Bajazzo: "Ten Wishes" (Album)
VÖ: 28.03.2019; Label: Eigenvertrieb; Katalognummer: ohne; Musiker: Jürgen Heckel (Gitarre, Keyboards, Percussion etc.), Falk Breitkreuz (Saxophone), Rolf Zielke (Akustisches Piano, Rhodes-Piano), Max Hughes (Bass), Christin Heddens (Schlagzeug), Topo Gioia (Percussion), Farhang Moshtagh (Kamantsche); Bemerkung: CD im aufklappbaren Pappcover - ohne Booklet;
Titel: Amazonas (Gemeinsinn) • Methenyac (Fairness) • Future Caravan (Toleranz) • Milkomeda (Respekt) • Harlequin Drive (Besonnenheit) • Zawinul (Weitsicht) • Duke (Verständigung) • July (Gerechtigkeit) • Eurasica (Vernunft) • Ten Wishes (Weisheit) |
Rezension:
Es gibt Künstler und Bands, die immer wieder Rekorde darin aufstellen wenn es darum geht, Fans auf neue Alben warten zu lassen. Kate Bush legte z.B. zwischen 1993 und 2005 eine Pause von 12 Jahren ein, bis sie mit "Aerial" wieder auftauchte. Cat Stevens zog sich 1978 nach seinem letzten Album "Back To Earth" zurück, um 18 Jahre später als Yusuf mit "An Other Cup" ein Lebenszeichen musikalischer Art zu geben. Die Gruppe BAJAZZO aus Berlin setzt dem noch eins oben drauf, denn ihr brandaktuelles Album "Ten Wishes" ist nach sage und schreibe 20 Jahren erschienen. Und da hören wir jetzt mal rein ...
Beim Jubiläumskonzert der Band am 28. März in Berlin stellten BAJAZZO das neue Werk live vor. Bandchef und Komponist aller 10 Songs auf der CD, Jürgen Heckel, gab dem Publikum an Ort und Stelle auch ein paar Fakten zu diesen "10 Wünschen" an die Hand. Sie seien "sein Statement zur aktuellen Zeit und ihren Erscheinungen", sagte er und es gehe um Eigenschaften wie z.B. Gemeinsinn, Fairness, Toleranz oder Respekt, die offenkundig in unserer Gesellschaft an Bedeutung verlieren. "Es sind meine Sorgen um unsere Welt, die mich zu diesen zehn Wünschen inspiriert haben", fügte er hinzu und man könnte nun glauben, die Platte verursache bei seinen Hörern tiefe Depressionen ob ihrer Moll-Töne. Wie sonst sollte man solche Gedanken verpacken? Aber dem ist nicht so! Allein der Song, der dem Album seinen Namen gibt, sorgt für helle Momente am Tag und auch die anderen Stücke versprühen mehr Optimismus als eine Endzeitstimmung.
Für "Ten Wishes" schrieb Heckel zehn neue Songs, die die stilistische Flexibilität seiner Band sehr deutlich machen und sie damit auch fordern. Zur Seite standen Heckel bei den Aufnahmen die Musiker der aktuellen Besetzung, Falk Breitkreuz (Saxophone), Rolf Zielke (Akustisches Piano, Rhodes-Piano), Max Hughes (Bass), Christin Heddens (Schlagzeug), Topo Gioia (Percussion), sowie als Gastmusiker der Iraner Farhang Moshtagh, der bei "Future Caravan" eine in seinem Land typische Stachelgeige namens Kamantsche spielt. Jürgen Heckel selbst ist natürlich an der Gitarre zu hören, steuert dazu aber noch diverse andere Instrumente bei. Auf leichte, eingängige Melodien wurde beim Komponieren und Arrangieren verzichtet,. ohne die einzelnen Stücke dabei sperrig oder in einzelnen Augenblicken "free" werden zu lassen. Die Songs, die u.a. auch dem Smooth-Jazz zugeordnet werden können, steuern dank ihrer wunderbaren Ideen und Zusammensetzungen geschickt an den Klippen dieser Richtung vorbei, so dass sie weit weg von der Verwendung als Fahrstuhl- oder Telefonwarteschleifenhintergrundbeschallung entfernt sind. Die Musik auf dem Album spricht neben den Alt-Fans aber auch ein Publikum an, das nicht unbedingt zu den Besuchern von Jazz-Clubs und Jazz-Kellern gehört, womit wir wieder beim Thema "stilistische Flexibilität" wären.
Jedes der Stücke trägt zusätzlich zu seinem Namen in Klammern die Bedeutung bzw. die Eigenschaft, die Heckel hier besonders hervorheben möchte. So steht hinter dem Titel "Amazonas" die Eigenschaft "Gemeinsinn", hinter "Future Caravan" die Eigenschaft "Toleranz" oder hinter "Eurasica" die Eigenschaft "Vernunft". Hinter dem Album-Titel steckt die "Weisheit" als 10. Wunsch und hinter "Zawinul", womit wohl der 2007 verstorbene, österreichische Jazz-Musiker Joe Zawinul gemeint ist, die "Weitsicht". Was Heckel sich dabei gedacht hat, als er die Stücke komponierte und hinterher musikalisch umsetzte, muss sich jeder beim Anhören der CD selbst erschließen. Gerade weil es Instrumental-Musik ist, wird dem Hörer diese Aufgabe komplett selbst überlassen. Es gibt eben nur die Hinweise im Namen der Songs und die "Wünsche" in Klammern. Jedes der Stücke, egal in welche Richtung es auch gerade geht, bietet den einzelnen Instrumentalisten eine Menge Platz um sich und das eigene Können am Instrument zu zeigen. Jürgen Heckel schickt einen ein ums andere Mal in die faszinierende Welt der Gitarre, wenn er zu Ausflügen ansetzt oder sich mannschaftsdienlich im Verbund einbringt. Er und sein besonderer Stil sind ein Markenzeichen für BAJAZZO. Falk Breitkreuz kriegt ebenso reichlich Momente um seinen verschiedenen Saxophonen die wärmsten und unter die Haut fahrenden Töne zu entlocken. Das beginnt gleich beim Opener "Amazonas" und zieht sich wie ein roter Faden durch das Programm.
Die Fairness, die von Heckel im Song "Methenyiak" thematisiert wird, ist eine luftig-leichte und lockere Komposition, in der es recht zügig voran geht.
Die Toleranz im Stück "Future Caravan" fällt nicht nur durch die Hinzunahme der orientalischen Stachelgeige von Farhang Moshtagh auf, sondern auch durch den blubbernden Bass von Mark Hughes und das einmal mehr fantastisch klingende Saxophon des Herrn Breitkreuz. Dass dem ganzen Stück ein gehöriger orientalischer Einschlag inne wohnt und es mit der "Toleranz" untertitelt ist, lässt der Phantasie des Hörers wenig Spielraum, welcher Wunsch hier wohl im Vordergrund steht.
"Harlequin Drive" wiederum gleitet elegant dahin und besticht durch wunderbare Piano-Klänge und ein treibendes Schlagzeugspiel. Zur Besonnenheit, die für diesen Song die Antriebsfeder war, passt die Gangart des Stücks, bei der einzig Heckel mit seiner Gitarre und anschließend Rolf Zielke mit seinem Klavier in den Vordergrund rücken, während der Rest des Ensembles den beiden zuspielt.
Richtig entspannt wird es beim weiter oben schon erwähnten "Zawinul", das mit seinem Untertitel "Weitsicht" tatsächlich Raum für den weiten Blick lässt. In ruhigen Fahrwassern zieht das Stück seine Bahn und wieder ist es Falk Breitkreuz am Sax, der der knapp 4 1/2-minütigen Heckel-Komposition ein Sahnehäubchen aufsetzt.
Abschließend möchte ich noch den Song "Duke" erwähnen, der insgesamt eine komplett andere Richtung einschlägt. Mark Huges slappt fleißig seine vier Saiten während Rolf Zielke das Rhodes Piano herrlich in Szene setzt. Das Schlagzeug in den lauteren und die Percussions in den leiseren Momenten geben den Takt vor und treiben das Kollegium ordentlich an. Im zweiten Teil des Stücks zeigt auch Jürgen Heckel wieder, was er kann. Dieses Mal auf eine ganz andere Art und Weise - mit verzerrter Gitarre, wie einst in den 70ern, wenn es psychodelisch wurde.
Die Gruppe BAJAZZO nähert sich den von Jürgen Heckel als Instrumentals geäußerten Wünschen auf eine sehr delikate Weise, und jeder der einzelnen Musiker entdeckt dabei scheinbar seine eigenen musikalischen Stärken aufs Neue. Statt in die durch den Computer leicht zugängliche Trickkiste zu greifen, spielen auf "Ten Wishes" echte Musiker, was in jeder Sekunde deutlich zu hören ist. Da kommt ein Rhodes-Piano zum Einsatz und Falk Breitkreuz hat den kompletten Fuhrpark aus der Saxophon-Garage geholt. Der Sound ist warm, glasklar und über die Anlage gehört entfaltet die Platte einen angenehmen Druck. Jürgen Heckel und seinen Mitspielern ist klanglich wie inhaltlich ein Album gelungen, das allerhöchsten Ansprüchen gerecht wird. Da wartet man zwar nicht gerne 20 Jahre, freut sich aber über das Wiedersehen im Plattenladen umso mehr. Und wenn ABBA jetzt nicht noch um die Ecke kommt und ein neuntes Album mitbringt, bleibt BAJAZZO erstmal im Gespräch wenn es um die Rückkehr mit einem tollen Album nach vielen Jahren Studio-Abstinenz geht.
(Christian Reder)
Es gibt Künstler und Bands, die immer wieder Rekorde darin aufstellen wenn es darum geht, Fans auf neue Alben warten zu lassen. Kate Bush legte z.B. zwischen 1993 und 2005 eine Pause von 12 Jahren ein, bis sie mit "Aerial" wieder auftauchte. Cat Stevens zog sich 1978 nach seinem letzten Album "Back To Earth" zurück, um 18 Jahre später als Yusuf mit "An Other Cup" ein Lebenszeichen musikalischer Art zu geben. Die Gruppe BAJAZZO aus Berlin setzt dem noch eins oben drauf, denn ihr brandaktuelles Album "Ten Wishes" ist nach sage und schreibe 20 Jahren erschienen. Und da hören wir jetzt mal rein ...
Beim Jubiläumskonzert der Band am 28. März in Berlin stellten BAJAZZO das neue Werk live vor. Bandchef und Komponist aller 10 Songs auf der CD, Jürgen Heckel, gab dem Publikum an Ort und Stelle auch ein paar Fakten zu diesen "10 Wünschen" an die Hand. Sie seien "sein Statement zur aktuellen Zeit und ihren Erscheinungen", sagte er und es gehe um Eigenschaften wie z.B. Gemeinsinn, Fairness, Toleranz oder Respekt, die offenkundig in unserer Gesellschaft an Bedeutung verlieren. "Es sind meine Sorgen um unsere Welt, die mich zu diesen zehn Wünschen inspiriert haben", fügte er hinzu und man könnte nun glauben, die Platte verursache bei seinen Hörern tiefe Depressionen ob ihrer Moll-Töne. Wie sonst sollte man solche Gedanken verpacken? Aber dem ist nicht so! Allein der Song, der dem Album seinen Namen gibt, sorgt für helle Momente am Tag und auch die anderen Stücke versprühen mehr Optimismus als eine Endzeitstimmung.
Für "Ten Wishes" schrieb Heckel zehn neue Songs, die die stilistische Flexibilität seiner Band sehr deutlich machen und sie damit auch fordern. Zur Seite standen Heckel bei den Aufnahmen die Musiker der aktuellen Besetzung, Falk Breitkreuz (Saxophone), Rolf Zielke (Akustisches Piano, Rhodes-Piano), Max Hughes (Bass), Christin Heddens (Schlagzeug), Topo Gioia (Percussion), sowie als Gastmusiker der Iraner Farhang Moshtagh, der bei "Future Caravan" eine in seinem Land typische Stachelgeige namens Kamantsche spielt. Jürgen Heckel selbst ist natürlich an der Gitarre zu hören, steuert dazu aber noch diverse andere Instrumente bei. Auf leichte, eingängige Melodien wurde beim Komponieren und Arrangieren verzichtet,. ohne die einzelnen Stücke dabei sperrig oder in einzelnen Augenblicken "free" werden zu lassen. Die Songs, die u.a. auch dem Smooth-Jazz zugeordnet werden können, steuern dank ihrer wunderbaren Ideen und Zusammensetzungen geschickt an den Klippen dieser Richtung vorbei, so dass sie weit weg von der Verwendung als Fahrstuhl- oder Telefonwarteschleifenhintergrundbeschallung entfernt sind. Die Musik auf dem Album spricht neben den Alt-Fans aber auch ein Publikum an, das nicht unbedingt zu den Besuchern von Jazz-Clubs und Jazz-Kellern gehört, womit wir wieder beim Thema "stilistische Flexibilität" wären.
Jedes der Stücke trägt zusätzlich zu seinem Namen in Klammern die Bedeutung bzw. die Eigenschaft, die Heckel hier besonders hervorheben möchte. So steht hinter dem Titel "Amazonas" die Eigenschaft "Gemeinsinn", hinter "Future Caravan" die Eigenschaft "Toleranz" oder hinter "Eurasica" die Eigenschaft "Vernunft". Hinter dem Album-Titel steckt die "Weisheit" als 10. Wunsch und hinter "Zawinul", womit wohl der 2007 verstorbene, österreichische Jazz-Musiker Joe Zawinul gemeint ist, die "Weitsicht". Was Heckel sich dabei gedacht hat, als er die Stücke komponierte und hinterher musikalisch umsetzte, muss sich jeder beim Anhören der CD selbst erschließen. Gerade weil es Instrumental-Musik ist, wird dem Hörer diese Aufgabe komplett selbst überlassen. Es gibt eben nur die Hinweise im Namen der Songs und die "Wünsche" in Klammern. Jedes der Stücke, egal in welche Richtung es auch gerade geht, bietet den einzelnen Instrumentalisten eine Menge Platz um sich und das eigene Können am Instrument zu zeigen. Jürgen Heckel schickt einen ein ums andere Mal in die faszinierende Welt der Gitarre, wenn er zu Ausflügen ansetzt oder sich mannschaftsdienlich im Verbund einbringt. Er und sein besonderer Stil sind ein Markenzeichen für BAJAZZO. Falk Breitkreuz kriegt ebenso reichlich Momente um seinen verschiedenen Saxophonen die wärmsten und unter die Haut fahrenden Töne zu entlocken. Das beginnt gleich beim Opener "Amazonas" und zieht sich wie ein roter Faden durch das Programm.
Die Fairness, die von Heckel im Song "Methenyiak" thematisiert wird, ist eine luftig-leichte und lockere Komposition, in der es recht zügig voran geht.
Die Toleranz im Stück "Future Caravan" fällt nicht nur durch die Hinzunahme der orientalischen Stachelgeige von Farhang Moshtagh auf, sondern auch durch den blubbernden Bass von Mark Hughes und das einmal mehr fantastisch klingende Saxophon des Herrn Breitkreuz. Dass dem ganzen Stück ein gehöriger orientalischer Einschlag inne wohnt und es mit der "Toleranz" untertitelt ist, lässt der Phantasie des Hörers wenig Spielraum, welcher Wunsch hier wohl im Vordergrund steht.
"Harlequin Drive" wiederum gleitet elegant dahin und besticht durch wunderbare Piano-Klänge und ein treibendes Schlagzeugspiel. Zur Besonnenheit, die für diesen Song die Antriebsfeder war, passt die Gangart des Stücks, bei der einzig Heckel mit seiner Gitarre und anschließend Rolf Zielke mit seinem Klavier in den Vordergrund rücken, während der Rest des Ensembles den beiden zuspielt.
Richtig entspannt wird es beim weiter oben schon erwähnten "Zawinul", das mit seinem Untertitel "Weitsicht" tatsächlich Raum für den weiten Blick lässt. In ruhigen Fahrwassern zieht das Stück seine Bahn und wieder ist es Falk Breitkreuz am Sax, der der knapp 4 1/2-minütigen Heckel-Komposition ein Sahnehäubchen aufsetzt.
Abschließend möchte ich noch den Song "Duke" erwähnen, der insgesamt eine komplett andere Richtung einschlägt. Mark Huges slappt fleißig seine vier Saiten während Rolf Zielke das Rhodes Piano herrlich in Szene setzt. Das Schlagzeug in den lauteren und die Percussions in den leiseren Momenten geben den Takt vor und treiben das Kollegium ordentlich an. Im zweiten Teil des Stücks zeigt auch Jürgen Heckel wieder, was er kann. Dieses Mal auf eine ganz andere Art und Weise - mit verzerrter Gitarre, wie einst in den 70ern, wenn es psychodelisch wurde.
Die Gruppe BAJAZZO nähert sich den von Jürgen Heckel als Instrumentals geäußerten Wünschen auf eine sehr delikate Weise, und jeder der einzelnen Musiker entdeckt dabei scheinbar seine eigenen musikalischen Stärken aufs Neue. Statt in die durch den Computer leicht zugängliche Trickkiste zu greifen, spielen auf "Ten Wishes" echte Musiker, was in jeder Sekunde deutlich zu hören ist. Da kommt ein Rhodes-Piano zum Einsatz und Falk Breitkreuz hat den kompletten Fuhrpark aus der Saxophon-Garage geholt. Der Sound ist warm, glasklar und über die Anlage gehört entfaltet die Platte einen angenehmen Druck. Jürgen Heckel und seinen Mitspielern ist klanglich wie inhaltlich ein Album gelungen, das allerhöchsten Ansprüchen gerecht wird. Da wartet man zwar nicht gerne 20 Jahre, freut sich aber über das Wiedersehen im Plattenladen umso mehr. Und wenn ABBA jetzt nicht noch um die Ecke kommt und ein neuntes Album mitbringt, bleibt BAJAZZO erstmal im Gespräch wenn es um die Rückkehr mit einem tollen Album nach vielen Jahren Studio-Abstinenz geht.
(Christian Reder)