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"Coole Zeid" Zither-Manä Ziro Records 13. September 2013 1. Coole Zeid 2. Come On In My Kitchen 3. Frauen über Männer (live) 4. Faschingsnacht 5. Es dunkelt schon wieder in Deutschland 6. Die Wüste lebt 7. Andreas Trischberger 8. Manäs Harp Blues 9. The Mary Of The Wild Moor 10. Ja, in Bayern wohnt die Freiheit 11. Fields Of Athenry 12. Beamtenstilblüten (live) 13. Eröffnungshymne 14. Schaftlacher Landler 15. Zither-Rock 16. Cry To Me 17. Adventsblues 18. Nimm mi mit 19. Konzert C-Dur (live) 20. Waltzing Mathilda (live) |
Als ich diese CD in die Hand bekam, war ich erst einmal recht skeptisch. Zither Manä - Album "Coole Zeid" ... Das klingt recht stark nach Volksmusik, dachte ich. Mehr noch, irgendwie nach Mainstreamvolksmusik, Möchtegernkunst und Ähnlichem. Damit wir uns nicht falsch verstehen: traditionelle Musik, auch und gerade mit traditionellen Instrumenten gespielt und in Mundart, kann wirklich richtig gut sein, ist aber mindestens genauso oft eher Lärm als Musik. Wenn ich dann an Zither und bayrischen Dialekt oder Dudelsack und Plattdeutsch und ähnliches denke, kommt mir eine Flut von aktuellen Produktionen in den Sinn, die bei mir alles andere als Entzücken hervorrufen. Beim Album "Coole Zeid" stellte mich also auf sowas wie das Harry-Lime-Thema aus "Der dritte Mann", vielleicht sogar mit einem Jodler oder ähnlichen Stilmitteln angereichert, ein. Ich staunte nicht schlecht, wie weit das, was es auf dem Album zu hören gibt, von meinem Klischee abweicht.
Kaum klingen die ersten Töne des Titelsongs "Coole Zeid" wird klar: Das ist musikalisch ganz starker, lupenreiner Rhythm & Blues. Daran haben zwar vor allem auch die Musiker, die Manfred Zick alias Zither Manä begleiten, einen riesigen Anteil. Denn von der typischen Zither hört man nur eingangs etwas, bevor sie hinter den super zusammenspielenden Instrumenten der Band (Mundharmonika: Ferdl Eichner | Gitarre: Frank Schimann | Schlagzeug: Thomas Bittner) zu verschwinden scheint. Man hört sie erst wieder in der Schlusssequenz des Songs, wo sie dann doch irgendwie nach dem "dritten Mann" klingt. Doch schon in diesen kurzen Passagen wirkt die Zither originell und ist nicht nur "zu verkraften".
Was den Gesang angeht, so ist Zick unüberhörbar Bayer. Doch nicht nur wegen der unverkennbaren Sprachfärbung sollte man genau hinhören. Trotz des bayrischen Akzents sind alle Texte sehr gut zu verstehen und es lohnt vor allem wegen deren Inhalten gut zuzuhören. Diese reichen von Alltagsthemen bis zu recht scharfzüngiger Gesellschaftskritik, und sind verpackt in feinstem Blues. Nicht selten ist eine ordentliche Portion Humor dabei, die allerdings gelegentlich etwas übertrieben wirkt. So sind die beiden Sprach- und Witzpassagen ("Beamtenstilblüten" und "Frauen über Männer") auf der CD nicht wirklich nach meinem Geschmack. Das wirkt wie "fishing for compliments", auch wenn die Themen sich in Liedern auf der CD wiederfinden. Für meine Begriffe hätte Zither Manä das nicht nötig gehabt.
Darüber hinaus wird auch englisch gesungen. Auch hier hört man mitunter die landsmännische Färbung heraus. Doch das stört - mich zumindest - wenig, besonders wenn wie beim zweiten Titel "Come on in my kitchen" ein fantastisch bluesender Satzgesang zu hören ist. Je länger man zuhört, je mehr wird man mitgerissen. Zugleich kann man hören, dass die Zither, wenn man sie denn spielen kann, gar kein so exotisches oder langweiliges Instrument ist, wie man vielleicht annimmt. Und spielen kann Manfred Zick die Zither. Wenn er sein Instrument so richtig traktiert, dann kommen mir Gedanken an die amerikanische Volksmusik in den Sinn. Bei "Die Wüste lebt" kann man sich schon mal fragen, ob die amerikanische Steel Guitar und spezielle Spielweisen im Blues vielleicht bayrische Wurzeln haben könnten. Ein grandioses Stück deutschen Blues. Zudem ist es beim genaueren Hinhören interessant, wie vielfältig die verschiedenen Zithern klingen können. Wie von Zick gespielt, macht die Zither jeder Gitarre große Konkurrenz.
Natürlich gibt es auch Songs, die das Zither- und Bayernklischee für das ungeübte Ohr 100%-ig bestätigen. So kann ich mit dem Titel "Faschingsnacht" ganz und gar nichts anfangen. Auch "Andreas Trischberger" ist ein Folklorestück, aber viel ansprechender als das Stück "Faschingsnacht". Im Stück "Andreas Trischberger" wird Zither in Perfektion gespielt. Das Stück ist dadurch sehr stimmig und erinnert sehr an ein gutes altes Bänkellied. Doch es gibt weit mehr, was mir musikalisch gut gefallen hat, und das soll nicht unerwähnt bleiben. Zugegeben, ich halte die CD nicht für das ultimative Meisterwerk schlechthin oder den Überflieger der Musikszene, doch sie ist in vielerlei Hinsicht hörenswert. Nicht nur für den Fankreis des Zither Manä. Wer sich auf "Coole Zeid" einlässt, wird überrascht sein von dem, was er zu Gehör bekommt. Die CD in eine Schublade zu packen ist schlicht unmöglich. Dazu ist sie musikalisch und inhaltlich viel zu weit gefasst und abwechslungsreich. Mehrfach werden bekannte Titel aller Genres gecovert. So ist "Es dunkelt schon wieder in Deutschland" eine gekonnte, tolle Fassung des Volksliedes "Es dunkelt schon in der Heide", mit bissigem Text und einem sensationellen Übergang zum Blues. Leider ist es gesangstechnisch nicht das stärkste Stück der CD. Ein anderes tolles Cover ist "Cry to me", ein Blues von Solomon Burke, der quasi 1:1 gecovert wurde und bei dem ich mich fast bis zum Ende gefragt habe, warum das Stück auf dem Album ist. Das klärt Zick auf, indem er aus dem alten Blues einen Landler macht und darauf verweist, dass es da wirklich Parallelen gibt.
Gewissermaßen gecovert ist auch "Ja, in Bayern wohnt die Freiheit". Kaum erklingt die Melodie, die an alte, "gar traurigen Moritaten" auf einem Jahrmarkt erinnert, weiß man: Es wird gleich ein gewichtiges Thema recht locker dargeboten. Ich finde, Zick nimmt in diesem Stück die heile bayrische Welt so extrem auf die Schippe, wie in keinem anderen Lied auf dem Album. Und dazu passt seine Zither wie kein zweites Instrument. Prinzipiell ist es schön zu hören, wie er verschiedene bekannte Melodien in seine Stücke einfließen lässt. Oft nutzt er diese, um die Inhalte der jeweiligen Titel extra zu betonen. So wird mit dem Lied "Ja, in Bayern wohnt die Freiheit" die Bayernhymne verrockt. Klasse!
Noch verrückter ist das Cover eines echten Klassikers. Das "Konzert C-Dur" basiert auf dem 2. Satz (Andante) aus Mozarts Klavierkonzert Nr. 21 in C Dur. Zick entwickelt das Stück nach und nach zum Blues. Toll zu erleben, dass auch so etwas mit einer Zither gespielt werden kann, wenngleich das Werk insgesamt etwas gewöhnungsbedürftig klingt. Nicht wirklich gecovert ist hingegen "Walzing Matilda", das hier in der Zither Manä-Fassung mit einem eigenen Text versehen ist. Es hat wenig mit dem bekannten Tom Tauberts Blues zu tun. So recht weiß ich nicht, warum gerade das Stück die CD abschließt. Ein Stück, das ich mir da gut hätte vorstellen können ist "Manä's Harp Blues". Meine Güte, ist das Stück stark! Mehrere Mundis, dazu ein paar Schläge auf der großen Trommel und so etwas wie angedeutetes Beatboxing. Spätestens bei diesen Stück zeigt sich sehr deutlich, dass der Zither Manä alles, nur kein volkstümlicher Möchtegernmusiker ist! Auch wenn man hier alles, nur keine Zither hört, aber das liegt bestimmt daran, dass der Manä sein Instrument mehrfach wie eine Gitarre klingen lässt. Würde die CD nur derartige Stücke enthalten, würde ich in vorbehaltlosen Jubel ausbrechen. Aber das ist nicht der Fall. Die CD umreist musikalische ein riesiges Feld. Dadurch wirkt die CD allerdings etwas konzeptlos und wie zusammengebastelt. Man findet neben "The mary of the wild moor", das ein sehr stimmiges folkloristisches Stück ist und das vor allem durch das perfekte Zusammenspiel von Gitarre und Zither wirkt, einen Titel wie "Fields of Athenry", eine gnadenlose, vor allem sprachliche Übertreibung eines weiteren Klassikers.
Beeindruckend ist auch die "Eröffnungshymne". Hier covert der Manä ein Lied von 1905 mit einem sehr spitzen Text, für den Ludwig Thoma fünf Wochen Gefängnis bekam, und der an Aktualität nichts verloren hat. Allerdings hört man dabei ganz deutlich, dass Zick gesangstechnisch ein paar Probleme mit großen Höhen hat. Von der inhaltlichen Tiefe steht dem Thomatext der "Zither-Rock" entgegen. Das Stück beginnt als Klassiker, um dann zu einem tollen 50er Jahre Rock'n Roll zu mutieren. Dazu hat es leider einen Text, der aus der Familie "reim dich oder ich fress dich" zu stammen scheint. Musikalisch ist es allerdings perfekt, auch wenn wieder einige Passagen an große Vorbilder erinnert. Aber das hat klassischer Rock'n Roll wohl immer so an sich. Schließlich möchte ich noch auf den "Adventsblues" verweisen. Da besticht Zick noch einmal mit einem musikalisch großen Stück Blues und starken, nicht nur bayrischen Lebensbetrachtungen.
Mein Fazit: "Coole Zeid" vom Zither Manä ist eine CD, die man sich erst erhören muss. Konzeptionell ist sie mehr ein Querschnitt über die musikalischen Möglichkeiten der Zither die von Zick gekonnt, teilweise virtuos, vorgestellt werden. Neben lupenreinem Blues der Extraklasse finden sich Stücke, die ins volkstümliche und sogar in Richtung Klassik gehen. Die Texte sind größtenteils wirklich hörenswert und in ihrer Bedeutung mindestens gleichrangig der Zithermusik. "Coole Zeid" ist sicher keine alltägliche CD und auch nicht nach jedermanns Geschmack. Doch wer sich darauf einlässt, kann hochinteressante Stücke entdecken und seinen Spaß an einem tollen Instrument und einem Könner seines Metiers finden.
Es gibt offenbar noch keine Clips mit den Songs, die ich eben beschrieben habe. Dafür haben wir Zither Manäs Live-Version von PINK FLOYDs "Shine On You Crazy Diamond" am Ende dieses Beitrags eingebaut. Hier kann man sich von der klanglichen Vielfalt und den verschiedenen Einsatzmöglichkeiten einer Zither überzeugen ...
(Fred Heiduk)
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"Shine On You Crazy Diamond" (Live, 2012)