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Abschiedsworte von Manuel Schmid an seinen verstorbenen
Freund und Kollegen Thomas Kurzhals vom 8. Januar 2014



Als ich im Jahre 2012 das erste Mal im Studio von Martin Schreier auftauchte und die Jungs von Stern kennenlernte, war alles darauffolgende noch Zukunftsmusik. Hätte mir damals jemand gesagt, dass die Combo mal meine musikalische Heimat werden wird, ich hätte sicher nur müde drüber gelacht. Mein Urgedanke nach Berlin zum Vorsingen zu fahren war eigentlich der, vielleicht mal mit Thomas Kurzhals spielen zu können. Musikalisch stand ich schon immer unheimlich auf ihn. Unser erstes Zusammentreffen war eigentlich ganz sachlich und auf das essentielle Musikmachen beschränkt, doch ich spürte von Anfang an,001 20231207 2094398256 dass er das Musikmachen auf spirituelle Weise atmete. Er war mit ganzer Seele so tief in der Musik, dass es mir sofort auffiel. Ähnlich in Gestik und Mimik wie ich es von meinem Kollegen und Freund Wolfgang Scheffler kenne, aber doch irgendwie anders, eigen. Ich staunte, was er am Moog zauberte. Nun konnte ich ihm ja direkt über die Schulter schauen, was live nicht so einfach möglich war. Der erste Song den ich singen durfte war "Was bleibt". Ich war aufgeregt wie verrückt, doch er meinte hinterher, dass ich meine Sache wirklich gut machen würde und es erstaunlich ist, wie textsicher ich sei. Puh, O.K. "Na mal schauen, wir haben da noch jemand anderen, der nächste Woche vorsingt. Aber das war schon amtlich. Geil!" waren seine Worte. Kurze Zeit darauf war die Entscheidung auf mich gefallen.

Die folgenden Zeilen sollen einen kleinen Einblick wiedergeben, wie ich die kurze aber dennoch intensive Zeit mit Thomas erlebt habe. Ganz persönlich im Dialog mit ihm geschrieben und aus meiner eigenen Sicht ...

Das erste Konzert und die erste musikalische Zusammenarbeit
Mein erstes Konzert mit Stern, meine Feuertaufe, fand in Torgau statt. Ich weiß noch, wie sehr Du Dich darüber gefreut hast, dass der Gig problemlos über die Bühne ging und die Leute mich so positiv aufnahmen. Von da ab haben wir mehrmals in der Woche telefoniert. Ich hab Dich oft in Erkner besucht, wir haben schön in Deinem Studio gearbeitet. Du hast Dich dort immer mit neuen Technologien beschäftigt. Ich fand es immer schön, wie akribisch Du Dir die Dinge, die ich Dir aus meinem Tontechnikfundus erklärt habe, in Dein Notizbuch geschrieben hast, nur um nichts zu vergessen. Von Dir konnte ich lernen, wie man einen Song soundtechnisch optimal ausschmückt, denn Deine Auswahl an Sounds war groß. Du hast mir gezeigt, was man mit einem Moog alles machen kann. Dabei hab ich auch Deine humorvolle Seite kennengelernen dürfen. Deine Sprüche waren immer kackig, da blieb kein Auge trocken. Wir haben oft und viel gelacht.

Welche Songs für die DVD und für's Konzert???
Im Frühjahr 2013 stand dann fest, dass die Combo im April im Theater am Potsdamer Platz die langersehnte DVD produzieren wird. Wir haben uns Gedanken gemacht, wie die Setlist aussehen soll. Konkretisiert haben wir das Ganze in Sebis Kneipe am Postbahnhof. An diesem Abend haben wir auch verschiedene SCM-Platten aufgelegt um zu schauen, was man noch alles zu diesem besonderen Konzert spielen könnte. "Mütter gehn fort ohne laut" und "Licht in das Dunkel" erschien uns passend. Du meintest, dass die Sachen zu pompös seien um sie den Leuten für die DVD zu präsentieren. Axel und ich redeten Dir zu, dass diese Songs die Gruppe am besten reflektieren würde. Wir beschlossen es mit der Band zu versuchen und siehe da, es funktionierte. Wir hatten Dich rumgekriegt. Ich weiß noch genau, was Du daraufhin zu uns sagtest: "Mensch, was ich damals gemacht habe ... Meine Fresse ...!!! So schlecht war das ja gar nicht!" Ja Thommy, es war Deine musikalische Sprache, Deine Auffassung. Auch wenn Stern kompositorisch immer aus vielen Gewässern schöpfen konnte, hast Du doch mit Deiner Musik einen wohlverdienten Platz im Repertoire. Der Applaus der Leute im Konzert hat es immer wieder bewiesen. Diese Musik bleibt und wird auch nicht vergehen ... Du hast selber immer gesagt: "Wenn etwas von Herzen kommt, dann kann es nur richtig sein!"

002 20231207 1665864735DVD-Produktion
Dann der große Tag am 8. April. Als ich am frühen Morgen noch schlummernd in Deinem Gästezimmerbett lag, schallte mir, mit aller Inbrust und Kraft interpretiert, ein "Strauß bunter SCM-Melodien" um die Ohren. Angefangen mit der Overtüre aus dem "Weißen Gold" über "TNTK" und "Lebensuhr" bis zu "Der Eine und der Andere" war alles dabei. Du hattest Dich an Deinen weißen Flügel gesetzt und gabst nun Deine Songs zum besten. Fast wie eine klassisches Klavierkonzert hast Du sie interpretiert. Später auf dem Weg zum Stage-Theater sagtest Du immer wieder, wie sehr Du Dich auf den Abend freust. Wir waren alle gut vorbereitet und in bester Spiellaune. Pannen blieben aus. Es wurde ein unvergessener Abend.

Studioarbeit
Kurze Zeit später trafen wir uns wieder, um den Ton für die DVD zu bearbeiten. Ich hatte die verantwortungsvolle Aufgabe bekommen das Konzert, gemeinsam mit René (Tontechniker der SCM), in bester Qualität tonal aufzuzeichnen, zu bearbeiten und mit Rainer Oleak anschließend zu mischen. Auch Du warst daran interessiert und hast mir sehr geholfen, alles gut hinzubekommen. Immer wenn ich mit etwas nicht zufrieden war, hast Du Dich bereitwilligt hinter Deine Keyboards gestellt, mir die musikalischen Signale optimal geliefert und Ratschläge gegeben. Wir wollten es gut machen. Wir waren richtig in die Arbeit vertieft, haben bestimmte Passagen immer wieder analysiert und wenn nötig verbessert. Irgendwann inmitten der Arbeit merkte ich, dass Deine Kräfte öfter nachliesen und Du Pausen brauchtest. Wahrscheinlich waren es die ersten Anzeichen Deiner Krankheit?! Wir haben es dennoch gemeinsam geschafft und waren am Ende mit dem Ergebnis sehr zufrieden.
In dieser Zeit haben wir auch unseren ersten gemeinsamen Song "Lebensblues" erarbeitet. Er knüpfte soundtechnisch an alte Stern-Zeiten an und Du warst zuversichtlich, dass die Leute ihn mögen werden. Leider musste ich ihn am Schluss allein fertigstellen ...

Letzte Konzerte
Unser letztes gemeinsames Bühnenkonzert hatten wir in Senftenberg am 5. Juli 2013. Hätte irgendwer damals gesagt, dass es das letzte mit Dir sein würde, hätten wir sicher denjenigen für verrückt erklärt. Es war ein schöner Gig. Die Band war fantastisch drauf, gut eingespielt und voller Tatendrang. Ein schöner lauer Sommerabend mit viel Spaß und Energie auf der Bühne. Die "Sonne" hat an diesem Abend gerockt wie nie. "Was bleibt" hab ich auch sehr emotional in Erinnerung. Dieses Konzert ist Gott sei Dank komplett mitgeschnitten wurden. Vielleicht werde ich mich nochmal dranmachen und schauen,003 20231207 1592805142 ob man daraus Auszüge präsentieren kann?! Es ist Deine letzte musikalische Arbeit gewesen. Dein Vermächtnis ...
Ein paar Tage später passierte es. Ein plötzlich auftretendes Taubheitsgefühl in Deiner rechten Hand war aufgetreten. Wir bekamen alle Angst. Es war das erste deutliche Anzeichen Deiner Krankeit! Du hast uns zugesprochen das Konzert in Magdeburg trotzdem zu spielen und mich gebeten Deine Keyboardparts so gut wie möglich zu übernehmen. Du warst tierisch entäuscht, wolltest Du doch mit uns gemeinsam abrocken. Wir spielten ein verkürztes Set und Du standest am FOH-Platz und schautest uns zu. Es war das letzte Mal ...

Letzte gemeinsame Probe und musikalische Begegnung
Die letzte gemeinsame Probe fand am 25. August 2013 bei Martin im Studio statt. Der Gesundheitszustand Deiner Hand hatte sich nicht verbessert. Wir wollten ausprobieren ob wir mit Dir gemeinsam zum OstrockFestival in Kamenz auftreten können. Du hast Dich sichtlich bemüht Deine anspruchsvollen Keyboardparts zu spielen. Auch wenn Deine Hand nicht 100%ig funktionierte, so hatten wir viel Spaß und Freude beim gemeinsamen Musizieren. Zum allerletzten Mal! Es ging Dir körperlich zu diesem Zeitpunkt schon sehr schlecht. Keiner wusste genau was los war. Am frühen Abend, als ich zu Dir nach Erkner kam, hattest Du Dich schon ins Bett gelegt, so schlimm erging es Dir. Am nächsten Tag keine Besserung. Ich meinte zu Dir: "Thomas, bitte geh zum Arzt!" Detlef ist anschließend mit Dir zum Deinem Hausarzt gefahren. Während ich zur selben Zeit ins Studio zu Rainer Oleak fuhr, um die DVD zu mischen, traf Thomas' Freundin Rita ein. Wir telefonierten kurz und sprachen über die Situation. Sie wusste natürlich Bescheid. Als ich gegen Abend aus dem Studio kam haben wir noch mit Rita gemeinsam die "Reise zum Mittelpunkt des Menschen" angehört. Der Teil "Romanze" war für das 50-jährige Bandjubiläum angesetzt. Detlef hatte geplant, dass ein Orchester uns eventuell bei einigen Konzerten begleiten könnte. Wir hörten es uns an. Ich weiß noch wie köstlich ihr euch (Du und Rita) amüsiert habt, weil ich jeden Teil des Stückes In- und Auswendig kannte. Am Morgen des darauffolgenden Tages bin ich mit einem unguten Gefühl nach Hause gefahren.

Krankenhaus
Einen Tag später kam ein Anruf von Rita. Man hat Dich ins Krankenhaus gebracht, Zusammenbruch. Schock! Nachdem ich all meine Dinge in Leipzig erledigt hatte, bin ich direkt nach Berlin gefahren. Ich wollte wissen wie es Dir geht. Als ich ankam, warst Du an allerhand Schläuche und Kabel angebunden. Die folgenden Wochen und Monate waren ein ständiges Hin und Her zwischen Krankenhaus und Zuhause. Ich hab Dich in der Zeit oft besucht. Rita war Tag und Nacht für Dich da und hat sich gekümmert. Du hast Dich immer informiert, wie die Band vorankommt. Es war Dir wichtig, dass es weitergeht! Mehr möchte ich an dieser Stelle nicht preisgeben. Es sind zu emotionale Momente, die ich in mir behalten möchte ...

005 20231207 164469097060. Geburtstag
Am 13. Dezember 2013 bist Du 60 Jahre alt geworden. Die Band, einschließlich Reinhard Fißler, die Technikcrew und enge Freunde hatten sich angemeldet, um mit Dir gemeinsam ein bisschen in Deinem Haus zu feiern. Du warst sichtlich erfreut als wir alle in kleiner Runde zusammensaßen. Rita hatte leckeres Essen zubereitet. Unser Geburtstagsgeschenk an Dich war unser neues DVD-Boxset, welches gerade aus dem Presswerk angeliefert worden war. Ich weiß noch genau Deine Reaktion darauf: "Jungs, damit haben wir uns ein Denkmal gesetzt!"

Letzte Begegnung
Unsere letzte Begegnung hatten wir am 19. Dezember 2013, fünf Tage vor Weihnachten. Da wir zwei Tage später mit der Combo in Berlin spielten, hatte ich die Gelegenheit genutzt und Dich besucht. Dir ging es den Umständen entsprechend gut. Ich hab Dir immer wieder zugeredet: "Thomas, Du wirst es schaffen!" Ein letztes Mal umarmte ich Dich ...

Letztes Telefonat
Das letzte gemeinsame Telefonat hatten wir genau vor einer Woche. Einige Tage zuvor warst Du mit Rita nach Glauchau gereist. Ihr wolltet gemeinsam bei ihr zu Hause Weihnachten verbringen und hoffnungsvoll in das neue Jahr hinein feiern. Doch Du musstest wieder ins Krankenhaus. Am 31. Dezember 2013 hörte ich Deine Stimme zum letzten Mal. Sie war bereits brüchig, dennoch irgendwie kämpferisch. Wir hatten uns noch alles Gute für 2014 gewünscht. "Anfang Januar komm ich Dich in Glauchau besuchen", sagte ich noch. Dazu ist es nicht mehr gekommen. Zwei Tage später, am Morgen des 2. Januar 2014 bist Du eingeschlafen. Ganz leise ...

Ich bin stolz mit Dir gemeinsam viele Bühnen gerockt zu haben. Musikalisch habe ich immer viel von Dir gelernt. Ich verspreche Dir, wir werden die künstlerische Arbeit der Stern-Combo Meißen in Deinem Sinne weiterführen.

Danke für Deine wundervolle Musik und danke für all das, was wir gemeinsam erleben durften mein Lieber. Ich werde Dich nie vergessen!
Dein Freund und Kollege Manuel


   
   
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