Scharfschwerdts Neuland: "Made in Europe" (Album)
VÖ: 20.09.2019; Label: Buschfunk; Katalognummer: 4021934935929; Musiker: Hans "Die Geige" Wintoch (Gesang, Geige), Sylvia Eulitz (Cello), Thomas Glatzer (Gitarre, Bass, Keyboard, Gesang), Klaus Scharfschwerdt (Schlagzeug, Gesang); Bemerkung: Ausschließlich auf CD erschienen. CD im aufklappbaren Digipak inkl. Booklet mit Abdruck der Songtexte;
Titel: Pegasus • Was dann? • Pitch • Neuland • Shuffle • Nie mehr • LSD • Nah, so nah • Da Da Dad • Wenn die Nacht kommt • Queeny • Hoolahoop • Ghost • YYZ • Flieg mit mir |
Rezension:
Nun ist es amtlich: Keiner der Puhdys-Musiker hat nach Auflösung der Band im Jahre 2016 die Rockerrente angetreten. Nachdem Maschine schon zwei Soloalben und Quaster gleich mehrere Soloprogramme an den Start gebracht haben, Peter Meyer unermüdlich mit einer Hand voll Nachwuchsmusikern gemeinsam musizierend durch die Lande zieht und Peter Rasym gleiches mit der Gruppe LIFT tut, lässt nun auch Klaus Scharfschwerdt seinen Ankündigungen aus dem letzten Jahr Taten folgen und meldet sich mit seiner Band Scharfschwerdts Neuland und mit was Zählbarem zurück. "Bares für Rares" am Nachmittag und die Pflege des eigenen Gartens in der Zeit drum herum reichten dem Schlagzeuger nicht, weshalb er sich mit Sylvia Eulitz, Hans "die Geige" Wintoch und Thomas Glatzer drei Gleichgesinnte suchte, um mit diesen eine musikalische Mission zu erfüllen. Der Rock'n'Roll lässt einen eben nicht los. Im Gegensatz zu unserer Kanzlerin, für die das Internet ja bekanntermaßen "Neuland" ist, ist es die Musikszene für die vier Musikanten jedenfalls nicht. Alle haben schon reichlich Erfahrungen gesammelt und sind keine Anfänger mehr. Darum steht der Begriff "Neuland" bei ihnen auch eher für eine Art Aufbruch in neue Abenteuer und das Beschreiten neuer Wege. Neues zu ergründen heißt in diesem Falle, dass nicht nur für das Berliner Quartett spannende Abenteuer anstehen und es viel zu Entdecken gibt, sondern vor allen Dingen für ihr Publikum, dass es an diesen Abenteuern und Entdeckungen teilhaben kann. Mit "Made in Europe" ist nun das erste Album dieser Band fertig und liegt hier im CD-Player ...
Bei den 15 Liedern auf dem Album stehen eindeutig die musikalischen Ideen im Vordergrund. Natürlich hat die Band um Klaus Scharfschwerdt auch inhaltlich was zu sagen. Mal geht es in den Songs um einen noch nicht verarbeiteten Bruch in der Liebe ("Pegasus"), einen Titel weiter beschäftigt man sich dann mit der Kälte innerhalb unserer Gesellschaft und den Blüten, die diese im Umgang miteinander trägt ("Was dann"), und im Verlauf der Platte werden schließlich Themen wie Zweisamkeit ("Wenn die Nacht kommt") oder Stalking ("Nah, so nah") aufgegriffen. Aber egal, um was es in den mit Text versehenen Stücken auch geht, das Ohr hängt definitiv mehr an dem, was hier aus den Kompositionen gemacht wurde. Eine Rockband, die zumindest auf der Bühne auf einen Bass verzichtet, dafür aber ein Cello und eine Geige mit im Gepäck hat, zieht automatisch die Blicke (und Ohren) auf sich.
Man hat gerade die Play-Taste seiner Anlage betätigt, da überrascht das Ensemble schon mit einer Progressive Rock-Nummer, die man so auf der CD nicht erwartet hätte. Die alles andere als entspannte Stimmung, die da in einem wühlt, wenn das Aus einer Beziehung noch immer in einem arbeitet, wird in "Pegasus" durch das Arrangement hervorragend eingefangen. Wie ein Zug in voller Fahrt rauscht die Nummer in Deinen Kopf und zum Ende hin lässt Thomas Glatzer seine Gitarren schreien und heulen. Was für ein fettes Brett gleich zu Beginn des Albums.
Besonders viel Spaß machen auch die instrumentalen Stücke, wie z.B. "Shuffle" oder "L.S.D.". Mein Favorit aber ist "Da Da Dad", dem man die Experimentierfreude, die da im Studio bzw. Proberaum beim Entstehen lassen dieses Stücks geherrscht haben muss, in jedem Ton anhört. Hier wird mit Hans' Stimme ebenso gespielt, wie mit den Möglichkeiten, die einem elektronische Hilfsmittel in der Musik bieten. Neben einer wieder mal extrem geil gespielten Gitarre von Herrn Glatzer reißt einen auch das Schlagzeugspiel von Klaus förmlich mit ... und lassen einen nicht kalt. Mit dem "Hey Hey Hey Hey"-Chor haben die Neuländer auch einen Gruß an die Gruppe SIMPLE MINDS und ihren Hit "Don't You" hinterlassen.
Nicht weniger reizvoll ist die Neuland-Hommage an die Gruppe QUEEN, die sie mit "Queeny" gesetzt hat, und mit der sie eher an die klassisch angelegten Stücke der Briten erinnert. Egal, ob es das treibende "Hoolahoop", das hymnische und zugleich mahnende "Was dann", das brettharte und krachende "Neuland" oder das aufgewühlte "Nie mehr" ist, die vier Musiker der Neuland-Brigade haben ihrer Phantasie freien Lauf gelassen und sich im reichhaltigen Angebot des Rock-Genres verschiedener Elemente bedient, um ihre Ideen und klugen Einfälle umsetzen zu können. Ist die Platte mit einer Prog-Rock-Nummer gestartet, trifft man aber im weiteren Verlauf auch auf klassischen Rock, Metal-Nummern und erdige Hardrock-Stücke. Weichgespültes Füllmaterial sucht man vergeblich. Am Ende ist dabei ein sehr abwechslungsreiches Album heraus gekommen, das auch nirgendwo anders als in der Abteilung "Rock" einzusortieren ist.
"Made in Europe" ist ein gelungenes Erstlingswerk einer Band, die sich unüberhörbar gut versteht. Die Idee, neben klassischen Instrumenten aus dem Rock-Bereich auch klassische Instrumente aus der Klassik zu stellen, ist ganz sicher keine Neue. Aber es kommt immer auf die Umsetzung solcher Ideen an. Und eben weil die drei Herren und die Dame offenbar so gut miteinander harmonieren und richtig dolle Bock auf Rock haben, ist diese Umsetzung auch sehr gut gelungen. Wenn ein Rädchen ins andere greift, kann man das hören und in diesem Fall ist jedes Lied perfekt gespielt. Kann gut sein, dass sich Leute - wie nach der Veröffentlichung der ersten Soundschnipsel im Internet - wieder an der Stimme von Hans Wintoch stoßen und ihm absprechen wollen, ein guter Sänger zu sein, aber auf diese Wortmeldungen möge sich der Geigen-Hans ein Ei pellen. Für diese Musik und diese Lieder ist er der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das ist Rock, das ist Hardrock, das ist Prog-Rock ... und Hans liefert! Wer es kuschelig, glatt poliert und für die Ohren ungefährlich haben möchte, muss ein Fach weiter zu den aktuellen CDs von KARAT, Wincent Weiss oder den Lochis greifen. Das ist schön weit weg vom Rock und ohne die Ecken und Kanten, an denen man sich als Musikfreund mit Anspruch gerne reibt. Wer aber etwas abenteuerorientiert ist und gerne noch überrascht wird, wenn er sich neue Musik anhört, dann ist er bei Scharfschwerdts Neuland genau richtig. Und die Band und ihre Musik funktionieren nur mit Hans, Sylvia, Thomas und natürlich Klaus. Würde einer fehlen, wäre es nicht das gleiche!
(Christian Reder)
Nun ist es amtlich: Keiner der Puhdys-Musiker hat nach Auflösung der Band im Jahre 2016 die Rockerrente angetreten. Nachdem Maschine schon zwei Soloalben und Quaster gleich mehrere Soloprogramme an den Start gebracht haben, Peter Meyer unermüdlich mit einer Hand voll Nachwuchsmusikern gemeinsam musizierend durch die Lande zieht und Peter Rasym gleiches mit der Gruppe LIFT tut, lässt nun auch Klaus Scharfschwerdt seinen Ankündigungen aus dem letzten Jahr Taten folgen und meldet sich mit seiner Band Scharfschwerdts Neuland und mit was Zählbarem zurück. "Bares für Rares" am Nachmittag und die Pflege des eigenen Gartens in der Zeit drum herum reichten dem Schlagzeuger nicht, weshalb er sich mit Sylvia Eulitz, Hans "die Geige" Wintoch und Thomas Glatzer drei Gleichgesinnte suchte, um mit diesen eine musikalische Mission zu erfüllen. Der Rock'n'Roll lässt einen eben nicht los. Im Gegensatz zu unserer Kanzlerin, für die das Internet ja bekanntermaßen "Neuland" ist, ist es die Musikszene für die vier Musikanten jedenfalls nicht. Alle haben schon reichlich Erfahrungen gesammelt und sind keine Anfänger mehr. Darum steht der Begriff "Neuland" bei ihnen auch eher für eine Art Aufbruch in neue Abenteuer und das Beschreiten neuer Wege. Neues zu ergründen heißt in diesem Falle, dass nicht nur für das Berliner Quartett spannende Abenteuer anstehen und es viel zu Entdecken gibt, sondern vor allen Dingen für ihr Publikum, dass es an diesen Abenteuern und Entdeckungen teilhaben kann. Mit "Made in Europe" ist nun das erste Album dieser Band fertig und liegt hier im CD-Player ...
Bei den 15 Liedern auf dem Album stehen eindeutig die musikalischen Ideen im Vordergrund. Natürlich hat die Band um Klaus Scharfschwerdt auch inhaltlich was zu sagen. Mal geht es in den Songs um einen noch nicht verarbeiteten Bruch in der Liebe ("Pegasus"), einen Titel weiter beschäftigt man sich dann mit der Kälte innerhalb unserer Gesellschaft und den Blüten, die diese im Umgang miteinander trägt ("Was dann"), und im Verlauf der Platte werden schließlich Themen wie Zweisamkeit ("Wenn die Nacht kommt") oder Stalking ("Nah, so nah") aufgegriffen. Aber egal, um was es in den mit Text versehenen Stücken auch geht, das Ohr hängt definitiv mehr an dem, was hier aus den Kompositionen gemacht wurde. Eine Rockband, die zumindest auf der Bühne auf einen Bass verzichtet, dafür aber ein Cello und eine Geige mit im Gepäck hat, zieht automatisch die Blicke (und Ohren) auf sich.
Man hat gerade die Play-Taste seiner Anlage betätigt, da überrascht das Ensemble schon mit einer Progressive Rock-Nummer, die man so auf der CD nicht erwartet hätte. Die alles andere als entspannte Stimmung, die da in einem wühlt, wenn das Aus einer Beziehung noch immer in einem arbeitet, wird in "Pegasus" durch das Arrangement hervorragend eingefangen. Wie ein Zug in voller Fahrt rauscht die Nummer in Deinen Kopf und zum Ende hin lässt Thomas Glatzer seine Gitarren schreien und heulen. Was für ein fettes Brett gleich zu Beginn des Albums.
Besonders viel Spaß machen auch die instrumentalen Stücke, wie z.B. "Shuffle" oder "L.S.D.". Mein Favorit aber ist "Da Da Dad", dem man die Experimentierfreude, die da im Studio bzw. Proberaum beim Entstehen lassen dieses Stücks geherrscht haben muss, in jedem Ton anhört. Hier wird mit Hans' Stimme ebenso gespielt, wie mit den Möglichkeiten, die einem elektronische Hilfsmittel in der Musik bieten. Neben einer wieder mal extrem geil gespielten Gitarre von Herrn Glatzer reißt einen auch das Schlagzeugspiel von Klaus förmlich mit ... und lassen einen nicht kalt. Mit dem "Hey Hey Hey Hey"-Chor haben die Neuländer auch einen Gruß an die Gruppe SIMPLE MINDS und ihren Hit "Don't You" hinterlassen.
Nicht weniger reizvoll ist die Neuland-Hommage an die Gruppe QUEEN, die sie mit "Queeny" gesetzt hat, und mit der sie eher an die klassisch angelegten Stücke der Briten erinnert. Egal, ob es das treibende "Hoolahoop", das hymnische und zugleich mahnende "Was dann", das brettharte und krachende "Neuland" oder das aufgewühlte "Nie mehr" ist, die vier Musiker der Neuland-Brigade haben ihrer Phantasie freien Lauf gelassen und sich im reichhaltigen Angebot des Rock-Genres verschiedener Elemente bedient, um ihre Ideen und klugen Einfälle umsetzen zu können. Ist die Platte mit einer Prog-Rock-Nummer gestartet, trifft man aber im weiteren Verlauf auch auf klassischen Rock, Metal-Nummern und erdige Hardrock-Stücke. Weichgespültes Füllmaterial sucht man vergeblich. Am Ende ist dabei ein sehr abwechslungsreiches Album heraus gekommen, das auch nirgendwo anders als in der Abteilung "Rock" einzusortieren ist.
"Made in Europe" ist ein gelungenes Erstlingswerk einer Band, die sich unüberhörbar gut versteht. Die Idee, neben klassischen Instrumenten aus dem Rock-Bereich auch klassische Instrumente aus der Klassik zu stellen, ist ganz sicher keine Neue. Aber es kommt immer auf die Umsetzung solcher Ideen an. Und eben weil die drei Herren und die Dame offenbar so gut miteinander harmonieren und richtig dolle Bock auf Rock haben, ist diese Umsetzung auch sehr gut gelungen. Wenn ein Rädchen ins andere greift, kann man das hören und in diesem Fall ist jedes Lied perfekt gespielt. Kann gut sein, dass sich Leute - wie nach der Veröffentlichung der ersten Soundschnipsel im Internet - wieder an der Stimme von Hans Wintoch stoßen und ihm absprechen wollen, ein guter Sänger zu sein, aber auf diese Wortmeldungen möge sich der Geigen-Hans ein Ei pellen. Für diese Musik und diese Lieder ist er der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das ist Rock, das ist Hardrock, das ist Prog-Rock ... und Hans liefert! Wer es kuschelig, glatt poliert und für die Ohren ungefährlich haben möchte, muss ein Fach weiter zu den aktuellen CDs von KARAT, Wincent Weiss oder den Lochis greifen. Das ist schön weit weg vom Rock und ohne die Ecken und Kanten, an denen man sich als Musikfreund mit Anspruch gerne reibt. Wer aber etwas abenteuerorientiert ist und gerne noch überrascht wird, wenn er sich neue Musik anhört, dann ist er bei Scharfschwerdts Neuland genau richtig. Und die Band und ihre Musik funktionieren nur mit Hans, Sylvia, Thomas und natürlich Klaus. Würde einer fehlen, wäre es nicht das gleiche!
(Christian Reder)
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