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Ein Bericht mit Fotos von Christian Reder



"Hong Kong - Tokyo - Paris - Rom", sang Hubert Kah 1983 auf seinem Album "Ich komme". Die Gruppe TRIO RIO veröffentlichte 1985 den Song "New York - Rio - Tokyo". Große Metropolen werden da besungen, die weit auseinander liegend heute aber innerhalb kurzer Zeit gut bereisbar sind. Die ZÖLLNER haben auch so eine Reise hinter sich und könnten nun ein Lied mit dem Titel "Leipzig - Rostock - Castrop-Rauxel - Berlin" schreiben,a 20191203 1314350597 denn diese "Metropolen" hat die Band am vergangenen Wochenende bereist. Und seien wir doch mal ehrlich: dieser "Fahrplan" hört sich doch ähnlich kosmopolitisch an wie die von Herrn Kemmler und der Gruppe TRIO RIO besungenen Reise-Routen, oder? Aber dass ein entsprechendes Lied mit diesem Titel auch so harmonisch klingen würde, ist eher unwahrscheinlich, wirkt speziell der Name meiner Heimatstadt allein ja eher sperrig für Ohr und Auge. Aber gut rum- und angekommen sind sie, die Damen und Herren der ZÖLLNER. Freitags im Leipziger "Anker", samstags im Rostocker "M.A.U. Club", sonntags im Castrop-Rauxeler "Mythos" und am Montag zurück nach Berlin. Um so einen Ritt innerhalb von drei Tagen zu absolvieren, drei Shows zu spielen und dabei Kilometer im vierstelligen Bereich abzureißen, muss man schon kerngesund sein. Und so zeigten sich die Musikanten der Band am ersten Advent bei ihrem Konzert im Ruhrgebiet dann teilweise auch ...

Teilweise deshalb, weil das Berliner Ensemble auf ihrem Weg in den "Pott" ihren Bassisten auf der Strecke lassen mussten. Dieser war kurz nach dem Auftritt in Rostock erkrankt und fühlte sich nicht in der Lage, die weite Reise und das anschließende Konzert auf sich zu nehmen. Also schickte man Oliver Klemp am Sonntag kurz vor der Abreise zurück nach Berlin - zum Ausruhen und "Wieder-fit-werden" (Gute Besserung von hieraus). So wurde aus dem angekündigten ZÖLLNER-5-Konzert ein ZÖLLNER-4-Konzert, was dem Castroper Publikum dann auch gleich etwas Einzigartiges bescherte, und hier zeigte sich bereits früh am Tag die Wandlungsfähigkeit und das große Improvisationstalent dieses "ausgezeichneten Tanzorchesters", wie ich die Formation zu Beginn des Abends dem Castrop-Rauxeler Publikum ankündigte.

Vor, während und nach dem Soundcheck musste das Programm umgestellt werden. Statt eines großen Schlagzeuges standen für Stephan Salewski ein Cajon, ein paar Schüttelinstrumente, ein HiHat und ein Becken bereit. Er übernahm damit die komplette Rhythmus-Arbeit, da sein Kollege fehlte.b 20191203 2044545724 Die Setlist wurde umgestellt und mit Lieder bestückt, die man auch ohne Bass spielen konnte. Und so viel sei bereits an dieser Stelle verraten: Die Aufgabe wurde mit Bravour gelöst. Am Ende stimmten Sound und Inhalt. Da sind halt echte Profis am Werk!

Um 19:30 Uhr betraten zuerst Dirk "Scholle" Zöllner und André "Gensi" Gensicke die Bühne. "Gensi" nahm an seinem Keyboard Platz, Dirk begrüßte das Publikum und moderierte das erste Lied an. Auf den langen Autofahrten würde er seinem langjährigen Bühnenpartner André Gensicke immer aus Zeitungen oder Magazinen vorlesen, ließ er das Publikum wissen. Unlängst habe man aber nur die Tageszeitung mit den vier großen Buchstaben bekommen können, die die Schlagzeile über den Mord an einem Toilettenmann trug. Ein dazu passender und erklärender Text sei aber in der gesamten Zeitung nicht zu finden gewesen. Dies inspirierte die beiden Musiker dann, einen Song darüber zu schreiben, der "Klomann" heißt und eine Geschichte dazu erzählt. Damit starteten Die ZÖLLNER eher ruhig und nur zu Zweit in den Konzertabend. Direkt im Anschluss gesellten sich dann der gerade schon erwähnte Stephan Salewski sowie Lars Kutschke an der Stromgitarre zu "Scholle" und "Gensi", und mit dem Stück "Strohfeuer" bog die Vierer-Besetzung in einen spannenden Konzertabend mit lauten und leisen Tönen, lustigen und nachdenklich machenden Texten, sowie erstklassiger Musik, die auf diese Art und Weise wohl nur diese Band in Deutschland bieten kann, ab.

Wie eine Naturgewalt steht der Frontmann Dirk Zöllner an seinem Mikro und haut eine stimmliche Glanzleistung nach der anderen raus. Zwischen den einzelnen Liedern zeigt er sich immer wieder als charmanter Redner und Geschichtenerzähler - genauso wie er den Abend auch eröffnete.c 20191203 1862237551 Zu jedem der Lieder hat er ein paar Worte parat, so z.B. was er in der U-Bahn erlebte bevor er den Song "Wo ist der Hund" schrieb, oder warum er lange Jahre keine Blondinen mehr ansehen konnte, und nimmt das Publikum damit förmlich an die Hand, um es durch zwei Stunden Konzert zu führen. Und wirklich bei jedem Lied steht diese unverwechselbare und Dich unweigerlich packende Stimme im Raum, über die der 1962 geborene deutsche "Soul-Man" verfügt. Er schont sich beim Vortrag keinen Meter, holt oft an diesem Abend alles aus sich heraus und erntet dafür immer und immer wieder Applaus und bei denen, die ihn bis dahin noch nicht live erlebt haben, großes Staunen. Dies gelingt aber auch den anderen Musikern und insbesondere ich hab `ne Menge Spaß am links auf der Bühne sitzenden André Gensicke. Natürlich habe ich schon oft hier in Konzertberichten gelesen, wie genial der Mann auf den weißen und schwarzen Tasten mit den Fingern tanzen kann, aber das dann mal live und in Farbe zu sehen ist dann schon eine andere Sache. Allein er ist in der Lage, mit dem Tastenspiel und den verschiedenen Klangfarben seines Instruments einen ganzen Saal zu fluten. Ich kann mir jetzt - auch durch den Opener - sehr gut vorstellen, wie gut das Duo Infernale, das aus ihm und Dirk Zöllner besteht, funktioniert und dass man dabei auch ohne Rhythmus-Abteilung und anderer Verstärkung für einen erstklassigen Sound und ein mitreißendes Programm sorgen kann. Gensicke kredenzt dem Publikum im "Mythos" mehrmals auch Soli und zeigt sogar sein Talent als Sänger, wovon man immer wieder eine Kostprobe bekommt.

Auf der anderen Seite verrichtet Lars Kutschke seinen Dienst mit diversen Sechssaitern. Auch er hinterlässt bleibende Eindrücke bei den Leuten, und bei seinem Solo kurz vor der Pause beim Song "Zwei Sonnen" höre ich neben mir einen Konzertbesucher nur das Wort "geil!" hervorbringen, während er mit weit geöffneten Augen dem jungen Mann bei der Arbeit zuschaut. Diese Momente gibt es am Sonntag öfter, denn Kutschke darf immer mal wieder einen Ausflug unternehmen und sich in seinem Spiel verlieren. Aber nie soweit, dass er nicht zurück in die Gemeinschaft findet. Dies gelingt ihm immer wieder und er bereitet den Leuten im Saal und auch seinen Kollegen auf der Bühne immer wieder eine Menge Spaß. Beim Song "Benzin" hauen er und Dirk Zöllner sogar ein gemeinsames Solo raus - da bleibt Dir für einen Moment echt die Spucke weg.

Spaß steht bei dieser Band sowieso im Vordergrund. Man könnte ja meinen, eine Band sei nach einem solchen Programm, wie eben beschrieben, mit zwei absolvierten und einem gerade laufenden Konzert an drei verschiedenen Ecken des Landes platt und ausgepowert.d 20191203 2092472108 Aber wer das glaubt, kennt die ZÖLLNER nicht. Es wird gescherzt, gelacht und musikalisch Vollgas gegeben. Die Jungs sind hellwach, spielen das durch den personellen Ausfall umgestellte Set so, als hätten sie das schon 1.000 Mal gemacht und überzeugen auf ganzer Linie. Kein Anzeichen von Müdigkeit oder einer "mechanischen Routine" im Vortrag. Da ist Saft drin, das sprüht vor Energie und der Spaß von der Bühne überträgt sich auf den Bereich davor. Man macht hier reichlich Gefangene, die sich von den vier Protagonisten und ihrer Musik aber auch sehr gern gefangen nehmen lassen.

Im Programm befinden sich bekannte Lieder der ZÖLLNER, wie z.B. "Alles oder nichts", "Gut aus", "Idylle im Krieg", "Lieb sein" und das polkaeske "Wenn der Himmel mir am Arsche hängt". Die schnelleren Nummern haben allesamt die eingebaute Garantie, den Hörerinnen und Hörern ordentlich ins Bein zu fahren. Dabei kann man nicht still sitzen oder stehen bleiben und deshalb sieht man auch überall im Saal Menschen, die sich der Musik tanzend, wippend oder zumindest mit Füßen im Takt tretend hingeben. Wird es im Arrangement mal ruhig, löst das beim Hörer einen anderen Effekt aus, nämlich den, dass sich die Härchen auf den Gliedmaßen und im Nacken aufstellen, weil der Mann mit der von mir gerade schon in den höchsten Tönen gelobten Stimme auch das kann: die empfindlichen Stellen der Seele berühren.

Am Ende des Abends ist jeder im Saal kulturell gut ernährt worden. Das von den vier Musikern zubereitete Menü aus flotten und entspannt dahin gleitenden Nummern war wohl bekömmlich und wäre das Erlebte gerade nicht durch die Ohren sondern direkt in den Magen gewandert, hätte sich wohl jeder genüsslich den Bauch gerieben.e 20191203 1696063737 So aber entlud sich die Begeisterung in lang anhaltendem Applaus, der das Quartett für Zugaben nochmals nach vorn auf die Bühne zurück lockte. Im Anschluss hatten die Musiker noch Zeit für Gespräche und mit der auf 100 Exemplare limitierten Picture-Vinyl-Variante ihres gerade erschienenen Live-Albums, die es tatsächlich nur bei den Konzerten gibt, sogar noch ein besonderes Highlight für die Souvenir-Jäger und Plattensammler im Gepäck.

Danke an Scholle, Gensi, Lars und Stephan für einen ziemlich beeindruckenden und noch lange nachwirkenden Abend.



Setlist:
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Termine:
• 05.12.2019 - Berlin - Kesselhaus (komplette Band)
• 15.12.2019 - Berlin - Schlossplatztheater (Trio Infernale)
• 21.12.2019 - Berlin - Seebad Friedrichshagen (Duo Infernale)
• 22.12.2019 - Berlin - Seebad Friedrichshagen (Duo Infernale)

Alle Angaben ohne Gewähr! Nähere Infos auf der ZÖLLNER-Homepage



Bitte beachtet auch:
• Off. Homepage von Die Zöllner: www.die-zoellner.de
• Homepage des Tanzpalast Mythos in Castrop: www.restaurant-mythos.de








   
   
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