Interview vom 29. November 2020
Wer schon mal ein Konzert von Holly Loose besucht hat, dem wird auch der Gitarrist Stephan Klement aufgefallen sein. Dort stellt er sich in den Dienst der Sache und veredelt die Musik seines Kollegen mit seinen Künsten auf den sechs Saiten. In diesem Monat hat Stephan aber seine eigene Musik ins Rampenlicht gestellt, denn mit "Family" erschien gerade sein erstes Solo-Album (Zum Lesen der Rezension zum Album HIER klicken). Gefühle, Ideen und konkrete Vorstellungen über Sounds verpackt der Musiker dort in 12 Instrumental-Stücken. Darüber wollten wir mehr wissen und auch, wer dieser Stephan Klement eigentlich ist. Die Antworten auf diese und andere Fragen gibt es hier ...
Herzlichen Glückwunsch, Stephan, zu Deinem Solo-Album "Family". Ich habe mal ein bisschen recherchiert: Es ist Dein erstes Solo-Album, richtig?
Hallo Christian, vielen Dank! Und ja, "Family" ist mein erstes offizielles Solo-Album.
Wie kam es dazu, dass Du Dich im zarten Alter von knapp über 40 aus Projekten und Bands gelöst und Dich selbstständig gemacht hast? Wo kam die Idee zu diesem ersten Solo-Album her?
"Gelöst" ist vielleicht nicht ganz das passende Wort. Alle weiteren Projekte liefen und laufen auch immer noch parallel weiter. Fragmente und ganze Song-Ideen entstehen durchgehend und im Anfangsstadium steht fast schon immer fest, in welche Richtung es gehen wird und zu welchem Projekt es passt. Ein Solo-Album ist wahrscheinlich der Traum vieler Musiker. Darüber nachgedacht habe ich schon mit Sechzehn. Die Umsetzung erfolgte erst jetzt, weil der passende Moment gekommen war, die Muße, die innere Ausgeglichenheit und ein Konzept. Wahrscheinlich auch, weil ich noch nie so nüchtern und klar war wie in den letzten vier Jahren. Aber: an allem ist zusätzlich auch noch meine Frau schuld, die irgendwann gesagt hat, dass es Zeit wird, endlich mein Solo-Album in Angriff zu nehmen und worauf ich eigentlich noch warten würde.
Nun hört man Dich auf der CD - außer beim Song "Family" - ganz allein musizieren. Du hast also bei der Umsetzung Deiner Song-Ideen auf eine komplette Band verzichtet. Hätten die Lieder mit einem großen Arrangement nicht funktioniert?
Streckenweise hätten die Lieder bestimmt mit Band-Arrangement funktioniert. Dann wäre es jedoch kein Solo-Album mehr und darum ging es mir letztendlich: Lieder, die ich als Solo-Arrangements in bestimmten Situationen, mit ganz persönlichen Gedanken und Momenten, geschrieben habe, auch solo umzusetzen. Live lassen die Stücke Variationen zu, die in einer Band nicht funktionieren würden. Dynamikwechsel und Improvisationen zum Beispiel. Es ist einfach mein sehr persönliches Ding.
Das Album hast Du "Family" genannt. Bezieht sich das auf die Unterstützung der Familie beim Entstehungsprozess der Platte oder hat der Titel einen anderen Hintergrund?
Sowohl als auch und noch viel mehr. Es würde den Rahmen sprengen, all die Verstrickungen der Lieder in Bezug zu mir, meinem Leben, meiner Vergangenheit und Gegenwart zu entwirren. Um es kurz zu machen: Familie ist mir sehr wichtig und vielleicht hat meine eigene Familie mir das Leben gerettet, ohne dass sie sich dessen bewusst ist.
Auch das Cover wirkt "familiär" … warme und erdige Farben, dazu ein entspannter Künstler beim Schreiben von Liedern … Das hat was Vertrautes. Wer hatte die Idee dazu, Dich so zu präsentieren, und wer hat dieses schöne Cover entworfen?
Ich. Zum einen mochte ich schon immer warme, erdige Farben zum anderen war ich jahrelang als Fotograf selbstständig. Bestimmte Farben wecken bestimmte Emotionen. In Kombination mit dem Sich-zuhause-fühlen und den warmen Farben, ja - auch der Erdung, soll das tatsächlich Sinn ergeben. Manchmal entsteht ein Lied durch einzelne Fragmente, die sich entweder durch Akkordfolgen äußern oder durch Melodien, die auf einmal da sind, ohne dass man darüber nachgedacht hat. Ähnlich wie sich ein Buch aus Kapiteln zusammensetzt und später ein Ganzes und auch dann erst Sinn ergibt, habe ich manchmal das Gefühl, dass ich erst nach Jahrzehnten Sinn ergebe. Allerdings ist jedes Kapitel vorher wichtig gewesen, um an diesen Punkt zu kommen. Die Idee zu dem Cover kam mir, als ich mich gefragt habe, wie man visualisieren könnte, dass man eigentlich den ganzen Tag irgendwie nachdenkt. Über alles Mögliche. Worüber ich nachdenke. Die Schlagwörter zu den Gedanken habe ich jeweils auf ein Blatt geschrieben, die negativen weggeworfen und die positiven und für mich wichtigen an die Wand gehängt. Ursprünglich war das Foto nicht mal als Cover gedacht, die Idee dazu hatte meine Frau. Zerlegt man das Cover jetzt in seine Einzelteile, ergeben sich folgende Fragmente:
- die Gedanken und die Dinge in meinem Leben, die mich beschäftigen, als Gedankenwolke um mich herum.
- die auf der Couch liegende Gitarre, die für die Entwicklung meines eigenen Spiels entscheidend war.
- die Lakewood an der Wand, meine Hauptgitarre, die ihre eigene Geschichte hat, mir quasi in die Hand gewachsen ist und mit der ich mittlerweile alles spiele und komponiere.
- das Geweih über mir, das ich als Requisite für mein damaliges Fotostudio mit Freunden auf einem Flohmarkt gekauft habe. Dadurch, dass der Flohmarktbesuch unfassbar lustig war, steht bzw. hängt es dort symbolisch für Freundschaft.
- das Sofa, auf dem ich sitze, steht mittlerweile in meinem Studio. Es war das erste Sofa, das meine Frau und ich uns gemeinsam geholt haben, als wir zusammengezogen sind.
- ich. Weil all das zusammen meine Geschichte ergibt, die ich da gerade aufschreibe...
Du überlässt Deinen Hörern ja den Spielraum, die Lieder mit Inhalten selbst zu füllen. Wer die Musik hört, muss sich die Bilder dazu im Kopf also selbst malen. Aber vielleicht verrätst Du trotzdem zu einigen der Stücke mal, was Dir beim Schreiben da im Kopf umher ging …
Im Booklet und auf meiner Webseite gehe ich ja schon auf jedes Lied und die dazugehörige Geschichte ein wenig ein. Aber ich schneide gerne drei Lieder kurz an:
- "Family": das Titelstück. Was bedeutet Familie hier für mich? Zum einen Kontinuität, die sich in den wiederholenden Akkorden vom Anfang bis zur Mitte äußern. Zum anderen Abwechslung, dargestellt durch zwei aufeinander folgende Soli. Dass mein guter Freund Michael Diehl hier das zweite Solo spielt, bedeutet für mich, dass Freunde ebenfalls zur Familie gehören. Durch den Kopf ging mir, dass ich früher den Traum hatte, irgendwann eine Familie zu gründen. Irgendwann ist der Traum in einen langen Schlaf gefallen und erst wieder aufgewacht, als ich meine Frau kennengelernt habe.
- "Sometimes It Rains Everywhere": Kennt ihr sicherlich alle: an manchen Tagen ist alles doof. Egal wie schön das Wetter ist, ob Freunde einen aufheitern wollen und obwohl eigentlich alles okay ist, ist man einfach mit dem falschen Fuß aufgestanden und der Tag schon morgens gelaufen. Man kann sich auch selbst nicht aus dieser Suppe ziehen. Am besten bleibt man im Bett und hakt den Tag ab. Ausschlaggebend war das Gemüt meiner (Stief-)Tochter, das sich wie ein grauer Schleier über einen ganzen Tag (Woche...) gelegt hat. Ich konnte sie aufziehen wie ich wollte, nix hat funktioniert. Da passt getragenes Moll immer gut.
- "Still Awake": Mache ich alles richtig? Bin ich ein guter Mensch? Tue ich genug für die Familie? Reicht es, wenn ich einfach ich bin? Kommen wir mit dem Geld hin? Leben wir den Kindern das Leben richtig vor? Warum schmerzen ab und zu die Gelenke? Warum ist das Leben so kurz? Warum leiden so viele Menschen? Warum machen Hormone das? Wissen die Kinder, dass sie immer zu mir kommen können? Sind sie glücklich? Oder wenigstens zufrieden? …
Wie sind die einzelnen Lieder entstanden, bzw. woher kamen die Ideen dazu?
Die Grundsteine meiner eigenen Lieder entstehen eigentlich meistens ähnlich: ich schnappe mir die Gitarre und improvisiere oder übe. Je nach persönlicher Grundstimmung gehen die Improvisationen in entsprechende Richtungen. Manchmal laufen Filme vor dem geistigen Auge ab, die ich dann vertiefe. Das Spiel läuft irgendwann von ganz allein und wenn mir Stellen besonders gefallen, halte ich sie irgendwie fest. Selten schriftlich. Entweder kurz auf Video oder mit meinem Smartphone als Diktiergerät, meistens jedoch nur im Kopf. Dann baue ich daraus ein Lied, das ich bis in die Ewigkeit mit den Bildern in Verbindung bringe, die ich beim Improvisieren hatte. Wenn negative Gedanken der Grundstein waren und sich das Lied so verinnerlicht hat, dass ich beim Spielen nicht mehr nachdenken muss, verbinde ich dieses Negative mit etwas Positivem: es ist ein Teil von mir geworden, gehört dazu und ich habe es akzeptiert. Wir haben keine Rechnung mehr offen. Manchmal beschäftigt mich eine Akkord- oder Melodiefolge auch monatelang und ich komme nicht weiter. Egal, wie lange ich daran arbeite, es wird einfach nichts. Und dann, wenn ich überhaupt nicht damit rechne, schreibt es sich fast wie von selbst. Schwer zu erklären...
Wo hast Du das Album aufgenommen? Ist es bei Dir zu Hause entstanden oder bist Du dafür irgendwo in ein Studio eingezogen?
Ich habe einiges probiert: in einem Studio, im Wohnzimmer, in der Küche, im Bad... Zum Schluss sind die meisten Stücke bei mir in meinem Kellerstudio eingespielt worden. Hier stimmte für mich die Umgebung, der Spirit. Manchmal hatte ich morgens um Sieben einen Lauf, manchmal erst spät abends. Der Vorteil heute ist, dass man wirklich vieles zuhause machen kann. Wenn ich nach dem dritten Kaffee sonntags den Drang hatte einzuspielen, habe ich es einfach gemacht und war von niemandem abhängig.
Bist Du auch für den tollen Sound verantwortlich, oder hast Du einen Produzenten mit an Bord gehabt?
Mein guter Freund Michael Diehl, ein grandioser Fingerstyle Gitarrist, mit dem mich nicht nur die Musik verbindet, hat letztendlich die CD bei mir gemischt. Wir haben zwölf Stunden am Stück daran gesessen, immer wieder neu probiert und teilweise Stücke, die weniger gut aufgenommen sind genommen, weil die Dynamik besser passte und das Spiel intimer war. Man hört auch schon mal ein Klacken irgendwo und angeblich hört man bei einem Stück ganz, ganz leise Hundegebell im Hintergrund. Ich selbst höre es nicht. Aber selbst wenn: ich mag es. Es ist intimer und echter als der ganze überproduzierte Kram da draußen. Ich mag auch die Led Zeppelin-Scheiben, auf denen man noch das Quietschen der Fußmaschine von Jon Bonham hört. Würde das Quietschen auf einer neu gemasterten Version nicht mehr zu hören sein, wäre ich enttäuscht. Ich mag das Echte.
Ich kenne Dich als Gitarristen aus der Begleitband von Holly Loose. Aber wer ist Stephan Klement? Wo kommst Du her und wie hast Du zur Musik gefunden?
Gebürtig stamme ich aus dem Essener Norden. Ich habe das Glück, dass ich in einer Familie aufgewachsen bin, in der es überall Musiker und Fotografen gibt. Irgendwo findet sich immer ein Künstler, auch Maler und Bildhauer. Meine Eltern hatten neben einem Plattenspieler auch noch Tonbänder von CCR, The Beatles, Procol Harum, Leonard Cohen... ich glaube, ich könnte sie alle noch aufzählen. Die habe ich mir alle irgendwann auf Kassette überspielt und bin mit acht Jahren mit Walkman und Deep Purple im Ohr durch die Gegend gelaufen. Musik war für mich immer etwas Wertvolles. Die Künstler haben mich damals eigentlich kein bisschen interessiert. Es war die Emotion, die geweckt wurde. Dass ich begriffen habe, wie viel mehr hinter der Musik und der Person Jimi Hendrix steckt, kam erst mit Dreizehn, Vierzehn. Die Initialzündung, selbst spielen zu wollen, kam dann auf einer Feier eines Onkels von mir. Ich erinnere mich noch an eine Art Aula mit Bühne und einer Unmenge von Menschen auf einer Geburtstagsfeier. Irgendwann ging der Vorhang der Bühne auf: Schlagzeug, Bass, volles Programm. Die Musiker holten meinen Onkel auf die Bühne, drückten ihm eine weiße Strat in die Hand und sie spielten zusammen. Das hat mich umgehauen! Das wollte ich auch. Damals war ich um die acht oder neun Jahre alt.
Bist Du ein Autodidakt oder hast Du Musik gar studiert?
Bei meinen Eltern hing immer eine Wandergitarre an der Wand. Die wurde dann irgendwann meine erste Gitarre, mit der ich bei eben diesem Onkel, den ich bis heute mehr als Bruder sehe, jeden Dienstag Unterricht nahm. Mit Vierzehn zwei, drei Jahre lang. Irgendwann kam dann die erste Band und ich habe alle Musik- und Gitarrenbücher gelesen, die ich irgendwie in die Finger bekommen konnte. Damals waren Bibliotheken noch stark frequentiert. Vieles verdanke ich meinem Onkel und vieles habe ich durch Plattennadel-zurück-setzen rausgehört. Im Nachhinein denke ich, ich hätte noch mehr Unterricht nehmen müssen. Das hätte mir einiges an Zeit gespart. Heute nehme ich wieder Unterricht. Zwar eher sporadisch, aber trotzdem. Man lernt nie aus und ein Impuls von außen ist nicht zu unterschätzen.
Wer sind Deine musikalischen Vorbilder und lässt Du Dich von denen nur inspirieren, oder willst Du handwerklich so nah wie möglich an sie ran kommen?
Früher war das vielleicht mal relevant, als Teenager und vielleicht so um die Zwanzig rum noch. Jimi Hendrix, Jimmy Page, Ritchie Blackmore, später dann Eddie van Halen, Slash... die üblichen Götter halt. Dazu kamen dann Exoten, die damals in der Rock Szene wahrscheinlich niemand kannte. Baden Powell, Joe Pass, Sigi Schwab. Irgendwann kam dann Tommy Emmanuel und haute einem Klamotten um die Ohren, die mich heute noch begeistern. Nah ran kommen möchte ich eigentlich nur spielerisch, technisch. Wenn mich etwas inspiriert, sind es eher die Biografien der Musiker, ihr Weg, ihre Geschichte in Kombination mit ihren Songs. Die Persönlichkeit. Spielerisch höre ich auch lieber den alten Hasen zu als den ganzen Fuddlern, die zwar eine wahnsinnige Technik beherrschen und wirklich gut darin sind, leider aber oft überhaupt keinen Ausdruck in ihrem Spiel aufweisen. Für mich fehlt oft die Seele. Ist vergleichbar mit lesen: runter rattern oder den Zuhörer fesseln.
Seit wann bist Du in der Szene aktiv und wo hast Du schon alles Deine Spuren hinterlassen?
Kommt auf die Szene an. In der alternativen Ruhrgebiet-Szene war ich Anfang der Neunziger schon aktiv. Damals hatten wir noch eine Freunde-Band: Donkey Shot. Klingt heute wahrscheinlich ein bisschen beknackt, damals war der Name der Renner. Ab 2001 habe ich in Hessen Fuß gefasst und mit Stefan Briel "My Mind's Eye" gegründet. Ein Duo, das auch heute noch besteht. Hollys Solo Projekt startete 2017 und ich bin von Anfang an dabei.
Was bezeichnest Du für Dich persönlich als den größten Erfolg, den Du als Musiker bisher hattest?
Die innere Ruhe und das Versinken beim Spielen sowie Dank und Zuspruch der Zuhörer sind für mich wahnsinnige Erfolge, ob solo oder im Bandgefüge. Einerseits ist Musikmachen wie eine Droge, die einen danach süchtig macht, dem Alltag zu entfliehen. Andererseits verarbeite ich beim Spielen vieles aus dem Alltag und gehe mit manchen Situationen ganz anders um, als wenn ich nicht spielen würde. Wenn ich lese, dass jemand gerade ein Buch liest und mein Album hört oder nach einem stressigen Tag abschaltet, in dem er oder sie "Family" auf dem Weg nach Hause hört, dann ist das mehr, als ich mir vorstellen konnte. Gemeinsam in einer Band Songs auszuarbeiten, zu verfeinern, zu verinnerlichen und dann blind - ohne darüber nachzudenken - live zu spielen und dabei eine Symbiose einzugehen, während im Publikum Augen geschlossen werden und mitgewippt wird: was will man mehr? Natürlich war es auch grandios, mit Holly Loose das Bühnen Debüt bei den Wacken Winter Nights zu feiern. Für mich gibt es nicht "den" Erfolg. Alles zusammen ist ein großes Ganzes mit vielen kleinen und großen Erfolgen, auch durch die persönliche Auseinandersetzung mit einem selbst. Irgendeinen goldenen Otto aufm Kamin würde ich jetzt nicht als persönlichen Erfolg bezeichnen.
Ist das, was auf dem Album zu hören ist, Deine musikalische Heimat, oder kommst Du aus der Metal-. Pop- oder Indie-Ecke?
Weder noch bzw. sowohl als auch. Alles zusammen ist meine musikalische Heimat. Während ich einerseits auf der E-Gitarre rumgeknüppelt habe und über Bühnen gesprungen bin, habe ich parallel Songs von Antonio Carlos Jobim und Baden Powell geübt. Mich hat alles interessiert. Gut, Klassik eher weniger. Im Grunde ist meine musikalische Heimat die Musik an sich. Mir macht es immer noch Spaß an der E-Gitarre aufzudrehen - allerdings ohne zu springen. Die Knie... Genauso macht es Spaß einfach mit Musikern zu Jammen, ein paar Akkorde zu schrammeln, während jemand singt oder anspruchsvolle Arrangements für Akustik Gitarre zu spielen, solo oder mit Band. Wenn man es aber wirklich runterbrechen müsste, lägen meine Wurzeln im Blues, damaligen Hardrock und Punk.
Wenn der Quatsch mit dem Virus vorbei ist, wirst Du das Album dann auch live mit einer Tour präsentieren?
Klar! Geplant ist unter anderem mit Michael Diehl im April eine kleine Tour zu spielen, bei der wir zum Beispiel Dresden und Plauen besuchen. Es ist gerade nicht leicht, Termine zu bekommen, da niemand weiß, was nächstes Jahr auf uns zukommt. Davon ab sind viele Läden bis Ende des Jahres geschlossen und man erreicht kaum jemanden, um einigermaßen planen zu können. Im Juni spiele ich als Support für Reinhold Beckmann auf der Hallig Langeneß, hier im hessischen Umland sind einige kleine Gigs in Planung und mit meinen Freunden und Kollegen Michael Diehl und Peter Herrmann wollen wir eigentlich schon seit November Dreifachkonzerte geben. Bis jetzt wurden uns leider immer wieder Striche durch die Rechnungen gemacht.
Was liegt als Nächstes bei Dir an? Hast Du schon berufliche Pläne für die nahe Zukunft?
Wir sammeln und arbeiten gerade Ideen für ein drittes Album mit Holly Loose aus, mit unserem Duo My Mind's Eye werden Stefan Briel und ich endlich mal ein Album einspielen, Material für ein zweites Solo-Album habe ich genug gesammelt und es gibt da noch ein kleines Projekt, das ausgearbeitet wird. Das allerdings ist noch geheim. Ich darf aber verraten, dass ich da vorrangig E-Gitarre spiele.
Wie wirst Du Weihnachten verbringen? Allein zu zweit oder die maximale Personenzahl ausnutzend, die der Staat uns für die Feiertage erlaubt hat?
Mit meiner Frau, unseren Hunden, einer Gitarre, Büchern und was zum Schreiben in einer Holzhütte am See im Wald.
Herzlichen Glückwunsch, Stephan, zu Deinem Solo-Album "Family". Ich habe mal ein bisschen recherchiert: Es ist Dein erstes Solo-Album, richtig?
Hallo Christian, vielen Dank! Und ja, "Family" ist mein erstes offizielles Solo-Album.
Wie kam es dazu, dass Du Dich im zarten Alter von knapp über 40 aus Projekten und Bands gelöst und Dich selbstständig gemacht hast? Wo kam die Idee zu diesem ersten Solo-Album her?
"Gelöst" ist vielleicht nicht ganz das passende Wort. Alle weiteren Projekte liefen und laufen auch immer noch parallel weiter. Fragmente und ganze Song-Ideen entstehen durchgehend und im Anfangsstadium steht fast schon immer fest, in welche Richtung es gehen wird und zu welchem Projekt es passt. Ein Solo-Album ist wahrscheinlich der Traum vieler Musiker. Darüber nachgedacht habe ich schon mit Sechzehn. Die Umsetzung erfolgte erst jetzt, weil der passende Moment gekommen war, die Muße, die innere Ausgeglichenheit und ein Konzept. Wahrscheinlich auch, weil ich noch nie so nüchtern und klar war wie in den letzten vier Jahren. Aber: an allem ist zusätzlich auch noch meine Frau schuld, die irgendwann gesagt hat, dass es Zeit wird, endlich mein Solo-Album in Angriff zu nehmen und worauf ich eigentlich noch warten würde.
Nun hört man Dich auf der CD - außer beim Song "Family" - ganz allein musizieren. Du hast also bei der Umsetzung Deiner Song-Ideen auf eine komplette Band verzichtet. Hätten die Lieder mit einem großen Arrangement nicht funktioniert?
Streckenweise hätten die Lieder bestimmt mit Band-Arrangement funktioniert. Dann wäre es jedoch kein Solo-Album mehr und darum ging es mir letztendlich: Lieder, die ich als Solo-Arrangements in bestimmten Situationen, mit ganz persönlichen Gedanken und Momenten, geschrieben habe, auch solo umzusetzen. Live lassen die Stücke Variationen zu, die in einer Band nicht funktionieren würden. Dynamikwechsel und Improvisationen zum Beispiel. Es ist einfach mein sehr persönliches Ding.
Das Album hast Du "Family" genannt. Bezieht sich das auf die Unterstützung der Familie beim Entstehungsprozess der Platte oder hat der Titel einen anderen Hintergrund?
Sowohl als auch und noch viel mehr. Es würde den Rahmen sprengen, all die Verstrickungen der Lieder in Bezug zu mir, meinem Leben, meiner Vergangenheit und Gegenwart zu entwirren. Um es kurz zu machen: Familie ist mir sehr wichtig und vielleicht hat meine eigene Familie mir das Leben gerettet, ohne dass sie sich dessen bewusst ist.
Auch das Cover wirkt "familiär" … warme und erdige Farben, dazu ein entspannter Künstler beim Schreiben von Liedern … Das hat was Vertrautes. Wer hatte die Idee dazu, Dich so zu präsentieren, und wer hat dieses schöne Cover entworfen?
Ich. Zum einen mochte ich schon immer warme, erdige Farben zum anderen war ich jahrelang als Fotograf selbstständig. Bestimmte Farben wecken bestimmte Emotionen. In Kombination mit dem Sich-zuhause-fühlen und den warmen Farben, ja - auch der Erdung, soll das tatsächlich Sinn ergeben. Manchmal entsteht ein Lied durch einzelne Fragmente, die sich entweder durch Akkordfolgen äußern oder durch Melodien, die auf einmal da sind, ohne dass man darüber nachgedacht hat. Ähnlich wie sich ein Buch aus Kapiteln zusammensetzt und später ein Ganzes und auch dann erst Sinn ergibt, habe ich manchmal das Gefühl, dass ich erst nach Jahrzehnten Sinn ergebe. Allerdings ist jedes Kapitel vorher wichtig gewesen, um an diesen Punkt zu kommen. Die Idee zu dem Cover kam mir, als ich mich gefragt habe, wie man visualisieren könnte, dass man eigentlich den ganzen Tag irgendwie nachdenkt. Über alles Mögliche. Worüber ich nachdenke. Die Schlagwörter zu den Gedanken habe ich jeweils auf ein Blatt geschrieben, die negativen weggeworfen und die positiven und für mich wichtigen an die Wand gehängt. Ursprünglich war das Foto nicht mal als Cover gedacht, die Idee dazu hatte meine Frau. Zerlegt man das Cover jetzt in seine Einzelteile, ergeben sich folgende Fragmente:
- die Gedanken und die Dinge in meinem Leben, die mich beschäftigen, als Gedankenwolke um mich herum.
- die auf der Couch liegende Gitarre, die für die Entwicklung meines eigenen Spiels entscheidend war.
- die Lakewood an der Wand, meine Hauptgitarre, die ihre eigene Geschichte hat, mir quasi in die Hand gewachsen ist und mit der ich mittlerweile alles spiele und komponiere.
- das Geweih über mir, das ich als Requisite für mein damaliges Fotostudio mit Freunden auf einem Flohmarkt gekauft habe. Dadurch, dass der Flohmarktbesuch unfassbar lustig war, steht bzw. hängt es dort symbolisch für Freundschaft.
- das Sofa, auf dem ich sitze, steht mittlerweile in meinem Studio. Es war das erste Sofa, das meine Frau und ich uns gemeinsam geholt haben, als wir zusammengezogen sind.
- ich. Weil all das zusammen meine Geschichte ergibt, die ich da gerade aufschreibe...
Du überlässt Deinen Hörern ja den Spielraum, die Lieder mit Inhalten selbst zu füllen. Wer die Musik hört, muss sich die Bilder dazu im Kopf also selbst malen. Aber vielleicht verrätst Du trotzdem zu einigen der Stücke mal, was Dir beim Schreiben da im Kopf umher ging …
Im Booklet und auf meiner Webseite gehe ich ja schon auf jedes Lied und die dazugehörige Geschichte ein wenig ein. Aber ich schneide gerne drei Lieder kurz an:
- "Family": das Titelstück. Was bedeutet Familie hier für mich? Zum einen Kontinuität, die sich in den wiederholenden Akkorden vom Anfang bis zur Mitte äußern. Zum anderen Abwechslung, dargestellt durch zwei aufeinander folgende Soli. Dass mein guter Freund Michael Diehl hier das zweite Solo spielt, bedeutet für mich, dass Freunde ebenfalls zur Familie gehören. Durch den Kopf ging mir, dass ich früher den Traum hatte, irgendwann eine Familie zu gründen. Irgendwann ist der Traum in einen langen Schlaf gefallen und erst wieder aufgewacht, als ich meine Frau kennengelernt habe.
- "Sometimes It Rains Everywhere": Kennt ihr sicherlich alle: an manchen Tagen ist alles doof. Egal wie schön das Wetter ist, ob Freunde einen aufheitern wollen und obwohl eigentlich alles okay ist, ist man einfach mit dem falschen Fuß aufgestanden und der Tag schon morgens gelaufen. Man kann sich auch selbst nicht aus dieser Suppe ziehen. Am besten bleibt man im Bett und hakt den Tag ab. Ausschlaggebend war das Gemüt meiner (Stief-)Tochter, das sich wie ein grauer Schleier über einen ganzen Tag (Woche...) gelegt hat. Ich konnte sie aufziehen wie ich wollte, nix hat funktioniert. Da passt getragenes Moll immer gut.
- "Still Awake": Mache ich alles richtig? Bin ich ein guter Mensch? Tue ich genug für die Familie? Reicht es, wenn ich einfach ich bin? Kommen wir mit dem Geld hin? Leben wir den Kindern das Leben richtig vor? Warum schmerzen ab und zu die Gelenke? Warum ist das Leben so kurz? Warum leiden so viele Menschen? Warum machen Hormone das? Wissen die Kinder, dass sie immer zu mir kommen können? Sind sie glücklich? Oder wenigstens zufrieden? …
Wie sind die einzelnen Lieder entstanden, bzw. woher kamen die Ideen dazu?
Die Grundsteine meiner eigenen Lieder entstehen eigentlich meistens ähnlich: ich schnappe mir die Gitarre und improvisiere oder übe. Je nach persönlicher Grundstimmung gehen die Improvisationen in entsprechende Richtungen. Manchmal laufen Filme vor dem geistigen Auge ab, die ich dann vertiefe. Das Spiel läuft irgendwann von ganz allein und wenn mir Stellen besonders gefallen, halte ich sie irgendwie fest. Selten schriftlich. Entweder kurz auf Video oder mit meinem Smartphone als Diktiergerät, meistens jedoch nur im Kopf. Dann baue ich daraus ein Lied, das ich bis in die Ewigkeit mit den Bildern in Verbindung bringe, die ich beim Improvisieren hatte. Wenn negative Gedanken der Grundstein waren und sich das Lied so verinnerlicht hat, dass ich beim Spielen nicht mehr nachdenken muss, verbinde ich dieses Negative mit etwas Positivem: es ist ein Teil von mir geworden, gehört dazu und ich habe es akzeptiert. Wir haben keine Rechnung mehr offen. Manchmal beschäftigt mich eine Akkord- oder Melodiefolge auch monatelang und ich komme nicht weiter. Egal, wie lange ich daran arbeite, es wird einfach nichts. Und dann, wenn ich überhaupt nicht damit rechne, schreibt es sich fast wie von selbst. Schwer zu erklären...
Wo hast Du das Album aufgenommen? Ist es bei Dir zu Hause entstanden oder bist Du dafür irgendwo in ein Studio eingezogen?
Ich habe einiges probiert: in einem Studio, im Wohnzimmer, in der Küche, im Bad... Zum Schluss sind die meisten Stücke bei mir in meinem Kellerstudio eingespielt worden. Hier stimmte für mich die Umgebung, der Spirit. Manchmal hatte ich morgens um Sieben einen Lauf, manchmal erst spät abends. Der Vorteil heute ist, dass man wirklich vieles zuhause machen kann. Wenn ich nach dem dritten Kaffee sonntags den Drang hatte einzuspielen, habe ich es einfach gemacht und war von niemandem abhängig.
Bist Du auch für den tollen Sound verantwortlich, oder hast Du einen Produzenten mit an Bord gehabt?
Mein guter Freund Michael Diehl, ein grandioser Fingerstyle Gitarrist, mit dem mich nicht nur die Musik verbindet, hat letztendlich die CD bei mir gemischt. Wir haben zwölf Stunden am Stück daran gesessen, immer wieder neu probiert und teilweise Stücke, die weniger gut aufgenommen sind genommen, weil die Dynamik besser passte und das Spiel intimer war. Man hört auch schon mal ein Klacken irgendwo und angeblich hört man bei einem Stück ganz, ganz leise Hundegebell im Hintergrund. Ich selbst höre es nicht. Aber selbst wenn: ich mag es. Es ist intimer und echter als der ganze überproduzierte Kram da draußen. Ich mag auch die Led Zeppelin-Scheiben, auf denen man noch das Quietschen der Fußmaschine von Jon Bonham hört. Würde das Quietschen auf einer neu gemasterten Version nicht mehr zu hören sein, wäre ich enttäuscht. Ich mag das Echte.
Ich kenne Dich als Gitarristen aus der Begleitband von Holly Loose. Aber wer ist Stephan Klement? Wo kommst Du her und wie hast Du zur Musik gefunden?
Gebürtig stamme ich aus dem Essener Norden. Ich habe das Glück, dass ich in einer Familie aufgewachsen bin, in der es überall Musiker und Fotografen gibt. Irgendwo findet sich immer ein Künstler, auch Maler und Bildhauer. Meine Eltern hatten neben einem Plattenspieler auch noch Tonbänder von CCR, The Beatles, Procol Harum, Leonard Cohen... ich glaube, ich könnte sie alle noch aufzählen. Die habe ich mir alle irgendwann auf Kassette überspielt und bin mit acht Jahren mit Walkman und Deep Purple im Ohr durch die Gegend gelaufen. Musik war für mich immer etwas Wertvolles. Die Künstler haben mich damals eigentlich kein bisschen interessiert. Es war die Emotion, die geweckt wurde. Dass ich begriffen habe, wie viel mehr hinter der Musik und der Person Jimi Hendrix steckt, kam erst mit Dreizehn, Vierzehn. Die Initialzündung, selbst spielen zu wollen, kam dann auf einer Feier eines Onkels von mir. Ich erinnere mich noch an eine Art Aula mit Bühne und einer Unmenge von Menschen auf einer Geburtstagsfeier. Irgendwann ging der Vorhang der Bühne auf: Schlagzeug, Bass, volles Programm. Die Musiker holten meinen Onkel auf die Bühne, drückten ihm eine weiße Strat in die Hand und sie spielten zusammen. Das hat mich umgehauen! Das wollte ich auch. Damals war ich um die acht oder neun Jahre alt.
Bist Du ein Autodidakt oder hast Du Musik gar studiert?
Bei meinen Eltern hing immer eine Wandergitarre an der Wand. Die wurde dann irgendwann meine erste Gitarre, mit der ich bei eben diesem Onkel, den ich bis heute mehr als Bruder sehe, jeden Dienstag Unterricht nahm. Mit Vierzehn zwei, drei Jahre lang. Irgendwann kam dann die erste Band und ich habe alle Musik- und Gitarrenbücher gelesen, die ich irgendwie in die Finger bekommen konnte. Damals waren Bibliotheken noch stark frequentiert. Vieles verdanke ich meinem Onkel und vieles habe ich durch Plattennadel-zurück-setzen rausgehört. Im Nachhinein denke ich, ich hätte noch mehr Unterricht nehmen müssen. Das hätte mir einiges an Zeit gespart. Heute nehme ich wieder Unterricht. Zwar eher sporadisch, aber trotzdem. Man lernt nie aus und ein Impuls von außen ist nicht zu unterschätzen.
Wer sind Deine musikalischen Vorbilder und lässt Du Dich von denen nur inspirieren, oder willst Du handwerklich so nah wie möglich an sie ran kommen?
Früher war das vielleicht mal relevant, als Teenager und vielleicht so um die Zwanzig rum noch. Jimi Hendrix, Jimmy Page, Ritchie Blackmore, später dann Eddie van Halen, Slash... die üblichen Götter halt. Dazu kamen dann Exoten, die damals in der Rock Szene wahrscheinlich niemand kannte. Baden Powell, Joe Pass, Sigi Schwab. Irgendwann kam dann Tommy Emmanuel und haute einem Klamotten um die Ohren, die mich heute noch begeistern. Nah ran kommen möchte ich eigentlich nur spielerisch, technisch. Wenn mich etwas inspiriert, sind es eher die Biografien der Musiker, ihr Weg, ihre Geschichte in Kombination mit ihren Songs. Die Persönlichkeit. Spielerisch höre ich auch lieber den alten Hasen zu als den ganzen Fuddlern, die zwar eine wahnsinnige Technik beherrschen und wirklich gut darin sind, leider aber oft überhaupt keinen Ausdruck in ihrem Spiel aufweisen. Für mich fehlt oft die Seele. Ist vergleichbar mit lesen: runter rattern oder den Zuhörer fesseln.
Seit wann bist Du in der Szene aktiv und wo hast Du schon alles Deine Spuren hinterlassen?
Kommt auf die Szene an. In der alternativen Ruhrgebiet-Szene war ich Anfang der Neunziger schon aktiv. Damals hatten wir noch eine Freunde-Band: Donkey Shot. Klingt heute wahrscheinlich ein bisschen beknackt, damals war der Name der Renner. Ab 2001 habe ich in Hessen Fuß gefasst und mit Stefan Briel "My Mind's Eye" gegründet. Ein Duo, das auch heute noch besteht. Hollys Solo Projekt startete 2017 und ich bin von Anfang an dabei.
Was bezeichnest Du für Dich persönlich als den größten Erfolg, den Du als Musiker bisher hattest?
Die innere Ruhe und das Versinken beim Spielen sowie Dank und Zuspruch der Zuhörer sind für mich wahnsinnige Erfolge, ob solo oder im Bandgefüge. Einerseits ist Musikmachen wie eine Droge, die einen danach süchtig macht, dem Alltag zu entfliehen. Andererseits verarbeite ich beim Spielen vieles aus dem Alltag und gehe mit manchen Situationen ganz anders um, als wenn ich nicht spielen würde. Wenn ich lese, dass jemand gerade ein Buch liest und mein Album hört oder nach einem stressigen Tag abschaltet, in dem er oder sie "Family" auf dem Weg nach Hause hört, dann ist das mehr, als ich mir vorstellen konnte. Gemeinsam in einer Band Songs auszuarbeiten, zu verfeinern, zu verinnerlichen und dann blind - ohne darüber nachzudenken - live zu spielen und dabei eine Symbiose einzugehen, während im Publikum Augen geschlossen werden und mitgewippt wird: was will man mehr? Natürlich war es auch grandios, mit Holly Loose das Bühnen Debüt bei den Wacken Winter Nights zu feiern. Für mich gibt es nicht "den" Erfolg. Alles zusammen ist ein großes Ganzes mit vielen kleinen und großen Erfolgen, auch durch die persönliche Auseinandersetzung mit einem selbst. Irgendeinen goldenen Otto aufm Kamin würde ich jetzt nicht als persönlichen Erfolg bezeichnen.
Ist das, was auf dem Album zu hören ist, Deine musikalische Heimat, oder kommst Du aus der Metal-. Pop- oder Indie-Ecke?
Weder noch bzw. sowohl als auch. Alles zusammen ist meine musikalische Heimat. Während ich einerseits auf der E-Gitarre rumgeknüppelt habe und über Bühnen gesprungen bin, habe ich parallel Songs von Antonio Carlos Jobim und Baden Powell geübt. Mich hat alles interessiert. Gut, Klassik eher weniger. Im Grunde ist meine musikalische Heimat die Musik an sich. Mir macht es immer noch Spaß an der E-Gitarre aufzudrehen - allerdings ohne zu springen. Die Knie... Genauso macht es Spaß einfach mit Musikern zu Jammen, ein paar Akkorde zu schrammeln, während jemand singt oder anspruchsvolle Arrangements für Akustik Gitarre zu spielen, solo oder mit Band. Wenn man es aber wirklich runterbrechen müsste, lägen meine Wurzeln im Blues, damaligen Hardrock und Punk.
Wenn der Quatsch mit dem Virus vorbei ist, wirst Du das Album dann auch live mit einer Tour präsentieren?
Klar! Geplant ist unter anderem mit Michael Diehl im April eine kleine Tour zu spielen, bei der wir zum Beispiel Dresden und Plauen besuchen. Es ist gerade nicht leicht, Termine zu bekommen, da niemand weiß, was nächstes Jahr auf uns zukommt. Davon ab sind viele Läden bis Ende des Jahres geschlossen und man erreicht kaum jemanden, um einigermaßen planen zu können. Im Juni spiele ich als Support für Reinhold Beckmann auf der Hallig Langeneß, hier im hessischen Umland sind einige kleine Gigs in Planung und mit meinen Freunden und Kollegen Michael Diehl und Peter Herrmann wollen wir eigentlich schon seit November Dreifachkonzerte geben. Bis jetzt wurden uns leider immer wieder Striche durch die Rechnungen gemacht.
Was liegt als Nächstes bei Dir an? Hast Du schon berufliche Pläne für die nahe Zukunft?
Wir sammeln und arbeiten gerade Ideen für ein drittes Album mit Holly Loose aus, mit unserem Duo My Mind's Eye werden Stefan Briel und ich endlich mal ein Album einspielen, Material für ein zweites Solo-Album habe ich genug gesammelt und es gibt da noch ein kleines Projekt, das ausgearbeitet wird. Das allerdings ist noch geheim. Ich darf aber verraten, dass ich da vorrangig E-Gitarre spiele.
Wie wirst Du Weihnachten verbringen? Allein zu zweit oder die maximale Personenzahl ausnutzend, die der Staat uns für die Feiertage erlaubt hat?
Mit meiner Frau, unseren Hunden, einer Gitarre, Büchern und was zum Schreiben in einer Holzhütte am See im Wald.
Interview: Christian Reder
Fotos: Anja Rattchen, Stephan Klement
Fotos: Anja Rattchen, Stephan Klement