Stoppok: "Teufelsküche" (Album)

lp32 20240321 1435479408VÖ: 09.02.2024; Label: Glitterhouse Records/Indigo; Katalognummer: CD252332; Musiker: Stefan Stoppok (Gesang, Gitarren, Schlagzeug, Bouzouki), Reggie Worthy (Bass, Gesang), Sebel (Schlagzeug, Hammond, Orgel); Gäste: Alin Coen, Cäthe, Olli Schulz, Ringelstetter, Martin Bechler (Gesang), Anne de Wolff, Iris Romen, Stefanie Hempel, Lea Saalfeld, Jon Flemming Olsen, Jessica Tadday, Tobias Tadday, Fabian Reinsberg (Chor), Sönke Reich, Kallas, Leo Lazar, Jürgen Spiegel (Schlagzeug), Johnny Johnson (Posaune); Bemerkung: Dieses Album ist auf CD und Schallplatte erschienen;

Titel:
"In Teufelsküche brennt noch Licht", "Wer Du wirklich bist (feat. Cäthe)", "Hier gibts nix zu seh'n (feat. Olli Schulz)", "Klugscheißeralarm", "Vom Tod kein Wort", "Nicht das was ich brauch", "Wir pfeifen (feat. Ringlstetter, Fortuna Ehrenfeld)", "Krude Gedanken", "Kommt mal alle wieder runter", "Im Wartesaal zum großen Glück (feat. Alin Coen)", "Wo man hingehört"


Rezension:


Die Faszination Stoppok bzw. die für seine Musik kommt noch aus einer Zeit, in der man einzelne Lieder in sogenannten Plattenläden kaufen gehen musste. Man ging in so ein stationäres Geschäft in der Stadt, legte sechs Mark auf den Tisch des Hauses und erwarb dafür eine 7 Zoll große Schallplatte mit einem Song auf der A- und einem weiteren auf der B-Seite. Bei der Masse an geilen Liedern, die damals Woche für Woche erschienen sind, ging das natürlich ins Geld und man musste mit Bedacht auswählen, welche man sich davon für sein Taschengeld kaufte. Meine Kohle ging damals für schwarze Scheiben von OMD, Mike Oldfield, Herwig Mitteregger und Karat drauf. Das war die Anfangszeit von Stoppok und ich tatsächlich noch in einem Alter, in dem man Taschengeld bekam. Und dies war in der Mitte eines Monats schon auf einen Betrag zusammengeschrumpft, der es mir nur noch erlaubte, zwei Mal am Rädchen des Kaugummiautomaten zu drehen, aber keinesfalls noch eine Single kaufen zu können. So war die Begegnung mit Stoppok immer eher zufällig, dann aber sehr herzlich und aufregend. Ab und an kam mal was von ihm im Radio, dem WDR sei Dank. Darüber freute man sich, ärgerte sich aber zeitgleich auch, dass man just in dem Moment keine Leerkassette im Rekorder hatte, um die Nummer mitzuschneiden. Was waren das doch für fürchterliche und entbehrungsreiche Zeiten … damals … in den 80ern. Sie lehrte uns aber auch, Musik wertzuschätzen und seine Platten zu hüten wie den heiligen Gral. Für viele sind diese Zeiten lange vorbei, heute ist vieles digital und man kann die ganze Musikwelt für ´n schlappen Zehner haben. Damit ist allerdings auch die Wertschätzung flöten gegangen und dieser Discounter-mäßige Umgang mit Kunst hat auch für einen enormen Qualitätsverlust gesorgt. Vieles hat sich also verändert. Mein Umgang mit Musik aber nicht, und auch Stoppok nicht, der immer noch fleißig musiziert und uns mit seiner nahrhaften Musik erfreut. Wie dieser Tage auch mit der nächsten Langrille namens "Teufelsküche". Gott sei Dank fällt das Taschengeld, das man sich inzwischen selbst zahlt, heute üppiger aus als damals, so dass man jetzt gleich zuschlagen kann und nicht mehr lange vor dem Radio hocken und auf ein Wiederhören hoffen muss.

Auch auf seinem neuen Album lässt er seinem unverkennbaren Stil, große Kunst aus Worten zu kreieren und das Ergebnis mit feinster Rock- und Bluesmusik zu vereinen, freien Lauf. Wie immer bedient er sich einer leicht verständlichen Sprache, aus der er mal Wortwitz, mal Poesie formt. Sein Verzicht, Anglizismen oder bis zur Unkenntlichkeit verbogene Metaphern in seine Texte zu löten, ist eine inzwischen bei ihm liebgewonnene Konstante. Er spricht eben unsere Sprache. Und so geht die wilde Fahrt auch gleich zu Beginn mit dem Song "In Teufelsküche brennt noch Licht" und der Nachricht los, dass der Küchenchef verschwunden ist. Es muss wohl an diesen verrückten Zeiten liegen, in denen alles möglich zu sein scheint, denn er ist einfach nicht mehr da und die Spurensicherung hat auch schon die Ermittlungen aufgenommen. Eine nette und humorvolle Art damit umzugehen, dass die Welt irgendwie aus den Angeln gehoben zu sein scheint. Darüber kann man nun laut jammern, oder es wie Stoppok tun und mit viel Humor und Wortwitz der harten Realität mit einem Lächeln begegnen. Ummantelt ist dieser forensische Ausflug des gebürtigen Hamburgers mit der Erkenntnis, "Wenn selbst der Teufel nicht mehr sicher ist, dann kommt das Ende ziemlich sicherlich", in heiße Blues-Klänge mit straffem Schlagzeug-Beat und einem leicht in Fleisch und Blut übergehenden Refrain. Das bleibt hängen, das lässt sich wunderbar mitsingen … Ein feiner Einstieg ins neue Programm.
Der Song "Klugscheißeralarm" scheint dagegen irgendwie eine Fortsetzung von "Dumpfbacke" zu sein. Die Musik beider Lieder ist verwandt - sehr ähnlich. Allerdings lockte Stoppok den Kollegen Johnny Johnson in sein Studio, um diesen für die Aufnahmen zu der Nummer auf seiner Posaune spielen zu lassen. Dieses Instrument gibt der stampfenden und vor sich hin bluesenden Nummer letztlich ihr markantes Merkmal. Apropos Fortsetzung von "Dumpfbacke": Auch inhaltlich ist hier eine Verwandtschaft zu entdecken. Allerdings rechnet Stoppok in seiner neusten Schöpfung mit denen ab, die einem in allen Lebenslagen - egal ob in Sachen Politik, Ernährung, Deinem eigenen Tun und sogar Deiner eigenen Person - einen vom Pferd erzählen wollen. Also eben mit allen Dumpfbacken dieser Zeit.
Auf einen Tripp in die amerikanischen Südstaaten - zumindest musikalisch - geht es mit "Krude Gedanken" weiter, auch wenn die hier mit ins Arrangement geknetete Bouzouki da ja eigentlich nix zu suchen hat. Passt aber trotzdem wunderbar rein. Stoppok verbindet somit Welten … Im Song selbst erzählt er uns von Gedanken, die er nicht steuern kann und die "ganz allein spazieren" gehen. Gedanken, die sich immer wieder im Kreise drehen und ihn schaudern lassen. Gerade regt man sich noch darüber auf, im nächsten Moment sind sie einem dann wieder egal. Das kennen wir doch alle, wenn der Denkapparat nicht zur Ruhe kommt, oder? Wurde auch mal Zeit, dass darüber ein Song geschrieben wird … wie könnte es anders sein, ziemlich humorvoll und sachgerecht in die richtigen Töne verpackt.
Die Töne hüpfen lässt der Meister in dem Stück "Hier gibt's nix zu seh'n". Luftig und leicht tänzeln sie daher und versprühen Frohsinn, während Stoppok im Duett mit Olli Schulz darüber singt, dass es "nix zu sehen gibt". Aber was genau es hier "nicht zu sehen gibt", muss der interessierte Leser selbst erforschen. Soviel Überraschung soll beim Entdecken dieser wunderbaren Nummer schon bleiben.
In Sachen Duette hat sich Stefan Stoppok in bzw. bei seiner "Teufelsküche" auch wirklich nicht lumpen lassen. Aus seiner Hamburger Heimat lässt er nämlich auch Alin Coen ("Im Wartesaal zum großen Glück") und Cäthe ("Wer Du wirklich bist") zu Wort kommen. Unnötig zu erwähnen, dass beide in Sachen Arrangement ihren Stimmen angepasst vom Gastgeber genau richtig in Szene gesetzt wurden. Der Song mit Alin Coen, im Original aus dem Jahr 1956, kommt etwas ruhiger und zurückhaltender daher, Cäthe mit ihrer rauen und kräftigen Rock-Stimme wurde dagegen im Klang etwas schärfer und lauter auf das zuhörende Publikum losgelassen.
Überhaupt ist festzustellen, dass sich Stoppok in Sachen Musik von Album zu Album selbst verfeinert. Völlig egal, ob er nun einen Schleicher wie "Kommt mal alle wieder runter" auspackt, oder ob er wie in "Vom Tod kein Wort" die Flottikowski-Gangart einlegt, seine Songs leben und atmen eine ganz eigene Handschrift, die ihre Wurzeln im Americana, Folk und klassischem Rock hat.

"Teufelsküche" ist ein weiteres Meisterwerk von Stoppok, der nunmehr seit über 40 Jahren die Deutschrock-Szene regelmäßig mit neuer und äußerst appetitlicher Liedschmiedekunst beglückt. Wie schon erwähnt, verfeinert der Musiker mit jedem Album seinen eigenen Stil, der unverkennbar Stoppok ist. Egal ob in Sachen Testdichtung oder musikalischer Umsetzung: Es gibt hierzulande nichts Vergleichbares. So ist auch dieses neue Album ein Geschenk an einen Musikzirkus, der seit einigen Jahren zunehmend farbloser und langweiliger wird. Dass man den Krempel für 10,00 EUR im Monat als Flat immer und überall - selbst auf dem Lokus - hören kann, ist darum auch völlig in Ordnung. Aber das hier möchte genossen, über eine gute Anlage von CD oder Platte abgehört und sachgerecht abgefeiert werden. Im Nachgang am besten auch live, denn das ist bei Stoppok noch die Kirsche auf dem Sahnehäubchen … So verliert die Faszination Stoppok … oder vielmehr die seine Musik betreffend … auch nach Jahrzehnten nix von ihrer Intensität.
(Christian Reder)





Seh- und Hör-Bar:














   
   
© Deutsche Mugge (2007 - 2023)

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.