Was macht eigentlich...

 

Nina Lizell

 

 


000 20121215 1223585483Für mich war es eine wirkliche Überraschung, dass Nina Lizell an der AMIGA Pressekonferenz in Leipzig am 26. März d.J. teilnahm. Nina Lizell, die im Grunde mit den großen Stars aus den 60er Jahren aus dem Norden wie Gitte Haenning, Wencke Myhre und Siw Malmquist in einem Atemzug genannt werden muss. Nina Lizell, ein Star in Ost wie West, die mit Liedern wie "Rauchen im Wald ist verboten", "Ananas", "Der Mann mit dem Panamahut" und "Ein kleiner Teufel steckt in Dir" Evergreens gesungen hat, deren Verse heute geradezu sprichwörtlich sind. Mehr als 90 Platten hat Nina Lizell in ihrer Karriere produziert. Sie wirkte in nahezu 300 Fernsehshows mit, und war auf den Bühnen der ganzen Welt zu sehen und zu hören. Sie persönlich fragen zu können, war für mich ein ganz besonderes Vergnügen...
 

 

Frau Lizell, Sie gehören in die Reihe junger, skandinavischer Frauen, die in den 60er Jahren die deutsche Schlagerszene gehörig mitgestaltet haben. Was haben sie anders gemacht als ihre Kolleginnen Wencke und Gitte zum Beispiel, dass Sie auch in der damaligen DDR erfolgreich waren?
Das kann ich gar nicht so genau sagen. Ich habe ja überall deutsch gesungen, was mir gut gefiel. Ich durfte in ganz Deutschland eigentlich immer machen, was ich wollte und hatte hier wie da tolle Fans. 1967 wurde ich in die damalige DDR eingeladen. Ich bin sehr, sehr gern dort aufgetreten. Mein erster Auftritt war in Rostock in der Sendung "Klock 8, Achtern Strom". Es entwickelte sich eine persönliche Freundschaft zu dem Regisseur der Sendung, Herrn Manfred Spitz, der mich dann immer wieder einlud. Ich bin 25 Mal in der Sendung aufgetreten, gehörte schon irgendwie zum Team (lächelt). Im Jahre 1969 hatte ich einen meiner ersten großen internationalen Erfolge beim "Goldenen Orpheus" in Bulgarien (das damals vielleicht wichtigste Musikfestival der sozialistischen Länder an dem regelmäßig Künstler aus dem Westen teilnahmen. Dort war u.a. Alla Pugatschova erfolgreich, dort sangen Toni Christir oder Jürgen Marcus - Anm. d. Verf.), wo ich für Westdeutschland antrat. An Leipzig erinnere ich mich auch gern. Hier hab ich mit Herrn Kammersänger Rainer Süß im Haus der heiteren Muse einige Male gearbeitet. Das Publikum in der damaligen DDR war immer fantastisch. Ich wurde hier sehr lieb aufgenommen und das hab ich versucht ein wenig zurückzugeben. Ich bin die einzige Westkünstlerin, die in der damaligen DDR bei AMIGA eine eigene LP machen durfte - vielleicht weil ich dort so gern aufgetreten war (lächelt). Alle Lieder dieser LP wurden extra für mich komponiert und getextet.
 


Wann begann Ihre Karriere als Sängerin?

Das ist schon eine Weile her. Vor 42 Jahren wurde ich bei einem Talentwettbewerb in Wiesbaden entdeckt. Seither habe ich immer Musik gemacht. Ich freue mich, dass ich nach so langer Zeit immer noch im Showgeschäft tätig sein kann, sowohl bei uns in Schweden, als auch hier in Deutschland. Ich habe unter anderem meinem Vater sehr viel zu verdanken. Er war von Anfang an mein Manager und hat mich immer gut beraten und mir sehr geholfen. In Deutschland sind gerade meine größten Erfolge bei Amiga in einer Box erschienen, und im Oktober 2008 meine neuste Single CD "Mindestens haltbar", die sich gut in verschiedenen Radiosendungen platziert hat. 

 

Sie hatten im Osten und im Westen Erfolg. Was war anders im Westen, wo sie ja zur gleichen Zeit aufgetreten sind?
Im Westen konnte ich auch vieles machen und hatte Erfolg. Ich war oft in der Hitparade im ZDF und anderen Fernsehsendungen wie "Musik aus Studio B", der "Schaubude" und der "Drehscheibe". Ich war auch bei der Vorentscheidung 1970 zum Grand Prix Eurovision mit dem Titel "Ein kleiner Teufel steckt in Dir" und in vielen anderen Shows dabei. Aber in der damaligen DDR hatte ich sogar meine eigene Fernsehshow "Guten Abend Nina Lizell". Dann war da der Friedrichstadtpalast, in dem ich fast jedes Jahr aufgetreten bin, der etwas ganz besonderes hatte. Und irgendwie war mir das Publikum in der damaligen DDR noch näher. Vielleicht lag es daran, dass in der damaligen DDR viel mehr Wert auf eigene deutschsprachige Produktionen gelegt wurde als im Westen, wo die Musik immer auch ein offener internationaler Markt war. In der ehemaligen DDR kam ich dem Publikum sehr, sehr nah.

 

Gab es etwas was Sie nicht machen durften? Hatten sie Probleme in der DDR? Wurde ihnen etwas verboten?
Für mich direkt eigentlich nicht. Ich bin immer bemüht, damals wie heute, das Politische aus meinen Liedern herauszuhalten. Mir ist die Musik an sich wichtig. Sie ist international und neutral, so wie wir Schweden sind! Das ist mein Motto auch heute noch. Eins muss ich aber sagen: ich bin froh, dass Deutschland heute wieder vereint ist.

 

Waren Sie vor allem ein deutscher Star? Wo haben sie noch gastiert?
Es ist schon erstaunlich. Ich war in ganz Europa bekannt. Es gab früh große Tourneen durch die Sowjetunion. 1967 trat ich dort mit dem Hazy Osterwald Sextett auf. Da waren auch Alexandra, eine große Sängerin, die wenige Jahre später dann so tragisch verunglückte, und Marie France dabei. Das war eine zweimonatige Tournee im Süden, in Krasnodar, in Jerewan und in Baku. Ich war auch in Ungarn, in Polen und der Tschechoslowakei erfolgreich. Sogar nach Caracas in Venezuela wurde ich mit meinen Liedern eingeladen, obwohl ich kein Lied in den Landessprachen sang. Ich sang immer deutsch mit meinem skandinavischen Akzent (lächelt) und schwedisch. Musik ist wohl doch die internationalste aller Sprachen. Die größten Erfolge hatte ich aber über viele Jahre in Deutschland.

 

Wissen Sie, wie viele deutsche Platten Sie in Ihrer Karriere aufgenommen haben?
Das waren sehr viele. Zum einen waren es viele Singles über die Jahre. Später kamen Alben und CDs hinzu. Insgesamt sind es in Deutschland und Schweden, mit den Alben, über 90 Platten. Ich erinnere mich noch sehr gern an spezielle Aufnahmen. So auch an die große AMIGA LP 1973.

 

Welche Erinnerung an diese LP haben Sie?
Ich war und bin sehr stolz darauf. Da arbeiteten die besten Komponisten für meine Platte, ob es Rudi Werion, Gerd Siebholz oder Arndt Bause waren, alle haben für mich geschrieben. Die meisten Texte stammen von Dieter Schneider, einige von Fred Gertz und Fred Kerstin. Dazu kamen verschiedene tolle Orchester. Ich fühlte mich hoch geehrt. Als viele der Lieder wirklich große Erfolge wurden, war das besonders schön. Eine sehr schöne Erinnerung habe ich auch an den Titel "Aber dann kam er" von der LP. Diesen damals recht modernen Titel hat Frank Schöbel, ein ganz lieber und toller Kollege, für mich geschrieben (Die Erinnerungen sind bei Nina Lizell sofort wieder da. Sie singt aus dem Stand die ersten Liedzeilen und lächelt anschließend. Was mag sie bewegen? - Anm. d. Verf.). Einen ganz lieben Gruß auf diesem Weg an Frank. Der Titel wurde dann auch mit der Uve Schikora Band aufgenommen. Natürlich hab ich eine Platte davon auch zu Hause. Ich finde es sehr, sehr schön, dass die LP jetzt ein Teil der neuen AMIGA CD ist.


Wenn sie vergleichen - was hat sich in der Musik von damals zu heute geändert?

Das weiß ich kaum zu sagen. Meine Musik war und ist ja der Schlager. Natürlich mag ich alle mögliche Musik von Klassik bis Jazz. Dabei kann ich entspannen. Ich muss dazu sagen, ich singe heute auch Chansons, Lieder, Balladen und sehr gern Jazz. Schlager ist auch völlig ok. Doch irgendwann wollte ich mein Spektrum erweitern und so hab ich damit begonnen, Chansons, Lieder und Balladen zu singen. Außerdem darf man ja nicht aufhören sich zu entwickeln. Deshalb mache ich in Schweden zum Beispiel Lieder-Abende, wo ich nur zur Gitarre oder Klavier Balladen singe. Dabei fühlt man die Nähe zum Publikum ganz intensiv. Das ist eine andere Dimension als eine große Fernsehshow, wo man vom Publikum weiter weg ist. Beim Chansonauftritt spürt man sofort, ob man das Publikum erreicht. Das ist mir immer wichtig. Ich will dem Publikum ja etwas geben mit meinen Liedern, will es rühren und berühren.

 

Gibt es aktuelle Musik die Sie besonders mögen, Künstler, wo Sie sagen: das ist wirklich gut!?
Oh ja! Da gibt es jede Menge gute Musik und die in den verschiedensten Genres. Es gibt auch eine große Zahl guter, junger Künstler und Musiker. Ich kenn mich mit der aktuellen deutschen Musik nicht so gut aus, dass ich da jemanden besonders nennen könnte. Ich wohne und lebe ja in Schweden. Ich glaube, dass ein guter Schlager, der Gefühl und Herz hat, immer noch gut ankommt. Das mögen die Menschen und das wollen auch viele. Die Musik hilft ihnen im Alltag und schenkt ein wenig Freude und Glück. Um das rüberbringen zu können, muss man das auch selbst empfinden, man muss hinter dem stehen, was man macht. Bei mir war das immer so, und vielleicht hatte ich gerade deshalb so lange so viel Erfolg.

 

Sie gingen irgendwann aus Deutschland fort und dann wurde es zumindest in der damaligen DDR etwas stiller um Sie. Was haben Sie seit dieser Zeit gemacht?
Das stimmt schon. Ich folgte mit meinen Kindern 1982 meinem Mann in die USA, weil er dort beruflich zu tun hatte. Ich war zunächst dort vor allem Mutter und Hausfrau, aber das füllte mich auf die Dauer nicht ganz aus. Ich hatte das Glück, dass man mich zu verschiedenen Talkshows eingeladen hat. In Amerika habe ich natürlich i ff 20121215 1980917177n englisch gesungen (Nina Lizell hat Sprachen studiert und spricht 6 Sprachen fließend, deutsch zum Beispiel besser als viele Deutsche - Anm. d. Verf.). Das hat alles viel Spaß gemacht und war auch eine schöne Zeit. Als meine Ehe dann auseinander ging, bin ich mit meinen Kindern zurück nach Schweden gegangen. Damals wurde mir auch klar, dass so schön wie es in Amerika auch war - ich wollte dort nicht alt werden. Dort ist eine ganz andere Kultur und sie ist irgendwie doch nicht meine. Wie gesagt, ich bin nach Schweden zurück gekommen, hab mich wieder aufgebaut, ganz von vorn angefangen. Na ja... hier bin ich ja! (sagt Nina Lizell in der ihr eigenen Bescheidenheit, ohne zu erwähnen, dass sie sehr erfolgreich in Schweden vor allem mit schwedischen Liedern startete, wieder Fernsehauftritte in halb Europa hatte - zwischenzeitlich selbst einmal Programmdirektorin eines schwedischen Fernsehkanals und auch Rundfunkmoderatorin war. Sie hat in Deutschland seit ihrem Comeback 1996 mehrere neue CDs und Maxis herausbrachte - Anm.d. Verf.)

 

Haben Sie in Deutschland feste musikalische Partner mit denen Sie arbeiten?
Nein die gibt es in Deutschland noch nicht. Es ist anders als in Schweden, wo ich seit Jahren mit meinem Gitarristen und mit einem Pianisten zusammenarbeite.
In Deutschland habe ich mehrere sehr gute Partner, die meine jüngeren deutschen CDs betreut haben. Die neue CD mit dem Titel "Mindestens haltbar" wurde von einem tollen Team aus München gemacht, von meinen neuen Produzenten Stefan Peters. Er ist selbst Sänger und Musiker und wir haben eine schöne, sehr enge Zusammenarbeit. Wir verstehen uns prima! 


Wie kam es zur neusten deutschen CD "Mindestens haltbar"?

Eigentlich gibt es sogar drei aktuelle CDs. Die eine mit den großen AMIGA Erfolgen in der CD Box, die noch einmal mit zwei Bonunstiteln und in einer anderen Form als Soloalbum "Musik ist mein Leben" erscheint, und dann die CD "Mindestens haltbar". Das ist ein neuer Titel vom Oktober vergangenen Jahres. Ich bin AMIGA für die Box und das Best of-Soloalbum sehr dankbar. Auf diese Weise erscheinen meine größten Hits zusammengefasst in einer neuen Form. Gott sei Dank habe ich ja in Deutschland immer noch ein treues Publikum, das mich nicht vergessen hat. Meine Lieder laufen des Öfteren im Radio, die neueren sind sogar regelmäßig in den Hitparaden. Es ist ein sehr schönes Gefühl!  Der neue Titel "Mindestens haltbar" ist entstanden, weil ich nicht bei Best of-Alben stehen bleiben wollte. Ich wollte etwas Neues machen, und nun ist das Ergebnis hörbar. Dass es kein ganzes Album wurde liegt auch daran, dass ich jetzt sehr gerne anderen Verpflichtungen nachgehe. Ich bin mit großer Freude Oma, und die Oma möchte mit ihren drei Enkeln ganz oft spielen, toben und schwedische Lieder singen (lächelt). Ich bin sehr gerne Oma. Enkel sind die "Nachspeise des Lebens". Ich genieße es mit meiner Familie, Freunden und Nachbarn zu Hause zu sein. Ich genieße auch die Natur um mich herum und bin mit mir im Reinen.

Unruhe macht sich im Foyer des Spiegelpalastes breit. AMIGA bittet zum nächsten Programmpunkt, dem Konzertteil des Abends. Daher beenden wir das Interview. Ich durfte eine liebeswerte, charmante Künstlerin kennen lernen und verstehe nun etwas besser, warum ihre Art Musik zu mache, so vielen Menschen so viel Freude bereitete und immer noch bereitet.


Herzlichen Dank Frau Lizell für das Interview.

 
 
Interview: Fred Heiduk
Bearbeitung: kf, cr
Fotos:  Fred Heiduk, Frieder Krenzlin

 

 

 


   
   
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