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Bericht: Mike Brettschneider
Fotos: Ariola / Pressefotos

DER GANZ NORMALE WAHNSINN im Congress Centrum Suhl
Eigentlich sollte dieses Event schon am 29. Januar 2012 stattfinden, aber auch Künstler bleiben nicht vor plötzlichen Erkrankungen, wie im konkreten Fall einer Bronchitis mit akutem Stimmverlust, verschont. Für's Publikum und für den Künstler zwar höchst ärgerlich, zeigt es aber auch, dass Musikanten - ob mehr oder weniger berühmt - Menschen sind. Menschen wie Du und ich und wir alle...

Desto größer die Freude, dass "Der ganz normale Wahnsinn" nun gestern Abend in Suhl nachgeholt wurde. Dass es sich nicht um einen reinen "Nachholtermin" für ein eigentlich als "Vorab-Konzert" zur großen Tour geplantes Konzert handelte, war dem Sänger, Pianisten und seinem ihn begleitenden Orchester anzumerken, das Publikum dankte es ihnen reichlich.

Pünktlich um 20:00 Uhr verlosch das Licht im völlig ausverkauften CCS, nur einige spärliche Scheinwerfer waren hinter dem Vorhang auszumachen, als die Stimme von Udo Jürgens erklang: "Noch 3 Minuten", eben diese Minuten, in denen jemand, der gleich die Bühne betreten und im Mittelpunkt stehen wird, wohl tatsächlich über dies und jenes nachdenkt. Völlig zu unrecht ist (war) dieser recht früh von ihm geschriebene Song bisher unbekannt, eben einer derer, die im Schatten seiner Hits stehen, erst Ende der 90er Jahre veröffentlicht wurde und dennoch die berühmte Gänsehaut garantiert.

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Das Intro neigte sich dem Ende, der Vorhang hob sich, die Zuschauer und Zuhörer sahen in hell schweifendem Scheinwerferstrahl den, wegen dem sie sich (sogar an einem Montagabend!) nach Suhl begaben: Udo Jürgens 2012 - live!

Locker tänzelnd und mit seinem ihm ganz eigenen Schalk in Mimik und Gestik setzten er und das Orchester ein und jeder im Saal spürte, da ist jemand in seinem Element: "Schenk mir einen Traum" vom aktuellen Album, das der Tour seinen Namen gab. Eine jazzige Nummer im Big-Band-Stil, wie es wohl keinen besseren Opener für einen solchen Abend geben könnte.

Einer überaus herzlichen und charmanten Begrüßung und Entschuldigung für's verspätete Konzert folgten weitere Titel vom neuen Album. "Dafür brauch' ich dich", eine Hommage an die Liebe, "Die Frau die ich nie traf", diese melancholische Erinnerung an etwas, was nie geschah. Ja, die Erinnerung an "Schlager" liegt zwar nahe, aber es ist wohl doch etwas anders. Udo erzählte zwischen den Titeln aus seiner Sicht, aus welchem Grund das Thema Liebe in Liedern, Literatur und Filmen so zahlreich verarbeitet würde. Eigentlich ganz einfach: Liebe ist das wichtigste und tiefste Gefühl, welches uns Menschen erreicht, bewegt und beschäftigt. Recht hat er, und für meinen persönlichen Geschmack hat er die große und unvergleichliche Begabung, dies dank seiner langjährigen musikalischen Karriere und sicher auch seines mittlerweile erreichten Lebensalters nicht mehr kitschig anzugehen. Seine gesungenen Gedanken in Verbindung mit (meist) großartigen Kompositionen sprechen für sich...

Damit zurück zum Konzert: Dass Udo Jürgens stets auch einen Blick auf aktuelle Gesellschaftsentwicklungen wirft und diese mit seinen Textern, vorrangig Wolfgang Hofer, auch humorvoll umsetzen kann, ist bekannt. Eines der besten Beispiele in seinem Konzert war dafür der Song "Du bist durchschaut":

Du bist durchschaut - und zwar komplett!
Bis auf die Haut und bis ins Bett!
Du wirst bespitzelt und beklaut.
Schöne, neue Welt.
Privates, das ist out,
Du bist durchschaut!

Die Welt ist eine Google, da bleibt gar nichts mehr geheim.
Ob Wohnung, Haus, ob Garten,
jeder schaut da online rein!

Am Flugplatz wirst Du eingescannt
bis hin zum großen Zeh.
Und deine Kontodaten
gibt es bald schon auf CD.
Fehlt nur noch, dass bei Facebook
Deine Leberwerte steh'n.
Na dann gute Nacht - dann ist es gescheh'n!

Egal, wo Du dich auch verkriechst,
es hilft dir keine List.
Sie finden dich per GPS,
wo du auch immer bist.
Ganz offenherzig twitterst du,
gibst alles von dir preis,
den größten Mist - den kleinsten Scheiß!

Im Publikum wurde geschunkelt, aufgrund des ausgewählten Sitzplatzes und meiner ganz persönlichen Einstellung zu Facebook und Kollegen sage ich: Udo hat recht!

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Mit "The Voices", zwei phantastischen Sängerinnen und Sängern, kam Udo zurück zu seiner Liebe für den Jazz und kombinierte Frank Sinatra's "Come Fly With Me" mit seinem eigenen Song "Flieg mit mir". Eine ganz große Nummer des Programms und damit wird es nun endlich Zeit, auch das Begleitorchester zu erwähnen: Das großartige Orchester PEPE LIENHARD, mit dem Udo Jürgens seit nunmehr 37 Jahren live unterwegs ist. Pepe Lienhard, ein ganz Großer an Saxophon, Flöte und sogar Fagott, schart eine hervorragende Mannschaft um sich herum, die seinesgleichen sucht: Ralf Hesse am Flügelhorn, Francis Coletta an der Gitarre, die äußerst bezaubernde Asya Sorshneva an der Violine und viele andere. Hervorragende Solistinnen und Solisten, die Pepe Lienhard wohl nicht umsonst für sein Orchester engagierte. Großartig!!!

Im Anschluss an diesen grandiosen Song erzählte Udo von einigen seiner geführten Gespräche mit erfolgreichen Sportlern, die er hier und da traf und ihren Zielen. Nicht die Siege sind es, die stark machen, sondern die Niederlagen und dies trifft wohl auch auf's "wahre Leben" zu. Musikalisch äußerst eindrucksvoll und perfekt wurde dies umgehend mit dem Titel "Wer nie verliert, hat den Sieg nicht verdient" vom Album "Ohne Maske" aus dem Jahr 1989 auf die Bühne transportiert und rief Begeisterungsstürme des Publikums hervor.

Den Titel, der dem aktuellen Album und auch der Tour 2012 seinen Titel gab: "Der ganz normale Wahnsinn" gab's als nächsten:

Morgens aufsteh'n - Zeitung lesen
Klimawandel, Wirtschaft krankt.
Die Parteien sind bestechlich und auf Schalke wird gezankt.
Kurse fallen, Meere steigen,
Pleitegeier greift um sich,
alle haben volle Hosen - aber ohne mich!

Nepper, Schlepper Bauernfänger,
Terror, Sex und Datenklau.
Auf der Pizza falscher Käse, Schwermetall im Kabeljau.
Die Regierung wird zum Hehler,
Werte niedrig, Preise hoch.
Doch ich singe: "Hallelujah", denn wir leben noch!

Katastrophen in den Medien:
Die Luft verdreckt, das Meer versaut.
Bei den Großen, die uns führen, niemand mehr, dem man vertraut.
Keine Gelder für die Kinder,
aber Waffen sind okay.
Alle reden nur vom Frieden und es spielt die Heilsarmee.

Das ist der ganz normale Wahnsinn,
Wahnsinn, Wahnsinn!
Was alles da so läuft, man glaubt es nicht!
Das ist der ganz normale Wahnsinn,
Wahnsinn, Wahnsinn!
Mehr nicht!

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Ein weiterer Höhepunkt: Mit auf der Videoleinwand eingespielten Szenen aus der autobiografischen TV-Produktion "Der Mann mit dem Fagott" ging Udo sichtbar darin auf, "sein" Orchester, das Orchester PEPE LIENHARD zu dirigieren. Ganz großes Kino...!!!

Pause, ein Bierchen, eine Zigarette...

Nach der Pause "Heute beginnt der Rest Deines Lebens". Und wieder überlegt und philosophiert Udo Jürgens für's Publikum ganz einfach und ruhig vor sich hin, ohne dabei eine ganz klare Aussage zu vergessen: "Heute beginnt das Leben wieder ganz neu und dies ist an jedem Tag so. Wir können wieder von vorn beginnen, alles anders machen, oder auch nicht. Die Chancen bestehen, wenn wir uns entscheiden." Zwischen "Glut und Eis", "Böse und gut" und zwischen Verstand und Herz.

"Mein Bruder ist ein Maler" - auf der Leinwand sind tolle Gemälde des Bruders von Udo Jürgens zu sehen und dennoch sind sich beide nicht sicher, wer von ihnen nun das bessere Leben führt. Was ist "besser": ein Lied oder ein Bild? Dies machte gestern die Verbindung von beiden bedeutend plastischer, berührbarer und viel weniger wichtig, weil Kunst, die Kunst ist, Menschen und ihre Sinne erfreut...

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Und das tut und tat sie! "Wenn ein Lied so wär' wie du", "Liebe lebt" führten nahtlos zu "Ich war noch niemals in New York" und somit zur berühmten von vielen ersehnten "Party-Zeit" unmittelbar vor der Bühne. Das Suhler Publikum war zunächst etwas zurückhaltend, ich jedoch versäumte die Chance auf einen Platz in erster Reihe nicht, denn ich wollte unbedingt die glänzenden und hoffentlich glücklichen Augen des agierenden Künstlers "hautnah" erleben. Ich sah sie!! Ich sah inmitten von glücklichen Konzertbesuchern und Fans einen sympathischen Udo Jürgens, der für seine Musik lebt, anderen Menschen viel Freude macht, der mir die Hand drückte und den ich für all das in irgendeiner Art und Weise "liebe" oder zumindest sehr gern mag, vor allem aber dafür danke.

Die Gassenhauer "17 Jahr, blondes Haar", "Aber bitte mit Sahne", "Was ich Dir sagen will" (dreisprachig dargeboten), "Ein ehrenwertes Haus", "Ich weiß, was ich will", "Gaby wartet im Park" sowie "Mit 66 Jahren" ließen nicht lange auf sich warten, bevor sich Udo nach dritter Verabschiedung zu seinem berühmten weißen "Bademantel-Finale" wieder auf der Bühne sehen ließ.

"Schenk mir noch eine Stunde", "Merci Cherie", "Griechischer Wein", "Liebe ohne Leiden" und seine Frage, warum er so viele Lieder geschrieben habe, wenn sie doch ohnehin nicht alle zu spielen wären...

Nicht nur der lange nicht endende Applaus an diesem Abend spricht für die Unvergleichlichkeit dieses Künstlers und seiner Melodien.
Kein Rocker, kein Popper, kein Schlagersänger. Udo Jürgens - DER Entertainer auf deutschem Terrain. Danke, lieber Udo für Deine Lieder und dieses unvergessliche Konzerterlebnis.
Allen Besuchern der kommenden Stationen der Tournee "Der ganz normale Wahnsinn" viel Freude und viel Spaß!

 


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Tourdaten:
22.03.2012 - Hannover - TUI Arena (Ersatzkonzert)
24.03.2012 - Dresden - Kulturpalast (Zusatzkonzert)
26.03.2012 - Berlin - O² World (Ersatzkonzert)
18.10.2012 - Saarbrücken - Saarlandhalle
20.10.2012 - Oberhausen - KöPi-Arena
21.10.2012 - Köln - Lanxess-Arena
23.10.2012 - Hamburg - O2 World
24.10.2012 - Bielefeld - Seidensticker-Halle
26.10.2012 - Ulm - Ratiopharm Arena
27.10.2012 - München - Olympiahalle
02.11.2012 - Fulda - Esperanto
03.11.2012 - Frankfurt - Festhalle
05.11.2012 - Münster - Halle Münsterland
06.11.2012 - Braunschweig - VW-Halle
08.11.2012 - Leipzig - Arena
10.11.2012 - Berlin - O2 World
weitere Termine und nähere Infos auf Udos Webseite

Bitte beachtet auch:
- Off. Homepage von Udo Jürgens: www.udojuergens.de
- Homepage des CCS in Suhl: www.suhl-ccs.de



   
   
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