

Ein Konzertbericht mit Fotos von Thorsten Murr
Als ich nach der schier endlosen Reise mit S- und Straßenbahnen von Pankow nach Köpenick infolge eines akuten Fußleidens, irgendwie passend zum parallel stattfindenden und verpatzten ersten Spiel der "Mannschaft" bei der Fifa-WM, mit etwas Verspätung in den Hof des Rathauses Köpenick humpele, läuft die Mugge schon - aber zum Glück habe ich nur anderthalb Minuten verpasst, wie man mir sagt ...
Wuchtiger Start: Monokel
Zu Beginn erleben wir Monokel, präziser gesagt: Speiches Monokel. (Warum man an dieser Stelle etwas genauer sein muss, wissen die meisten Musikfreunde, und das soll hier auch kein Thema sein.) Es ist im Wesentlichen das Line-up, mit dem 2016 die große Jubiläumstour absolviert wurde: Basti Baur und Peter Schmidt an den Gitarren, am Schlagzeug Oli Becker und am Bass, nach einer längeren gesundheitsbedingten Abwesenheit,

Faszinierend: Ruth Hohmann
Als nächsten Gast präsentiert Gala eine zunächst etwas unscheinbare Dame, die sich aber gleich darauf zum Mittelpunkt des Geschehens macht: Ruth Hohmann, Jazz-Ikone und einst langjährige Dozentin an der Musikhochschule "Hanns Eisler", wo sie auch Gala im Gesang unterrichtete. Bei dem jazzigen Stück, das sie ihrem früheren Schüler zu Ehren vorträgt, kann sich kaum einer der Faszination ihrer einzigartigen Stimme entziehen. Wer in diesem reifen Alter noch immer eine solche unmittelbare Wirkung erzeugt, dem muss die Musik schon bei Geburt als Lebenselixier gegeben worden sein.
Die "nahen Verwandten" gratulieren
Das Line-up wechselt, die neue Formation besteht aus Kuhle und Tobi Hillig an den Gitarren, Matthias "Matze" Stolpe mit seiner Bluesharp, Steffi Breiting am Mikro sowie Christoph Frenz am Bass und "Lello" Lojewski am Schlagzeug. Mit der Szene vertraute Musikfreunde wissen, dass sich bei diesen Musikern um gewissermaßen aktuelle nahe Verwandte Galas handelt, mit denen er in den letzten Jahren zu verschiedensten Anlässen und in verschiedensten Konstellationen, etwa zu den traditionellen Rock- und Bluesnächten in Spremberg oder im vergangenen Jahr in der Lübben City Blues Connection, immer wieder zusammengespielt hat. Als Geburtstagsgruß geben sie heute ein paar rockige Bluesklassiker zum Besten - gewohnt solide und kraftvoll. Fein ausgewählt und liebenswert ist danach der Sonny-and-Cher-Hit "I Got You Babe", den Steffi und Gala als Gesangsduett vortragen. Dann wieder Umbaupause und Szenenwechsel.

Galaling heißt das nächste Lin-up, das im vergangenen Jahr mit einigen Konzerten von sich reden machte. Es ist Engerling ohne Bodi Bodag, verstärkt durch Haymo Doerk an der Gitarre und fachgerecht "gekreuzt" mit Gala als Leadsänger. Mir war es leider nicht vergönnt gewesen, dieses Projekt vorher schon einmal live zu erwischen, deshalb freue ich mich, heute eine kleine Kostprobe genießen zu können. Gespielt werden einige vertraute Engerling-Songs, die aber durch stilistische Bearbeitung - es wird locker geswingt - eine neue Interpretation erfahren und durch Galas Stimme zu eigenständigen Werken werden. So muss es sein, und auch dem Publikum gefällt das außerordentlich gut. Beim "Tagtraum" ergänzt Sören Birke das Ensemble und spielt Duduk, ein auch als "armenische Flöte" bekanntes Holzblasinstrument. Erstaunlich, was man heute alles erleben kann.
Internationales Renommee: Frank Diez
Der nächste prominente Gast ist der Gitarrist Frank Diez, gemeinhin bekannt und berühmt als Koryphäe seines Fachgebietes und als jemand, der in frühen Jahren mit Jimi Hendrix, Chuck Berry und Little Richard zusammen Sessions und Konzerte spielte und darüber hinaus in einer Reihe namhafter nationaler und internationaler Bands mitwirkte. Zum Vortrag kommt die alte Robert-Johnson-Nummer "Ramblin on My Mine", zu der er eine zauberhafte Solopassage beiträgt - gespielt auf Basti Baurs Gitarre, wie abschließend erwähnt wird, und was ich hier gerne fürs Protokoll vermerke.
Echt knorkatorisch: Stumpen
Im Folgenden kehrt Basti wieder zu seiner Gitarre zurück auf die Bühne und bringt seinen Kumpel und Knorkator-Kollegen "Stumpen" mit. Der hauptberufliche Frontmann übernimmt sofort das Kommando und hat die Leute mit einer sehr unterhaltsamen Folge frotzelnder Sprüche am Haken. Herrlich! Er wisse gar nicht, was er hier soll, denn für Blues fühle er sich noch viel zu jung, aber wenn er nun schon mal da sei, könne man ja mal ... Zusammen mit Basti Baur auf der akustischen Gitarre bringt er "All That She Wants" von Ace Of Base als Unplugged-Version zum Vortrag. Köstlich! Musikalisch passt das natürlich überhaupt nicht zum bisher dominanten Blues-Kontext, aber umso mehr Spaß macht es allen Anwesenden, zumal Stumpen, längst mit freiem Oberkörper, voll den Rockstar mimt und sich ins Zeug legt, als wäre der Rathaushof von Köpenick mindestens das Olympiastadion.

NO 55 reloaded
Was nun "noch" kommen soll, wissen alle: Mit NO 55 erleben wir heute die durchaus als sensationell zu wertende, einzigartige und - wie immer wieder betont wurde - einzige Reunion dieser Supergroup aus den Achtzigern. Eingeläutet wird das große Finale mit einer "Wall Of Harps", so würde ich es nennen, als Gala zusammen mit Joro, Matze Stolpe und dem jetzt am Keyboard sitzenden René Decker, alle mit Mundharmonika losfetzen, bevor sich dann NO 55 auf der Bühne entfaltet.
In der heutigen NO-Formation erleben wir Bernd Haucke und als Gast Nicolai Gogow, Gorros Sohn und Drummer bei Knorkator, zwischenzeitlich auch eine Weile bei Pothead beschäftigt, an den Schlagzeugen, René Decker am Keyboard, Georgi Gogow am Bass, Gisbert "Pitti" Piatkowski an der Gitarre und selbstverständlich Frank "Gala" Gahler am Gesangsmikro. Was dann abgeht, bestätigt meine Begriffswahl "Supergroup". Gleich zu Beginn der meiner Meinung nach großartigste Song, den diese Band einst hervorbracht hat: "Schlüsselkind"! Schon allein das Doppel-Drums-Kraftwerk gibt dem Stück eine unmittelbare Power, die umwerfend ist. Wirklich klasse! Wir hören einige der großen Hits, allesamt machtvoll instrumentiert, darunter "Lass sie warten" und "In der letzten Stunde des Tages", bei dem Pitti Piatkowski wie im Original den Leadgesang übernimmt. Eingebettet in den Set ein rockig gefetztes Beatles-Stück: "Come Together". Zweifellos ist dieser Auftritt der Höhepunkt dieses denkwürdigen Abends, und ich bin froh, das zu erleben.

Forever Young
Die Zugabe bringt noch einmal die meisten der heute erlebten Künstlerinnen und Künstler auf die Bühne. Gemeinsam singen sie - was hätte man sonst auch noch sagen können zu diesem wunderbaren Abend - "Forever Young". Ein sehr schöner Abschluss eines sehr schönen, überaus gelungenen Geburtstagskonzertabends, der das Publikum begeistert und, wie ich spontanen Statements entnehmen kann, auch die mitwirkenden oder einfach als Gäste anwesenden Musiker überzeugt hat.
Zünftig soll es wohl auch noch bei der After-Show-Party in Schliwas Wein-Kultur-Haus zugegangen sein. Sorry, die Teilnahme daran ist mir, angesichts eines akuten, sehr schmerzhaften Fußleidens, nicht mehr möglich gewesen. Und so bin ich sehr dankbar für die Mitfahrgelegenheit, mit der ich schließlich bis vor meine Haustür gelange ...