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Neustart in anderer Rubrik am 11. März 2024

 

 

Teil 1

Der erste Teil der Biographie beschäftigt sich mit Michael Heubachs ersten Berührungen mit der Musik, ersten Unterricht und dem Entdecken seines überdurchschnittlichen Talents. Lest selbst, wie es in Sachen Musik bei ihm losging...
 
 
Entdeckung des absoluten Gehörs
Ich hatte noch keinen Klavierunterricht, beschäftigte mich aber schon ausgiebig mit den Tasten und versuchte, kleine Melodien zu "ertasten". Deshalb kannte ich die Töne, ohne sie benennen zu können. Mein Vater muss das irgendwie mitbekommen habe und machte deshalb mit mir einen Test: Ich sollte mich vom Klavier wegdrehen, er schlug einen Ton an und ich ging hin und fand ihn sofort, ohne dabei geblinzelt zu haben. Damit war klar: Ich hatte absolutes Gehör! Heute weiß ich, dass es nur ein Relatives ist, denn es gibt auch Menschen mit dieser Begabung, die schlagen mit einem Eisenrohr auf ein Blech und sagen: "Fis!" Unser Klavier daheim, mit dem ich mir die Tonhöhen in mein Gedächtnis eingrub, war ungefähr einen Viertelton zu tief, und das brachte mir manchmal Schwierigkeiten bei der Erkennung von Tönen, die auf einem anderen Instrument mit richtiger Tonhöhe gespielt worden sind. Manchmal musste ich später mein absolutes Gehör als "Waffe" einsetzen, wenn es darum ging, zu demonstrieren, wer denn hier der musikalische Herr im Hause ist. Es hat mir bei vielen Bands eine gewisse Hochachtung eingebracht, wenn ich ohne hinzugucken dem Gitarristen sagen konnte, welche falsche Harmonie er gerade gespielt hat. Oder ich konnte sofort die Tonart eines Songs sagen, der gerade im Radio lief.
 

Aber das absolute Gehör hat nicht nur Vorteile: Wenn ich Musik höre, spiele ich die Töne auf einer virtuellen Tastatur mit, weil ich sie eben höre! Dadurch kann ich mich oft der Musik nicht so richtig hingeben, ich bin ständig mit einer unbewussten Analyse beschäftigt. Und das begann schon in der frühen Kindheit. Die Erkenntnis der Tonerkennung nutzte ich unter anderem als Acht- oder Zehnjähriger, um einen mir bekannten Schlager auf dem Instrument nachzuspielen: "Brauner Bär und weiße Taube". Vor allen die linke Hand kam da zum Einsatz, denn ich kannte den Harmoniewechsel und schruppte fleißig Quinte auf Quinte. Gleichzeitig übte ich an "Da sprach der alte Häuptling der Indianer" von Gus Backus. Das war mein Einstieg in den Rock'n' Roll, wenn auch nur für Liebhaber erkennbar. Aber schon der Wechsel von Tonika zur Subdominante ließ mir einen leichten Schauer über den kindlichen Rücken huschen.
 

Wir Kinder bekamen zu dieser Zeit unsere erste Schallplatte geschenkt. Es war ausnahmsweise Popmusik und ich hörte mir den Titel so oft an, dass man hinterher die abgenutzten Vinyl-Späne der Single förmlich vom Fußboden aufkehren konnte: "Salem Aleikum, Allah sei dir gnädig"! Es muss so an die fünfzig Mal gewesen sein, ich glaube, die Scheibe war schon merklich dünner geworden.



Klavierstunden und mein erster kommerzieller Auftritt
Ich hatte meinen ersten Klavierunterricht, als ich fünfeinhalb Jahre alt Jahre war. Eine alte Dame namens "Fräulein Karl" - der Grund ihrer Jungfernschaft blieb mir verborgen - zeigte mir, wie man durch Bewegen seiner zehn Finger auf den Klaviertasten Melodien hervorzaubern konnte. Mir fiel ein altes Klavieraufgabenheft vom Februar 1957 in die Hände. Demzufolge hatte ich schon ein Kinderlied auf und das nach Noten.


Das Üben machte mir keinen Spaß und die halbe Stunde, die ich täglich am Klavier verbringen musste, nutze ich auch zum Improvisieren. An einem Sonntag bekamen wir Besuch, ich saß am Klavier und spielte so vor mich hin und bemerkte nicht, wie es auf einmal still wurde und die Herrschaften meinem Spiel lauschten. Als ich fertig war, gab es Beifall und mein Vater schenkte mir gerührt 50 Pfennige - das entsprach meinem wöchentlichen Taschengeld! Er gab mir dadurch den Ansporn auf weitere kommerzielle Auftritte, wenn wieder einmal Besuch da war. Leider blieb es bei den ersten 50 Pfennigen und ich weiß nicht, ob mein Vater seit dem ungerührt blieb oder geizig war. Wahrscheinlich wird er erkannt haben: der Junge muss sich sein Geld verdienen und nicht durch einfaches Dahinklimpern zu Geld kommen.
 

Als ich viel später im 1. Studienjahr an einer Nachtbar in einem Aushang las, dass man einen Alleinunterhalter suchte, dachte ich mir, "Mensch, das wäre doch was, spielst alle Hits, die du so draufhast, Beatles, Stones, Beach Boys, improvisierst ein bisschen und schon hast du dir die Kohle verdient." Beim Vorstellungsgespräch wurde ich nach meinem "Repertoire" gefragt, nachdem ich von oben bis unten gemustert worden war: Ein langhaariger und dazu noch nicht 18 Jahre alter Mensch, der nicht einmal die Standardliteratur des Alleinunterhalters beherrschte, möchte gern routinierten alten Klavierspielern Konkurrenz machen. Da wurde mir klar: Ich war ein Nichts und hatte außer jugendlichem Größenwahn oder Naivität nichts zu bieten.



Musikalische Gene
Eigentlich waren wir eine durch und durch musikalische Familie, die ihren Höhepunkt zu Weihnachten fand. Da gab es die Bescherung erst nach absolviertem Weihnachtsliederspiel: Zwei Blockflöten plus ein Klavier oder drei Blocklöten und kein Klavier oder Blockflöten und Gitarre, die von meiner Mutter gespielt wurde. Dazu wurde gesungen, aber nicht nur eine Strophe... Nein, alle! Und dabei ging der Blick immer unter den Christbaum, wo die Geschenke lagen. Da glich das Musizieren einer Marter.
 

Meine Mutter sang viel, meine Schwestern spielten Klavier und sangen auch viel und Oma, ja Oma spielte auch Klavier - und sang natürlich auch viel, wenn auch leise. Sie hatte immer ein Standardstück drauf, das sie uns oft auf dem Klavier vorspielte, wenn sie bei guter Laune war. Das war lustig. Von ihr hat meine Mutter, was Musikalität anbelangte, viel geerbt. Meine Schwester Gisela hatte auch Unterricht bei besagtem Fräulein Karl und ich hörte immer, wie sie zuhause fleißig ihre aufgegebenen Stücke übte. Bekam ich im Unterricht ein neues Stück auf, kannte ich es deshalb oft bereits und spielte es aus dem Kopf oder besser aus'm Hut nach. Dadurch verlernte ich leider, gut nach Noten zu spielen. Das ging so weit, dass ich mir neue, unbekannte Klavierstücke vorspielen ließ und schnell nach Hause rannte, um sie dort nach Gehör am Klavier nachzuspielen. Klar, irgendwann musste ich wohl oder übel die Noten rausnehmen, um das Fehlende zu ergänzen. Das hat mich gerettet, denn sonst wäre aus mir so eine Art "Jimi Hendrix des Pianos" geworden - die Legende weiß von seiner Notenunkenntnis zu berichten. Wir hätten uns natürlich noch in ein, zwei Sachen unterschieden: Er war Linkshänder, Mulatte und ein Genie und ich Rechtshänder, Weißer und kein Genie. Aber: Er spielte Gitarre nur mit sechs Seiten, während ich am Klavier einige hundert Saiten zu Verfügung hatte!


Ich ging noch nicht zur Schule, als ich mir einen leeren Schuhkarton nahm, um ihn rhythmisch mit zwei Holzquirlen zu bearbeiten! Dazu "sang" ich zum Beispiel "Glück auf, Glück auf" und verformte meine Lippen so, dass die Töne dem Sound eines Fanfarenzuges gleichkamen. In dieser Zeit wurde auch ein neues Radio zugelegt, ein Staßfurt 600 mit "magischem Auge"! Das war ein volkstümlicher Begriff für eine Röhre, die die Empfangsstärke anzeigte. Der Staßfurt wird ja heute in den Rang eines Kultradios erhoben, "der hatte noch einen vollen Klang!" oder "der klang noch richtig warm" ist eine weitverbreitete Meinung. Dabei wird vergessen, dass nur ein Lautsprecher eingebaut war, der zugleich den in Verbindung mit dem Holzgehäuse tieferen Frequenzbereich bevorzugte. Wenn also der Höhenanteil sehr mickrig ausfiel, blieben ja nur die tieferen Klanganteile übrig, und die sorgten für die legendäre Wärme. Spätere DDR-Radios mit Plastikgehäuse konnten dem Holzgehäusegerät nicht das Wasser reichen.
 

Kam in unserem Staßfurt-Radio Musik, stellte ich mich vor das Gerät und machte mit den Armen Bewegungen, die ich dirigieren nannte. Ich war sehr überzeugt von mir und bildete mir ein, das Orchester im Radio spielte, wie ich es wollte und nicht umgekehrt. Außerdem interessierte ich mich schon mit zehn Jahren für Gitarre. Meine Mutter spielte ein wenig dieses Instrument und sie hatte auch eine eigene Akustikklampfe zuhause. Wir fuhren als Kinder oft baden an einen kleinen See am Rande Leipzigs, den "Bagger". Neben vielen Kindern und Erwachsenen gab es da auch die Gruppe der Halbstarken. Und einer von denen spielte Gitarre und sang dazu in einer Sprache, die uns unbekannt war und Englisch hieß. Der Typ hatte ein für damals ausgeflipptes Outfit und trug eine Ente. Um Irrtümern mit der Tierwelt vorzubeugen, beschreibe ich das Ding näher: Ente, das sind am Hinterkopf in Richtung Mitte vertikal zusammengekämmte Haare und eine Tolle oder "Schmalzlocke", das ist die Quasi-Locke, die einem von der Stirn runter auf die Augen fällt. Ja, und der kannte Elvis P. wahrscheinlich persönlich, so wichtig kam der sich vor! Seine Klampfe war mit Silberbronze angemalt und mit Ziersternchen versehen! Und da dachte ich mir, das machst du auch, nahm die gute Akustikgitarre meiner Mutter und strich sie an. Mit Silberbronze. Sterne hatte ich zwar keine, sie sah aber trotzdem sehr poppig aus! An die darauf folgende Strafe kann ich mich nicht mehr erinnern, die schlechten Dinge verdrängt man lieber.
 


Bulgarische Lehre
Nachdem ich ein paar Jahre die pianistischen Grund- und Begriffe beigebracht bekommen hatte, sagte mir meine Mutter, ich hätte jetzt bei Fräulein Karl genug gelernt und es wäre Zeit, dass ich mal etwas mehr gefordert würde. Gefordert! Dabei hatte ich doch schon meine ersten Klavierstunden bei Fräulein Karl geschwänzt. Meine Mutter schien das geahnt zu haben und deshalb sollte ich in festere Hände gelangen. Es waren die Hände der neu eingerichteten Kinderklasse an der Hochschule für Musik Leipzig. Es war in dieser Zeit, als mein Vater ein Tenorsaxophon nach Hause schleppte. Ich blies hinein, um den Klang nachzuahmen, den ich vom Radio her kannte. Nach anfänglichen Nur-Luft-Geräuschen entlockte ich ihm ein Klang, der alle Gleisarbeiter aufgescheucht hätte! Trotzdem wollte ich Saxophon lernen, koste es, was wolle. Und es kostete! Ich wurde nämlich vertröstet, wenn ich fleißig Blockflöte lernte, könnte ich dann auf Saxophon umsteigen, irgendwann, wenn das Wasser der Pleiße wieder rein ist. Das kann dauern. Und hier war die Chance: Ich machte die Aufnahmeprüfung an der Kinderklasse, bestand sie und lernte - Blockflöte! Und so begann ich meine ersten Unterrichtsstunden mit kleinen Blockflötenmelodien, die mich mit meinen zehn Jahren nicht gerade in Begeisterungsstürme versetzten, schwirrte mir doch dabei immer der Sound des Saxophones durch den Kopf. Als Nebenfach hatte ich Klavier und das bei einer Lehrerin, die aus Bulgarien stammte, mit Akzent sprach und versuchte, aus mir einen richtigen Pianisten zu machen. Ich durfte die Stücke vergessen, die ich bereits gelernt hatte, denn meine Handhaltung war einfach katastrophal. Meinte sie. Mir klingt es noch heute in den Ohren, ihr sehr mit Akzent versehenes "Finger häbben!"
 
 
 
 

   
   
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