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 von Patrick Baumbach mit Fotos von Patrick
Baumbach
, Jana Liebig und Pixabay



Das Jahr 2000: Ich bin 12 Jahre alt und drücke mir meine Kopfhörer fester ins Ohr um den Bass besser zu hören. KARAT ist im Jahr 2000 eigentlich nicht mehr so "In", meine Klassenkameraden hören alle irgendwas anderes. Aber das interessiert mich nicht. Ich will diese tolle Bass-Melodie, die diesen genialen Rhythmus unter das eher stoische Schlagzeug des Titels "Tanz mit der Sphinx" zaubert,005 20230808 1873072028 genauer hören und analysieren. Das Gleiche gilt für viele andere Songs dieses Mannes, man denke nur an "König der Welt" oder "Auf den Meeren". Die Bass-Melodie geht allgemein bei vielen Interpreten oft unter oder ist (abgesehen vom Wumms) bedeutungslos. Der Komponist dieser Musik legt allerdings Wert auf die genaue Ausarbeitung der Bass-Melodie, was seine Musik umso zauberhafter macht. Ich entdecke weitere delikate Details in diesen Liedern: Melodien, die wirklich diesen Titel tragen dürfen, feine harmonische Wendungen, Modulationen, rhythmische Finessen, in der Popmusik ungewöhnliche Taktartwechsel, merkwürdige Klanggebilde, wie das wabernde Geräusch in "Tanz mit mir" oder den springenden Gummiball in "Panoptikum" …

So wurde ich vor vielen Jahren nicht nur zum KARAT-Fan, sondern geradezu und vor allem zum "Swillmsianer"! Ich spielte selbst Keyboard (später dann auch Gitarre und mehr schlecht als recht auch alles andere) und ließ mir als Jugendlicher eine "Ed Swillms"-Krawatte mit seinem Konterfei drucken, mit der ich dann immer stolz zu Konzertabenden, die die Musikschule organisierte, KARAT-Songs zum Besten gab. Auch meine musikalisch wirklich sehr gebildete Musiklehrerin schwärmte von ihm, als sie mitbekam, dass ich KARAT mag. Natürlich besuchte ich auch Konzerte "seiner" Band, auch wenn er dieser schon lange nicht mehr angehörte. Hier konnte ich seine Musik hören, live und leibhaftig. Zum heutigen Tag habe ich wahrscheinlich zwischen 350 und 400 Konzerte von KARAT besucht.

In den vielen Jahren und Konzerten, die seitdem vergangen sind, konnte ich Ed mit KARAT immerhin noch ein paar Mal hören und sehen, da er als Gast nach 2005 noch manchmal dabei war. Diese Auftritte waren das Größte für mich. Einmal, ja einmal im Jahr 2010, da durfte ich ihn sogar treffen und ein paar Worte mit ihm wechseln. Ich war sehr aufgeregt, aber Ed machte es mir einfach. Er war erfreut, dass sich auch noch junge Leute für ihn und seine Musik interessierten. Wir sprachen ein bisschen über Musik, machten ein Foto zusammen und ich versuchte ihn anzuspornen, doch nochmal was zu veröffentlichen. Das tat er letztlich nicht, aber er ermutigte mich, selbst musikalisch kreativ zu werden.

Später begann ich im Rundfunkarchiv zu wühlen und entdeckte immer neue Facetten des Musikers Ed Swillms. Seine Zeit bei den Alexanders, bei Panta Rhei, als Mitmusiker bei der All-Star-Band oder bei den Gitarreros. Ich entdeckte den Jazzer, den Blueser, den Rocker, den Romantiker, den brachialen New-Waver. Vor gar nicht allzu langer Zeit entdeckte ich sogar seine erste Komposition "Kloster Chorin", die lange als verschollen galt. Der Mann imponierte mir musikalisch immer mehr. Ed sagte mal: "Die Musik ist eine Wüste, aber irgendwann muss eine Oase kommen." Es ist eigentlich kaum in Worte zu fassen, welch ein grandioser Musiker Ed war. Die Tonarten, die er wählte, passten zur Stimmung der Musik (ja, Tonarten, können zur Stimmung beitragen!). Häufig erkor er das melancholische, aber warme Des oder Es! Er schaffte es - trotz komplizierter Wendungen - der Musik eine Volkstümlichkeit mitzugeben, sodass auch die Massen mitschwingen konnten. Der beliebte "Gewitterregen" mit seinen krummen Taktarten ist nur ein Beispiel dafür. Das spricht für sein musikalisches Vermögen, für sein Feingefühl. Er hatte klassische Musik studiert. Vorbilder wollte er gar nicht benennen, aber Schubert und Jean Sibelius schimmern hier und dort doch durch.
 
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1987 zog Ed sich aus der Band KARAT zurück und man hörte bis auf einige Auftritte (z.B. mit der Jonathan Blues Band oder den eben erwähnten mit KARAT) nichts mehr von ihm. Er veröffentlichte keine Kompositionen mehr, enttäuschte damit wahrscheinlich viele Fans, vermied es aber auch, seinen eigenen Mythos zu zerstören. Er wandte sich wohl seinen Wurzeln, dem Jazz, dem Blues und dem Soul zu und musizierte nur noch für sich. Ich hätte es ehrlich gesagt gerne gehört, egal mit welchen Interpreten er zusammengearbeitet hätte. Kürzlich stellte ich Ed tatsächlich noch eine Fanpost (inkl. eigener Musik) zu; in all meinen Jahren als Fan wirklich erstmalig! Ich weiß nicht, ob er sie noch gelesen bzw. gehört haben mag, aber ich bin mir eigentlich sicher, nicht zu spät gewesen zu sein.

"Was der Tag dir verschweigt,
die Wellen im Fluss,
sie wogen und wiegen es fort."

(N. Kaiser)


Mach es gut, lieber Ed. Mit deiner Musik hast du mein Leben und das vieler Fans entscheidend geprägt. Deine Musik wird weiterleben und wir, wir werden dich nicht vergessen.




   
   
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