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Ein Bericht mit Fotos von Bodo Kubatzki




DIE SEILSCHAFT im Rostocker M.A.U.-Club, endlich. Das Konzert der ehemaligen Band des singenden Baggerfahrers aus dem Lausitzer Braunkohlerevier, Gerhard Gundermann, sollte bereits ein Jahr früher stattfinden. Nun hat das Warten endlich ein Ende. DIE SEILSCHAFT ist schon mitten im Konzert, als Sänger Christian Haase erzählt, dass er es gewesen sei, der irgendwann im vergangenen Jahr mit einer Flasche Sekt zur Probe kam, und die anderen darauf hingewiesen hat, dass es einen Grund zum Feiern gäbe. Vor dreißig Jahren erschien das Debut-Album von Gundermann & DIE SEILSCHAFT "Der 7te Samurai". Darauf müsse angestoßen werden. Gemeinsam wurden die Ideen entwickelt, das Album auf einer Jubiläumstour zusammen mit den Fans zu feiern, und die Stücke mit der aktuellen Besetzung neu einzuspielen. Dazu gewann die Band mit Wolfgang Niedecken von BAP und Uwe Hassbecker von SILLY illustre Gäste. Die Neueinspielung "Samurai 30/7" wird am 1. März 2024 veröffentlicht. Glücklicherweise kann man es am Abend des Konzerts bereits käuflich erwerben.


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Ab 1. März 2024 im Handel: "Samurai 30/7" auf CD



Wie ich in meinem Bericht zum Konzert von Alexander Scheer | Andreas Dresen & Band vor gut einem Monat schon erwähnt hatte, brachte mich erst der Spielfilm "Gundermann" dazu, mich mit dem Schaffen des Lausitzer Songpoeten intensiver auseinanderzusetzen. Inzwischen entdecke ich immer mehr Interessantes und Schönes in seinen Liedern. Es ist anspruchsvolle, deutschsprachige Rockmusik mit Melodien, die ins Ohr gehen und mit poetischen Texten, die direkt aus dem Leben gegriffen sind, Texte voller Menschlichkeit und Wärme. Das ist Liedgut, welches es zu bewahren gilt. Künstler wie Konstantin Wecker, STOPPOK, Tino Eisbrenner, UNBEKANNT VERZOGEN, Scheer & Dresen u.v.a. tragen dazu bei. Am authentischsten schafft das jedoch DIE SEILSCHAFT, die von 1992 bis zum viel zu frühen Tod von Gerhard Gundermann seine Band gewesen ist. Tina Powileit (Schlagzeug), Andreas Wieczorek (Flöte, Saxofone, Mundharmonika), Mario Ferraro (Gitarren) und Michael Nass (Keyboards, Akkordeon) standen bis 1998 gemeinsam mit Gerhard "Gundi" Gundermann auf der Bühne. Nach seinem Tod gingen Tina und die anderen Musiker zunächst getrennte Wege. Michael Nass landete bei BAP und Tina in der Band von Christian Haase. Andreas und Mario kann man seit 2002 gemeinsam mit dem neuen Bassisten, Christoph Frenz, bei der Berliner Polka-Rock-Band POLKAHOLIX erleben. 2010 fand die Band wieder zueinander und beschloss, weiterzumachen. Mit Christian Haase als Sänger, Songschreiber und Texter, fand die Band nicht nur einen neuen Frontmann, sondern auch einen Songpoeten, der der Band seinen eigenen Stempel aufzudrücken vermag. Wie das klingt, kann man auf dem 2021 erschienenen Album "Dein Paket" nachhören. Oder man gönnt sich das Gesamtpaket, in dem man eines der Konzerte von DIE SEILSCHAFT besucht, so wie wir heute in Rostock.

Mit dem Titelsong "7. Samurai" vom Jubiläumsalbum startet DIE SEILSCHAFT ihr fulminantes Konzert. Der flotte Rhythmus, folkige Flötenklänge und das "ei-oh" im Refrain, sofort mitgesungen von vielen, sorgen von Beginn an für ausgelassene Stimmung im Rund. Dazu passt das ebenso rhythmische "Ich kann dich nicht mehr leiden" mit einem kurzen Mundharmonika-Solo. Andreas Wieczorek hat ein ganzes Arsenal an Blas- und Perkussions-Instrumenten um sich geschart, mit denen er den Stücken immer wieder neue Klangfarben verleiht. Mit "Hier bin ich geborn" folgt ein Klassiker von Gundermann, den wohl jeder Fan im Ohr hat. Christian Haase singt die Songs auf seine Weise, ohne sie zu verfälschen. Das Stück "Brühlsche Terrassen" im Anschluss ist für mich neu. "All das Lächeln und die Schläge, die du in der Welt verteilst, hol'n dich irgendwann ein, wenn du dich noch so beeilst.", höre ich Christian Haase singen. Das ist typische Gundermann-Lyrik. Doch auch Haase bekommt Gelegenheit, uns einen Einblick in seinen Gedanken-Kosmos zu gewähren. "Saltimbocca", das Lied über den einsamen Koch, leitet über in einen etwas ruhigeren Block, bei dem Haase sich von seiner Liedermacher Seite zeigen kann. Zwischen dieses Lied und den Titelsong des ersten gemeinsamen Studio-Albums "Dein Paket" bettet er die Anekdote über seinen kleinen Sohn ein, der lieber zur Bandprobe gehen will, als brav in der Kita zu verweilen. Die wunderschöne Gundermann-Ballade über das "Pferd aus Holz" zu Weihnachten, passt musikalisch sehr gut in diesen Ausflug in die Gedankenwelten zweier begnadeter Liedermacher.


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Bei "Niemandsland" übernimmt Gitarrist Mario Ferraro den Gesangspart. Dieses coole Stück mit schönen Hammond-Sounds, und seinen feinen Soli auf Gitarre und Saxofon, swingt fast. Zum Schluss gibt es noch ein bisschen Otis Redding-Gepfeife, einsame Spitze. "Einsame Spitze" heißt auch das nächste Stück. Bei dem rockigen Song mit einer Gesangspassage aus "Twist and Shout", geraten selbst wir kühlen Norddeutschen aus dem Häuschen. Bis zur Pause bleibt es rockig und ausgelassen. Die Stimmung im M.A.U.- Club befindet sich auf einem Level, der oft erst am Ende von Konzerten erreicht wird. Pure Begeisterung!

Nach der kurzen Pause startet DIE SEILSCHAFT mit dem beschwingten Stück "Herzblatt" in die zweite Runde. Christian Haase erzählt uns anschließend die Anekdote, dass ihn jemand auf dem Klo angesprochen und schulterklopfend geäußert hätte: "Ihr seid wirklich die beste Gundermann Cover-Band, die ich je gehört habe." Das führt bei den Fans natürlich zu Gelächter. Denn jeder im Saal weiß, hier haben wir es mit dem Original zu tun. DIE SEILSCHAFT beweist heute Abend, dass sie eine hochkarätige Band ist, die eine facettenreiche Musik zu spielen vermag. Bei einem Mix aus Songs von Gundermann und von neuen, eigenen Stücken, erleben wir musikalische Vielfalt. Zunächst bleibt es melodiebetont und folkig, ja beinahe schlagerhaft. Dann wird der Härtegrad bei "Sieglinde" etwas angezogen. Die Ballade "September", mit schönen Orgel-Sounds und herzerwärmenden Saxofon Soli, leitet über in einen weiteren Block mit Gundermann Klassikern. "Linda", "Ich mache meinen Frieden" und "Gras" sind wie ein heftiger, nostalgischer Ritt, zurück in eine Zeit, die für viele hier im Osten mit Veränderung und Neuausrichtung zu tun hatte. Es ist der Soundtrack einer ganzen Generation, die längst ihren Frieden mit jenen Jahren gemacht hat. Und trotzdem werden auch meine Augen feucht bei den wunderbaren Melodien und den eindringlichen Texten. Die Lieder werden vom Publikum förmlich aufgesogen und gelebt. Wie schon bei Alexander Scheer | Andreas Dresen & Band in Greifswald, wird auch heute der Refrain des Mut machenden Liedes "Gras" von den Fans mitgesungen. Das waren und sind bewegende Momente.

Danach zieht die Band das Tempo langsam wieder an. Das folkig instrumentierte Stück "Hand aufs Herz" könnte zu einem Klassiker der SEILSCHAFT avancieren. Es stammt aus der Feder von Christian Haase und ist auch auf seinem aktuellen Solo-Album "Grappa & Gitarren" zu finden. Die Gundermann Stücke "Musst du weinen" und "Wenn ich ein Räuber wär" steuern gnadenlos auf das Finale zu. Tina treibt die Nummer "Räuber" mit brachialer Energie voran, und Christoph peitscht den Groove in die vier dicken Saiten seiner Bassgitarre. Dazu hüpft er immer wieder wie ein Flummi über die Bühne. Nicht nur die beiden haben Spaß auf der Bühne. Auch den anderen steht die Spielfreude ins Gesicht geschrieben. Die Wohlfühlnummer "Wölfe", die wieder zum Mitsingen verleitet, endet mit der Flötenpassage vom ersten Song des Abends "7. Samurai". Damit schließt sich der Kreis zwischen Musik von "Gundermanns Seilschaft" aus den 90er Jahren und Musik der SEILSCHAFT von heute. DIE SEILSCHAFT ist eine Band, die einerseits ein musikalisches Erbe bewahrt, die aber auch mit ihren neuen Songs viel zu sagen hat. Viele davon haben das Potential, zu Klassikern zu werden.


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Tina Powileit



Die Fans müssen nicht lange um Zugaben betteln. Es folgen vier weitere Songs. "Ruhetag", gesungen von Michael Nass, macht den Anfang. Der Klassiker "Schwarze Galeere" fehlt natürlich auch nicht, inklusive eines weiteren brillanten Gitarrensolos von Mario Ferraro. Dieser wechselt bei "Die Letzten werden die Ersten sein" zur Lap-Steel-Gitarre, und entlockt ihr gleitende Klänge am Schluss dieses eingängigen Stücks. Das letzte Lied "Nach Haus" soll Begleitmusik für den sicheren Heimweg sein. Die Band steht dabei komplett am Bühnenrand. Akkordeon, Saxofon, Schellenring sowie Lap-Steel- und Akustikgitarren sorgen für ein besonderes Klangerlebnis im lauschigen Akustik-Modus. Der Beifall will nicht enden. Erst recht nicht, als Christian Haase verkündet: "Wir kommen wieder, versprochen!". Mit dem Schlusssong des Albums "Der 7te Samurai" verabschiedet sich DIE SEILSCHAFT vom Rostocker Publikum. Bei der wunderschönen Ballade "Einmal" singt dann Tina Powileit die Strophe, die 1993 von Tamara Danz gesungen wurde. Nach gut drei Stunden geht ein hochemotionales Konzert zu Ende. Für Fans guter deutscher Rockmusik sollte es ein Muss sein, diese magischen Momente miterleben zu wollen. Wir freuen uns bereits jetzt auf das Konzert der SEILSCHAFT im nächsten Jahr.



Setlist:
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Termine:
• 01.03.2024 - Berlin - Kesselhaus/Kulturbrauerei
• 02.03.2024 - Torgau - Kulturbastion
• 22.03.2024 - Neustadt/Orla - WOTUFA
• 23.03.2024 - Dresden - Beatpol
• 20.04.2024 - Potsdam - Lindenpark
• 08.05.2024 - Brandenburg - Johanniskirche
• 15.05.2024 - Weimar - Köstritzer Spiegelzelt
• 17.05.2024 - Coswig - Börse
• 20.10.2024 - Neuruppin - Kulturkirche

Alle Angaben ohne Gewähr. Nähere Infos auf der Seilschaft-Homepage.











   
   
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