Interview vom 25. Februar 2020
Rumms hat's gemacht. Die Nachricht, Delle Kriese würde seinen Job bei der Gruppe RENFT aufgeben, ließ den Seismografen der deutschen Rocklandschaft große Ausschläge aufs Papier zeichnen. Damit hatte wohl niemand gerechnet und nach Bassist Marcus Schloussen, der im vergangenen Jahr leider verstorben ist, verliert die Band jetzt nicht nur den zweiten Teil ihrer Rhythmus-Abteilung, sondern auch noch eine weitere wichtige und die Band-Geschichte in den letzten 25 Jahren prägende Figur. Delle ist ein ruhiger Vertreter seiner Zunft und niemand, der mit der Tür ins Haus fällt. Seine Spuren hinterließ er seit den 70ern in verschiedenen Kapellen, u.a. bei PASSION, CÄSARS ROCKBAND und der JONATHAN BLUES BAND. Auch mit Gundermann hat er gemeinsame Sache gemacht, ehe er Mitte der 90er die RENFT-Jacke anzog. Eigentlich hatten wir einen anderen Anlass gesucht, um uns mit Delle für ein Interview zu treffen. Ein runder Geburtstag, ein Dienstjubiläum oder ein anderer freudiger Anlass sollte es sein. Nun ist es seine "Kündigung" bei RENFT geworden, über die natürlich unbedingt gesprochen werden muss. Aber wer sagt denn, dass man dann nicht auch über die angenehmen Seiten seiner Karriere plaudern kann? Dies taten der Drummer und unser Kollege Christian vor ein paar Tagen dann auch, und das Ergebnis kann jetzt hier nachgelesen werden ...
Delle, Du hast das Jahr mit einem Paukenschlag begonnen, denn Du kündigtest an, nach 25 Jahren die Gruppe RENFT verlassen zu wollen. Damit hat nun wirklich niemand gerechnet, wie kam es denn zu diesem Schritt?
Da es Interna sind, bleibt mir nichts anderes zu sagen, als dass die Zeit jetzt einfach vorbei ist und ich meine Psyche und Nerven schonen muss. Die haben sich im Verlauf dieser 25 Jahre etwas abgenutzt.
Hat es vielleicht auch etwas damit zu tun, dass eine Art Rückhalt, wie der Basskran, jetzt nicht mehr da ist?
Direkt nicht, aber indirekt hat es ganz sicher auch damit zu tun. Na klar, er war einer meiner besten Freunde Musikerkollegen betreffend. Marcus' Tod war für mich so gravierend, wie der von Heinz Prüfer im Jahr 2007 wegen des Verkehrsunfalls. Das waren, was RENFT betrifft, die härtesten Einschläge für mich und für Kuno übrigens auch. Ich schrieb Marcus einen Nachruf, der auf der Renft HP nachzulesen ist und dankenswerterweise im FOCUS erschien.
Nun macht man sich einen solchen Schritt natürlich nicht ganz einfach, sondern denkt länger darüber nach. Also kann man davon ausgehen, dass das schon länger in Dir schwelte?
Ja.
Dann nenne ich das Kind jetzt mal beim Namen: Vermutlich hat es mit Monster zu tun ...
Ja, damit hat es auch zu tun.
Auf RENFT kommen wir später noch mal zurück, jetzt gucken wir mal auf Dich und Deine Karriere. Wenn ich richtig rechne und Deiner Biographie Glauben schenke, hast Du mit 15 Jahren angefangen, zu trommeln. Das ist ziemlich spät, oder?
Ich finde es lustig, dass Du das sagst. Ja, es stimmt, ich fing erst mit 15 an, war aber ein halbes Jahr später schon in einer Band. Ich habe mich scheinbar lange darauf vorbereitet ... (lacht)
Wie fing es denn bei Dir an und wieso hast Du Dich für das Schlagzeug als Dein Instrument entschieden? Andere wollen ja unbedingt Gitarrist oder Frontmann werden und Du setzt Dich hinter die Schießbude ...
Das kann man nur schlecht erklären, es passiert einfach. Wir hatten Geographie-Unterricht und der Zeigestock des Lehrers, der uns die Kontinente auf der an der Wand hängenden Karte zeigte, zerbrach in zwei Teile und diese beiden Teile des Zeigestocks nahm ich mit nach Hause und habe mir am selben Tag - frag' mich jetzt nicht, warum - Topfdeckel mit einer Schnur ans Regal gehängt und prügelte auf mein Sofa ein. Das machte ich drei Tage lang und dann bin ich in die Musikschule in Altenburg gelaufen und wollte mich dort anmelden. Auf dem Weg in die Musikschule fragte mich ein älterer Herr, ob ich wüsste, wo diese sei. Er war Schlagzeuger, schon 80 Jahre alt und wollte daher dort sein Schlagzeug annoncieren. Am selben Tag hat mein Vater dieses Schlagzeug für 100,00 Mark in seinen Trabant gepackt und ich hatte mein Schlagzeug und Schlagzeugunterricht. Drei, vier oder fünf Wochen später - ich konnte eigentlich sofort einfache Rhythmen umsetzen - hat mein Trommellehrer mich einem Bassgitarristen empfohlen und so spielte ich in meiner ersten Band. Sie hieß FUNDAMENT, und dann war alles zu spät. Ich wusste, ich bin Musiker.
Das muss bei Dir - so wie Du es schilderst - ja tatsächlich ziemlich rasant von statten gegangen sein. Ich stelle mir Schlagzeugspielen nicht so einfach vor, Hand- und Fußkoordination und alles, das ist ja nicht so einfach. Und das hast Du Dir quasi innerhalb dieser kurzen Zeit beigebracht?
Das steckte glücklicherweise einfach in mir drin. Ich kann Dir auch sagen, warum mich Gitarre nicht so sehr interessiert hätte: Weil ich sie nicht vor mir habe. Die hängt ja an dir runter und du musst quasi runter schauen, da sie sich parallel zu deinem Körper befindet. Und das Schlagzeug ist vor dir, das muss irgendwie ein entscheidender Punkt gewesen sein.
Du erzähltest gerade von diesem ersten Schlagzeug und diesem 80-jährigen Senioren. Wo hat er das denn vor Dir zum Einsatz gebracht, weißt Du das?
Er hat damit bei Hochzeiten gespielt.
Also ein Amateurmusiker ...
Das kann ich Dir gar nicht sagen. Aber er hat mir mit diesem Schlagzeug eine wundervolle kleine Trommel vom VEB Dresdner Apparatebau vermacht, die heute eine Menge Geld wert wäre, was ich damals natürlich gar nicht wusste. Also ein richtiges Edelstück; in den 60er Jahren in edler Handwerkskunst in Dresden zusammengeschraubt. 24 Schnarrsaiten am Resonanzfell, alle beidseitig einzeln justierbar. Das wusste ich aber leider nicht und habe sie dann wahrscheinlich mit fünfzehneinhalb gegen ein paar Aktfotos oder sowas getauscht. (lacht)
Die Musik war aber anfangs nicht Deine Hauptmission, Du studiertest Marxismus/Leninismus und Geschichte. Wieso fiel die Wahl auf diese Fächer?
Eigentlich wollte ich nur Geschichte studieren, weil ich mich für Geschichte interessierte. Dafür war aber mein Abi einfach zu schlecht. Dann wurde mir eben dieses angeboten. Und da darin auch Geschichte enthalten war, machte ich dieses Studium. An der Humboldt-Uni in Berlin bewarb ich mich, wurde aber nicht genommen, bewarb mich an der Karl Marx-Uni in Leipzig und so bog ich auf dieses Gleis ab. So wurde ich dort Diplomhistoriker und Hochschullehrer zugleich.
Dieses Studium hast Du mit einem Diplom abgeschlossen, hast Du in dem Beruf denn überhaupt mal gearbeitet?
Nein, gar nicht. Aber dazu gehört eine schöne Geschichte, die ich Dir gern erzählen möchte: Ich habe parallel zur Erweiterten Oberschule ja schon bei FUNDAMENT gespielt. So war es auch während des Studiums. Ich war also immer in einer Band, habe immer geprobt und auch immer Musikschulen besucht. Als ich mit dem Studium fertig war, bekam ich ein Angebot von PASSION. Das war damals eine Band, die im Fernsehen und Rundfunk usw. stattfand, ausgestattet mit einem Fördervertrag der FDJ und was es damals alles so gab. Sie hatte also eine sehr gute Zeit und das war für mich natürlich ein ganz großes Ding. Die Uni in Leipzig hatte versucht, mich zu vermitteln. In der DDR gab es eine so genannte Absolventenlenkung. Das heißt, der Staat hat in dich Geld gesteckt, du hast fünf Jahre studiert und nichts dafür bezahlt und jetzt musst du auch arbeiten. Und zwar in dem Job, den du studiert hast. Maximal zwei Jahre und wenn du Pech hattest, dann an einem Ort, in den du gesteckt wirst, weil dort Bedarf besteht. Eigentlich eine tolle Regelung. Wenn man heute an die Ärzte denkt, die nicht aufs Land gehen wollen, könnte man das wieder einführen. Nach zwei Jahren würden einige, die dort nicht hin wollten, vielleicht doch dort bleiben. Na ja ... Mein erstes Angebot kam von der Hochschule für Ökonomie in Leipzig. Ich war in Ökonomie jedoch ganz schlecht, wie auch in Mathematik. Beides hängt ja miteinander zusammen und wurde somit also nicht angenommen. Im zweiten Gespräch der Absolventenlenkung wurde ich gefragt, ob ich nicht in die Partei eintreten wolle. Also entweder in die SED oder eine Blockpartei. Das wollte ich aber nicht und sagte - vorsichtig formuliert - "Ich möchte zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in die SED eintreten." Nun war ich ja Hochschullehrer für Marxismus/Leninismus und nach diesem zweiten Gespräch, in dem ich dies sagte, wurde ich durchgereicht; keiner wollte mich. Die wollten sich kein Kuckucksei ins Nest legen. Das realisierte ich aber erst später und als ich dann befürchten musste, einen Job in der Fachschule für Kindergärtnerinnen in Wurzen - das ist eine kleine Stadt mitten in Sachsen - bekommen zu müssen, besorgte ich mir ganz schnell ein Schreiben von PASSION, in dem stand, dass ich unabkömmlich für die wundervolle Rockszene der DDR und für den Staat bin, Verpflichtungen bei Fernsehen, Rundfunk und Schallplatte habe und darum bitte, aus dieser Absolventenlenkung entlassen zu werden. Da schleppte ich noch Schreiben vom Kulturministerium und vom Zentralrat der FDJ an, legte sie vor und die Uni war froh, dass sie mich los hatte. Ich wurde also aus der Absolventenlenkung entlassen und war froh, dass die Absolventenlenkung hinter mir lag und konnte dann ohne Hindernisse bei PASSION als Profi-Musiker arbeiten.
Nun soll es in der DDR ja so gewesen sein, dass man, wenn man Profi-Musiker werden wollte, auch ein themenbezogenes Studium abgeschlossen haben musste. Hast Du denn in Sachen Musikstudium noch etwas unternehmen müssen oder nicht?
Dieses mit dem "musste", was der DDR immer unterstellt wird, stimmt so nicht. Die DDR war ein Staat, der immer große Forderungen stellte, die er dann aber gar nicht durchsetzen wollte oder konnte. Ich habe ja nun in einer Menge Profi-Bands in der DDR gespielt, bei denen hatte nur die Hälfte der Musiker eine abgeschlossene Ausbildung. Die anderen waren einfach dabei, waren erfolgreich und blieben dabei. Und da hat auch niemand rumgenervt. Die 80er Jahre waren, anders noch als die Renftschen frühen Siebziger, ein Jahrzehnt der inneren Aufweichung staatlicher Strukturen. Das erklärt das eben gesagte. Trotzdem habe ich aus eigenem Willen neun Jahre lang Musikschulen besucht. Ich war vier Jahre in der Musikschule in Altenburg und fünf Jahre auf dem Konservatorium in Leipzig. Dazu hat mich aber niemand gezwungen. Wesentlich ist sicherlich, dass Ausbildungen dieser Art quasi kostenlos waren. Und dazu noch auf sehr hohem und breit angelegten Niveau. Der Unterricht umfasste Musikgeschichte, Instrumentenkunde, Tonsatz, Ensemblespiel und eben die Ausbildung am Instrument.
Du hast gerade den Namen der Band PASSION schon genannt. Wie kam es überhaupt dazu, dass Du in diese Kapelle eingestiegen bist? Wurdest Du abgeworben oder wie war das damals?
Ich kam ja von FUNDAMENT, einer kleinen Amateurband, die sich aufgelöst hatte, der ich aber sehr verbunden war. Das war damals Anfang der 80er Jahre. Ich war seit 1973 bei dieser Band und die Auflösung war für mich ein schwerer Schlag. Ich hörte von PASSION, die ich kannte und auch sehr schätzte, dass sie einen Schlagzeuger bräuchten, weil ihr Schlagzeuger zum Grundwehrdienst bei der Armee musste. Ich hatte mich kundig gemacht und wusste, die proben in Merseburg, fuhr also mit dem Zug von Leipzig nach Merseburg und klingelte bei der Adresse, die ich erfahren hatte. Da kam die Mutter des Keyboarders raus und sagte "Ja, die Band probt gerade zufälligerweise hier, sie sind jetzt aber in der Kneipe und essen zu Mittag." Ich marschierte also - völlig aufgeregt - in diese Kneipe und sagte "Hallo, ich bin Delle Kriese, ich hörte, dass Ihr einen Schlagzeuger braucht." Die sagten "Na, dann komm' einfach mit, wir proben gerade." Dann ging ich also zitternd mit in den Proberaum und sie fragten mich "Was kannst du denn spielen von KANSAS?" Sie hatten damals gerade so eine KANSAS-Zeit. Ich sagte "Point of no return", spielte das mit ihnen zusammen, weil ich es einfach konnte. Der Geiger und Chef der Band (Ullrich Schroedter, Anm. d. Red.) schickte mich raus und gab mir einen Song mit. Es war ein eigener PASSION-Song und in ihm war am Ende des letzten Drittels ein Drei/Viertel eingeschoben, das musste man raushören. Also ein Vier/Viertel-Song, in den ein Drei/Viertel eingeschoben wurde. Das war ein wenig "tricky", ich hörte es aber raus, spielte es vor und dann war ich dabei.
Die Band hatte ja sogar schon eine Plattenveröffentlichung und Ihr habt auch außerhalb der DDR live gespielt. Ihr wart - glaube ich - an der Trasse. Richtig?
Wir waren an der Trasse, wir waren aber auch im Kaukasus.
Was waren für Dich persönlich denn die Highlights in den zwei Jahren, in denen Du bei dieser Band gespielt hast?
Na ja, das erste Mal im Fernsehen sein zu können. Das ist klar. Und zweitens wahrscheinlich diese Sowjetunion-Tour. Die Trasse war mehr richtige Arbeit und nicht so epochal. Aber im Kaukasus als Pop-Star zu gelten, mit dem Hubschrauber zur Mugge zu fliegen, in diesen riesigen Sälen zu spielen und erfolgreich zu sein, war natürlich abartig schön. Und die wirklich schönen russischen Frauen himmelten uns an und wir himmelten erfolgreich zurück ...
Du erzähltest gerade von der Auflösung der Gruppe FUNDAMENT, und bei PASSION musstest Du dasselbe noch mal erleben, dass sich die Band auflöst. Was war denn da los?
PASSION machte ja eine sehr komplizierte Musik, an Orlando di Lasso und Francois Couperin angelehnt. Die Songs gingen teilweise über sieben, acht Minuten und waren echt kompliziert. Also Fünf/Viertel, Sieben/Achtel, Neun/Achtel waren keine Seltenheit. Es lief auch gut … Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre, als so etwas noch goutiert wurde. Das änderte sich, Pop-Musik war angesagt und der Publikumsgeschmack veränderte sich auch. Und diese Kurve haben wir nicht gekriegt. STERN MEISSEN, die auch kompliziertes Zeug spielten, bekamen das hin. Wir nicht. Später dann stieg unser musikalische Chef, Multiinstrumentalist und Geiger Teuto Schroedter aus der Band aus und PASSION zerfiel. Er ging zu DIALOG, einer Schlager-Popband. Die Entscheidung verstand ich nicht, aber es war ja auch die seine. Auch Lutz Salzwedel, unser Sänger, war in Richtung KARUSSELL verschwunden. Lutz ging Ende der 80er in die Vereinigten Staaten, nannte sich in DAN LUCAS um und legte dort eine tolle Chart-Karriere hin. Respekt! Nun ist er wieder im Lande und Gewinner der ersten VOICE OF GERMANY SENIOR-Staffel geworden. Na ja, spätestens an diesem Punkt war unsere Zeit vorbei, auch wenn wir noch Einiges versuchten.
Du bist dann zu Cäsar und seiner Rockband in ihrer zweiten Besetzung gegangen. Wie haben Cäsar und Du damals zueinander gefunden? Kanntet Ihr Euch vorher schon oder wie war das?
Wir kannten uns lose. Fast die gesamte PASSION-Band, also der Bassist, der Keyboarder und ich sind als Bandkörper zu Cäsar gewechselt. Cäsar war mit seiner ersten Band nicht mehr zufrieden und brauchte eine neue Band, und wir waren als Band quasi auf dem Markt. Unser damaliger Manager, Falk-Gerd Pasemann, stellte den Kontakt zu Cäsar her, der allerdings damals schon überlegte, in den Westen zu gehen. Das hat er dann aber nicht gemacht. Wir trafen uns bei Cäsar, schwatzten miteinander und er sagte: "Okay, ich verschiebe diese Ausreise, wenn ich hier eine Band habe, und wir machen weiter." Das alles wurde also über unseren Manager vermittelt.
Bei Cäsar entstanden im Studio des Rundfunks einige Songs, die damals nicht auf Platte, sondern erst viele Jahre später auf CD erschienen sind. Waren das Deine ersten Erfahrungen in einem Studio oder gab es schon zu PASSION-Zeiten Aufnahmen?
Ja, na klar gibt es jede Menge PASSION-Aufnahmen. Eine unveröffentlichte namens "Klassentreffen" übrigens mit einem schönen Gundermann-Text. Gundi ist mir zu dieser Zeit allerdings noch kein Begriff gewesen.
Du warst also schon mit PASSION im Studio, und nicht erst mit Cäsar?
Ja, im Rundfunkstudio und auch im Fernsehen. Privat getragene Studios gründeten sich erst ab ca. 1985.
Es soll ja bei Cäsar noch weiteres Songmaterial für eine Album-Produktion gegeben haben, für die Werner Karma die Texte schrieb. Die LP kam dann aber leider nie raus. Was wurde aus diesen Liedern?
Nichts. Die liegen bei Cäsars Witwe im Schreibtisch. Ich piekste sie auch an und sagte, "Lass uns das doch mal veröffentlichen." Es handelt sich um ein Konzeptalbum, auf dem es um ein kleines Mädchen - Lisa - geht, welches in die Schule kommt und dann erwachsen wird. Die Texte kamen von, du sagst es, Werner Karma. Wir schrieben die Songs dazu. Das Album war komplett, wurde als Demo aufgenommen und abgegeben, aber AMIGA wollte es nicht haben. Was damit zusammen hing, dass Cäsar wieder erwog, in den Westen zu gehen. Somit wurde es leider nichts, aber die Songs, die wir live nie spielten, sind komplett da und liegen wie gesagt in einer recht guten Demo-Fassung bei der Witwe von Cäsar.
Im Jahre 1986 war dann Feierabend und wieder erlebtest Du die Auflösung einer Band. Grund war Cäsars Ausreiseantrag, warum wollte er die DDR verlassen, habt Ihr darüber offen gesprochen?
Ja ja, selbstverständlich. Der Wunsch auszureisen ging allerdings weniger von Cäsar, als von seiner damaligen Frau aus. Die wollte es unbedingt, betrieb es und Cäsar hat das dann mitgemacht. Ich glaube, Cäsar wollte nie wirklich raus aus Leipzig und war auch einer von denen, die sofort nach der Wende wieder nach Hause zurückgekommen sind. Cäsar war eine Leipziger Pflanze. Einer der Typen, die sehr heimatbezogen sind. Leipzig war seine Heimat und er ist dort auch hoch verehrt. Die Stadt sorgte dafür, dass er und auch Klaus auf einem herausgehobenen Areal des Südfriedhofes bestattet wurden. Kurt Masur ist ihr Nachbar.
Wie bist Du denn danach dann zur JONATHAN BLUES BAND gekommen? Das war ja dann musikalisch betrachtet eine komplett andere Baustelle ...
Ich wohnte ja in Leipzig und dort konnte man nur begrenzt Musik machen, wenn man in der DDR erfolgreich sein wollte. Das ging eigentlich nur in Berlin, der Hauptstadt. Also zog ich dort hin. Dann kam das Angebot von JONATHAN. Ich hatte mit Blues bis dahin überhaupt nichts zu tun und es war wirklich eine Radikalkur, die ich da mitmachte. Ich bin auch sehr froh, dass mir das passierte, weil ich begriff, was weißer Blues ... was Großstadt-Blues sein kann. Die Vorbilder von dem, der die Songs schrieb, waren Robert Johnson, Stevie Ray Vaughan oder Johnny Winter. Ich bin wirklich dankbar, diese musikalische Welt kennengelernt zu haben. Vorher wurde Blues von uns nicht wirklich wertgeschätzt. So nach dem Motto: "Wenn wir spielen und noch zehn Minuten spielen müssen, aber nichts mehr haben, machen wir eben Blues."
Hat JBB-Chef Peter Pabst Dich entdeckt oder hast Du Dich beworben?
Beides. Wir kannten uns natürlich von gemeinsamen Muggen. Ich glaube, ich rief bei ihm an und er meinte: "Na klasse, komm' einfach mal rum." Wie es ganz genau ablief, weiß ich nicht mehr,
Du hast dann letztlich auch die Songs für das Album "Überdruck" eingetrommelt. Eine Platte, die für ordentlich Aufsehen sorgte und in einer Liga mit den Alben von SILLY und CITY mitspielte. Kannst Du Dich noch an diese Aufnahmen für die Scheibe erinnern? Dieses Album wurde ja vom SILLY-Bassisten Mathias Schramm produziert. Wie war das damals?
Ja, Mathias Schramm war der Produzent. Wie der zu JONATHAN stieß, kann ich Dir nicht sagen. Ah, doch: er hatte mit Tino Eisbrenner zu tun und Tino fragte Peter Pabst und mich - wir sind im Jahr 1987 - ob wir bei seiner Tour mitspielen wollten. Das war die erste Tour, die er nicht mehr als JESSICA, sondern solo als Tino mit der roten Mütze machte. Grund dafür war, dass der Gitarrist und der Schlagzeuger von JESSICA den Grundwehrdienst bei der Armee ableisten mussten. Er brauchte also zwei Leute und wir machten diese Tour auch mit ihm. Das war übrigens die einzige Tournee, bei der ich erlebte, dass Schlüpfer, Teddybären und sowas auf die Bühne geflogen kamen. Ich denke, über diesen Draht kamen wir zu Matze Schramm, der dann unsere Platte produzierte. Das bekam der Platte richtig gut, weil er ganz anders tickte, von einer völlig anderen Musik als dem Blues her kam und zum Beispiel auch Rhythmus-Computer und dergleichen benutzte. Dies war für die doch eher konservative Blues-Szene neu. Matze hat großen Anteil an der Produktion der "Mont Klamott"-Scheibe von SILLY, die klanglich für DDR-Verhältnisse einer Revolution gleichkam. Das sollte man nicht vergessen. Für mich war es die erste Arbeit an einer LP überhaupt. Das AMIGA-Studio war ein recht kleines Studio, in dem allerdings hervorragende Produktionen gemacht wurden. Dazu gehören die zwei legendären RENFT-Scheiben. Wir hatten zwei Wochen Zeit, um die Platte einzuspielen.
Im Jahr 1988 stand die Idee im Raum, eine eigene Band zu gründen. Wie sah diese Idee aus, wie weit waren die Vorbereitungen vorangeschritten und woran ist die Gründung letztlich gescheitert, denn dazu kam es dann ja nicht?
Es kam schon dazu, allerdings mit keinem befriedigenden Ergebnis. Ich bin bei JONATHAN ausgestiegen, Trommler sind bei JONATHAN sehr oft ausgestiegen. Ich wollte dann mit meinem alten Leipziger Freund Johnny Jahn, der selbst Songs schrieb, die von der Harmoniestruktur an GENESIS erinnerten, eine Band gründen. Ich versuchte ein Jahr lang, mit ihm diese Band aufzubauen und habe parallel dazu - weil ich ja auch leben und Geld verdienen musste - bei KERSCHOWSKI und der BLANKENFELDER BOOGIE Band gespielt. Wir versuchten also recht zäh, diese Band aufzubauen. Wir machten Aufnahmen mit Musikern von JESSICA, aber dem ganzen war leider kein Erfolg beschieden. Das einzige, was herauskam ist, dass ich in dem einen Jahr alles, was ich an Geld hatte, in diese Sache hineinsteckte. Es gab einen einzigen Auftritt und nach diesem begriffen wir, dass es leider nicht läuft.
Wer war denn noch dabei?
Dabei waren u.a. der Gitarrist Garret Matzko von CHICORÉE, der Bassist Janek Skirecki und kurzzeitig auch der Keyboarder Ralf Böhme, beide von JESSICA. Letzterer ist der Typ, der ein wenig später dann die "Kling-Klang"-KEIMZEIT-Platte produzierte.
Aber dann wart Ihr mit der Band doch schon ziemlich gut zugange ...
Ja, aber es gab keinen Manager bzw. der, den es gab, war ein Dummkopf. Es gab einfach niemanden, der uns unterstützte und Auftritte besorgt hat.
Wie hieß das Unternehmen?
Johnny zog - wie ja auch ich ein paar Jahre vorher - von Leipzig nach Berlin. Deshalb JOHNNY GOES TO BERLIN.
Verstehe ... in Anlehnung an FRANKIE GOES TO HOLLYWOOD.
Genau!
Statt der Band warst Du an der BLANKENFELDER BOOGIEBAND-LP von KERSCHOWSKI beteiligt und gingst mit GUNDERMANN auf Tour. Das klingt nach ganz viel Stress und kaum Zeit für etwas anderes ...
Ich machte das alles irgendwie mit links, das war alles klasse, ich mochte und liebte das und hatte außer Musik ja auch nichts anderes. Ich habe das überhaupt nicht als Belastung empfunden. Sieh mal, ich habe immer Musik gemacht, daneben studiert, ging an drei Tagen in der Woche in die Musikschule. Dies alles parallel zueinander. Was die Boogieband betrifft: An der Einspielung der CD habe ich nur einen sehr kleinen Anteil. Diese Ehre wurde meinem Freund Peter Michailow zuteil. Nicht zu vergessen: Marcus Schloussen, unser Basskran, stand an Selbigem.
GUNDERMANN war damals ja noch nicht so bekannt, eher ein Geheimtipp. Wie habt Ihr Euch kennengelernt bzw. wie kamst Du in seine Kapelle?
Ja, das ist auch eine gute Frage. Ich glaube, das lief über den Bassisten und die Saxophonistin von KERSCHOWSKI. Also über Lexa Thomas und Tina Tandler, mit denen ich ja gemeinsam spielte. Über diesen Kontakt trat dann GUNDERMANN an mich heran, fragte mich und so spielte ich mit den beiden dann 1989 auch bei GUNDERMANN.
Als die Wende bzw. der Fall der Mauer kam, warst Du auf Tournee mit GUNDERMANN. Wie hast Du dieses Ereignis erlebt und wo warst Du da?
1989 spielten wir als "GUNDERMANN & Freunde" in die Wende hinein. Das war so die eiligste Zeit meines Lebens und wahrscheinlich auch des Lebens der anderen Kollegen. Wärst Du im Osten groß geworden, die Wendezeit war das "Highest Forever"! Ich weiß noch, unsere Managerin kam zu einer Mugge, brachte die Rockerresolution mit und fragte, ob wir die unterschreiben wollen. Wir unterschrieben sie und ich erinnere, dass Hugo Dietrich, unser Gitarrist, mit seiner Unterschrift zögerte. Der war beim Rundfunk angestellt und für einen Chefposten vorgesehen, das rührte also an seiner beruflichen Existenz, unterschrieb dann aber - denke ich - doch. Das war schon eine irre Zeit. Um die Gagenabrechnung kümmerte sich Gundis Frau Conny. Ich habe diese Abrechnung kürzlich wieder gefunden. Sie wird inzwischen im Ostrockmuseum Kröpelin aufbewahrt.
Du hast die Wende also live miterlebt, indem Du in der ganzen DDR unterwegs warst?
So ist es. Dazu noch eine Geschichte: Ich war ja bei den WILDERERN, die dürfen nicht vergessen werden und wegen der Wende erzähle ich das: Wir spielten am 8. November 1989 in Berlin ein Einstufungskonzert. In der Einstufungskommission saßen übrigens Jürgen Ehle von PANKOW und Tamara Danz. Kurz zuvor hatte ich mein Visum erhalten, um in den Westen reisen zu können. Dieses Visum wurde gültig am 9. November. Und nach dieser Einstufung haben mich die Kollegen zum Bahnhof Friedrichstraße gebracht, ich stieg pünktlich 00:01 Uhr mit gültigem Visum in die S-Bahn ein und fuhr zum ersten Mal nach Westberlin. Noch vor der Wende also saß ich an diesem Abend mit Cäsar in einer Kneipe. Er war ja ausgereist und ich besuchte ihn dort natürlich. Eine Kneipe in Kreuzberg, in die auch Pannach und Kunert gerne gingen. Ich trank ein Bier und beim zweiten Bier - ich saß mit dem Gesicht zum Fenster hin - sah ich plötzlich einen Trabi und dachte, ich sehe nicht richtig. Dann sah ich noch einen und auch einen Wartburg. Ich guckte Cäsar an, betrachtete mein Bier und fragte ihn, "Was habt Ihr denn für komisches Bier hier??? Das macht ja total besoffen. Cäsar, ich habe gerade einen Trabi und einen Wartburg gesehen!" Da umarmte er mich und meinte: "Nein Delle, das kann nicht sein. Hier bist Du in Sicherheit, mach' Dir mal keinen Kopp." Das war meine Wende ...
In Deiner Biographie steht, dass Du später - im Jahr 1996 - sogar ein halbes Jahr bei GUNDERMANNs SEILSCHAFT mitgespielt hast. Das war für mich ganz was Neues, denn ich dachte, die SEILSCHAFT hätte mit Tina Powileit stets ein und dieselbe Trommlerin gehabt. Erzähl doch mal bitte, wie es dazu kam.
Ich stand GUNDERMANN ja nahe und Tina wurde `96 mit ihrer zweiten Tochter schwanger, deshalb meine Aushilfe. Übrigens spielte ich auch vor einigen Wochen einige Male mit der SEILSCHAFT, nachdem Tina sich das Handgelenk brach.
Kommen wir noch mal zurück zur Wendezeit. In Deiner Vita konntest Du ja einige Bands und Solisten eintragen, für die Du gespielt hast und deren Line-Ups Du angehört hast. Auch bei den WILDERERN, die GUNDERMANN - aber nicht nur GUNDERMANN, sondern auch RIO REISER - begleitet haben, warst Du aktiv. Ihr hattet ein kurzes aber heftiges Abenteuer, als RIO die WILDERER als Begleitband holte. An was erinnerst Du Dich noch besonders gut, wenn Du an diese kurze Phase denkst und als welchen Menschen hast Du RIO kennengelernt?
Der Kontakt zu RIO kam 1988 über KERSCHOWSKI, mit dem zusammen wir ein deutsch-deutsches Konzert in der Berliner Werner-Seelenbinder-Halle spielten. Da lernten wir RIO kennen und das ganze erschien ja auch auf der DVD und CD "RIO live in der Werner-Seelenbinder-Halle". Zum Schluss des Konzerts jammten wir gemeinsam mit RIO einen BLANKENFELDER BOOGIE-BAND-Song und der ist auf dieser Veröffentlichung auch drauf. So haben wir RIO kennengelernt. Er mischte später die AMIGA-Platte der BLANKENFELDER BOOGIEBAND bei sich in Fresenhagen ab. Und da die Grundband von KERSCHOWSKI auch die Grundband der WILDERER ist, blieb der Kontakt zu RIO bestehen. Mit Lutz Kerschowski und Jörg Wilkendorf, dem WILDERER-Frontmann, fuhren wir mit RIO Anfang der Neunziger zwei Wochen nach Südfrankreich. RIO kümmerte sich dort um die Gestaltung seines damals aktuellen Plattencovers, für uns war es eher Urlaub. Da haben wir alles Mögliche gemacht, natürlich nur maßvoll getrunken und ihn in der Zeit sehr gut kennengelernt. Rio war etwas sperrig, aber nicht so sperrig, wie ich manch andere Musiker kenne. Umgänglich, intelligent, sympathisch und nett. Einfach ein Typ von nebenan ohne besondere Allüren. Allerdings sind RIO betreffend Lutz und Mischka, der WILDERER-Keyboarder, aussagekräftiger. Beide waren bis zu seinem Ableben in seiner Band. Und ich schon lange bei RENFT.
Die WILDERER waren auch Begleitband für Michelle Shocked ...
Michelle kam irgendwie nach Ost-Berlin, nach der Wende kamen ja viele nach Berlin. Viele waren an der Wende, an Ostberlin interessiert. Sie war gerade auf dem Wege von Kanada nach Großbritannien zu MIDNIGHT OIL. Ich glaube, mit denen machte sie eine Platte. Sie legte einen Zwischenstopp ein und brauchte eine Band, da sie ihre nicht dabei hatte. Irgendjemand kam dann auf die Idee, dass wir diese Band sein könnten und so machten wir diese eine Mugge mit ihr. Sie hatte uns eine Ton-Kassette mit ihren Songs geschickt, die hörten wir uns an, drückten sie uns drauf und haben dann mit ihr in einer Kirchenruine in der Klosterstraße gespielt. Dort saß übrigens auch ein interessierter GUNDI im Publikum. Um nochmal etwas zu den beiden letzteren zu sagen: RIO kannte ich recht gut. Das Konzert in Magdeburg Anfang der neunziger Jahre, als wir mit den WILDERERN selber in Hochform waren und dann auch noch RIOs Band sein konnten, werde ich nie vergessen! Auch nicht das Michelle Shocked-Konzert. Aber für mein Leben als Musiker sind dies Episoden. Ich möchte mich da nicht zu wichtig nehmen.
Dann kam das Jahr 1994 und Du kamst zu RENFT. Wie waren denn da die Verbindungen und wie lief es damals ab, dass Du Teil dieser Kultband wurdest?
RENFT hatten mich 1991 oder 1992 schon mal gefragt, ob ich bei ihnen mitmachen wolle. Das wollte ich zu diesem Zeitpunkt aber nicht, weil ich gerade mit TINO STANDHAFT unterwegs war. Tino und seine wundervollen Songs waren mir ganz wichtig, für uns machte ich damals auch die Geschäfte und das wollte ich nicht aufgeben. Es war zwar absehbar, dass man nicht die Hitparaden stürmen würde, aber es war mir wichtig genug, so dass ich nicht zu RENFT ging. Leider endete unsere Zusammenarbeit und ich erhielt 1994 Angebote von ENGERLING, von MONOKEL und von erneut RENFT. Ich überlegte, was ich mache und nahm dann das Angebot von RENFT an.
Es gab ja kurzzeitig sogar eine Band mit dem Namen "Monsters RENFT". Was hatte es damals eigentlich damit auf sich und warum erzählst Du laut eigener Aussage ungern über diese Phase Mitte der 90er Jahre?
Na ja, nach der Wende gab es RENFT. Dann wurde Klaus 1996 aus der Band geschmissen, dies auch zurecht. Im Zuge dieser ganzen Sache baute Cäsar eine zweite RENFT-Band auf. Er holte Gerulf Pannach als Sänger, Kuno Kunert - der eigentlich mit der ganzen Musikwelt nichts mehr am Hut hatte - als Keyboarder sowie Jochen Hohl als Drummer in diese zweite Band. Letztlich kam noch Pjotr Kschentz hinzu. Es gab also zwei, drei Jahre lang zwei Bands, die RENFT-Songs spielten und sich auch als echte Renftler legitimieren konnten. Das war die Zeit, als wir - ich war ja bei Monster - uns "Monsters RENFT" nannten, einfach um eine Unterscheidung zu treffen.
Irgendwann aber kam Bewegung in die Sache und das ganze Unternehmen hieß dann auch wieder nur noch RENFT. Kannst Du mal kurz aus Deiner Sicht - also aus der Sicht eines der beteiligten Musiker - erzählen, wie das damals alles ablief und wie RENFT letztlich wieder RENFT wurde?
Es gab zwei RENFT-Bands, ein sehr unbefriedigender Zustand! Vor allem insofern, als dass bei "Monsters RENFT" - also der Band, der ich angehörte - nichts Neues passierte. Es gab keine neuen Songs. Dasselbe wiederholte sich, als wir ab 2005/06 wegen Kunos Hörstürze wieder mit ihm als Sänger spielten und bis jetzt - 2020 - gibt es quasi kein neues Material. Ich möchte darauf hinweisen, dass ich nicht in der Lage bin, Lieder zu schreiben. Ich bin also darauf angewiesen, dass andere das anbieten. Und Cäsar entschied sich irgendwann gegen die zweite RENFT-Band. Dafür, sie nicht mehr weiterführen zu wollen, weil er sein eigenes Ding machen wollte. Er wollte also seine eigenen Songs aus der Zeit Cäsar & DIE SPIELER machen. Die zweite RENFT-Band war für ihn ein temporäres Projekt. Da Kuno nun Blut geleckt hatte, fragte er eben uns - die wir Probleme mit Monster hatten - ob wir nicht bei ihm mitspielen wollten. Und das haben wir dann gemacht, das war 1998. Ich habe den ganzen Schlamassel in meinen Renft-Büchern genauer aufgedröselt. Hier in diesem Gespräch ist der geneigte Leser sicher etwas überfordert, und das zu recht. Es lohnt sich im Grunde nicht.
Aber es gab später ja dann auch neues Material ...
Ja, von 1998 bis 2005 machten wir zwei Scheiben, auf denen neues Material enthalten ist.
Und olle Renft kam ja auch wieder retour.
Kuno dachte, dass es besser wäre, Klaus dabei zu haben. Das alte, berühmte Schlachtross. Wir bereiteten die Produktion der ersten Platte vor. Kuno schreibt ja kompliziertes Zeug und Klaus war bewusst, dass er technisch nicht in der Lage sein wird, das spielen zu können. Daraufhin stellte er selbst den Kontakt zu Marcus Schloussen, den wir alle kannten und schätzten, her, weil er wusste, der kann spielen was Kuno abforderte. So ergab es sich, dass Marcus auch live dabei blieb und wir mit zwei Bassisten spielten. Wobei sich die beiden auch ablösten, es wurde gut organisiert. Klaus kam dann eben erst später auf die Bühne, reüssierte als Sänger und Scheren-Perkussionist.
Du hast über RENFT die zwei eben von Dir schon erwähnten Bücher geschrieben. Ist Dein Hintergrund als Historiker mit ein Auslöser gewesen, dass Du die Geschichte dieser Band in schriftlicher Form festgehalten hast oder was war der Antrieb, zu sagen, ich mache die Geschichte der Band in Buchform?
Nur Musik zu machen, reichte mir irgendwann nicht mehr. Da ich ja mit RIO zusammen war, überlegte ich kurz, ob ich eine Geschichte schreibe, in der ich die RENFT-COMBO mit TON STEINE SCHERBEN vergleiche, weil beide vom 68er Geist gestützte Bands sind. Die eine im Osten und die andere im Westen. Und beide mit einer politischen Intention, die ich teilte und teile. Dann begriff ich aber, die beiden Bands auch in musikalischer Sicht zu vergleichen, ist eher eine Sache für Musik- oder Kulturwissenschaftler. Das traute ich mir nicht zu und so blieb ich bei RENFT hängen und schrieb also deren Geschichte auf.
Du hast ja in Deiner Zeit bei RENFT selbst eine ganze Menge erlebt und da gab es auch viele Momente, die nicht so toll waren. Es ist ja auch immer wieder die Rede von diesem "RENFT-Fluch", weil so viele Kollegen gestorben sind. Du hast vorhin schon zwei Namen genannt, wo es Dich offensichtlich richtig aus den Schuhen gehoben hat. Woher nimmt man die Kraft, solche Schläge einzustecken, wieder aufzustehen und weiter zu machen?
Es gibt für uns ein Musikmachen wollen und müssen, es ist ein Automatismus und wir mussten lernen, alles dies zu verdrängen so gut es irgend geht. Mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen. Es sind ja auch meistens Verläufe gewesen, bei denen man sich daran gewöhnen konnte, dass die Kollegen irgendwann gehen werden. Bei Pjotr ging es zwar relativ schnell, aber wir ahnten, dass seine Zeit begrenzt ist. Auch bei Klaus konnte man es ahnen, man konnte sich also innerlich darauf vorbereiten. Bei Heinz Prüfer, der mir äußerst am Herzen lag und liegt, war es etwas ganz anderes, denn er starb durch einen Verkehrsunfall. Das war ein Schock für uns alle, als er nach einem Konzert auf der Heimfahrt aus dem Leben gerissen wurde. Das war nicht lustig.
Wie verändern solche Schicksalsschläge denn die eigene Sicht auf das Leben?
Man realisiert, dass man irgendwann einmal gehen muss. Und man fragt Leute, die man trifft und schätzt, ob sie gesund sind und es ihnen gut geht. Und diese Frage ist nun keine Floskel mehr. Ich bin in allen meinen Bands immer der Jüngste gewesen. Klausi nannte mich sogar einen "Grünschnabel". Das war aber lieb gemeint und hat mich gefreut. Monster wird bald 75 und ist auf der Bühne stark wie ein Stier! Da will ich mich mit lausigen 61 Jahren nicht beschweren.
Nun gab es bei RENFT in den letzten Jahren nicht wirklich viele Gelegenheiten, neue Lieder zu erschaffen oder zu erarbeiten, um sie live zu spielen, Du hast es ja schon angesprochen ...
Naja, die Gelegenheiten gab es zuhauf, wir haben sie nicht genutzt.
Du sagtest gerade, es hätte reichlich Gelegenheiten gegeben. Nun kann RENFT aber ja nicht irgendwelche Lieder spielen. Wer wäre denn in der Lage, in der Tradition von RENFT Lieder zu machen?
In der Tradition von RENFT, das kann ich nicht sagen. Aber Monster zumindest. Er hat Lieder, die er 1974, 75 und 76 gemacht hat, die liegen jetzt noch im Schrank und an ihnen schraubt er jetzt noch rum, weil sie ihm nicht gefallen. Die könnte man spielen, die sind natürlich in der RENFT-Tradition, haben wunderschöne Töne und Bögen, ganz wundervolle Lieder. Die Texte vielleicht nicht so, aber das ist auch immer Geschmackssache. Ich glaube, Monster blockiert sich selbst und damit auch uns. Deshalb kommt es dazu nicht. Ich kann - wie gesagt - keine Songs schreiben, Pitti schreibt selbst auch, aber seine Lieder würde Monster nicht haben wollen. Monster ist ein Blockierer seiner selbst und der anderen noch dazu.
Dann ist es umso konsequenter, den Schlussstrich zu ziehen ...
Ja.
Konsequent warst Du schon immer. Ich erinnere mich an einen Moment und danach wollte ich Dich schon ewig und drei Tage fragen: Vor ein paar Jahren, als die Gruppe RENFT im Kosovo für die dort stationierten Bundeswehrsoldaten spielte, reiste die Band dorthin, Du nicht. Was waren die Gründe dafür, dass Du nicht mitgefahren bist?
Ich bin nur sehr begrenzt dafür, dass sich deutsche Soldaten im Ausland bewegen. Ich trat damals im Herbst 1990 in Absprache mit RIO REISER - er ein paar Wochen vor mir - in die PDS ein und bin noch Mitglied bei DIE LINKE. Wir machten 1990 gemeinsam eine Tour zum Wahlkampf der PDS. Also RIO REISER mit seiner Band und wir als DIE WILDERER. Da unterhielten wir uns natürlich über solche Sachen. Ich sage das deswegen, weil DIE LINKE ja nicht unbedingt gegen Auslandseinsätze ist, aber im Kosovo kann ich das nicht mittragen, dort haben wir überhaupt nichts zu suchen. Weißt Du, wir haben mit den WILDERERN schon gegen den ersten Irak-Krieg angesungen. Wir haben Sachen getextet, wie "Wir fressen SNICKERS, ihr beißt ins Gras" oder "Der Blues ist vorbei, er war viel zu leise!!!", was sich auf solche Sachen bezog, die uns nicht passten. Ich bin oft in Bands gewesen, die politisch tickten, bei denen sich das auch in den Texten niederschlug. Und für mich ist RENFT natürlich ebenfalls eine politische Band, deren Texte ich außerordentlich schätze. Das passte für mich einfach überhaupt nicht zusammen und ich konnte das nicht machen. Ich wuchs mit der Friedenstaube auf. Und wenn etwas wahrhaftig an der DDR gewesen sein sollte, dann war es der unbedingte Wille zum Frieden! Im Moment ist die Bundeswehr in sieben Staaten stationiert. Gratulation!
Du hast Rückgrat. Das muss man so sagen ... Spielst Du noch bei Putensen?
Selten. Bei Pute ist es so, du kriegst einen Anruf, "Kannst du morgen?", dann fährst du hin und dann ist wieder ein halbes Jahr Ruhe. Aber natürlich mache ich das und mache es auch sehr gern.
Ich frage deswegen, weil mich und auch unsere Leser interessiert, wie es denn jetzt für Dich weitergehen wird.Wenn man Delle Kriese trommeln hören wollte, konnte man zu RENFT gehen. Wo muss man jetzt hingehen, um Dich zu hören und zu sehen?
Das weiß ich noch nicht.
Du willst jetzt aber nicht in Rente gehen, Du möchtest weitermachen?
Von Rente weiß ich nix. Ab und zu spiele ich ja als Gast bei Arno Zillmer, auch öfter mal mit der Lütten (Angelika Mann), sowas mache ich ja noch. Ab und zu treffe ich mich mit ehemaligen Kollegen von SILLY, STERN MEISSEN, HORST KRÜGER u.a. für ausgesuchte Konzerte. Dort spielen wir Lieder dieser, also unserer Bands. Das firmiert dann unter "Rock-Ost". Aus Spaß an der Freude; so drei, vier Mal im Jahr.
Vielleicht kann man jetzt im knackigen Alter von 60 ja noch die eigene Band in Angriff nehmen?
Nein, das glaube ich nicht. Bitte nicht vergessen: Ich schreibe keine Songs!
Du wirst uns auf dem Laufenden halten und wir dann die Leser, wo es Dich hin verschlagen wird.
Na selbstverständlich.
Ich nennen Dir jetzt noch ein paar Stichworte und bitte Dich, darauf in einem oder maximal zwei Sätzen zu antworten.
Altenburg:
Mein Vati lebt dort noch immer.
Mixed Pickles:
Intelligent, wütend, anarchistisch. Wenn es sich nicht um inzwischen ältere Herrschaften handelte, käme eine neue RAF im Geiste in Betracht.
B.J. Gordon:
Die Lieder von Bonnie lassen mein Herz zerfließen.
Blue Stift:
Wirklich gute, eigene Songs, von denen die Welt nichts weiß.
"Signature Sticks":
Für mich von ROHEMA im Erzgebirge gefertigte Trommelstöcke, liegen perfekt in meiner Hand.
Familie:
Insgesamt vier Kinder, die aus dem Hause sind und sogar in einem Fall den Doktorhut tragen. Hund Loki, mein dritter. Das letzte Kind hat Fell.
Deutsch- oder Ostrock?
Nicht genug Platz hier für bestehende, wesentliche Unterschiede. Entscheidend ist der Rock`n Roll. Haben mit Udo L. im Berliner Interconti Cognac verzehrt. One World ...
Bevor wir hier schließen: Für mich war ja schon neu, dass Du bei der Seilschaft mitgespielt hast. Nun las ich in Deiner Vita aber auch den Namen Polkaholix. Wie sind denn da die Verbindungen und wann warst Du dort mit dabei?
Mitte der neunziger Jahre fragte mich Mario Ferraro, mein alter Gitarristen-Kumpel der WILDERER, ob ich bei JAMS mitspielen wolle. Folkmusik. Diese war mir fremd. Keine Rockmusik. Das Ergebnis: Wir machten eine kleine Slowenien-Tour und ich genoss es! Aus JAMS entstand POLKAHOLIX. Speed-Polka im Zweier-Schritt. Was gibt es Schöneres? Hier spielte ich die erste CD zusammen mit Frank Hille (Pankow, Vroni Fischer usw.) ein. Da RENFT Priorität besaß, endete die Zusammenarbeit. Diese Arbeit bedeutete das zweite Mal den Abbau von Vorurteilen Musikstilen gegenüber, die man nicht kennt. Siehe JONATHAN.
Ich danke Dir für das Interview und vielleicht hast Du ja noch ein paar letzte Worte an die Leser ...
Jeder ist letztlich für sich selbst verantwortlich. In Ost wie in West. Keine Ausreden!
Delle, Du hast das Jahr mit einem Paukenschlag begonnen, denn Du kündigtest an, nach 25 Jahren die Gruppe RENFT verlassen zu wollen. Damit hat nun wirklich niemand gerechnet, wie kam es denn zu diesem Schritt?
Da es Interna sind, bleibt mir nichts anderes zu sagen, als dass die Zeit jetzt einfach vorbei ist und ich meine Psyche und Nerven schonen muss. Die haben sich im Verlauf dieser 25 Jahre etwas abgenutzt.
Hat es vielleicht auch etwas damit zu tun, dass eine Art Rückhalt, wie der Basskran, jetzt nicht mehr da ist?
Direkt nicht, aber indirekt hat es ganz sicher auch damit zu tun. Na klar, er war einer meiner besten Freunde Musikerkollegen betreffend. Marcus' Tod war für mich so gravierend, wie der von Heinz Prüfer im Jahr 2007 wegen des Verkehrsunfalls. Das waren, was RENFT betrifft, die härtesten Einschläge für mich und für Kuno übrigens auch. Ich schrieb Marcus einen Nachruf, der auf der Renft HP nachzulesen ist und dankenswerterweise im FOCUS erschien.
Nun macht man sich einen solchen Schritt natürlich nicht ganz einfach, sondern denkt länger darüber nach. Also kann man davon ausgehen, dass das schon länger in Dir schwelte?
Ja.
Dann nenne ich das Kind jetzt mal beim Namen: Vermutlich hat es mit Monster zu tun ...
Ja, damit hat es auch zu tun.
Auf RENFT kommen wir später noch mal zurück, jetzt gucken wir mal auf Dich und Deine Karriere. Wenn ich richtig rechne und Deiner Biographie Glauben schenke, hast Du mit 15 Jahren angefangen, zu trommeln. Das ist ziemlich spät, oder?
Ich finde es lustig, dass Du das sagst. Ja, es stimmt, ich fing erst mit 15 an, war aber ein halbes Jahr später schon in einer Band. Ich habe mich scheinbar lange darauf vorbereitet ... (lacht)
Wie fing es denn bei Dir an und wieso hast Du Dich für das Schlagzeug als Dein Instrument entschieden? Andere wollen ja unbedingt Gitarrist oder Frontmann werden und Du setzt Dich hinter die Schießbude ...
Das kann man nur schlecht erklären, es passiert einfach. Wir hatten Geographie-Unterricht und der Zeigestock des Lehrers, der uns die Kontinente auf der an der Wand hängenden Karte zeigte, zerbrach in zwei Teile und diese beiden Teile des Zeigestocks nahm ich mit nach Hause und habe mir am selben Tag - frag' mich jetzt nicht, warum - Topfdeckel mit einer Schnur ans Regal gehängt und prügelte auf mein Sofa ein. Das machte ich drei Tage lang und dann bin ich in die Musikschule in Altenburg gelaufen und wollte mich dort anmelden. Auf dem Weg in die Musikschule fragte mich ein älterer Herr, ob ich wüsste, wo diese sei. Er war Schlagzeuger, schon 80 Jahre alt und wollte daher dort sein Schlagzeug annoncieren. Am selben Tag hat mein Vater dieses Schlagzeug für 100,00 Mark in seinen Trabant gepackt und ich hatte mein Schlagzeug und Schlagzeugunterricht. Drei, vier oder fünf Wochen später - ich konnte eigentlich sofort einfache Rhythmen umsetzen - hat mein Trommellehrer mich einem Bassgitarristen empfohlen und so spielte ich in meiner ersten Band. Sie hieß FUNDAMENT, und dann war alles zu spät. Ich wusste, ich bin Musiker.
Das muss bei Dir - so wie Du es schilderst - ja tatsächlich ziemlich rasant von statten gegangen sein. Ich stelle mir Schlagzeugspielen nicht so einfach vor, Hand- und Fußkoordination und alles, das ist ja nicht so einfach. Und das hast Du Dir quasi innerhalb dieser kurzen Zeit beigebracht?
Das steckte glücklicherweise einfach in mir drin. Ich kann Dir auch sagen, warum mich Gitarre nicht so sehr interessiert hätte: Weil ich sie nicht vor mir habe. Die hängt ja an dir runter und du musst quasi runter schauen, da sie sich parallel zu deinem Körper befindet. Und das Schlagzeug ist vor dir, das muss irgendwie ein entscheidender Punkt gewesen sein.
Du erzähltest gerade von diesem ersten Schlagzeug und diesem 80-jährigen Senioren. Wo hat er das denn vor Dir zum Einsatz gebracht, weißt Du das?
Er hat damit bei Hochzeiten gespielt.
Also ein Amateurmusiker ...
Das kann ich Dir gar nicht sagen. Aber er hat mir mit diesem Schlagzeug eine wundervolle kleine Trommel vom VEB Dresdner Apparatebau vermacht, die heute eine Menge Geld wert wäre, was ich damals natürlich gar nicht wusste. Also ein richtiges Edelstück; in den 60er Jahren in edler Handwerkskunst in Dresden zusammengeschraubt. 24 Schnarrsaiten am Resonanzfell, alle beidseitig einzeln justierbar. Das wusste ich aber leider nicht und habe sie dann wahrscheinlich mit fünfzehneinhalb gegen ein paar Aktfotos oder sowas getauscht. (lacht)
Die Musik war aber anfangs nicht Deine Hauptmission, Du studiertest Marxismus/Leninismus und Geschichte. Wieso fiel die Wahl auf diese Fächer?
Eigentlich wollte ich nur Geschichte studieren, weil ich mich für Geschichte interessierte. Dafür war aber mein Abi einfach zu schlecht. Dann wurde mir eben dieses angeboten. Und da darin auch Geschichte enthalten war, machte ich dieses Studium. An der Humboldt-Uni in Berlin bewarb ich mich, wurde aber nicht genommen, bewarb mich an der Karl Marx-Uni in Leipzig und so bog ich auf dieses Gleis ab. So wurde ich dort Diplomhistoriker und Hochschullehrer zugleich.
Dieses Studium hast Du mit einem Diplom abgeschlossen, hast Du in dem Beruf denn überhaupt mal gearbeitet?
Nein, gar nicht. Aber dazu gehört eine schöne Geschichte, die ich Dir gern erzählen möchte: Ich habe parallel zur Erweiterten Oberschule ja schon bei FUNDAMENT gespielt. So war es auch während des Studiums. Ich war also immer in einer Band, habe immer geprobt und auch immer Musikschulen besucht. Als ich mit dem Studium fertig war, bekam ich ein Angebot von PASSION. Das war damals eine Band, die im Fernsehen und Rundfunk usw. stattfand, ausgestattet mit einem Fördervertrag der FDJ und was es damals alles so gab. Sie hatte also eine sehr gute Zeit und das war für mich natürlich ein ganz großes Ding. Die Uni in Leipzig hatte versucht, mich zu vermitteln. In der DDR gab es eine so genannte Absolventenlenkung. Das heißt, der Staat hat in dich Geld gesteckt, du hast fünf Jahre studiert und nichts dafür bezahlt und jetzt musst du auch arbeiten. Und zwar in dem Job, den du studiert hast. Maximal zwei Jahre und wenn du Pech hattest, dann an einem Ort, in den du gesteckt wirst, weil dort Bedarf besteht. Eigentlich eine tolle Regelung. Wenn man heute an die Ärzte denkt, die nicht aufs Land gehen wollen, könnte man das wieder einführen. Nach zwei Jahren würden einige, die dort nicht hin wollten, vielleicht doch dort bleiben. Na ja ... Mein erstes Angebot kam von der Hochschule für Ökonomie in Leipzig. Ich war in Ökonomie jedoch ganz schlecht, wie auch in Mathematik. Beides hängt ja miteinander zusammen und wurde somit also nicht angenommen. Im zweiten Gespräch der Absolventenlenkung wurde ich gefragt, ob ich nicht in die Partei eintreten wolle. Also entweder in die SED oder eine Blockpartei. Das wollte ich aber nicht und sagte - vorsichtig formuliert - "Ich möchte zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in die SED eintreten." Nun war ich ja Hochschullehrer für Marxismus/Leninismus und nach diesem zweiten Gespräch, in dem ich dies sagte, wurde ich durchgereicht; keiner wollte mich. Die wollten sich kein Kuckucksei ins Nest legen. Das realisierte ich aber erst später und als ich dann befürchten musste, einen Job in der Fachschule für Kindergärtnerinnen in Wurzen - das ist eine kleine Stadt mitten in Sachsen - bekommen zu müssen, besorgte ich mir ganz schnell ein Schreiben von PASSION, in dem stand, dass ich unabkömmlich für die wundervolle Rockszene der DDR und für den Staat bin, Verpflichtungen bei Fernsehen, Rundfunk und Schallplatte habe und darum bitte, aus dieser Absolventenlenkung entlassen zu werden. Da schleppte ich noch Schreiben vom Kulturministerium und vom Zentralrat der FDJ an, legte sie vor und die Uni war froh, dass sie mich los hatte. Ich wurde also aus der Absolventenlenkung entlassen und war froh, dass die Absolventenlenkung hinter mir lag und konnte dann ohne Hindernisse bei PASSION als Profi-Musiker arbeiten.
Nun soll es in der DDR ja so gewesen sein, dass man, wenn man Profi-Musiker werden wollte, auch ein themenbezogenes Studium abgeschlossen haben musste. Hast Du denn in Sachen Musikstudium noch etwas unternehmen müssen oder nicht?
Dieses mit dem "musste", was der DDR immer unterstellt wird, stimmt so nicht. Die DDR war ein Staat, der immer große Forderungen stellte, die er dann aber gar nicht durchsetzen wollte oder konnte. Ich habe ja nun in einer Menge Profi-Bands in der DDR gespielt, bei denen hatte nur die Hälfte der Musiker eine abgeschlossene Ausbildung. Die anderen waren einfach dabei, waren erfolgreich und blieben dabei. Und da hat auch niemand rumgenervt. Die 80er Jahre waren, anders noch als die Renftschen frühen Siebziger, ein Jahrzehnt der inneren Aufweichung staatlicher Strukturen. Das erklärt das eben gesagte. Trotzdem habe ich aus eigenem Willen neun Jahre lang Musikschulen besucht. Ich war vier Jahre in der Musikschule in Altenburg und fünf Jahre auf dem Konservatorium in Leipzig. Dazu hat mich aber niemand gezwungen. Wesentlich ist sicherlich, dass Ausbildungen dieser Art quasi kostenlos waren. Und dazu noch auf sehr hohem und breit angelegten Niveau. Der Unterricht umfasste Musikgeschichte, Instrumentenkunde, Tonsatz, Ensemblespiel und eben die Ausbildung am Instrument.
Du hast gerade den Namen der Band PASSION schon genannt. Wie kam es überhaupt dazu, dass Du in diese Kapelle eingestiegen bist? Wurdest Du abgeworben oder wie war das damals?
Ich kam ja von FUNDAMENT, einer kleinen Amateurband, die sich aufgelöst hatte, der ich aber sehr verbunden war. Das war damals Anfang der 80er Jahre. Ich war seit 1973 bei dieser Band und die Auflösung war für mich ein schwerer Schlag. Ich hörte von PASSION, die ich kannte und auch sehr schätzte, dass sie einen Schlagzeuger bräuchten, weil ihr Schlagzeuger zum Grundwehrdienst bei der Armee musste. Ich hatte mich kundig gemacht und wusste, die proben in Merseburg, fuhr also mit dem Zug von Leipzig nach Merseburg und klingelte bei der Adresse, die ich erfahren hatte. Da kam die Mutter des Keyboarders raus und sagte "Ja, die Band probt gerade zufälligerweise hier, sie sind jetzt aber in der Kneipe und essen zu Mittag." Ich marschierte also - völlig aufgeregt - in diese Kneipe und sagte "Hallo, ich bin Delle Kriese, ich hörte, dass Ihr einen Schlagzeuger braucht." Die sagten "Na, dann komm' einfach mit, wir proben gerade." Dann ging ich also zitternd mit in den Proberaum und sie fragten mich "Was kannst du denn spielen von KANSAS?" Sie hatten damals gerade so eine KANSAS-Zeit. Ich sagte "Point of no return", spielte das mit ihnen zusammen, weil ich es einfach konnte. Der Geiger und Chef der Band (Ullrich Schroedter, Anm. d. Red.) schickte mich raus und gab mir einen Song mit. Es war ein eigener PASSION-Song und in ihm war am Ende des letzten Drittels ein Drei/Viertel eingeschoben, das musste man raushören. Also ein Vier/Viertel-Song, in den ein Drei/Viertel eingeschoben wurde. Das war ein wenig "tricky", ich hörte es aber raus, spielte es vor und dann war ich dabei.
Die Band hatte ja sogar schon eine Plattenveröffentlichung und Ihr habt auch außerhalb der DDR live gespielt. Ihr wart - glaube ich - an der Trasse. Richtig?
Wir waren an der Trasse, wir waren aber auch im Kaukasus.
Was waren für Dich persönlich denn die Highlights in den zwei Jahren, in denen Du bei dieser Band gespielt hast?
Na ja, das erste Mal im Fernsehen sein zu können. Das ist klar. Und zweitens wahrscheinlich diese Sowjetunion-Tour. Die Trasse war mehr richtige Arbeit und nicht so epochal. Aber im Kaukasus als Pop-Star zu gelten, mit dem Hubschrauber zur Mugge zu fliegen, in diesen riesigen Sälen zu spielen und erfolgreich zu sein, war natürlich abartig schön. Und die wirklich schönen russischen Frauen himmelten uns an und wir himmelten erfolgreich zurück ...
Du erzähltest gerade von der Auflösung der Gruppe FUNDAMENT, und bei PASSION musstest Du dasselbe noch mal erleben, dass sich die Band auflöst. Was war denn da los?
PASSION machte ja eine sehr komplizierte Musik, an Orlando di Lasso und Francois Couperin angelehnt. Die Songs gingen teilweise über sieben, acht Minuten und waren echt kompliziert. Also Fünf/Viertel, Sieben/Achtel, Neun/Achtel waren keine Seltenheit. Es lief auch gut … Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre, als so etwas noch goutiert wurde. Das änderte sich, Pop-Musik war angesagt und der Publikumsgeschmack veränderte sich auch. Und diese Kurve haben wir nicht gekriegt. STERN MEISSEN, die auch kompliziertes Zeug spielten, bekamen das hin. Wir nicht. Später dann stieg unser musikalische Chef, Multiinstrumentalist und Geiger Teuto Schroedter aus der Band aus und PASSION zerfiel. Er ging zu DIALOG, einer Schlager-Popband. Die Entscheidung verstand ich nicht, aber es war ja auch die seine. Auch Lutz Salzwedel, unser Sänger, war in Richtung KARUSSELL verschwunden. Lutz ging Ende der 80er in die Vereinigten Staaten, nannte sich in DAN LUCAS um und legte dort eine tolle Chart-Karriere hin. Respekt! Nun ist er wieder im Lande und Gewinner der ersten VOICE OF GERMANY SENIOR-Staffel geworden. Na ja, spätestens an diesem Punkt war unsere Zeit vorbei, auch wenn wir noch Einiges versuchten.
Du bist dann zu Cäsar und seiner Rockband in ihrer zweiten Besetzung gegangen. Wie haben Cäsar und Du damals zueinander gefunden? Kanntet Ihr Euch vorher schon oder wie war das?
Wir kannten uns lose. Fast die gesamte PASSION-Band, also der Bassist, der Keyboarder und ich sind als Bandkörper zu Cäsar gewechselt. Cäsar war mit seiner ersten Band nicht mehr zufrieden und brauchte eine neue Band, und wir waren als Band quasi auf dem Markt. Unser damaliger Manager, Falk-Gerd Pasemann, stellte den Kontakt zu Cäsar her, der allerdings damals schon überlegte, in den Westen zu gehen. Das hat er dann aber nicht gemacht. Wir trafen uns bei Cäsar, schwatzten miteinander und er sagte: "Okay, ich verschiebe diese Ausreise, wenn ich hier eine Band habe, und wir machen weiter." Das alles wurde also über unseren Manager vermittelt.
Bei Cäsar entstanden im Studio des Rundfunks einige Songs, die damals nicht auf Platte, sondern erst viele Jahre später auf CD erschienen sind. Waren das Deine ersten Erfahrungen in einem Studio oder gab es schon zu PASSION-Zeiten Aufnahmen?
Ja, na klar gibt es jede Menge PASSION-Aufnahmen. Eine unveröffentlichte namens "Klassentreffen" übrigens mit einem schönen Gundermann-Text. Gundi ist mir zu dieser Zeit allerdings noch kein Begriff gewesen.
Du warst also schon mit PASSION im Studio, und nicht erst mit Cäsar?
Ja, im Rundfunkstudio und auch im Fernsehen. Privat getragene Studios gründeten sich erst ab ca. 1985.
Es soll ja bei Cäsar noch weiteres Songmaterial für eine Album-Produktion gegeben haben, für die Werner Karma die Texte schrieb. Die LP kam dann aber leider nie raus. Was wurde aus diesen Liedern?
Nichts. Die liegen bei Cäsars Witwe im Schreibtisch. Ich piekste sie auch an und sagte, "Lass uns das doch mal veröffentlichen." Es handelt sich um ein Konzeptalbum, auf dem es um ein kleines Mädchen - Lisa - geht, welches in die Schule kommt und dann erwachsen wird. Die Texte kamen von, du sagst es, Werner Karma. Wir schrieben die Songs dazu. Das Album war komplett, wurde als Demo aufgenommen und abgegeben, aber AMIGA wollte es nicht haben. Was damit zusammen hing, dass Cäsar wieder erwog, in den Westen zu gehen. Somit wurde es leider nichts, aber die Songs, die wir live nie spielten, sind komplett da und liegen wie gesagt in einer recht guten Demo-Fassung bei der Witwe von Cäsar.
Im Jahre 1986 war dann Feierabend und wieder erlebtest Du die Auflösung einer Band. Grund war Cäsars Ausreiseantrag, warum wollte er die DDR verlassen, habt Ihr darüber offen gesprochen?
Ja ja, selbstverständlich. Der Wunsch auszureisen ging allerdings weniger von Cäsar, als von seiner damaligen Frau aus. Die wollte es unbedingt, betrieb es und Cäsar hat das dann mitgemacht. Ich glaube, Cäsar wollte nie wirklich raus aus Leipzig und war auch einer von denen, die sofort nach der Wende wieder nach Hause zurückgekommen sind. Cäsar war eine Leipziger Pflanze. Einer der Typen, die sehr heimatbezogen sind. Leipzig war seine Heimat und er ist dort auch hoch verehrt. Die Stadt sorgte dafür, dass er und auch Klaus auf einem herausgehobenen Areal des Südfriedhofes bestattet wurden. Kurt Masur ist ihr Nachbar.
Wie bist Du denn danach dann zur JONATHAN BLUES BAND gekommen? Das war ja dann musikalisch betrachtet eine komplett andere Baustelle ...
Ich wohnte ja in Leipzig und dort konnte man nur begrenzt Musik machen, wenn man in der DDR erfolgreich sein wollte. Das ging eigentlich nur in Berlin, der Hauptstadt. Also zog ich dort hin. Dann kam das Angebot von JONATHAN. Ich hatte mit Blues bis dahin überhaupt nichts zu tun und es war wirklich eine Radikalkur, die ich da mitmachte. Ich bin auch sehr froh, dass mir das passierte, weil ich begriff, was weißer Blues ... was Großstadt-Blues sein kann. Die Vorbilder von dem, der die Songs schrieb, waren Robert Johnson, Stevie Ray Vaughan oder Johnny Winter. Ich bin wirklich dankbar, diese musikalische Welt kennengelernt zu haben. Vorher wurde Blues von uns nicht wirklich wertgeschätzt. So nach dem Motto: "Wenn wir spielen und noch zehn Minuten spielen müssen, aber nichts mehr haben, machen wir eben Blues."
Hat JBB-Chef Peter Pabst Dich entdeckt oder hast Du Dich beworben?
Beides. Wir kannten uns natürlich von gemeinsamen Muggen. Ich glaube, ich rief bei ihm an und er meinte: "Na klasse, komm' einfach mal rum." Wie es ganz genau ablief, weiß ich nicht mehr,
Du hast dann letztlich auch die Songs für das Album "Überdruck" eingetrommelt. Eine Platte, die für ordentlich Aufsehen sorgte und in einer Liga mit den Alben von SILLY und CITY mitspielte. Kannst Du Dich noch an diese Aufnahmen für die Scheibe erinnern? Dieses Album wurde ja vom SILLY-Bassisten Mathias Schramm produziert. Wie war das damals?
Ja, Mathias Schramm war der Produzent. Wie der zu JONATHAN stieß, kann ich Dir nicht sagen. Ah, doch: er hatte mit Tino Eisbrenner zu tun und Tino fragte Peter Pabst und mich - wir sind im Jahr 1987 - ob wir bei seiner Tour mitspielen wollten. Das war die erste Tour, die er nicht mehr als JESSICA, sondern solo als Tino mit der roten Mütze machte. Grund dafür war, dass der Gitarrist und der Schlagzeuger von JESSICA den Grundwehrdienst bei der Armee ableisten mussten. Er brauchte also zwei Leute und wir machten diese Tour auch mit ihm. Das war übrigens die einzige Tournee, bei der ich erlebte, dass Schlüpfer, Teddybären und sowas auf die Bühne geflogen kamen. Ich denke, über diesen Draht kamen wir zu Matze Schramm, der dann unsere Platte produzierte. Das bekam der Platte richtig gut, weil er ganz anders tickte, von einer völlig anderen Musik als dem Blues her kam und zum Beispiel auch Rhythmus-Computer und dergleichen benutzte. Dies war für die doch eher konservative Blues-Szene neu. Matze hat großen Anteil an der Produktion der "Mont Klamott"-Scheibe von SILLY, die klanglich für DDR-Verhältnisse einer Revolution gleichkam. Das sollte man nicht vergessen. Für mich war es die erste Arbeit an einer LP überhaupt. Das AMIGA-Studio war ein recht kleines Studio, in dem allerdings hervorragende Produktionen gemacht wurden. Dazu gehören die zwei legendären RENFT-Scheiben. Wir hatten zwei Wochen Zeit, um die Platte einzuspielen.
Im Jahr 1988 stand die Idee im Raum, eine eigene Band zu gründen. Wie sah diese Idee aus, wie weit waren die Vorbereitungen vorangeschritten und woran ist die Gründung letztlich gescheitert, denn dazu kam es dann ja nicht?
Es kam schon dazu, allerdings mit keinem befriedigenden Ergebnis. Ich bin bei JONATHAN ausgestiegen, Trommler sind bei JONATHAN sehr oft ausgestiegen. Ich wollte dann mit meinem alten Leipziger Freund Johnny Jahn, der selbst Songs schrieb, die von der Harmoniestruktur an GENESIS erinnerten, eine Band gründen. Ich versuchte ein Jahr lang, mit ihm diese Band aufzubauen und habe parallel dazu - weil ich ja auch leben und Geld verdienen musste - bei KERSCHOWSKI und der BLANKENFELDER BOOGIE Band gespielt. Wir versuchten also recht zäh, diese Band aufzubauen. Wir machten Aufnahmen mit Musikern von JESSICA, aber dem ganzen war leider kein Erfolg beschieden. Das einzige, was herauskam ist, dass ich in dem einen Jahr alles, was ich an Geld hatte, in diese Sache hineinsteckte. Es gab einen einzigen Auftritt und nach diesem begriffen wir, dass es leider nicht läuft.
Wer war denn noch dabei?
Dabei waren u.a. der Gitarrist Garret Matzko von CHICORÉE, der Bassist Janek Skirecki und kurzzeitig auch der Keyboarder Ralf Böhme, beide von JESSICA. Letzterer ist der Typ, der ein wenig später dann die "Kling-Klang"-KEIMZEIT-Platte produzierte.
Aber dann wart Ihr mit der Band doch schon ziemlich gut zugange ...
Ja, aber es gab keinen Manager bzw. der, den es gab, war ein Dummkopf. Es gab einfach niemanden, der uns unterstützte und Auftritte besorgt hat.
Wie hieß das Unternehmen?
Johnny zog - wie ja auch ich ein paar Jahre vorher - von Leipzig nach Berlin. Deshalb JOHNNY GOES TO BERLIN.
Verstehe ... in Anlehnung an FRANKIE GOES TO HOLLYWOOD.
Genau!
Statt der Band warst Du an der BLANKENFELDER BOOGIEBAND-LP von KERSCHOWSKI beteiligt und gingst mit GUNDERMANN auf Tour. Das klingt nach ganz viel Stress und kaum Zeit für etwas anderes ...
Ich machte das alles irgendwie mit links, das war alles klasse, ich mochte und liebte das und hatte außer Musik ja auch nichts anderes. Ich habe das überhaupt nicht als Belastung empfunden. Sieh mal, ich habe immer Musik gemacht, daneben studiert, ging an drei Tagen in der Woche in die Musikschule. Dies alles parallel zueinander. Was die Boogieband betrifft: An der Einspielung der CD habe ich nur einen sehr kleinen Anteil. Diese Ehre wurde meinem Freund Peter Michailow zuteil. Nicht zu vergessen: Marcus Schloussen, unser Basskran, stand an Selbigem.
GUNDERMANN war damals ja noch nicht so bekannt, eher ein Geheimtipp. Wie habt Ihr Euch kennengelernt bzw. wie kamst Du in seine Kapelle?
Ja, das ist auch eine gute Frage. Ich glaube, das lief über den Bassisten und die Saxophonistin von KERSCHOWSKI. Also über Lexa Thomas und Tina Tandler, mit denen ich ja gemeinsam spielte. Über diesen Kontakt trat dann GUNDERMANN an mich heran, fragte mich und so spielte ich mit den beiden dann 1989 auch bei GUNDERMANN.
Als die Wende bzw. der Fall der Mauer kam, warst Du auf Tournee mit GUNDERMANN. Wie hast Du dieses Ereignis erlebt und wo warst Du da?
1989 spielten wir als "GUNDERMANN & Freunde" in die Wende hinein. Das war so die eiligste Zeit meines Lebens und wahrscheinlich auch des Lebens der anderen Kollegen. Wärst Du im Osten groß geworden, die Wendezeit war das "Highest Forever"! Ich weiß noch, unsere Managerin kam zu einer Mugge, brachte die Rockerresolution mit und fragte, ob wir die unterschreiben wollen. Wir unterschrieben sie und ich erinnere, dass Hugo Dietrich, unser Gitarrist, mit seiner Unterschrift zögerte. Der war beim Rundfunk angestellt und für einen Chefposten vorgesehen, das rührte also an seiner beruflichen Existenz, unterschrieb dann aber - denke ich - doch. Das war schon eine irre Zeit. Um die Gagenabrechnung kümmerte sich Gundis Frau Conny. Ich habe diese Abrechnung kürzlich wieder gefunden. Sie wird inzwischen im Ostrockmuseum Kröpelin aufbewahrt.
Du hast die Wende also live miterlebt, indem Du in der ganzen DDR unterwegs warst?
So ist es. Dazu noch eine Geschichte: Ich war ja bei den WILDERERN, die dürfen nicht vergessen werden und wegen der Wende erzähle ich das: Wir spielten am 8. November 1989 in Berlin ein Einstufungskonzert. In der Einstufungskommission saßen übrigens Jürgen Ehle von PANKOW und Tamara Danz. Kurz zuvor hatte ich mein Visum erhalten, um in den Westen reisen zu können. Dieses Visum wurde gültig am 9. November. Und nach dieser Einstufung haben mich die Kollegen zum Bahnhof Friedrichstraße gebracht, ich stieg pünktlich 00:01 Uhr mit gültigem Visum in die S-Bahn ein und fuhr zum ersten Mal nach Westberlin. Noch vor der Wende also saß ich an diesem Abend mit Cäsar in einer Kneipe. Er war ja ausgereist und ich besuchte ihn dort natürlich. Eine Kneipe in Kreuzberg, in die auch Pannach und Kunert gerne gingen. Ich trank ein Bier und beim zweiten Bier - ich saß mit dem Gesicht zum Fenster hin - sah ich plötzlich einen Trabi und dachte, ich sehe nicht richtig. Dann sah ich noch einen und auch einen Wartburg. Ich guckte Cäsar an, betrachtete mein Bier und fragte ihn, "Was habt Ihr denn für komisches Bier hier??? Das macht ja total besoffen. Cäsar, ich habe gerade einen Trabi und einen Wartburg gesehen!" Da umarmte er mich und meinte: "Nein Delle, das kann nicht sein. Hier bist Du in Sicherheit, mach' Dir mal keinen Kopp." Das war meine Wende ...
In Deiner Biographie steht, dass Du später - im Jahr 1996 - sogar ein halbes Jahr bei GUNDERMANNs SEILSCHAFT mitgespielt hast. Das war für mich ganz was Neues, denn ich dachte, die SEILSCHAFT hätte mit Tina Powileit stets ein und dieselbe Trommlerin gehabt. Erzähl doch mal bitte, wie es dazu kam.
Ich stand GUNDERMANN ja nahe und Tina wurde `96 mit ihrer zweiten Tochter schwanger, deshalb meine Aushilfe. Übrigens spielte ich auch vor einigen Wochen einige Male mit der SEILSCHAFT, nachdem Tina sich das Handgelenk brach.
Kommen wir noch mal zurück zur Wendezeit. In Deiner Vita konntest Du ja einige Bands und Solisten eintragen, für die Du gespielt hast und deren Line-Ups Du angehört hast. Auch bei den WILDERERN, die GUNDERMANN - aber nicht nur GUNDERMANN, sondern auch RIO REISER - begleitet haben, warst Du aktiv. Ihr hattet ein kurzes aber heftiges Abenteuer, als RIO die WILDERER als Begleitband holte. An was erinnerst Du Dich noch besonders gut, wenn Du an diese kurze Phase denkst und als welchen Menschen hast Du RIO kennengelernt?
Der Kontakt zu RIO kam 1988 über KERSCHOWSKI, mit dem zusammen wir ein deutsch-deutsches Konzert in der Berliner Werner-Seelenbinder-Halle spielten. Da lernten wir RIO kennen und das ganze erschien ja auch auf der DVD und CD "RIO live in der Werner-Seelenbinder-Halle". Zum Schluss des Konzerts jammten wir gemeinsam mit RIO einen BLANKENFELDER BOOGIE-BAND-Song und der ist auf dieser Veröffentlichung auch drauf. So haben wir RIO kennengelernt. Er mischte später die AMIGA-Platte der BLANKENFELDER BOOGIEBAND bei sich in Fresenhagen ab. Und da die Grundband von KERSCHOWSKI auch die Grundband der WILDERER ist, blieb der Kontakt zu RIO bestehen. Mit Lutz Kerschowski und Jörg Wilkendorf, dem WILDERER-Frontmann, fuhren wir mit RIO Anfang der Neunziger zwei Wochen nach Südfrankreich. RIO kümmerte sich dort um die Gestaltung seines damals aktuellen Plattencovers, für uns war es eher Urlaub. Da haben wir alles Mögliche gemacht, natürlich nur maßvoll getrunken und ihn in der Zeit sehr gut kennengelernt. Rio war etwas sperrig, aber nicht so sperrig, wie ich manch andere Musiker kenne. Umgänglich, intelligent, sympathisch und nett. Einfach ein Typ von nebenan ohne besondere Allüren. Allerdings sind RIO betreffend Lutz und Mischka, der WILDERER-Keyboarder, aussagekräftiger. Beide waren bis zu seinem Ableben in seiner Band. Und ich schon lange bei RENFT.
Die WILDERER waren auch Begleitband für Michelle Shocked ...
Michelle kam irgendwie nach Ost-Berlin, nach der Wende kamen ja viele nach Berlin. Viele waren an der Wende, an Ostberlin interessiert. Sie war gerade auf dem Wege von Kanada nach Großbritannien zu MIDNIGHT OIL. Ich glaube, mit denen machte sie eine Platte. Sie legte einen Zwischenstopp ein und brauchte eine Band, da sie ihre nicht dabei hatte. Irgendjemand kam dann auf die Idee, dass wir diese Band sein könnten und so machten wir diese eine Mugge mit ihr. Sie hatte uns eine Ton-Kassette mit ihren Songs geschickt, die hörten wir uns an, drückten sie uns drauf und haben dann mit ihr in einer Kirchenruine in der Klosterstraße gespielt. Dort saß übrigens auch ein interessierter GUNDI im Publikum. Um nochmal etwas zu den beiden letzteren zu sagen: RIO kannte ich recht gut. Das Konzert in Magdeburg Anfang der neunziger Jahre, als wir mit den WILDERERN selber in Hochform waren und dann auch noch RIOs Band sein konnten, werde ich nie vergessen! Auch nicht das Michelle Shocked-Konzert. Aber für mein Leben als Musiker sind dies Episoden. Ich möchte mich da nicht zu wichtig nehmen.
Dann kam das Jahr 1994 und Du kamst zu RENFT. Wie waren denn da die Verbindungen und wie lief es damals ab, dass Du Teil dieser Kultband wurdest?
RENFT hatten mich 1991 oder 1992 schon mal gefragt, ob ich bei ihnen mitmachen wolle. Das wollte ich zu diesem Zeitpunkt aber nicht, weil ich gerade mit TINO STANDHAFT unterwegs war. Tino und seine wundervollen Songs waren mir ganz wichtig, für uns machte ich damals auch die Geschäfte und das wollte ich nicht aufgeben. Es war zwar absehbar, dass man nicht die Hitparaden stürmen würde, aber es war mir wichtig genug, so dass ich nicht zu RENFT ging. Leider endete unsere Zusammenarbeit und ich erhielt 1994 Angebote von ENGERLING, von MONOKEL und von erneut RENFT. Ich überlegte, was ich mache und nahm dann das Angebot von RENFT an.
Es gab ja kurzzeitig sogar eine Band mit dem Namen "Monsters RENFT". Was hatte es damals eigentlich damit auf sich und warum erzählst Du laut eigener Aussage ungern über diese Phase Mitte der 90er Jahre?
Na ja, nach der Wende gab es RENFT. Dann wurde Klaus 1996 aus der Band geschmissen, dies auch zurecht. Im Zuge dieser ganzen Sache baute Cäsar eine zweite RENFT-Band auf. Er holte Gerulf Pannach als Sänger, Kuno Kunert - der eigentlich mit der ganzen Musikwelt nichts mehr am Hut hatte - als Keyboarder sowie Jochen Hohl als Drummer in diese zweite Band. Letztlich kam noch Pjotr Kschentz hinzu. Es gab also zwei, drei Jahre lang zwei Bands, die RENFT-Songs spielten und sich auch als echte Renftler legitimieren konnten. Das war die Zeit, als wir - ich war ja bei Monster - uns "Monsters RENFT" nannten, einfach um eine Unterscheidung zu treffen.
Irgendwann aber kam Bewegung in die Sache und das ganze Unternehmen hieß dann auch wieder nur noch RENFT. Kannst Du mal kurz aus Deiner Sicht - also aus der Sicht eines der beteiligten Musiker - erzählen, wie das damals alles ablief und wie RENFT letztlich wieder RENFT wurde?
Es gab zwei RENFT-Bands, ein sehr unbefriedigender Zustand! Vor allem insofern, als dass bei "Monsters RENFT" - also der Band, der ich angehörte - nichts Neues passierte. Es gab keine neuen Songs. Dasselbe wiederholte sich, als wir ab 2005/06 wegen Kunos Hörstürze wieder mit ihm als Sänger spielten und bis jetzt - 2020 - gibt es quasi kein neues Material. Ich möchte darauf hinweisen, dass ich nicht in der Lage bin, Lieder zu schreiben. Ich bin also darauf angewiesen, dass andere das anbieten. Und Cäsar entschied sich irgendwann gegen die zweite RENFT-Band. Dafür, sie nicht mehr weiterführen zu wollen, weil er sein eigenes Ding machen wollte. Er wollte also seine eigenen Songs aus der Zeit Cäsar & DIE SPIELER machen. Die zweite RENFT-Band war für ihn ein temporäres Projekt. Da Kuno nun Blut geleckt hatte, fragte er eben uns - die wir Probleme mit Monster hatten - ob wir nicht bei ihm mitspielen wollten. Und das haben wir dann gemacht, das war 1998. Ich habe den ganzen Schlamassel in meinen Renft-Büchern genauer aufgedröselt. Hier in diesem Gespräch ist der geneigte Leser sicher etwas überfordert, und das zu recht. Es lohnt sich im Grunde nicht.
Aber es gab später ja dann auch neues Material ...
Ja, von 1998 bis 2005 machten wir zwei Scheiben, auf denen neues Material enthalten ist.
Und olle Renft kam ja auch wieder retour.
Kuno dachte, dass es besser wäre, Klaus dabei zu haben. Das alte, berühmte Schlachtross. Wir bereiteten die Produktion der ersten Platte vor. Kuno schreibt ja kompliziertes Zeug und Klaus war bewusst, dass er technisch nicht in der Lage sein wird, das spielen zu können. Daraufhin stellte er selbst den Kontakt zu Marcus Schloussen, den wir alle kannten und schätzten, her, weil er wusste, der kann spielen was Kuno abforderte. So ergab es sich, dass Marcus auch live dabei blieb und wir mit zwei Bassisten spielten. Wobei sich die beiden auch ablösten, es wurde gut organisiert. Klaus kam dann eben erst später auf die Bühne, reüssierte als Sänger und Scheren-Perkussionist.
Du hast über RENFT die zwei eben von Dir schon erwähnten Bücher geschrieben. Ist Dein Hintergrund als Historiker mit ein Auslöser gewesen, dass Du die Geschichte dieser Band in schriftlicher Form festgehalten hast oder was war der Antrieb, zu sagen, ich mache die Geschichte der Band in Buchform?
Nur Musik zu machen, reichte mir irgendwann nicht mehr. Da ich ja mit RIO zusammen war, überlegte ich kurz, ob ich eine Geschichte schreibe, in der ich die RENFT-COMBO mit TON STEINE SCHERBEN vergleiche, weil beide vom 68er Geist gestützte Bands sind. Die eine im Osten und die andere im Westen. Und beide mit einer politischen Intention, die ich teilte und teile. Dann begriff ich aber, die beiden Bands auch in musikalischer Sicht zu vergleichen, ist eher eine Sache für Musik- oder Kulturwissenschaftler. Das traute ich mir nicht zu und so blieb ich bei RENFT hängen und schrieb also deren Geschichte auf.
Du hast ja in Deiner Zeit bei RENFT selbst eine ganze Menge erlebt und da gab es auch viele Momente, die nicht so toll waren. Es ist ja auch immer wieder die Rede von diesem "RENFT-Fluch", weil so viele Kollegen gestorben sind. Du hast vorhin schon zwei Namen genannt, wo es Dich offensichtlich richtig aus den Schuhen gehoben hat. Woher nimmt man die Kraft, solche Schläge einzustecken, wieder aufzustehen und weiter zu machen?
Es gibt für uns ein Musikmachen wollen und müssen, es ist ein Automatismus und wir mussten lernen, alles dies zu verdrängen so gut es irgend geht. Mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen. Es sind ja auch meistens Verläufe gewesen, bei denen man sich daran gewöhnen konnte, dass die Kollegen irgendwann gehen werden. Bei Pjotr ging es zwar relativ schnell, aber wir ahnten, dass seine Zeit begrenzt ist. Auch bei Klaus konnte man es ahnen, man konnte sich also innerlich darauf vorbereiten. Bei Heinz Prüfer, der mir äußerst am Herzen lag und liegt, war es etwas ganz anderes, denn er starb durch einen Verkehrsunfall. Das war ein Schock für uns alle, als er nach einem Konzert auf der Heimfahrt aus dem Leben gerissen wurde. Das war nicht lustig.
Wie verändern solche Schicksalsschläge denn die eigene Sicht auf das Leben?
Man realisiert, dass man irgendwann einmal gehen muss. Und man fragt Leute, die man trifft und schätzt, ob sie gesund sind und es ihnen gut geht. Und diese Frage ist nun keine Floskel mehr. Ich bin in allen meinen Bands immer der Jüngste gewesen. Klausi nannte mich sogar einen "Grünschnabel". Das war aber lieb gemeint und hat mich gefreut. Monster wird bald 75 und ist auf der Bühne stark wie ein Stier! Da will ich mich mit lausigen 61 Jahren nicht beschweren.
Nun gab es bei RENFT in den letzten Jahren nicht wirklich viele Gelegenheiten, neue Lieder zu erschaffen oder zu erarbeiten, um sie live zu spielen, Du hast es ja schon angesprochen ...
Naja, die Gelegenheiten gab es zuhauf, wir haben sie nicht genutzt.
Du sagtest gerade, es hätte reichlich Gelegenheiten gegeben. Nun kann RENFT aber ja nicht irgendwelche Lieder spielen. Wer wäre denn in der Lage, in der Tradition von RENFT Lieder zu machen?
In der Tradition von RENFT, das kann ich nicht sagen. Aber Monster zumindest. Er hat Lieder, die er 1974, 75 und 76 gemacht hat, die liegen jetzt noch im Schrank und an ihnen schraubt er jetzt noch rum, weil sie ihm nicht gefallen. Die könnte man spielen, die sind natürlich in der RENFT-Tradition, haben wunderschöne Töne und Bögen, ganz wundervolle Lieder. Die Texte vielleicht nicht so, aber das ist auch immer Geschmackssache. Ich glaube, Monster blockiert sich selbst und damit auch uns. Deshalb kommt es dazu nicht. Ich kann - wie gesagt - keine Songs schreiben, Pitti schreibt selbst auch, aber seine Lieder würde Monster nicht haben wollen. Monster ist ein Blockierer seiner selbst und der anderen noch dazu.
Dann ist es umso konsequenter, den Schlussstrich zu ziehen ...
Ja.
Konsequent warst Du schon immer. Ich erinnere mich an einen Moment und danach wollte ich Dich schon ewig und drei Tage fragen: Vor ein paar Jahren, als die Gruppe RENFT im Kosovo für die dort stationierten Bundeswehrsoldaten spielte, reiste die Band dorthin, Du nicht. Was waren die Gründe dafür, dass Du nicht mitgefahren bist?
Ich bin nur sehr begrenzt dafür, dass sich deutsche Soldaten im Ausland bewegen. Ich trat damals im Herbst 1990 in Absprache mit RIO REISER - er ein paar Wochen vor mir - in die PDS ein und bin noch Mitglied bei DIE LINKE. Wir machten 1990 gemeinsam eine Tour zum Wahlkampf der PDS. Also RIO REISER mit seiner Band und wir als DIE WILDERER. Da unterhielten wir uns natürlich über solche Sachen. Ich sage das deswegen, weil DIE LINKE ja nicht unbedingt gegen Auslandseinsätze ist, aber im Kosovo kann ich das nicht mittragen, dort haben wir überhaupt nichts zu suchen. Weißt Du, wir haben mit den WILDERERN schon gegen den ersten Irak-Krieg angesungen. Wir haben Sachen getextet, wie "Wir fressen SNICKERS, ihr beißt ins Gras" oder "Der Blues ist vorbei, er war viel zu leise!!!", was sich auf solche Sachen bezog, die uns nicht passten. Ich bin oft in Bands gewesen, die politisch tickten, bei denen sich das auch in den Texten niederschlug. Und für mich ist RENFT natürlich ebenfalls eine politische Band, deren Texte ich außerordentlich schätze. Das passte für mich einfach überhaupt nicht zusammen und ich konnte das nicht machen. Ich wuchs mit der Friedenstaube auf. Und wenn etwas wahrhaftig an der DDR gewesen sein sollte, dann war es der unbedingte Wille zum Frieden! Im Moment ist die Bundeswehr in sieben Staaten stationiert. Gratulation!
Du hast Rückgrat. Das muss man so sagen ... Spielst Du noch bei Putensen?
Selten. Bei Pute ist es so, du kriegst einen Anruf, "Kannst du morgen?", dann fährst du hin und dann ist wieder ein halbes Jahr Ruhe. Aber natürlich mache ich das und mache es auch sehr gern.
Ich frage deswegen, weil mich und auch unsere Leser interessiert, wie es denn jetzt für Dich weitergehen wird.Wenn man Delle Kriese trommeln hören wollte, konnte man zu RENFT gehen. Wo muss man jetzt hingehen, um Dich zu hören und zu sehen?
Das weiß ich noch nicht.
Du willst jetzt aber nicht in Rente gehen, Du möchtest weitermachen?
Von Rente weiß ich nix. Ab und zu spiele ich ja als Gast bei Arno Zillmer, auch öfter mal mit der Lütten (Angelika Mann), sowas mache ich ja noch. Ab und zu treffe ich mich mit ehemaligen Kollegen von SILLY, STERN MEISSEN, HORST KRÜGER u.a. für ausgesuchte Konzerte. Dort spielen wir Lieder dieser, also unserer Bands. Das firmiert dann unter "Rock-Ost". Aus Spaß an der Freude; so drei, vier Mal im Jahr.
Vielleicht kann man jetzt im knackigen Alter von 60 ja noch die eigene Band in Angriff nehmen?
Nein, das glaube ich nicht. Bitte nicht vergessen: Ich schreibe keine Songs!
Du wirst uns auf dem Laufenden halten und wir dann die Leser, wo es Dich hin verschlagen wird.
Na selbstverständlich.
Ich nennen Dir jetzt noch ein paar Stichworte und bitte Dich, darauf in einem oder maximal zwei Sätzen zu antworten.
Altenburg:
Mein Vati lebt dort noch immer.
Mixed Pickles:
Intelligent, wütend, anarchistisch. Wenn es sich nicht um inzwischen ältere Herrschaften handelte, käme eine neue RAF im Geiste in Betracht.
B.J. Gordon:
Die Lieder von Bonnie lassen mein Herz zerfließen.
Blue Stift:
Wirklich gute, eigene Songs, von denen die Welt nichts weiß.
"Signature Sticks":
Für mich von ROHEMA im Erzgebirge gefertigte Trommelstöcke, liegen perfekt in meiner Hand.
Familie:
Insgesamt vier Kinder, die aus dem Hause sind und sogar in einem Fall den Doktorhut tragen. Hund Loki, mein dritter. Das letzte Kind hat Fell.
Deutsch- oder Ostrock?
Nicht genug Platz hier für bestehende, wesentliche Unterschiede. Entscheidend ist der Rock`n Roll. Haben mit Udo L. im Berliner Interconti Cognac verzehrt. One World ...
Bevor wir hier schließen: Für mich war ja schon neu, dass Du bei der Seilschaft mitgespielt hast. Nun las ich in Deiner Vita aber auch den Namen Polkaholix. Wie sind denn da die Verbindungen und wann warst Du dort mit dabei?
Mitte der neunziger Jahre fragte mich Mario Ferraro, mein alter Gitarristen-Kumpel der WILDERER, ob ich bei JAMS mitspielen wolle. Folkmusik. Diese war mir fremd. Keine Rockmusik. Das Ergebnis: Wir machten eine kleine Slowenien-Tour und ich genoss es! Aus JAMS entstand POLKAHOLIX. Speed-Polka im Zweier-Schritt. Was gibt es Schöneres? Hier spielte ich die erste CD zusammen mit Frank Hille (Pankow, Vroni Fischer usw.) ein. Da RENFT Priorität besaß, endete die Zusammenarbeit. Diese Arbeit bedeutete das zweite Mal den Abbau von Vorurteilen Musikstilen gegenüber, die man nicht kennt. Siehe JONATHAN.
Ich danke Dir für das Interview und vielleicht hast Du ja noch ein paar letzte Worte an die Leser ...
Jeder ist letztlich für sich selbst verantwortlich. In Ost wie in West. Keine Ausreden!
Interview: Christian Reder
Bearbeitung: MB
Fotos: Redaktion (Bodo Kubatzki, Reinhard Baer), Olaf Telle, Thomas Steinborn, delle-kriese.de
Bearbeitung: MB
Fotos: Redaktion (Bodo Kubatzki, Reinhard Baer), Olaf Telle, Thomas Steinborn, delle-kriese.de