

Ein Nachruf von Andreas Hähle mit Fotos von
Ronny Pabst, Reinhard Baer + Pressematerial
Wo is'n eigentlich die Eva? Wenn die Eva mich ansprach und sagte: „Ich hab nur mal kurz eine Frage“ wusste ich, mit wem ich in einem intensiven Gespräch die nächsten Stunden verbringen würde. Auch unsere Telefonate, die häufig mit dem Satz „Du, mir ist heute gerade etwas eingefallen ...“ begannen, entsprachen von der Länge her dem typischen weiblichen Klischee.

Wir sind uns immer mal - und das nicht selten - über den Weg gelaufen. Und dieser Satz gilt wohl für alle, die sie kannten (und wer kannte sie nicht?). Wir kannten uns bis vor ca. 10 Jahren nur so vom Sehen und von Smalltalks, als mich mein Freund und Texterkollege Kapaulke, der - wie Eva auch - einige Zeitlang mit Matthias Schramm zusammenarbeitete, beim Verlassen von Speiches Rock & Blueskneipe vom Freisitz draußen anhaute, ich möge mich mal zu ihm und Eva Kyselka setzen. Eigentlich wollte ich nach Hause und hatte keinen Bock auf ein langes Gespräch. Es wurden Stunden daraus. Kapaulke erklärte mir, die Eva möchte neue Lieder machen, ein neues Album und würde Texte benötigen. Er könne das leider aus gesundheitlichen Gründen derzeit nicht schaffen. Also redeten wir, die Eva und ich. Nach langer Zeit versprach ich, darüber nachzudenken und nach einigen Tagen und einigen Telefonaten entschied ich mich dafür, eine weitere Freundin und Texterkollegin, Heike Gaida, mit Eva Kyselka bekannt zu machen. Ich hatte das Gefühl, die beiden Mädels würden sich prächtig verstehen und Heike hätte für Eva auch die richtige „Schreibe“. Mit beiden Vermutungen hatte ich glücklicherweise Recht.
Wir arbeiteten also nicht zusammen und blieben befreundet. Bis Eva mich eines Tages anrief und mir eröffnete, dass auf ihrem geplanten neuen Album auf jeden Fall ein Text von mir drauf sein müsste. Sie kam zu mir nach Hause um mir detailliert zu sagen, was sie sich von mir inhaltlich wünschte. Ich weiß gar nicht, ob sie das bei diesem Besuch überhaupt angeschnitten hatte.

Mit Eva zu arbeiten war schwierig, sie wollte vieles ausprobieren und war ungemein detailversessen. Häufige Änderungswünsche waren da vorprogrammiert. Wir sprachen viel in diesen Tagen. Eigentlich über alles. Über ihr Album, über das Leben, über den Tod. Immerhin schrieb ich sogar letztendlich zwei Texte für sie.
Zum letzten Mal begegneten wir uns beim Benefizkonzert für das Neuhelgoland am 14. September im Berliner "Krokodil". Ich begrüßte sie mit den Worten: „Ich wollte gerade die Lütte fragen, wo du wohl bist.“ Eva hatte eine ganz neue Idee. Sagte sie. Welche, werde ich nie erfahren, wir verabredeten uns für Anfang des nächsten Jahres auf einen Plausch. „Das passt zeitlich prima“, meinte sie und, „Dann fängt das nächste Jahr schon mal gut an.“ Über Eva habe ich mir nie Sorgen gemacht. Wenn sie mir von ihren Problemem erzählte, dann immer im Zusammenhang mit den Lösungen, die sie bereits gefunden hatte. Sie war lebendig, voller Energie. Und nicht nur ihre dunkle Stimme erschien mir warmherzig, auch ihr ganzes Wesen. Ich fand sie teilweise ganz schön verrückt, aber das Verrückte gelang ihr eben auch. Und mal ganz unter uns, ich halte fast alle Musiker, mit denen ich zusammenarbeite, für ganz schön verrückt. Man brauchte sie nicht zu suchen. Sie war immer irgendwie da, immer irgendwo unterwegs, immer unter und vor allem mit den Menschen (und wer kannte sie nicht?). Sie kannte immer jemanden, der etwas konnte, was wir alle nicht konnten.

Von einem Moment auf den anderen verließ sie gestern, am 8. November, diesen Planeten, dessen Erhalt ihr so wichtig war. Als sie mich vor einiger Zeit anrief, sah ich ihren Namen auf dem Display und dachte, ich foppe sie mal und meldete mich mit: „Ich hab nur mal kurz eine Frage.“ Sie bemerkte den Scherz gar nicht und entgegnete: „Gut, erst du, dann ich.“ Alles wie gehabt. Irgendwie. Nur: Wo is'n eigentlich die Eva? Der Tod kann so ein verdammtes Arschloch sein. Es wird wieder etwas weniger bunt, etwas weniger quirlig, etwas weniger warm. Eva ist nicht mehr da. Einfach so. „Ich möchte am liebsten von einem Tag auf den anderen gehen, ohne dass ich es merke.“, sagte sie mir, als sie über den Verlust ihrer Mutter sprach. „Ich auch.“, meinte ich. Ja, wer denn nicht? Aber doch nicht jetzt. Eva Kyselka wird in unzählbar vielen Herzen bleiben, dieser Platz ist ihr mehr als gewiss. Da ist sie nun und da bleibt sie auch, die Eva, unsere Eva ...
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