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"Über's Meer" TRANSIT BuschFunk 4. Januar 2011 1. Das Meer ist ganz anders |
Die Geschichte der Gruppe Transit ist schnell erzählt: Ende 1973 gründeten Egon Linde und Siggi Scholz die Kapelle. Aus Willkür wurde der Band im Jahre 1983 - nach Veröffentlichung zweier Singles und einer LP - von oben der Hahn zugedreht. Dabei konnte Transit für die Ungnade der Kulturoberen gar nichts. Sie bedienten eigentlich nur die Nachfrage im eigenen Land mit "Lindenberg-nahen" Songs und Coverversionen. Nach Veröffentlichung von Lindenbergs Single "Sonderzug nach Pankow" im Jahre 1983 und seiner "Beförderung" zur Unperson wurden auch gleich die Musiker von Transit mit rasiert. Linde und Scholz spielten bis zur Wende noch als Duo unter dem Namen Transit weiter, aber neue Plattenveröffentlichungen gab's keine, während Lindenberg längst wieder gelitten und in der DDR aufgetreten war. Dabei hätte es Material dafür gegeben, denn z.B. die "Störtebeker Suite" war schon längst eingespielt und veröffentlichungsreif. Es darf munter spekuliert werden, wo eine Band mit der Qualität von Transit wohl gelandet wäre, wäre damals alles mit rechten Dingen und vor allem FAIR zugegangen...
Nach der Wende war Schluss - Transit löste sich komplett auf. Frontmann Egon Linde erwarb diverse Scheine, um mit Booten die Meere bereisen zu dürfen, machte in Fenstern und Wintergärten und verdiente damit seine Brötchen. Nebenher veröffentlichten verschiedene Plattenfirmen das unter der Fahne "Transit" in all den Jahren entstandene Material neu, manches sogar erstmalig ("Störtebeker Suite" erschien 1997 bei Barbarossa, "Winter an der See" im Jahre 2004 bei Choice Of Music). Doch so ganz auf die Musik verzichten wollte Linde nie. Während seiner Reisen auf den Weltmeeren hatte er Song-Ideen. Zu ausgewählten Anlässen traten er und sein Freund Siggi Scholz sogar noch als Duo auf und präsentierten Transit-Songs in kleiner Besetzung. Das blieb natürlich nicht lange unbemerkt. Es häuften sich die Anfragen bei Linde & Kollegen nach einem Bühnencomeback. Einige Veranstalter zeigten sich enttäuscht, als sie Absagen auf ihre Anfragen bekamen. Doch irgendwann wird auch der härteste Stein weich und die Musiker der Kultband von der Küste planten ihr Comeback. Im Jahre 2009 war's dann soweit und Transit feierte am 12. Juni des Jahres in Originalbesetzung auf einer Bühne in Berlin eine beeindruckende Wiederkehr.
So bewegend die Geschichte der Band ist, so bewegend ist auch das Programm auf der neuen CD "Über's Meer". Fast 29 Jahre nach Veröffentlichung der "Bernsteinhexe", der ersten und bis vor kurzem noch einzigen (regulär und direkt nach seiner Entstehung erschienenen) Transit-LP, gibt's jetzt ein ganz neues Album von Transit. Dabei bleibt sich die Band bei ihrem bevorzugten Thema, dem Meer und allem Mediterranen, treu. Nicht umsonst heißt die Platte "Über's Meer". Schon im ersten Lied "Das Meer ist ganz anders" warnen die Musiker vor falschen Träumen das Meer betreffend. Die Seemanns-Romantik wird korrigiert, indem man auf die Gefahren der See hinweist ("Wenn Stürme den Mast zum Zerbrechen biegen, dann glaube mir, träumt ein Fahrensmann kaum"). Die Flucht aus dem alltäglichen Einerlei besingen die Herren im zweiten Lied "Vorbei an Dänemark". Hier wird das Boot flott gemacht und man fährt einfach drauf los... "heraus aus der Enge - die Welt ist groß". Weiter geht's mit der Beschreibung von Erlebnissen auf großen Fahrten ("Am Kap von Sao Vicente"), einem Lied über die Veränderungen im menschlichen Leben, die mit denen der Landschaft am Meer verglichen werden ("Wandlungen") und einem Lied über Wanderdünen, die ebenfalls als Metapher für das Leben stehen. Aber auch ein Lied mit geschichtlichem bzw. sagenhaftem Inhalt, wie einst die "Bernsteinhexe" oder das "Hildebrandslied", findet sich auf der Scheibe. "Vineta" erzählt über eine versunkene Stadt, die alle "hundert Jahr" am Ostermorgen wieder aus dem Meer aufsteigt.
Musikalisch verpackt sind die Geschichten und Botschaften in feinstem Deutschrock. Das war auch nicht anders zu erwarten, denn das Feuerwerk, das die Herren bisher auf der Bühne abgefackelt haben, ließ bereits erahnen, dass es sich bei der Musik auf der neuen Platte nicht um seichtes Poptrallalla handeln würde. Handwerklich einwandfrei servierte Rocksongs mit Tiefgang und Seele. Da ließ sich auch die Plattenfirma nicht lumpen und steckte die spannenden Neuproduktionen in eine ansprechende Verpackung. Als CD Picture (mit Bild bedruckte CD-Labelseite), mit fernweh erzeugendem Frontcover und ausführlichem Booklet steht "Über's Meer" nun in den Läden. Ein echter Blickfang! Im Büchlein zur CD finden sich alle Texte wieder und am Ende sogar ein Interview mit Egon Linde über die Bandgeschichte.
Das Fazit fällt äußerst positiv aus: Willkommen zurück, Transit! Nach sehr beeindruckenden Bühnen-Shows in den letzten 1 1/2 Jahren folgte nun auch das Album-Comeback einer Band, die heute so klingt als hätte es die letzten 25 oder 30 Jahre gar nicht gegeben. Nahtlos knüpfen Linde & Co an alte Erfolge an. Transit steckt voller Saft, Kraft und Ideen, und die Musiker zeigen anderen Bands, die jahrelang ständig nur von neuen Produktionen fabulieren und am Ende die Fans mit seichter Kost mehr enttäuschen als für ihr langes Warten belohnen, wo der Frosch die Locken hat. So hat ein amtliches Rockalbum zu klingen und so kann man sich selbst treu bleiben und trotzdem modern und ansprechend klingen. Jetzt müssen nur noch die Schnarchnasen in den Radiostationen mitspielen und sich mal trauen, die neue Platte auch einzusetzen. Es wird sicher keine Radioanlage in Tausend Teile zerspringen, wenn mal eine gut gespielte Rockgitarre und druckvolle Bassläufe zu hören sind...
(Christian Reder)
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