Vom Malen klingender Bilder

ELECTRA live 1977 

Ein Beitrag mit Fotos von Hartmut Helms

 

ELEKTRA ist in der griechischen Mythologie die Tochter des Königs von Mykene. Zeiten später hat sie es bis zu einem Opern-Libretto unter gleichem Namen durch Richard Strauss gebracht. Ganz so lang und aufregend ist die 40-jährige Geschichte der Dresdner Rockband ELECTRA allerdings nicht, aber Klassisches hat sie dennoch geschaffen, wenn auch kein Libretto darunter ist. In unserer temporeichen Zeit und im Rock'n'Roll-Zirkus sind 40 Jahre eine respektable Leistung, noch dazu, wenn sich diese Jahre über zwei sehr unterschiedliche gesellschaftliche Epochen und verschiedene Staaten erstrecken.

Die ELECTRA-Combo fiel mir zum ersten Mal bei DT64 in der Sendung Beat-Kiste auf. Frank Schöbel spielte dort ihr "Wie sich Mühlen dreh'n im Wind" (Windmills Of Your Mind) sowie "Sie liebten sich beide", zwei balladeske Stücke mit Überlänge und ausgedehnten Improvisteilen. Das muß 1970 gewesen sein. Es war neben der kristallklaren Stimme von Peter Ludewig vor allem die Art der Umsetzung, die mich damals schon faszinierte. Auf diese Weise wuchs der Wunsch, auch mal selbst ein Konzert mit den Dresdnern zu organisieren.

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Die ELECTRA-COMBO um Bernd "Putz" Aust, Wolfgang "Kuddel" Riedel und Peter "Mape" Ludewig hatte ich vorher schon des öfteren live zum Tanz (!) und bei Konzerten erlebt. Tolle Musikerkollegen, wie etwa Peter "Keule" Sandkaulen, "Ha Pe" Dohanetz oder Stefan Trepte, waren inzwischen nicht mehr dabei. Dafür komplettierten Gisbert Koreng und Rainer Uebel die Dresdner Band.

Als ich ELECTRA dann endlich am 30.11.1977 für ROCK-MIX 2 in Elsterwerda auf der Bühne hatte, waren die beiden erwähnten Frühklassiker der Anfangszeit schon nicht mehr im Konzertprogramm, und den Weg auf die erste LP der Band hatten sie auch nicht gefunden. Die zweite Scheibe unter dem Titel "Adaptionen" war gerade bei AMIGA erschienen. Es war die Zeit, in der ELECTRA Kompositonen von u.a. Chatschaturjan, Borodin, Mozart und Bach in der ihrer eigenen und unverwechselbaren Art auf die Live-Bühnen zauberte.

Immer wenn ich ELECTRA live erlebe, entstanden Bilder in meinem Kopf. So auch beim Konzert vor 30 Jahren im Gesellschaftshaus Elsterwerda, zum Beispiel bei Griegs Neufassung von "In der Halle des Bergkönigs", wo sich Flöte, Orgel und Gitarre die Einwürfe wie ein Echo nach dem anderen zuwarfen und man sich auf diese Weise in eine große Halle versetzt fühlte.

ELECTRA ist bei vielen Fans zu jener Zeit auch die Band mit der Querflöte und damit natürlich irgendwie das Pendant zu JETHRO TULL. Kein Wunder also, daß wir an diesem Abend u.a. auch Teile von "Thick As A Brick" zu hören bekamen, zumal Gisberts Gesangsstimme der von Ian Anderson nicht unähnlich ist.

Eine der komischen Glanzlichter jenes Konzertes kam, als "Mampe" mit einer Teetasse an das Mikro trat und dort klirrender und schlürfender Weise das Intro von Tull's "Skating Away On The Thin Ice Of The New Day" zelebrierte, so wie man es auch von der LP "Warchild" kennt (siehe Foto links). Für mich persönlich eine der Glanznummern bei ELECTRA damals, ebenso wie "Bouree" natürlich. Bei dieser Bach-Nummer im Stile von Ian Anderson kann Bernd Aust bis heute sein einmaliges Können an der Querflöte und sein Musikantentum unter Beweis stellen. Da konnte man schon ins Staunen kommen, welche Töne mit so einem filigranen Instrument erzeugt werden können.

Auch schon Ewigkeiten im Konzertprogramm ist "Mampe's" Eigenkomposition "Das kommt, weil deine Seele brennt". Besser kann man sich selbst keinen Song auf den Leib bzw. auf die eigene Stimme schreiben. Darüber hinaus fasziniert der einmalige und perfekte Satzgesang von ELECTRA, der solche Liedperlen erst im richtigen Glanz erstrahlen läßt.

Ein weiterer Höhepunkt war Ludewig's Drum-Solo, das schon damals in einer furiosen Show und als Parodie(?) auf die Gebetaufrufe von den luftigen Höhen Arabischer Minarette endete. Jahre später hat "Mampe" auch sein Solo-Programm auf diese Weise ausgestaltet und noch heute bekommt man live davon Fragmente zu sehen und zu hören. Natürlich hat er auch schon in jenen Jahren den "Grünen Esel" gemacht, nur die Verkleidung ist inzwischen eine andere geworden.

Es gab und gibt nicht viele Bassisten und Gitarristen, die ihrem Instrument virtuose Töne mit einem Geigenbogen entlocken konnten (und können). Neben Jimmy Page (Led Zeppelin) oder Eddie Philips (CREATION) beherrscht auch "Kuddel" Riedel diese Kunst und bewies dies mit einer eindruckvollen Solovorstellung, die auch ihre optische Reize hatte. Der Mann mit den weiten Flügelärmeln seines weißen Umhangs sah aus wie ein Rick Wakeman an der Bassgitarre aus (siehe Foto unten). Neben dem Solo von "Mampe" und den Flöteneinlagen von Bernd Aust, einer der vielen Höhepunkte eines ELECTRA-Konzerts.

Klar, kein Konzert ohne den "Dom", auch wenn Stefan Trepte zu jener Zeit schon mit REFORM unterwegs war. Die orchestralen Orgelklänge und die einmaligen Satzgesänge gingen auch ohne ihn, wenngleich auch Gisbert Koreng nicht ganz so wie Trepte diese ELECTRA-Hymne ausfüllt. Live war die Nummer schon damals der absolute Höhepunkt des Konzerts. Dieses einmalige Musikstück mußte allerdings noch eine ganze Weile auf seine Vinyl-Premiere auf der LP "ELECTRA 3" 1980 warten, und solcherart engstirnige Entscheidungen sind aus heutiger Sicht nur noch mit dumm zu umschreiben. Spätestens mit dem "Dom" war der Mythos ELECTRA geboren und die Sichtweise auf ein kirchliches Bauwerk eine intensivere. Das hattet ihr nun davon!

Inzwischen ist das selbst erlebte mehr als 30 Jahre her. Die Band feiert in diesen Tagen ihr 40-jähriges Bestehen, und Bernd Aust hat inzwischen mit Ian Anderson sicher mehr als nur ein Mal die Flötentöne freundschaftlich ausgetauscht. Trotz einiger Enttäuschungen ist ELECTRA sich selbst und dem Publikum treu geblieben.

Die Musik von ELECTRA hat, wie die einiger anderer dieses Jahrganges und dieses Landes auch, gut zwei Drittel meines eigenen Lebensweges begleitet. Das begreift man erst rückblickend, und rückblickend kann man auch den Wert des selbst Erlebten erst richtig schätzen. Ich war nämlich immer - wenn auch unauffällig - dabei, von den knorrigen "Weiden am Ufer" über den "Aufrechten Gang" zu gewendeten Zeiten bis hin zum Dreigestirn der großen Sachsenbands. Es ist ein schönes Gefühl, das nebenbei auch ein wenig stolz macht - "Alter, Alter Dankeschön!".
 
 

Foto Impressionen:
 

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