is-ahsz 20130708 1408175513 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Alles hat seine Zeit"
Isabell Schmidt
Universal
12. Juli 2013

1. Teufelskreis
2. Ok
3. Auf der Flucht
4. Everythings Changing
5. Der letzte Sommerregen
6. Perfekt
7. Im Juli
8. Heimweh
9. Kopfkino
10. Der letzte macht das Licht aus
11. Inmitten von Millionen
12. Alles hat seine Zeit





Musikalischer Nachwuchs aus dem hohen Norden. Genauer gesagt aus Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern. Isabell Schmidt heißt die junge Frau, die schon als Straßenmusikerin unterwegs war und von Beruf eigentlich Ergotherapeutin in einer Stralsunder Klinik ist. Isabell Schmidt ist allerdings nicht von einem Plattenboss oder Manager bei einem ihrer Ausflüge als Straßenmusikerin entdeckt worden, so wie das vielleicht in den 70ern und 80ern noch funktioniert hätte. Sie war vielmehr eine der Teilnehmer der zweiten Staffel von "Voice of Germany", bei der sie im Dezember 2012 den zweiten Platz belegte. Dafür konnte sie aber nix. Für den den zweiten Platz schon, aber dafür, dass sie in der Sendung gelandet ist nicht. Schuld war die Schwester, die sie heimlich bei "Voice of Germany" angemeldet hat. Was mag sie ihr bloß getan haben, dass sie sich so gerächt hat? Wie dem auch sei... "Voice of Germany" ist nur eine weitere Castingshow nach DSDS (RTL), Popstars (Pro7) und X-Factor (Vox). Sie hat nur einen anderen Anstrich. Statt einen Dieter Bohlen, der jungen Menschen mit dem Wunsch, Musiker zu werden und damit mal sein Geld zu verdienen, mit seinem losen Mundwerk und seinen gegen jede Regel der guten Erziehung verstoßenden Kommentaren in Windeseile einen Minderwertigkeitskomplex einredet, sitzen hier gleich vier Promis in der Jury: Der Meister des gewimmerten Tons, Xavier Naidoo, zwei Vertreter der Truck Stop-Nachfolgeband BOSS HOSS, die nicht nur vom Aussehen her immer jugendliche Nena und der sich manchmal nicht im Griff habende Rea Garvey (Zitat: "The Voice of fucking Germany"). Das Prinzip ist schnell erklärt: Junge Gesangstalente kommen auf die Bühne, die Promi-Jury sieht den/die Bewerber(in) nicht und hört nur die Stimme, wenn der angehende Gesangsstar loslegt. Es geht als ausschließlich um die Stimme... das Talent. Kein Platz für ablenkende Showeffekte. Gefällt einem der vier Parteien in der Jury das was er/sie hört, drückt er auf einen Buzzer und bewirbt sich so als Mentor für den gerade vorsingenden Kandidaten. Finden das mehrere Jury-Mitglieder dufte und buzzern ebenfalls, muss sich am Ende der Bewerber für eins der Teams entscheiden. Buzzert aber keiner der Jury-Mitglieder, ist der Kandidat ausgeschieden. Herr Bohlen würde jetzt noch kräftig einen austeilen, hier bekommen die Kandidaten aber aufmunternde Worte und eine sachliche Begründung, warum es für die Sendung nicht gereicht hat. Das ist der größte Unterschied zu den eben genannten anderen Formaten. Ein weiterer Unterschied ist, dass die Kandidaten bei "Voice of Germany" nicht unbedingt irgendwas nachsingen müssen. Vielmehr wird ihnen nicht nur die Gelegenheit gegeben, sich die Songs, die man in der Sendung singen möchte, selbst auszusuchen, sondern es gibt auch die Möglichkeit, eigene und selbstgeschriebene Lieder zu singen. Davon machte Isabell Gebrauch und stellte im Halbfinale ihr Lied "Heimweh" mit dem Ergebnis vor, dass der Song nach Ausstrahlung der Episode direkt und hoch in die Charts einstieg (der Download machts möglich). Halten wir fest: "Voice of Germany" besticht durch ein gutes Konzept, dem kompletten Fehlen von Müll labernden Alphatieren in der Jury und tatsächlich echten Chancen für junge Menschen, den Traum vom Popstar leben zu können. Und das nicht nur für 4 Wochen. Isabell Schmidt hat jetzt diese Chance und das Glück, bei der letzten Staffel ins Team von NENA gekommen zu sein. Auch wenn mir persönlich Nenas Gesang nach den vielen Jahren so langsam auf den Keks geht, hat sie nicht nur einen klangvollen Namen, sondern sie gibt jungen und talentierten Musikern eine Chance, von ihren Erfahrungen zu lernen und etwas mitzunehmen. Von Nenas Team aus nahmen die Dinge für Isabell Schmidt ihren Lauf und am Ende hat sie einen Konkurrenten nach dem anderen aus dem Rennen gekegelt. Letztlich scheiterte sie nur an Nick Howard, der aber schon vor "Voice Of Germany" als professioneller Musiker unterwegs war. Trotz des zweiten Platzes wartete ein Plattenvertrag auf Isabell und die Möglichkeit, als neuer Musikstern am Himmel zu strahlen. Am Freitag, dem 12. Juli, wird nun das erste Album von Isabell Schmidt als CD in den Läden und als Download im Netz bereit stehen. Ihre Mission hat begonnen und wir hören in diese neue Scheibe mal rein...

Die uns vorliegende Promo CD gibt leider keine Auskunft zu Komponisten und Textern der Songs, aber bei zwei Titeln ist hier bekannt, dass sie von der jungen Künstlerin selbst geschrieben wurden. Dabei handelt es sich um das eben schon erwähnte "Heimweh" und den letzten Song der CD "Alles hat seine Zeit". Doch dazu gleich mehr...
Die CD startet mit "Teufelskreis". Eine ziemlich düster angestrichene Nummer, die über den Teufelskreis im Leben handelt. Die im Lied besungene Dame steckt in einem solchen fest und Isabell singt die Geschichte dazu. Der eben erwähnte Düsterton im Lied bleibt über den gesamten Verlauf erhalten. Ungewöhnlich, ein Album mit so einem Song zu beginnen. Ungewöhnlich und mutig zugleich, denn nicht jeder Musikhörer möchte schon zu Beginn eines Albums in depressive Stimmung versetzt werden. Am Ende muss man diesen Brocken jedenfalls erst mal runterschlucken. Aber ob er für jeden gut verdaulich ist...?!
An Position zwei befindet sich das Stück "Ok", das am 5. Juli als Single veröffentlicht wurde, und das man seit ein paar Tagen auch schon im Radio hören kann. Dafür scheint die Nummer auch gemacht worden zu sein, denn sie ist ziemlich glatt arrangiert, so dass sich der Hörer vom Dudelfunk nicht stoßen kann. Insgesamt ein Song von der Stange, von denen es inzwischen reichlich gibt.
Verwunderung kommt bei Lied Nummer 3 auf... "Auf der Flucht" steht auf dem Cover, der Song klingt aber verdächtig nach Bruno Mars und seinem Song "Locked Out Of Heaven". Fehlpressung? Nö! Hier hat sich beim Schreiben des Songs wohl jemand Inspiration in den aktuellen Charts geholt. Zufall ist das keinesfalls, denn sowohl die Bruno Mars-Nummer als auch dieses Stück hier fangen exakt gleich an. Man hört das Einzählen des Schlagzeugers mit seinen Sticks und kurz darauf beginnt die Mars'sche Staccato-Gitarre. Lediglich der nervige "Jip Jip Jip"-Chor des Originals wurde weggelassen. Dann fängt auch schon Frau Schmidt an zu singen und der Song wechselt in eine andere Richtung. Es entwickelt sich eine andere Melodie und der Refrain hat mit dem hier als Vorlage dienenden Song auch nichts mehr zu tun. Dafür klingt es dann nach einem anderen mir bekannten Song, der mir aber gerade nicht einfallen will. Möglicherweise ein Lied von Silbermond, Christina Stürmer oder Jennifer Rostock. Wie dem auch sei - es riecht verschärft nach "Ausleihen" von Songideen.
Es folgt mit "Everythings Changing" eine Ballade und mit "Der letzte Sommerregen" eine ziemlich farblose Popnummer, die mich auch nicht ansprechen. Bis dahin also noch kein Stück, bei dem ich wirklich sagen könnte, "Das hat was..." So geht das dann leider auch weiter. "Perfekt" ist eine flott arrangierte Rocknummer, die mit Britpop-Anleihen um die Gunst der Hörer buhlt. Der Beat geht zwar gut ins Bein, aber das Lied hinterlässt keinen bleibenden Eindruck. So schnell wie er in den Kopf gekommen ist, ist er auch schon wieder raus. Und offenbar scheint es inzwischen Pflicht zu sein, aufbauende Botschaften a la "Sei einfach so, wie Du es willst / So wie Du es für richtig hältst" in einen Song fürs neue Album zusammenzuschrauben. Nicht sehr einfallsreich...
Mit "Im Juli", dem siebten Song auf der CD, erreicht mich Isabell Schmidt erstmals. Dann aber richtig! Ein leises Klavier leitet den Song ein, der insgesamt im ruhigen Fahrwasser verbleibt. Das passt auch zum traurigen Songinhalt, den Verlust eines geliebten Menschen. Der Text berührt durch die in den Kopf gezeichneten Bilder ("Im Juli / seh ich die Blätter fallen / Im Juli / Deine Augen sind leer / Im Juli / Träume die zu Staub zerfallen / Im Juli / eine Reise ohne Wiederkehr") und die dazu passenden Arrangements jagen einem diverse Gänsehautschübe über den Körper. Ein wirklich großartiges Stück!
Ihm folgt mit "Heimweh" ein ebenso schönes Lied. Wenn man es hört, wird einem sofort klar, wieso es in der Show von "Voice of Germany" so abgegangen ist. Zu leiser Musik und dezent arrangierten Klangteppichen entfaltet Isabell alle Qualitäten ihrer Stimme. Gerade noch flüsternd und zerbrechlich, erhebt sich ihre Stimme parallel zur sich kurz vor dem Ende wie eine Sturmwand aufbauenden Musik, gegen deren Wucht Isabell und ihre Stimme wie eine Wand stehen. Mit leisen Tönen endet "Heimweh" dann wieder und Isabell beendet es mit der gleichen samtweichen Stimme mit der sie es eröffnet hat. Allein die letzten beiden Songs haben mich als Hörer für die teils farblosen und weniger attraktiven sechs Lieder davor komplett entschädigt. "Heimweh" kann man übrigens am Ende dieser Seite hören.
Mit "Kopfkino" wird die Schlagzahl in der Musik dann wieder erhöht und ich fühle mich in die 90er zurückversetzte, wo manche Bands lieber laut statt gut Musik gemacht haben. "Kopfkino" ist mit technischen Effekten und lauten Gitarren komplett überfrachtet, so dass man schon nach wenigen Augenblicken davon genervt ist und sich für den Inhalt nicht mehr interessiert. Nicht gut!
Anschließend kommt es dann zum Duett von Isabell mit ihrer "Trainerin" Nena. "Der Letzte macht das Licht aus" heißt das Lied und ist von der Machart her ähnlich wie das Stück davor, es wurde nur ein Gang heruntergeschaltet. Auch dieses Lied erinnert mich an die düsteren Tage in den 90ern, als einem die Rockmusik nur noch so wenig zu geben hatte.
Als krasser Kontrast zum Duett mit Nena folgt dann das vom Klavier getragene "Inmitten von Millionen". Eine weitere, sehr ruhige Nummer, in der nur das Klavier und Isabells Gesang im Vordergrund stehen. Und genau dabei kann die junge Sängerin ihre Stärken ausspielen. Hier wirkt ihre Stimme ganz anders, sie spielt damit wie mit einem zusätzlichen Instrument und holt ihre Hörer so auch direkt ab. Das alles wirkt völlig anders als bei den Songs, in denen sie gegen lautes Rockgeschrammel ansingen muss. Nicht, dass sie gegen besagtes Geschrammel verlieren würde, aber eine Stimme wirkt nicht, wenn die Musik einen nicht überzeugt.
Als letzten Titel gibt's dann "Alles hat seine Zeit" (Das Video der Originalversion findet Ihr am Ende dieser Seite). Wie eingangs schon erwähnt, ist dies eine Komposition von Isabell selbst. Und wenn man mich fragt, hätte genau dieses Lied an den Anfang der CD gehört. Eine sphärisch gespielte Gitarre erklingt im Hintergrund zum Gesang von Isabell Schmidt. Das Schlagzeug und der Bass liefern unaufgeregt den Beat zu einem Lied mit Hitpotential. Und auch hier spielt Isabell wieder mit ihrer Stimme. Die lang gesungenen Töne wehen wie eine Fahne im Wind, überzeugen und berühren. Im Refrain spürt man ganz besonders, dass das Lied etwas ganz besonderes ist. "Alles hat seine Zeit" ist wie eine zweite Haut für Isabell. Hier passen Gesang und Arrangement perfekt. Sie harmonieren, wie man so schön sagt, und darum ist es für mich auch das stärkste Lied auf der CD.

Mir ist beim Hören dieser CD aufgefallen, dass man nur in wenigen Liedern die Handschrift von Isabell Schmidt herauslesen kann. Besonders sei hier das letzte Lied der CD hervorgehoben, bei dem wirklich alles gepasst hat. Isabell ist insgesamt mit einer ausgezeichnet guten Stimme ausgestattet, ein hoher Wiedererkennungswert ist allerdings nicht herauszuhören. Das bedeutet nicht, dass sie diese nicht hat. Vielmehr sind es die Lieder, die sie am Entfalten ihres Könnens hindern. Die ersten Lieder auf der CD wirken auf mich wenig ausgereift. Sie hinterlassen den Eindruck, dass zwar eine Songidee vorhanden war, diese aber nicht bis zum Schluss gedacht wurde. Lieber hat man sich dann wohl auf erfolgreiche Stilmittel aus den Charts verlassen und diese in den Liedern verbaut. Ein schlimmes Beispiel für diesen meinen Gedanken ist das Stück "Auf der Flucht". Isabell Schmidt steht am Anfang einer Karriere, die sie möglicherweise lange im Geschäft bleiben lässt. Für die nächste CD wünsche ich ihr den Mut, einen eigenen Stil und eine eigene Wiedererkennbarkeit zu entwickeln. Man muss beim Schreiben oder Aufnehmen von Songs nicht mit einem Auge in die Charts schielen. Mehr Songwriting und weniger "Songwatching" bzw. "Songusing".
(Christian Reder)



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Videoclips:

"Heimweh"


"Alles hat seine Zeit" (Original)





   
   
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