Maschine: "Mein Weg" (Album)

lp07 20240222 1478237519VÖ: 22.03.2024; Label: Premium Records; Katalognummer: n.n.b.; Musiker: Dieter "Maschine" Birr (Gesang, alle Instrumente); Musik/Texte: Dieter "Maschine" Birr; Bemerkung: Das Album erscheint sowohl auf CD als auch auf Schallplatte. Als CD in einer Standard-Ausführung im Digipack, als Boxset inkl. Lederarmband, Schlüsselanhänger, Schuhanzieher, Autogrammkarte + Standard-CD, als limitierte Gatefold Doppel LP in sonnengelb-transparentem Vinyl und als limitierte Gatefold Picture Doppel LP;

Titel:
"Mein Weg (2024 Version)", "Sonnenseite", "Auf das Leben", "Sehnsucht", "Lange her", "Hiroshima", "Weitergehen", "Melanie", "Hunderttausend Laienrichter", "Ikarus", "Lebe wohl", "Das Buch (feat. Nessi)", "Mein Weg (Original)"


Rezension:


Zu seinem 70. Geburtstag gönnte sich Maschine mit dem gleichnamigen Album ein ganz persönliches Geburtstagsgeschenk. Seine PUHDYS waren noch aktiv, aber mit dieser CD erfüllte er sich den Wunsch nach einem weiteren Solo-Album. Seinem zweiten, fast 30 Jahre nach "Intim". Es war der Grundstein für seine "zweite" Karriere, denn knapp zwei Jahre später wurden die PUHDYS zu Grabe getragen und aus deren Asche ging Phönix Dieter Birr als "Neubeginner" hervor. Die letzten 10 Jahre hielten für den Berliner Musiker reichlich Bewegendes und Aufregendes bereit. Am 18. März feiert der Sänger, Komponist, Musiker und Produzent nunmehr seinen 80. Geburtstag und was liegt da näher, als sich selbst das nächste Geschenk zu machen? Richtig … Es gibt keinen besseren Anlass, um ein weiteres Album aufzunehmen und gemeinsam mit den Fans zu feiern. Darum erscheint am 22. März "Mein Weg".

Der Titel ist dann auch Programm, denn "Mein Weg" ist eine Art Werkschau. Allerdings verzichtet man hier gänzlich darauf, im Backkatalog der PUHDYS zu kramen und einzelne Titel aus 60 Jahren Karriere raus zu fischen, um aus ihnen einen Aufguss zu machen. Das hatten wir alles schon, und das wäre auch zu einfach. Oder besser: das wäre nicht Maschine. Vielmehr ist "Mein Weg" des Musikers prüfender Blick auf bisher Geschaffenes, und um alte Ideen neu zu überdenken. PUHDYS-Klassiker aus den 70ern und 80ern, aber auch Solostücke aus den letzten Jahren, erhielten so ganz neue Arrangements. Und neben diesen sieben bereits bekannten, aber neu produzierten Titeln, gibt es zusätzlich noch fünf ganz neue Songs, so dass der eben verwendete Begriff "Werkschau" eigentlich nicht richtig passen will. Doch schauen wir mal genauer hin, was wir denn da eigentlich vorliegen haben …

Die fünf neuen Songs heißen "Hunderttausend Laienrichter", "Lange her", "Weitergehen", "Lebe wohl" und "Sonnenseite", wobei das zuerst genannte Stück bereits vorab als Single veröffentlicht wurde. Darin zeigt sich Maschine nicht nur musikalisch nah am Zeitgeschehen, sondern insbesondere auch thematisch. Er kritisiert hier das Vorverurteilen von Menschen, nur weil die Presse bei einem noch nicht bestätigten Anfangsverdacht mal wieder die berühmte Sau durchs Dorf jagt. Er bricht damit eine Lanze für all die Lindemanns, Kachelmanns und Türcks, die aufgrund unbewiesener Anschuldigungen und ohne eine gerichtliche Verurteilung bereits medial hingerichtet wurden und deren Leumund von der Presse massiv beschädigt wurde. Maschine selbst kann darüber ja aus eigener Erfahrung auch ein weniger fröhliches Liedchen singen. Diese Nummer hier ist jedenfalls ein in Noten verpackter und mit Stromgitarre lautstark unterstrichener, freundlicher Hinweis an die Hörer, nicht alles zu glauben, was in der Zeitung steht, und vor der Bildung einer eigenen Meinung zuerst mal das Vorliegen aller Fakten und Beweise abzuwarten.
Sein Geheimrezept, was ihn jung und aktiv hält, verrät Maschine dann in dem Ohrwurm "Weitergehen". All das, was er nicht braucht, aber das, was sein Blut in Wallung hält, zählt Maschine hier zu knackigem und lautem Rock auf. Ein Lied, das sich relativ schnell ins Gedächtnis gräbt. Aber sowas konnte er ja schon immer schreiben. Ein weiterer typischer Maschine-Song.
Weniger laut räumt "Lange her" mit Maschines Militärzeit auf. Er spricht von verlorener Zeit und davon, dass dieser Dienst von allen gehasst wurde. Mit dem Blick zurück und einem weiteren in die heutige Zeit, zieht er am Schluss aber das Fazit: "Immer wenn ich Soldaten sehe, die kämpfen müssen, dann wird mir klar, dass damals diese scheiß Armeezeit wie ein Abenteuerurlaub war". Ihm und seinen Kameraden blieb der Kampfeinsatz erspart. Andere - gerade die Jungs der heutigen Generation - haben dieses Glück leider nicht.
Wo wir gerade bei krisengeschüttelten Zeiten sind … Nicht jedem von uns geht es dieser Tage so gut, dass über ihm immer die Sonne lacht. Darum braucht es ab und an auch mal einen Mutmacher und Aufmunterer. Den liefert Maschine hier mit "Sonnenseite", einem zu feinen Tönen gewordenen Versprechen, auch in dunklen Zeiten für den ins Straucheln geratenen Freund da zu sein. Das kann jeder bei Bedarf nun seinem Kumpel oder seiner Kumpeline vorspielen, wenn es nötig ist. Krach macht die Nummer auch ordentlich, damit die Botschaft auch gehört wird und ankommt.
Die fünfte Neuvorstellung ist "Lebe wohl", ein Lied für "nach dem Krieg". Man verabschiedet sich hier von einem Kriegsflüchtling, der wieder zurück in seine Heimat reisen kann. Es geht zurück in ein Land, in dem es viel verbrannte Erde und Trümmer gibt, und das wieder aufgebaut werden will. Eine Reise ins Ungewisse. Ob man sich nochmal wiedersehen wird, weiß man am Bahnsteig noch nicht, man schickt bei der Abreise jedenfalls noch alle guten Wünsche hinterher. Ummantelt ist diese schöne und optimistisch stimmende Geschichte mit einer Ballade, die trotz ihrem ruhigen Arrangement doch eine Menge Druck erzeugt. Und das nicht nur mit dem Schlagzeug. Eine weitere, für Maschine doch so typische Nummer, die sofort als seine Handschrift wiederzuerkennen ist.

Zu den entkernten und komplett neu aufgebauten Klassikern gehört u.a. das ebenfalls im vergangenen Monat schon als Single voraus geschickte "Auf das Leben", das vor knapp acht Jahren erst auf dem "Neubeginner"-Album erschienen war. Dieses, und die 2024er Version von "Mein Weg" (zu finden auf "Maschine" von 2014) sind die einzigen Lieder, die nicht allzu viel neue Erkenntnisse bringen, da sie fast so belassen wurden, wie sie damals schon der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Es wäre auch ein Ding, wenn sich Maschines Ideen von Machart und Sound innerhalb kurzer Zeit schon so verändert hätten. Vielmehr sind es Nuancen, in denen die unterschiedlichen Versionen voneinander abweichen. Wobei … so ganz stimmt das dann auch wieder nicht, denn bei "Mein Weg" steht in der einen Fassung das Klavier im Vordergrund, bei der anderen die Gitarre.
Dagegen wirken "Sehnsucht" und "Hiroshima", beide im Original auf dem 1982er Album "Computer-Karriere" zu finden, so, als kämen sie aus dem Hier und Heute. Auch "Melanie", im Original auf dem 1980er Album "Heiß wie Schnee" zu finden, "Das Buch" vom gleichnamigen Album aus dem Jahre 1984, oder "Ikarus" vom 1974er PUHDYS-Debütalbum, wirken in ihrer überarbeiteten Fassung weniger angestaubt und klanglich tagesaktuell. Letzteres liegt natürlich auch an den sich inzwischen verändert habenden Produktionsmöglichkeiten und der eingesetzten Technik. Auch wenn hier sicher das eine oder andere Instrument nicht von einem Menschen gespielt wurde, fügt es sich harmonisch ins Klangbild ein. Das hat man anderenorts schon deutlich schlechter und deutlich wahrnehmbarer gehört. Den Sound von früher kriegste heute auch gar nicht mehr so hin … All den Songs von einst wurden vom ehemaligen PUHDYS-Frontmann die alte Haut abgezogen und eine wesentlich jüngere transplantiert. Egal, welche Neubearbeitung Du Dir anhörst, bei allen steht die E-Gitarre im Vordergrund. Es wird amtlich gerockt und fachmännisch gerollt. Die neuen Alten machen nun noch einen Hauch mehr Spaß wie es die Originale vor 40 und 50 Jahren schon getan haben. Aber wer auf die Patina partout nicht verzichten möchte, darf gerne wieder zum Original greifen, denn die sind ja mit VÖ dieser Platte nicht einfach verschwunden.

Es ist noch gar nicht so lange her, da verband man Menschen Ü70 in Sachen Musik nur mit dem Musikantenstadel. Zu volkstümlichen Peinlichkeiten dämmerte man so langsam dem Feierabend entgegen. Der "Senior" von heute hat keinen Bock auf "Dämmern", zieht in Sachen Musik die E-Gitarre dem Akkordeon vor (obwohl es richtig eingesetzt auch rocken kann), und wird statt durch debiler Schunkelei fast ausschließlich mit lauter Rockmusik auffällig. Wie sich die Zeiten doch verändern. Maschine gehört zu dieser Generation, die selbst mit dem Beat und dem Rock groß wurden, und ihn auch im hohen Alter nicht ablegen wollen. Auch ruht er sich nach Fertigstellung eines Albums nicht Ewigkeiten aus oder reitet lange auf einer abgeschlossenen Arbeit rum. Zwischen "Mein Weg" und dem Vorgänger "Große Herzen" liegen schlappe 14 Monate. Er scheint vor neuen Ideen und Änderungswünschen bei bereits "getragenen Kleidern" nur so überzusprudeln. Die Songs auf "Mein Weg" klingen allesamt sauber produziert, erstklassig im Klang und absolut zeitlos. Im Gegensatz zu all den einfallslosen Retrospektiven, die zu runden Geburtstagen und "Firmenjubiläen" gern mal raus gehauen werden, hat sich Maschine echt Gedanken gemacht, wie man den eigenen 80. Geburtstag ohne die gängige Altstoffverwertung begehen kann. Alte Songs aus seiner Feder? Gern, warum nicht? Aber dann klanglich doch so, wie er sie sich aus heutiger Sicht und mit der Erfahrung aus 60 Jahren Arbeit als Musiker vorstellt. Dazu eine ansprechende Zahl neuer Songs mit Themen der Zeit und fertig ist ein Album, mit dem es sich im wahrsten Sinne des Wortes feiern lässt. Glückwusch Maschine. Zuerst zu dieser Langrille. Zum Geburtstag aber erst in ein paar Tagen …
(Christian Reder)





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