hvg-steil-1 20141109 1894530558 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Steilklänge - Ausgesucht von Hubert von Goisern"
Diverse
Blankomusik/SONY
31. Oktober 2014

Die Titelliste findet Ihr am Ende der Rezension





Das ging ja Schlag auf Schlag. Kam erst am 24.10.2014 Hubert von Goiserns "Filmmusik" auf den Markt (Rezension siehe HIER), folgte nun eine weitere Veröffentlichung. Allerdings hat diese CD mehr dokumentarischen Charakter. Goisern grub sich durch etliche Musikarchive und stellte mit "Steilklänge" einen äußerst informativen Querschnitt durch unverfälschte alpenländische Volksmusik zusammen. Aus allen Alpenregionen (Österreich, Schweiz, Frankreich, Italien, Slowenien und Bayern). Wer "Mainstream unverdächtig" ist, hält eine große Bereicherung mit langem Nachhall in der Hand. Es soll in diesem Jahr noch eine Fortsetzung der "Steilklänge" geben. Die lange Liste mit 28 Musikstücken und einigen Klangcollagen könnte abwechslungsreicher kaum sein. Goiserns Beweggrund für diese Sammlung war, "die Prototypen dieser Musik, ihren Kern, von dem sich die Dinge später weg entwickelt haben - das Unverwechselbare, Einzigartige" zu suchen. Er beschreibt weiter, dass das erste Instrument natürlich die Stimme gewesen sei, "darum ist auch die Gesangskultur sehr ausgeprägt". Erst später hätten Instrumente wie die Zither, die Ziehharmonika oder das Alphorn den Gesang ergänzt. Gut, dann wollen wir mal in die 67 Minuten von Vol. I ausführlich hineinhören:

Mit verschiedenen Glockenklängen wie beim Almabtrieb im Herbst wird man eingestimmt. Ursprünglich sollten diese Glocken, die meist den Kühen um den Hals gehängt wurden, mit ihrem Geläut die feindlichen Dämonen auf dem Weg zum Tal vertreiben.
Mit Orgel und Bläsern wird man in einer Kirche in Heiligenblut (Kärnten) auf "O Bruader schau hin" eingestimmt.
Beim Titel Nr. 3 "Tam kjer tece bistra Zila" aus dem Gailtal in Kärnten spielen kaum erwartete Instrumente wie "Low Whistle" und ein Dudelsack prägente Rollen. Eine fast schon exotische Mischung, die faszinierend ist! Die "Low Whistle" ähnelt einer Flöte und wird meist aus Metall, aber auch anderen Materialien gefertigt.
Aus dem Piemont in Italien erklingt "La tempesta" im Walzerrythmus, während bei "Drei Almschroa" der Sologesang dominiert. Man kann sich die oft mundartlichen Titel natürlich nicht merken, dennoch müssen sie der Zuordnung wegen genannt werden, wie "Nume nöd gschspraengt" aus der Schweiz, ein Titel mit der Zither als Soloinstrument.
Aus dem Aostatal erklingt "Monferrina di-z-Alpeun", zünftig und beschwingt. Man fühlt sich unwillkürlich auf die irische Insel "A la Lord oft the Dance" versetzt und glaubt, Stepptanz zu hören. Allerdings mit schweren, klobigen Bergstiefeln.
Die Nr. 8 "Der Küahsuacher" (Kühe Sucher) von Heli Gebauer aus der Ramsau am Dachsteingebirge ist astreiner Jodelgesang.
Aus Slowenien kommt der "Kampl Dixie" in unsere Stube, ein lustiger Beitrag mit vielen Frauenstimmen.
Der Titel "Die Nazibruat, ins Etschland eingebrochen" ließ mich zunächst stutzen. Einen alpenländischen Protestsong aus dem Passeiertal in Italien hätte ich wirklich nicht erwartet. Hubert von Goisern schreibt dazu: "Auch aus der NS-Zeit gibt es viel Material, weil man damals solches Kulturgut besonders gut und flächendeckend erfassen wollte." (Anm.: Im Archiv des Volksliedwerks). Auf die Frage, warum er die Nazi-Brut in die CD aufgenommen habe, entgegnete Goisern: "Ja, das gehört dazu. Es wird ja von den Städtern oft so dargestellt, als ob die Gebirgler der Kern des Nazitums wären. Aber auch hier gab und gibt ein Sowohl als Auch."
"Kurzum" ist wirklich mit 0:44 Min. sehr kurz geraten und macht dem Titel Ehre. Es ist ein Beispiel, wie sich ein "Stimmhorn" anhört und gespielt wird. Ich kenne das Stimmhorn allerdings nur als Handwerkszeug des Orgelbauers zum Stimmen von offenen Metallpfeifen.
Weiblichen Gesang aus der Lombardei (Italien) hört man bei "Preparem di un letto".
Nun folgt aus der Heimat von Hubert aus Bad Goisern im Salzkammergut der ‚Goiserer Viergesang' mit dem feierlichen "Kuahmelcher Jodler" (Kühmelker-Jodler). Es gibt nur wenig überlieferte, vor allem unverfälschte Volksmusik aus dem Rhonetal in Frankreich. Ein Beispiel ist das mit Sologeige intonierte Instrumentalstück "Las filhas de la San-Marti alla ve la fon Jeanneton".
Ein sehr interessantes Stück ist "Sancta Maria", in lateinischer Sprache in Friaul (Italien) aufgenommener Kirchengesang.
Außerst originell umsummt uns "Die Mücke" in einer live aufgenommenen Version mit der "Maultrommel". Lt. Wikipedia ist es ein Musikinstrument mit "durchschlagender Zunge". "Eine manuell angeregte elastische Zunge schwingt durch die geöffneten Zahnreihen in den Mundhohlraum des Spielers und wird dort durch Änderung der Größe der Mundhöhle und durch die Atmung klanglich verändert." Jedenfalls hört man dünne und dicke Mücken entsprechend klanglich verändert durch den Raum fliegen. Köstlich!
Nach einer akustischen Schafwanderung kommt noch das Volksmusikensemble Burggen aus Bayern , eines aus Katice in Slowenien mit "Da pa canyn", und ein Alphornquartett aus der Heimat des Alphorns, dem Berneroberland in der Schweiz über die Lautsprecher.
Was ist ein "Gstanzl", werden sich manche fragen? Das ist eine bayerisch-österreichische Liedform, die als Spottgesang angelegt ist, meist im Drei-Viertel-Takt als Vierzeiler gesungen wird. Meister waren darin u.a. die "Biermösl Blosn".
Hier singt aber der legendäre "Kraudn Sepp" ein paar seiner Gstanzln. Den Glanzpunkt setzt Hubert von Goisern genau wie auf der "Filmmusik" wieder mit seinem "Juchitzer (mit Sabine Kapfinger und ihm).

Wer sich für die echte Volksmusik interessiert, hat hier eine vielseitige Fundgrube vor sich. Eine musikalische Exkursion durch alle Ausläufer der Alpen. Wer nicht genug bekommt, wartet einfach auf die Fortsetzung ...
(Gerd Müller)


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