reder



Eine tapfere Frau hat am Montag, den 9. Dezember 2019, ihre Waffen nach einem langen und unfairen Kampf niedergelegt. Marie Fredriksson - die Stimme von ROXETTE - ist an den Folgen ihrer Krebserkrankung gestorben. Ein weiterer großer Teil des 80er Lebensgefühls mit ihr ...

Ich kannte damals im Sommer `89 keinen Jungen in meinem Umfeld, der nicht auf irgendeine Art und Weise von Marie Fredriksson begeistert war. War es nicht die Musik von ROXETTE und ihre Stimme, so war es doch zumindest die Person und ihre Ausstrahlung, die selbst Kumpels aus der Metal-Ecke zu einem positiven Kommentar hat hinreißen lassen. Als der Song "The Look" im Jahre 1989 für das Duo den internationalen Durchbruch bedeutete, waren Marie und ihr Bühnenpartner Per Gessle aber schon ein paar Jahre unter dem Namen ROXETTE aktiv und davor auch schon länger abseits der Musik befreundet. Auch bei mir lag der "Erstkontakt" einige Zeit vor "The Look", allerdings wusste ich damals noch nichts von ihrer Herkunft oder gar dem Weg, den das Schweden-Duo bis dahin beschritten hatte. Auch von dem, was die Zukunft für sie noch bereit hielt, war zu dem Zeitpunkt noch nichts zu ahnen.

Um die englische Version des EAV-Hits "Ba Ba Banküberfall" als Maxi-Version zu bekommen, beschaffte ich mir bei einem mir heute nicht mehr bekannten Versandhandel eine Schallplatte mit dem Titel "Super Maxi Hits `87", die damals in Griechenland bei EMI erschienen war. Darauf enthalten waren bekannte Songs von Duran Duran, Pet Shop Boys und eben der EAV, aber auch unbekannte Interpreten aus dem Stall des EMI-Plattenlabels wie z.B. Big Alice, Costas, Sandy Wilson und ROXETTE, die damals hierzulande nur Schweden-Urlauber oder Vertreter der eben genannten Plattenfirma kannten. Die hier erwähnten und "namenlosen" Acts auf dieser Platte waren - wie ROXETTE - zu diesem Zeitpunkt noch komplett unbekannt. Der Großteil blieb es danach auch weiterhin und das auch völlig zurecht. ROXETTE aber fiel sofort auf. Der hier in einer Maxi Version vertretene Titel "Neverending Love" (siehe Clip am Ende dieser Seite) hinterließ schon beim ersten Hören einen bleibenden Eindruck. Das Spiel der beiden Stimmen von Marie und Per war perfekt aufeinander abgestimmt und eingestellt, und insbesondere die der Marie Fredriksson war genial. Die Nummer hatte was. Gesangspärchen bestehend aus männlicher und weiblicher Stimme gab es in den 80ern ja reichlich, aber viele davon gingen in der Masse einfach unter, weil sie eben auch nicht diesen Moment rüber bringen konnten, wie es eben ROXETTE konnte. Dieses Duo hatte eine große Wiedererkennbarkeit und ich hörte das Lied immer wieder gern, wenn die Platte auflag. Schließlich fand sich der Song auch irgendwann auf einem meiner Mixed Tapes wieder, die meinen Walkman auf all meinen Wegen mit Leben füllten. Doch wer ROXETTE waren, wusste ich bis dahin immer noch nicht. War ein schweres Überleben damals ... so ohne Internet.

Dies änderte sich dann 1989, als der Song "The Look" über Nacht die Hitparaden auf der ganzen Welt stürmte und natürlich auch hier in Deutschland für Aufsehen sorgte. Ich konnte damals mit dem Namen ROXETTE ja schließlich schon was anfangen und nun bekam ich auch die Gesichter dazu geliefert. Nach diesem großen Erfolg mit der Single und weiteren Hits wie "It Must Have Been Love", "Listen To Your Heart", "Dangerous", "Fading Like A Flower", "The Big L." oder "How Do You Do" begleitete mich ROXETTE durch die 90er. Ich war keiner dieser Hardcore-Fans, die unbedingt zu Konzerten und jedes Album der Kapelle im Original haben mussten, aber ich hatte immer ein Auge auf die Schweden und ein Ohr in ihre Songs. Sie entschädigten mich nicht selten für erlittene Qualen, die durch die Techno- und Pop-Szene der 90er ausgelöst wurden und ihre Lieder waren oft Balsam für mein geschundenes Geschmackszentrum. Das Album "Crash, Boom, Bang" mit Songs wie "Fireworks" (siehe Clip am Ende dieser Seite) lieferte 1994 sogar den Soundtrack zu meinem Sommerurlaub an der Ostsee. Die Kassette mit den Liedern dieses Albums verließ das Autoradio nur für die Nachrichten und den Verkehrsfunk.

Nun muss man keine persönliche Freundschaft zu einem Menschen pflegen oder ein Mega-Fan einer Person sein, um über eine Diagnose wie die, die Marie Fredriksson im September 2002 mit gerade mal Anfang 40 bekam, erschüttert zu sein. Sie habe einen Gehirntumor vermeldete die Presse und schrieb ferner schon vom Aus der Gruppe ROXETTE. Die blonde Schönheit mit der wunderbaren Stimme war sterbenskrank und diese Meldung hob einen schon aus den Angeln. Nach dem von der Presse prognostizierten Ende der Band sah es lange Zeit auch aus, denn der schlimmen Nachricht folgten anschließend keine weiteren Meldungen mehr, was nicht selten ja eher ein schlechtes Zeichen ist. Es war ruhig - für viele Menschen, die die Band mochten und am Schicksal der Künstlerin Anteil nahmen, viel zu ruhig! Erst drei Jahre später trat Marie wieder öffentlich auf, als sie Ende 2005 zusammen mit Per Gessle bei einer Auszeichnung in London im Publikum saß. Dies und die Nachricht, Marie und Per würden im Juni 2006 nach vier Jahren Studio-Pause zwei neue Lieder aufnehmen, die im Herbst 2006 auf einer Greatest-Hits-Platte anlässlich des 20. Bandjubiläums erscheinen sollten, nährten die Hoffnung, dass alles wieder gut werden würde. Zum 50. Jubiläum der Zeitschrift BRAVO am 21. Oktober 2006 feierte die Band dann sogar ihr Bühnen-Comeback. Marie Fredriksson hatte ihrer Krankheit getrotzt und war wieder da.

Deutlich gezeichnet von der Krankheit hatte sich die Musikerin ins (Berufs-)Leben zurück gekämpft. Bereits im Jahre 2009 ging das Duo wieder auf Tournee. Bei den insgesamt 42 Nokia Night Of The Prom-Konzerten in Deutschland, Holland und Belgien sah man ROXETTE wieder live spielen. Mit "Charm School" (2011) und "Travelling" (2012) produzierten Per und Marie auch wieder neue Alben, wobei das zuerst genannte Werk in mehreren Ländern (u.a. auch in Deutschland) auf Platz 1 der Album-Charts landete. Es folgte eine auf allen Kontinenten stattfindende Welttournee im Jahre 2011 und eine weitere Tour zum 30. Bandgeburtstag im Jahre 2015. Hatte Marie die bis dahin gegebenen Konzerte wegen den Folgeerscheinungen ihrer Krankheit schon nur noch im Sitzen absolvieren können, mahnten sie die Ärzte im Frühjahr 2016 nachdrücklich, nicht weiter auf Reisen zu gehen und auch keine Konzerte mehr zu spielen. Zu verletzlich war der von Therapien und Behandlungs-Maßnahmen geschundene Körper, der sich nur schwer wieder von größeren Anstrengungen erholte. Und offenbar gab der Feind in ihr auch keine Ruhe und wütete weiter. Die Konzerte der für den Sommer 2016 geplanten Tour wurden deshalb abgesagt. Man wolle zwar weiter als ROXETTE arbeiten und Platten veröffentlichen, was im Juni 2016 mit dem Album "Good Karma" letztlich auch in die Tat umgesetzt wurde, aber auf weitere Konzerte wurde mit Rücksicht auf Maries angeschlagene Gesundheit verzichtet. Aus dem Album wurden im Jahre 2016 insgesamt drei Singles ausgekoppelt - danach wurde es ruhig um die Band. Das Kapitel ROXETTE wurde am vergangenen Sonntag nun endgültig geschlossen.

--- re --- ROXETTE war nach ABBA der erfolgreichste Musik-Export ihres Heimatlandes Schweden. Das Duo produzierte Hit auf Hit und feierte damit internationale Erfolge. Marie Fredriksson war ein Teil dieses Export-Schlagers, denn sie verlieh jedem einzelnen der Lieder mit ihrer Stimme und der besonderen Art des Vortrags ein unverwechselbares Merkmal. ROXETTE hätte ohne Marie Fredriksson nicht funktioniert - so viel ist sicher! Und sie und Per Gessle waren als ROXETTE ein wichtiger Teil des Popmusik-Zirkus der letzten 30 Jahre. Es kamen in dieser Zeit viele, fast alle gingen auch wieder. Der eine schnell, der andere etwas später. ROXETTE blieb bis zuletzt und hinterließ deutliche Spuren. Band und Sängerin sind in verschiedenen Filmen zu hören, wie sie in zum Soundtrack gehörenden Liedern die besondere Würze hinein bringen, und sie sind mit dem unglaublich großen Fundus an Liedern ein ständiger Gast im Rundfunk. Das wird sicher auch so bleiben, nur wird von Marie und der Band in Zukunft nur noch in der Vergangenheitsform gesprochen werden. Das gute Gefühl, dass irgendwo da draußen eine Marie und ein Per herum schwirren und es irgendwann wieder ein Lebenszeichen von ROXETTE in Form von neuen Liedern oder eines neuen Albums geben wird, ist am Sonntag ebenso gestorben, wie die großartige Frau mit dem Kämpferherz, dass sie 17 Jahre lang gegen einen ungleich großen Gegner hat überstehen lassen. Aber auch Marie Fredriksson war leider so vergänglich wie eine Blume, dabei hätten wir ihr doch wohl alle noch ein paar mehr als die erreichten 61 Jahre Lebenszeit gegönnt. Auch die Kumpels aus der Metal-Ecke.






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