
Die Goldene Henne 2025
Ein Beitrag von Christian Reder
Wer sagt, dass das Leben nicht gerecht ist? Manchmal ist es das doch. Gerade gestern, in der Live-Übertragung von der „Goldenen Henne“ (12.09.2025), wurde es einem wieder mal bewusst. Es bekommt halt doch nicht jeder Verlierer einen Preis verliehen – egal, ob es dazu einen guten Anlass gibt. Hin und wieder sorgt auch Karma dafür, dass jeder kriegt was er verdient hat. In diesem Falle nichts. Die Preise, die gestern verliehen wurden, sind– bis auf zwei Ausnahmen – an die richtigen Empfänger gegangen. Am Ende habe ich speziell eine „Nicht-Auszeichnung“ mit einem großen Glas Whisky gefeiert und mich gefreut, dass es gekommen ist wie es kam.
Die Nervensäge Barbara Schöneberger hätte nun auch nicht unbedingt eine Henne bekommen müssen. Da wäre ein Bully Herbig – in der gleichen Kategorie nominiert - vielleicht der bessere Adressat gewesen. Was stimmt denn nicht mit Euch, liebes Publikum??? Auch die für Sarah Connor hätte man sich gut sparen und Sendezeit für einen guten Gast nutzen können, aber hier war das Publikum nicht Schuld, sondern sie bekam den Apparat von den Machern als Sonderhenne hinterher geworfen. Doch dazu gleich mehr. Insgesamt war die Show in fast jeder Minute gut zu ertragen. Na ja, es tat nicht die ganze Zeit weh …
Es fing mit Johannes Oerding an, der mit „An guten Tagen“, einem seiner großen Hits, den Abend eröffnete. Ich mochte Oerding bisher, seine Lieder gefallen mir eigentlich ganz gut, von daher war es ein guter Start. Der Sänger sollte aber im Verlauf des Abends noch übelst bei mir anecken. Als Zweites protzte der MDR mächtig damit, einen internationalen Star auf der Bühne zu haben. Man hat keine Kosten und Mühen gescheut, Ronan Keating aus der Frührente herauszuholen und ein bisschen „Kessel Buntes“-Vibes zu versprühen. Ich wusste gar nicht, dass der Mann noch am Leben ist.
Dass man als internationaler Superstar beim Vortrag seines größten Hits auch nicht unbedingt den Ton treffen muss … Geschenkt! Aber warum bei einem ostdeutschen Medienpreis gerade er auftritt, während der kurz vorher 65 Jahre alt gewordene IC Falkenberg nicht einmal eine Erwähnung fand, will sich mir genauso wenig erschließen, wie man im vergangenen Jahr die Stern-Combo zum 60. Firmenjubiläum unerwähnt lassen konnte. Ok, mit seinen inzwischen schweren Inhalten und dunklen Tönen hätte er möglicherweise das Publikum verunsichert, das überwiegend wegen der Happy-Clappy-Musik für teuer Geld Karten für den Abend gekauft hat, aber so ein bisschen Abwechslung hätte bestimmt keinen Therapeuten-Besuch am Montag zur Folge gehabt. Auch, dass der älteste Nachwuchskünstler der Nation, nämlich Toni Krahl, der in diesen Tagen sein Debüt-Album am Start hat, keinen Platz in der Show bekam, dafür aber einmal mehr Herr Giesinger den ganzen Abend auf der Bühne rummachen durfte, verwunderte am Ende doch sehr und hätte ganz sicher auch der Frau Hahnemann nicht gefallen. Da bin ich mir sicher.
Dann gab es wirklich schöne Momente: Über die PRINZEN kann man sagen was man will, aber sie katapultieren einen immer wieder in die eigene Sturm- und Drangzeit zurück. Ein Medley aus all ihren Hits sorgte für gute Stimmung. Der Auftritt machte Spaß. Danke! Die „Goldenen Hennen“ für die deutschen Rettungsschwimmer und die Gruppe junger Leute, die mit Unterstützung von Prominenten in Kinderkrankenhäuser gehen und dort Freude und Hoffnung verbreiten, waren für mich persönlich die Highlights. Das hatte alles nichts mit Zirkus und Trallalla zu tun, und diese Hennen waren absolut richtig adressiert. Die Aufmerksamkeit, die die beiden Preisträger-Gruppen erhielten, zur besten Sendezeit an einem Freitag im Ersten, war mehr als nur ein Geschenk für beide Seiten – sowohl für sie als auch fürs Publikum.
Die beiden Moderatoren – Kai Pflaume, der die Henne ja schon öfter moderiert hat, und die ARD-Allzweckwaffe Florian Silbereisen, der auf dem Sender ja gefühlt jede Minute mit seiner Präsenz füllt und demnächst wahrscheinlich auch noch die „Wetterkarte“ moderieren wird – waren immer dann gut, wenn Flori nicht im Bild war. Ich hatte in der Vergangenheit öfter mal Probleme mit Herrn Pflaumes Moderation, aber er ist in den Jahren gut gereift – wie ein Wein von besserer Qualität. Sein Trash-Format „Nur die Liebe zählt“ rückt mehr und mehr in Vergessenheit. Aber hin und wieder waren die Anmoderationen etwas irreführend, zum Beispiel relativ zu Beginn, als ich kurz einen Schreck bekam: Als Laudator für Barbara Schöneberger wurde jemand anmoderiert, über den sich ganz Deutschland derzeit kaputtlachen würde. Da hatte ich kurz die Befürchtung, es würde nun Annalena Baerbock kommen. Aber Gott sei Dank kam sie nicht. Wahrscheinlich waren die Kosten für den Maskenbildner zu teuer … Dafür kam ein Komödiant, den ich bis dahin nicht kannte und der etwas später mit der „Sonderhenne Comedy“ überrascht wurde. Auch als diese Henne angekündigt wurde, befand ich mich aufgrund der seltsamen Anmoderation auf dem falschen Dampfer. Denn ich hörte nur „Comedy“ und dachte gleich an KARAT. Immerhin hatten die sich ja mit ihren Leistungen in letzter Zeit extremst um einen Preis in der Kategorie beworben. Aber am Ende war es der gleiche Typ, der die Schöneberger hochpreiste und den Zuschauern wohl von der „heute Show“ bekannt ist, der den Vogel abstaubte. Den Namen habe ich schon wieder vergessen, tut mir leid. Sträter ist jedenfalls lustiger und inhaltsreicher.
Trotzdem hatte auch KARAT später noch einen völlig zurecht kurzen Auftritt. Sie präsentierten keinen der Überhits von ihrem aktuellen „Erfolgsalbum“ (von der im Februar veröffentlichten und auf 7.000 Exemplare limitierten Platte kann man immer noch welche kaufen, so groß ist die Nachfrage), sondern einen Titel aus längst vergangenen Zeiten, nämlich den „Schwanenkönig“. Von Herbert Dreilich gesungen, treibt mir das Stück heute noch immer Tränen in die Augen. Dies tat auch die hier zum Vortrag gebrachte Version von Claudius und seiner Band – allerdings aus anderen Gründen. Im Hintergrund liefen Bilder der kürzlich verstorbenen Promis ab, die damit noch einmal geehrt wurden. Schon alleine deshalb hätte er sich beim Gesangsvortrag etwas mehr Mühe geben können. Aber wie auch bei Ronan Keating: Zielsicher wurden Töne verfehlt und einer meiner Gäste, der die Show mit mir zusammen verfolgte, meinte völlig zurecht … „Oh Mann, er knödelt wieder“. Aber Hauptsache man hat die Haare schön und den Habitus seines Vaters perfekt kopiert …
So willkommen wie ein Kreuzbandriss und mit dem Unterhaltungswert einer Visitenkarte fliegender Autohändler („Wir kaufen Dein Auto“) hatte dann auch Sarah Connor ihren besonderen Moment. Zuerst brachte sie uns einen Titel ihres aktuellen Albums „Klein ….“ ähm …. „Freigeistin“ zu Gehör, in dem sie zur besten Sendezeit am Freitagabend beim ÖRR das Wort „F…..“ laut und ungestraft rausposaunen durfte. Und dann – Überraschung, Überraschung – bekam auch sie eine Henne. Eine Sonderhenne für… keine Ahnung was (hab ich schon wieder vergessen). Als Laudator drängte sich nun der eingangs erwähnte Johannes Oerding in den Vordergrund, und hier begann das Ganze wirklich peinlich zu werden. Eine unsäglich widerliche Rumschleimerei, die damit ihren Anfang nahm, dass er sich outete: Sarah Connor sei sein Jugendschwarm gewesen. Danach war kein Halten mehr, und er verschwand bis zu den Fußknöcheln in ihrem Rektum. Als ich aus kurzer Ohnmacht und in meinem eigenen Erbrochenen wieder wach wurde, war Frau Connor mit einem weiteren ihrer Songs, nämlich „Vincent“, wieder auf der Bühne zu sehen. Sie ist wirklich ein Phänomen: stimmlich brillant – aber der Rest… Es fehlen einem wirklich die Worte. In ihrer Ausdrucksweise rustikal-prollig, weiß sie auch in den Zwischentönen ihren eher einfach gehaltenen Jargon unterzubringen. Aber auch hier wieder: politisch korrekt in Erscheinung treten muss sein. Wie sie noch schnell auf ihr T-Shirt mit dem Aufdruck „STOP WAR“ hinwies, das ohne diesen Fingerzeig irgendwie gar nicht aufgefallen wäre, war so nötig wie ihr ganzer Auftritt. Ist eigentlich schon bekannt, ob der Ukraine-Krieg wegen ihrer Werbeeinblendung gleich gestern noch eingestellt wurde? Aber eins ist sicher: durchsichtige Kleider in der Samstagabendshow von „Wetten, dass..?“ sind auffälliger. Wie gesagt: Ich habe inzwischen vergessen, welche Henne es war. Vielleicht die fürs Lebenswerk. Ein guter Anlass, die Karriere nun zu beenden, Frau Connor – man hat nach gestern schließlich alles erreicht: Die „Goldene Henne“ – toll. Aber vielleicht doch nicht alles. Ein Duett mit KARAT fehlt noch. So wie Frau Biedermann es vormachte. Das könnten Wind unter die Flügel der Kollegen bringen … gut gebrauchen könnten sie es ja. Auf der After-Show-Party gab es sicher die Gelegenheit für Klausi, sich Frau Connor als den Erfinder des Rock’n’Roll vorzustellen und mal sämtliche Möglichkeiten abzuklopfen. Toi toi toi.
War sonst noch was? Ach ja: Die letzte Henne des Abends ging an Katrin Sass. Eine brillante Schauspielerin, die auch schon Musik gemacht hat. Ihr Album, das sie nach „Weißensee“ aufgenommen hatte, gefiel mir damals ausgesprochen gut, und ich kann es mir heute auch noch gut anhören. Sie ist jetzt nicht die weltbeste Sängerin, aber sie weiß mit ihrer stimmlichen Farbe sehr gut umzugehen und diese auch entsprechend gut in Szene zu setzen. Dies gelingt, wie wir ja schon festgestellt haben, nicht wirklich jedem. Frau Sass überzeugte auch einmal mehr durch Wortwitz und eine wirklich amüsante Ansprache. Das Ganze hätte eigentlich nur noch damit abgerundet werden können, indem für sie Herrn Kusmagk eingeladen hätte, den sie dann noch einmal so richtig schön hätte zusammenscheißen können. Das war legendär und bleibt ebenso unvergessen wie ihre Leistung im Film und auf der Bühne. Sie hat das Federvieh aus Blechimitat jedenfalls völlig zu Recht bekommen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Im Vergleich zu den Sendungen in den letzten Jahren war die „Goldene Henne“ dieses Jahr gar nicht mal so schlecht. Na gut, Sie hatte unübersehbare Schwächen, und bei manchem Beitrag wurde man das Gefühl nicht los, dass dessen blutjunger Redakteur vorher im Ressort „Du und dein Garten“ oder „Elefant, Tiger & Co.“ tätig war, und nach der Sommerpause nun für Musik oder Film zuständig ist. Auch haben die Macher der Sendung das Stilmittel des Kinderchors für sich wiederentdeckt. Das geht so schön zu Herzen und kommt immer gut an. So stellte man dem „Unheiligen“, der von einem Wiedersehen nach vielen Jahren sang, ein paar Kids zur Seite und ließ ihn von eben diesen tatkräftig unterstützen. Passte inhaltlich mal überhaupt nicht – aber hey, wem fällt das schon auf? Wahrscheinlich ist das genauso wenig aufgefallen wie die Tatsache, dass den Kindern des später auftretenden Chores rote Halstücher umgebunden wurden und man auf diese Weise die Thälmann-Pioniere wiederbelebt hat. Gregor Gysi - auch gestern als Laudator für einen der Kellys auf der Bühne - wird’s möglicherweise die Freudentränen in die Augen getrieben haben. Ganz großes Kino. Einen weiteren Kinderchor ließ man dann noch John Lennons „Imagine“ singen. Was von der Idee her zwar toll war, war am Ende doch ein wenig zu dick aufgetragen. Mutti und Vati vor dem Fernseher haben das sicher gefeiert und waren bestimmt auch am Herzen kuschelig erwärmt. Und darum geht’s ja am Ende, oder?
Und dann war da immer wieder Flori – der jüngste Greis im deutschen Fernsehen, wie es mal ein Fachjournalist so herrlich treffend festgestellt hat. Egal, wer dort auftrat: Er tat so, als würde er ihn schon seit Jahren gut kennen, duzte und herzte ihn oder sie in erdrückender Art und Weise, und behandelte den jeweiligen Gast wie einen guten Buddy, mit dem man in den Sommermonaten auch gemeinsam ins Clubhotel nach Sansibar verreisen würde. Das ging einem schon nach einer halben Stunde mächtig auf den Zeiger, und spätestens bei dem Außendreh mit der Biathletin war der Höhepunkt erreicht. Ganz „spontan“ überraschte der immer gut gelaunte Ex von Helene die Sportlerin bei ihrem Training, sprang überfallartig aus dem Gebüsch und begann damit, sein einstudiertes Musikantenstadl‘eskes Feuerwerk der Redekunst abzufackeln. Okay, man dachte sich sofort, die junge Frau reagiert jetzt völlig richtig, dreht ihr Gewehr um und erschlägt den Eindringling mit dem Kolben, aber leider kam es anders. Sie ließ ihn sein Repertoire runterleiern, und natürlich scheiterte der klägliche Versuch, uns weismachen zu wollen, dass das alles vorher nicht geprobt worden sei. Diese Inszenierung hätte die Comedy-Henne verdient gehabt und nicht der mir namentlich immer noch nicht bekannte Komiker vom Anfang der Sendung.
Im Verlauf des Abends genoss man die Momente, wenn Silbereisen nicht im Bild war oder mal den Mund hielt – was äußerst selten der Fall war. Auch bei der Henne wurde er natürlich nicht müde, auf seinen „Schlagerboom“ hinzuweisen und sogar den Unheiligen dorthin einzuladen. Unheilig und Schlager – passt ja super. Glückwunsch. An so mancher Stelle wurde man bei seiner Vorstellung des nächsten Künstlers zudem auch den Eindruck nicht los, dass er sich in dem Moment einen feuchten Fleck in die Hose gemacht hat. Übertrieben betonend anmoderieren im Stile eines Synchronsprechers US-Amerikanischer Pornofilme? Kann er … Aber der Mann ist halt auch immer so ergriffen. Hauptsächlich aber von sich selbst.
Kai Pflaume dagegen wirkt inzwischen wirklich souverän. Er kommt charmant und routiniert rüber, und nervt auch nicht. In seinem Quoten-Knüller im Vorabendprogramm, „Wer weiß denn sowas“, hat er wirklich dazugelernt. Für die Zukunft kann man ihm nur wünschen, dass man ihm nicht wieder so eine Nervensäge zur Seite stellt, der ihn immer wieder in unlustige Dialoge verwickelt. Die Steigerung zu Flori kann ja eigentlich nur noch die Hennen-Preisträgerin Schöneberger sein. Davor möge uns der Herr bitte bewahren. In diesem Sinne, auf ein Neues in 2026 – in der Hoffnung, dass auch dann das Leben wieder gerecht sein wird und nicht jeder Hampelmann so einen Preis bekommt.
