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Ein Nachruf von Christian Reder mit Fotos
von Herbert Schulze und Rüdiger Lübeck



Es war nie seine Art, besonders viel Aufsehen zu erregen, wenn er irgendwo erschien oder von irgendwo weg ging. Er tat dies stets geräuschlos. Nach getaner Arbeit verließ er die Szenerie dann auch fast unbemerkt. Ebenso geräuschlos beendete er 1987 seine Mitgliedschaft in der Band, für die er nahezu alle großen Songs schrieb. Damals war er für die Live-Musik und das Komponieren neuer Lieder zu müde geworden.002 20230807 1871509617 Also zog er die Bremse und stieg auf freiem Feld aus. Keine langen Abschiedsreden, kein Paukenschlag bei der letzten Mugge … er ging einfach. Genauso leise hat er diese Welt nun verlassen, denn der große aber stille Ulrich "Ed" Swillms ist bereits am 27. Juni verstorben.

Auf die ganz großen Bühnen zog es den genialen Komponisten und Zauberer an den schwarzen und weißen Tasten nur noch sehr selten. Der letzte wirklich große Auftritt liegt schon Jahre zurück, damals trat er mit einer seiner ehemaligen Bands im Rahmen der Ostrock in Klassik-Tour auf. Ansonsten lebte er zusammen mit seiner Frau zurückgezogen in seiner Heimatstadt Berlin. Aber die Musik blieb auch nach seinem Rückzug in den 80ern weiterhin sein Begleiter. Er schnupperte mal bei der JONATHAN BLUES BAND rein, als er in den frühen 2000ern als Gast dort mitwirkte. Einfach, weil er Bock drauf hatte. Dann ließ er sich 2005 dazu überreden, nochmal als Mitglied der Band in Erscheinung zu treten, der er 1975 auf Wunsch von Henning Protzmann beitrat und für die er unzählige große Songs schrieb. Eigentlich wollte er das gar nicht, aber bei einer Grillparty, zu der man ihn eingeladen hatte, bat man ihn um Hilfe. Und er half, in dem er sich nochmals mit den Kollegen von damals aufstellte und auf Autogrammkarten drucken ließ. Die eine oder andere Mugge gab es auch noch, mehr aber auch nicht. Ansonsten legte er daheim bei sich lieber eine Platte auf und lauschte dem Tun US-amerikanischer Kollegen aus dem Blues-Bereich. Seine Suchliste mit Platten aus dem Genre war recht lang, und ich half ihm vor ein paar Jahren dabei, sie abzuarbeiten. Viele der gesuchten Stücke holte ich für ihn aus Amerika rüber. Für diese Musik schlug sein Herz, und in dieser Richtung soll es laut seiner Aussage auch neue Kompositionen gegeben haben, die die Welt aber nicht zu sehen bzw. zu hören bekam. Seine Kollegen nicht, und ich, der ihm allerlei Blues-Scheiben besorgte, auch nicht …

Jegliche Anfragen, ob er nicht noch einmal ein paar Songs schreiben und mit diesem oder jenem zusammen arbeiten wolle, ließ er ins Leere laufen. Große Texter wie z.B. Werner Karma hätten gern mit ihm was gemacht, aber er ließ sich nicht locken. Die Einen sagen, er sei ausgebrannt gewesen und habe nach seinem Rückzug 1987 die leeren Tanks nicht wieder auffüllen können, Andere sind der Meinung, er habe bewusst nichts mehr heraus gelassen, um seinen eigenen Mythos nicht zu zerstören. Den hatte er ohne Zweifel schon zu Lebzeiten, denn er schrieb schon in jungen Jahren Hits für die Ewigkeit. Sein "Über sieben Brücken" ist nicht nur von Peter Maffay gecovert worden, sondern heute schlicht und ergreifend zum Volkslied gereift. Das Album "Der blaue Planet" von KARAT ist außerdem eins der bekanntesten Produktionen "Made in GDR", das noch zu Zeiten des geteilten Deutschlands mit Gold ausgezeichnet worden ist. Wirft man einen Blick auf die Titellisten der Alben von KARAT, ist fast jedes Lied bekannt und es fallen einem sofort die Melodien dazu ein. Sowas macht man sich nicht mit neuen Songs selbst kaputt, schon gar in Zeiten, in denen selbst die genialsten Lieder kaum Beachtung finden, weil sich die Medienlandschaft in eine so bescheidene Richtung entwickelt hat. Was dabei raus kommt, wenn man trotz besseren Wissens nach vielen Jahren nochmal ein Album macht, kann man ja bei den Damen und Herren von ABBA sehen. Diesem sich auf dünnes Eis begeben und womöglich darauf einbrechen ist Ed gekonnt aus dem Weg gegangen. Meiner Meinung nach hat er das geschickt gemacht, denn sich und der Welt musste er nichts mehr beweisen.


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Es war immer etwas Besonderes, mit Ed Swillms in Kontakt zu treten. Er war ein ganz besonderer Mensch, aber nicht immer zugänglich. Es gab Phasen, da wollte er einfach seine Ruhe und von der Welt nichts hören oder sehen. Dann hielt seine geliebte Frau alles und jeden von ihm fern. Aber wenn Ed gut aufgelegt war, war es ein Hochgenuss, ihm und seinen Erzählungen zuzuhören. Er war einer der Pioniere deutscher Rockmusik. Egal ob bei den ALEXANDERS, später bei PANTA RHEI oder bei den schon öfter hier genannten KARAT, er hinterließ überall seine Spuren und beeindruckte Menschen mit seiner Art und seinen kreativen Ideen. Von seinen Erlebnissen mit den genannten Formationen auf und abseits der Bühnen konnte er gut erzählen, genauso wie von seinem Mitwirken bei den GITARREROS, dem DDR-Allstar-Team schlechthin. Und natürlich stand bei solchen Gesprächen immer die Musik im Fokus. Der gebürtige Berliner war stets neugierig, was sein Gegenüber so hört und was er/sie von bestimmten Sachen hält. Dann wurden fleißig Erfahrungaustausch betrieben und Empfehlungen ausgesprochen. Beim nächsten Treffen hätte es dann auch sein können, dass dies "abgefragt" wurde. Man musste also immer gut vorbereitet sein. Es war stets sehr angenehm und Gespräche mit ihm blieben in guter Erinnerung. So auch mein Letztes am Anfang dieses Jahres, als das seltsame Treiben in seiner ehemaligen Band in den Medien die Runde machte. Selten habe ich Ed so emotional angefasst und auch aufgeregt erlebt, als in dem Gespräch, das hier im Nachgang als Interview erschien. Es war wohl wieder einer dieser Momente, in denen er froh war, sich in den Jahren davor nicht weiter ins Geschehen dort reingehängt zu haben, wie es sich manch einer wohl gewünscht hätte. Auch da erfolgte sein Rückzug wieder sehr leise.

Heute (07.08.2023) ist Ulrich "Ed" Swillms im engen Familienkreis beigesetzt worden. Die Familie hat über das Ableben von Ed bis heute auch nichts nach Außen dringen lassen. So leise wie Ed lebte, so leise nahm nun auch seine Familie von ihm Abschied. Da drüben auf der anderen Seite wird er jetzt vielleicht von seinen alten Wegbegleitern Joachim Schmauch, der kurz vor ihm die Reise antrat, und Herbert Dreilich erwartet. Vielleicht zeigt er ihnen ja die Ideen zu Songs, die er uns hier nicht mehr zeigen wollte. Wir sehen uns wieder, lieber Ed. Irgendwann, irgendwo. Dann lausche ich wieder Deinen Erzählungen und Du verrätst mir vielleicht dann, was mit "45 - 01" gemeint ist. Bis dahin werde ich Dich und die Gespräche mit Dir vermissen. Deine Musik bleibt aber hier bei uns … und Du unvergessen!




   
   
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