Sean Athens Band: "Time" (Album)

athens2024 20240213 2095595378VÖ: 23.02.2024; Label: Timezone Records; Katalognummer: TZ2578; Musiker: Sean Athens (Gesang, Gitarre, Bass), André Artley (Bass), Max Paroth (Orgel, Piano, Synth, Chorgesang), Felix Specht (Schlagzeug); Gäste: Thomas Blug (Gitarre), Chris Kramer (Mundharmonika), Jens Beckmann (Schlagzeug), Frank Konrad (Bass), Senta Kroll (Chorgesang), Produzent: Sean Athens; Mix/Mastering: Martin Meinschäfer; Bemerkung: vorerst nur auf CD veröffentlicht. CD im aufklappbaren Digipak ohne Booklet und somit auch ohne Abdruck der Songtexte;

Titel:
" The Ballad Of The Gone", "Let Me Tell You", "Take Me To A Better Place", "I Never Wanted To Hurt You", "Can't Bring Me Down", "Someday Baby", "When You Say Goodbye", "Breakaway", "I Want You", "Brand New Day", "Only Time", "When You Say Goodbye (Acoustic Version)"


Rezension:


Sean Athens ist ein Ausnahmemusiker, der schon in jungen Jahren ein absoluter Profi an der Gitarre war. Seinem Instrument entlockt er mit einer bemerkenswerten Mischung aus handwerklichem Geschick und großer Begeisterung für sein Arbeitsgerät die feinsten Töne. Stilistisch ist er breit aufgestellt, beherrscht die leisen wie die lauten Töne gleichermaßen gut, und hüpft mit Leichtigkeit zwischen den Bereichen Blues, Rock und Metal hin und her. Auf irgendwas festnageln kann man den Sauerländer nicht, aber seit einigen Jahren fühlt er sich dem Blues sehr nah. Man könnte aber auch sagen, dass er ein im Rock verwurzelter Weltmusiker ist, besonders wenn man auf die Liste mit den Namen blickt, für die er schon auf der Bühne und im Studio tätig war. Auf seinem Debüt-Album „Time“ lässt er nun seiner persönlichen Definition von Rock und den bis hierher gesammelten Erfahrungen freien Lauf. Als hätte sich bei ihm über die letzten Jahre eine Menge Druck aufgebaut und als wolle sich dieser nun mit einem lauten Knall entladen, prasseln in 12 Songs eine ganze Menge spannender Eindrücke und Erkenntnisse auf seine Zuhörer ein …

„The Ballad Of The Gone“ eröffnet die Reise für den abenteuerorientierten Rockmusik-Fan. Der Opener hat für wenige Sekunden schon was martialisches, wenn das den Song einleitende Schlagzeug zur Schlacht ruft. Und während alles irgendwie nach einem militärischen Einsatz riecht, weht plötzlich ein von Gary Moore inspirierter Frühlingshauch durch den Raum, denn nach wenigen Sekunden lässt Sean Athens zum ersten Mal seine Finger über die sechs Saiten seiner Klampfe flitzen. Es türmt sich nun Stück für Stück ein Klanggewitter auf, das nach knapp eineinhalb Minuten mit voller Wucht bei Dir einschlägt. Meine Fresse, was für eine Wand aus Sound, was für ein geniales Gitarrenspiel, und was für ein intensives Gefühl, das diese Nummer in einem auszulösen vermag. Athens Spiel auf der Gitarre würde sicher auch bei Joe Satriani und Slash ´ne Menge Feuchtigkeit im Auge verursachen, könnten sie diesem Klangerlebnis gerade beiwohnen. Mit dieser instrumentalen Nummer überlässt es der Musiker seinen Hörern, wie sie das Lied mit Inhalt füllen wollen, denn einen Text gibt es nicht. Der Name des Stücks gibt vor, dass es um das Vergangene geht … um etwas, das nicht mehr da, nicht mehr greifbar, nicht mehr körperlich ist. Aber für jeden von uns ist das ja etwas anderes (oder jemand). Fantastischer Song, großartiger Start in ein Album und eine ziemlich hoch gelegte Messlatte für die nächsten elf Titel, die besser kaum werden können.
Nahtlos geht das Instrumentalstück in das Lied „Let Me Tell You“ über. Nun klingt die Theorie, in der uns auf Papier nur der Einsatz von Gitarre, Bass und Schlagzeug angekündigt wird, eher wie eine Verzichtserklärung als ein Versprechen für ein opulentes Menü aus Klängen, aber da belehrt uns der junge Sauerländer hier flott eines Besseren. Ziemlich laut und verspielt musiziert sich das hier operierende Ensemble schnell in Ohr und Herzen seiner Hörer, und erstmals kommt man dann auch in den Genuss der ziemlich genialen Gesangsstimme des Hausherrn. Bisher war er ja immer der Klampfer für andere Vokal-Akrobaten, nun zeigt er endlich mal selbst, was in ihm steckt. Und das ist ´ne Menge. Ein Jon Bon Jovi kann derweil mal Bier holen fahren, denn ihm wird hier gerade flott der Rang abgelaufen. Die Nummer zieht Fäden, macht eine Menge Laune und gräbt sich tief ins Langzeitgedächtnis. Der nächste Klopper!
Den Wunsch, „an einen besseren Ort mitgenommen zu werden“, hinterlegt Athens dann mit dem Ausbruch eines weiteren rockmusikalischen Vulkans. „Take Me To A Better Place“ rappelt ordentlich los und zupft Dir munter am Ohrläppchen. Die Nummer geht schon nach wenigen Sekunden steil und zeigt einmal mehr sehr deutlich, dass sich der Musikant handwerklich hier auf hohem internationalen Niveau bewegt. Zeitlos, kraftvoll und amtlich rockend wird einem hier das still sitzen und einfach nur zuhören unmöglich gemacht.
Das komplette Gegenteil von laut ist dann „I Never Wanted To Hurt You“, das im Kuschelrockstil daher kommt und bei dem Athens zeigt, wie gekonnt man auch eine geile Stromgitarre unter einen Klammerblues löten kann. Das Stück hat seine Wurzeln in den amerikanischen Südstaaten (ein echt toller Damenchor im Hintergrund), überrascht mit appetitanregenden E-Piano-Klängen, geht mit all seinen Arrangement-Finessen tief unter die Haut und bleibt gut im Gedächtnis. Schon nach wenigen Sekunden sucht man vergeblich nach der passenden Knutsch- und Knubbel-Partnerin im Raum und ärgert sich, dass man zu dieser Tageszeit, an der man die CD rezensiert, allein daheim ist. Egal … Die Nummer verleitet einen zu allem Möglichen, macht in erster Linie aber richtig viel Spaß und reiht sich somit in das bisher gehörte Songmaterial ein.
Diese ersten vier hier näher beschriebenen Stücke stehen auch stellvertretend für den verbleibenden 2/3 Inhalt der Scheibe. Die mit Unterstützung von Chris Kramer entstandenen Stücke „Bring Me Down“ und „Breakaway“ kümmern sich dann ob ihrer flotteren Gangart wieder um die Aufrechterhaltung der Vitalwerte ihrer Hörer (ZZ Top lassen insbesondere bei zuerst genannter Nummer grüßen), während Songs wie „Someday Baby“ oder „When You Say Goodbye“ wieder im balladesken und in ruhigem Fahrwasser gleitenden Bereich zu verorten sind. Und wenn Du denkst, „jetzt hat er alles abgegrast, der liebe Sean, da kann nix Überraschendes mehr kommen“, zaubert er mal schnell mit „I Want You“ einen waschechten Blues aus dem Hut, der Deine vor dem Hören des Albums gemachten Erwartungen dann endgültig komplett auf den Kopf stellt. Du suchst Vielfalt und Abwechslung? Hier haste sie … in geballter Form! Übrigens: Die Hintergrundgeschichte zu „When You Say Goodbye“, und was der Nummer für eine persönliche Note inne wohnt, sorgt obendrein noch für weiteren Zündstoff für die eigene Gefühlswelt, denn das kann niemanden unberührt lassen.

Es macht Laune genau hinzuhören, von wem oder durch was sich Sean Athens beim Schreiben seiner Lieder hat inspirieren lassen, und noch mehr, wie wenig äußere Einflüsse in seiner Musik am Ende deutlich heraus hörbar sind. Er selbst nennt Gary Moore als jemanden, den man bei ihm heraushören kann, und an anderer Stelle denkst Du, „das könnte auch von PRINCE sein“, und noch bevor Du den Gedanken weiter verfolgen kannst, hast Du ihn auch schon wieder verworfen, weil es am Ende doch Sean Athens ist, der da spielt und singt. Und DAS ist auch das dicke Plus hinter allem: Die eigene und geniale Handschrift des Musikers, die aus den 12 Liedern auf „Time“ deutlich herauszulesen ist. Hier bedient man sich nicht an Sounds anderer Kollegen und kopiert sie plump, sondern holt sich Ideen und kreiert einen eigenen Wiedererkennungswert. Den Rhythmus im Rock (und auch in anderen Spielarten) kann niemand mehr neu erfinden, aber Athens gelingt es, gesangliche Melodielinien zu kreieren und mit Sololäufen auf der Gitarre zu verbinden, so dass er sehr wohl das „Rad neu erfunden“ hat. Zumindest sein Rad ... Das, was der Mann da treibt, wird an keiner Stelle der Platte langweilig und in jeder der 12 Songs entdeckst Du neue kreative Geistesblitze, die ein 31-jähriger in dieser Form eigentlich noch gar nicht haben kann. Für sein schmackhaftes Menü braucht er zudem auch gar nicht viele Zutaten. Zum Standard-Set aus Gitarre, Bass und Schlagzeug kommt hin und wieder noch ein besonderes Gewürz wie z.B. ein Orgelsound oder Chris Kramers Mundharmonika dazu, mehr braucht es nicht, um am Ende auf ganzer Linie zu überzeugen. Seine Lieder sind deshalb an keiner Stelle überladen, sie wirken stattdessen einladend und inspirativ.

Schon nach wenigen gehörten Tönen wird einem klar, welches Juwel sich klanglich vor einem ausbreitet. „Time“ bietet einem alles, was man braucht, und Freunde, die die Gitarre gern im Fokus haben, werden am Ende nicht um die Feststellung herum kommen, dass man so viel Farbenpracht und spannende Momente wie hier nur noch selten angeboten bekommt. Athens lässt die große Zeit der Rockmusik der 60er und 70er wieder aufleben und scheint die Philosophie tief in sich zu tragen. Dabei ist er erst viel später geboren, weshalb die alte Spielwiese durch ihn auch in frischem, satten Grün erstrahlt. Ich wünsche mir mehr Sean Athens und mehr Alben wie „Time“. Beide haben mir heute den Tag gerettet …
(Christian Reder)





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