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Interview vom 15. Juni 2023



Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Der Sänger der einen Kultband steigt als neuer (Gast-)Sänger bei der anderen Kultband ein. Toni Krahl tritt ab Sommer 2023 gemeinsam mit SILLY auf. Nur ein halbes Jahr nach dem Abschiedskonzert seiner Band CITY kehrt er auf die Bühne zurück. Das letzte Jahr scheint also extrem spannend und ereignisrech für Herrn Krahl gewesen zu sein. Da wollten wir doch mal nachhorchen, was da so abging, wie es zur neuen Aufgabe kam und was wir erwarten dürfen. Unser Kollege Christian erwischte Toni in seinem Urlaub auf Zypern, wo er sich auf die kommenden Aufgaben vorbereitet. Hier das komplette Gespräch zum Nachlesen ...




Bevor wir zu der "Nachricht des Jahres" aus der Rockmusikszene kommen hab ich eine Frage vorab: Wie bekommt Dir denn die "City-freie" Zeit?
Ich glaube, ich habe zwei Kilo zugenommen (lacht). Wir hatten mit der Band ja Ende letzten Jahres einen Riesenabschluss. Das war ein großer Kracher und wir sind glücklich, dass wir das so gemacht und geschafft haben. Ich glaube auch, dass es ein sehr würdiger Abgang war und damit für uns - die Band - eine Epoche zu Ende ging.


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SILLY mit Julia Neigel und Toni Krahl (Foto: Dana Barthel)



Du warst selbst auch fast 50 Jahre dabei. Jedes Jahr fing bei Dir mit dem Gedanken im Kopf an, dass Du es mit CITY und dort am Mikrofon verbringen wirst. Nun kam der 1. Januar 2023 und die Gewissheit, "Dieses Jahr wird ganz anders". War das eine plötzliche Leere oder eine Erleichterung?
Es war weder das Eine noch das Andere. Keine Leere, aber auch keine Erleichterung. Ich benutze das Wort "Stolz" nicht unbedingt gerne und schon gar nicht inflationär. Aber man blickt zurück und sagt, "Es war gut so". Auch dieser Schlussstrich und der Entschluss, dass wir Wort halten und keine Reunion machen werden, und später noch eine und noch eine - wie es andere Bands und Künstler schon getan haben … CITY hat immer Wort gehalten, und so auch mit dem Abschluss. Darum ist es keine Leere, die ich spürte, und Erleichterung auch nicht.

Im Gegensatz zu Deinem alten Kollegen Fritz Puppel hast Du aber offenbar keinen Bock, die Musik komplett an den Nagel zu hängen. Du willst weitermachen und wirst das nun als Gast bei SILLY. Wie kam es denn dazu?
Tja, die Herrschaften haben mich angesprochen. Sie haben mir sozusagen Asyl angeboten. Ich habe über das Angebot schon nachdenken und darüber schlafen müssen, habe es letztlich aber sehr gern angenommen. Ich habe deshalb darüber nachdenken müssen, ob das eine Aufgabe ist, die ich auch bewerkstelligen kann. Man denkt es vielleicht nicht von mir, aber in gewisser Weise bin ich ein Perfektionist. Was ich mache will ich auch gut machen. Nach kurzem Überlegen hab ich dann gesagt, "Komm, lass es uns einfach versuchen und proben. Dann geht's los." Und das haben wir dann auch gemacht. Es ist schon eine Riesenherausforderung.

Aber es ist ja nicht Dein erster Kontakt mit SILLY, immerhin warst Du Mitte der Nuller-Jahre ja Gast bei bei der "SILLY & Gäste-Tour" … Von daher kennst Du also schon ein paar Köpfe.
Wir kennen uns schon seit Jahrzehnten. Ritchie war ja sogar mal Mitglied bei CITY, und das ist über 40 Jahre her. Er und Uwe haben 1997 auch das CITY-Album "Rauchzeichen" produziert. Wir wissen schon, dass wir miteinander können. Das Eine ist ja das auf einer Party oder backstage miteinander können. Das Andere ist das zusammen auf der Bühne arbeiten, und das hatte sich schon weit vor der "SILLY & Gäste-Tour" herausgestellt. Nach der Produktion von "Rauchzeichen" sind wir von CITY, ebenfalls 1997, mit den Jungs von SILLY auf eine Tournee gegangen. Die nannte sich "Tour d'Amour". Damals haben wir CITY-Leute nach dem Tod von Tamara Danz zu den SILLYs gesagt, "Ihr müsst mal wieder auf die Bühne". Also nicht zaudern, wir gingen auf die Bühne und spielten das Beste von CITY und SILLY. Diese Tour lief damals sehr erfolgreich und hat uns bis nach Finnland gebracht. In dem Programm habe ich neben dem CITY-Material auch schon ungefähr acht Titel von SILLY gesungen.

Seit die Nachricht in der Welt ist, dass Du nun bei SILLY am Mikro tätig sein wirst, gibt es die wildesten Spekulationen, wie Deine Rolle dort aussehen wird. Bist Du der Gast, der für fünf SILLY-Titel auf die Bühne kommt, oder wird es auch ein zum Anlass passendes Wiederhören mit CITY-Klassikern wie "Tamara" oder "Wen die Götter lieben" geben?
Es ist so, dass ich Gast-Sänger bei SILLY bin. Anders als bei der "Tour d'Amour" spielen wir das Programm von SILLY. Es wird vielleicht auch ein oder eineinhalb Songs von CITY geben, aber nicht viel mehr. Ein Best-of-Programm beider Bands oder des Ostrock überhaupt ist nicht angedacht. Das Song-Material von SILLY steht da eindeutig im Vordergrund.


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 Toni bei der Probe mit SILLY (Foto: Dana Barthel)



Und das Programm teilst Du Dir mit der großartigen Julia Neigel …
Ja, und darüber bin ich sehr sehr glücklich. Julia ist eine tolle Sängerin. Bestimmte Dinge, die mir nicht liegen oder ihr ganz besonders gut, übernimmt sie, und ein paar Sachen machen wir auch gemeinsam. Im Duett mit jemandem zu singen ist für mich auch eine ganz neue Erfahrung. Das wird spannend.

Willst Du schon verraten, welche Titel Ihr beiden gemeinsam singen werdet?
Das sind diese ganzen Kracher wie z.B. "S.O.S.", "Alles wird besser" und "Die wilde Mathilde" …

Witzig finde ich … Ich habe heute Morgen in anderer Sache mit Julia telefoniert, und sie sagte über Dich genau das Gleiche wie Du über sie. Also bei Euch scheint es da auch menschlich zu passen.
Ach ja? Hat sie das? Siehste! (lacht) Wir kannten uns bisher nicht so gut. Sie ist eine tolle Sängerin, ist sehr erfahren mit dem SILLY-Repertoire und es macht unheimlich viel Spaß mit ihr zusammen zu arbeiten. Sie ist mir bei der gemeinsamen Arbeit eine große Stütze, eben weil sie die Songs von SILLY schon so verinnerlicht hat. Ich verneige mich da ganz tief.

Bei den Rock Legenden seid Ihr Euch ja auch schon über den Weg gelaufen …
Das ist richtig, gesehen haben wir uns schon öfter. Aber die Erfahrungen, wie ich sie mit den Kollegen von SILLY habe, hatte ich mit ihr bis dahin nicht. Das ist nicht vergleichbar. Das meinte ich vorhin auch damit, dass es Unterschiede gibt, ob man sich backstage und auf After Show Partys gut versteht oder beim miteinander arbeiten. Das ist ein anderes Ding.

SILLY hat zusammen mit den Gast-Sängerinnen AnNa R. und Julia Neigel im Jahre 2021 das Album "Instandbesetzt" veröffentlicht. Darauf befinden sich neu arrangierte und neu eingesungene Klassiker der Band. Als nächste VÖ wurde ein Album mit neuen Songs angekündigt. Wirst Du nach dem Ausstieg von AnNa R. den anderen Gesangspart neben dem von Julia Neigel übernehmen?
Das kann ich Dir im Moment noch gar nicht genau sagen. Wir haben zwar darüber schon gesprochen, aber mehr noch nicht. Nur soviel: Einen weiteren Aufguss von älterem Material mit einer neuen Stimme wird es nicht geben. Daran sind weder die Musiker von SILLY noch ich interessiert. Aber wenn wir jetzt erstmal mit der Tour begonnen haben und merken, es funktioniert mit uns und auch mit dem Publikum, dann … Warum nicht?! Da sind keine Grenzen gesetzt und alle Gedankenspiele werden durch gespielt. Ich glaube, bei jedem Einzelnen auch jetzt schon ein bisschen und - wie gesagt - nach dem Motto, "Wir können uns ja auch außer zum Proben mal im Studio treffen", haben wir darüber bereits geredet. Wir werden bei Gelegenheit Gemeinsamkeiten austauschen und wer weiß … vielleicht kommt da ein gemeinsamer Song bei raus (lacht).


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Am Samstag, den 24. Juni, geht es los: Premiere der Open Air Tour mit Toni Krahl und SILLY in Suhl. Bist Du da als alter Mugger mit ein paar Jahren Live-Erfahrung auf der Uhr noch immer aufgeregt, oder siehst Du der Sache ganz entspannt entgegen?
Nein, ich bin fürchterlich aufgeregt. Das bin ich eigentlich immer und war das auch bei CITY. Ich bin ein "Lampenfieber-Typ". Und dieses Lampenfieber habe ich jetzt ganz besonders-. Und zwar richtig, denn für mich sind die Lieder letzten Endes ja alle neu. Ich kenne sie, habe sie alle schon gehört, aber für mich ist es neu, sie selbst zu singen.

Aber Du freust Dich, dass es los geht, und das ist ja die Hauptsache …
Ja, ich bin … wie sagt man … freudig erregt (lacht). Und bitte nicht falsch verstehen: Ich habe keine Angst. Lampenfieber ist da etwas Positives. Das empfinde ich jedenfalls so.

Musiker bereiten sich für Tourneen ja immer irgendwie vor. Du tust das scheinbar ja auch, denn Du relaxt gerade noch auf Zypern bevor es nächste Woche losgehen wird. Wie hast Du Dich sonst auf die kommenden Wochen und Monate vorbereitet?
Immer wieder und hauptsächlich mit den Liedern. Das mache ich übrigens jetzt gerade auch hier auf Zypern. Ich gehe schon länger alles immer wieder durch. Ich habe festgestellt, dass es doch eine völlig andere Musik ist als die, die ich mit CITY gemacht habe. SILLY hat da eine ganz andere Herangehensweise was die Musik betrifft. Das ist von den Roots her alles deutlich mehr 80er und wir waren mehr 70er (lacht). Ich weiß gar nicht, was davon nun leichter oder schwerer ist. Für mich ist die Musik von SILLY aber deutlich komplizierter und ich weiß noch, dass die SILLYs damals gesagt haben, sie fänden unsere Lieder so kompliziert, als sie sich damit befasst haben. Es ist für mich eine Umstellung und Gewöhnungssache. Darum beschäftige ich mich auch viel damit.

Neben eigenen Muggen wird es auch Auftritte mit anderen Kapellen geben, so z.B. beim ROXSA Festival, bei dem im Juli neben Euch auch Ray Wilson, Polkaholix, The Wake Woods und andere Acts auftreten werden. Löst das bei Dir möglicherweise dieses Happening-Feeling von früher wieder aus, als verschiedene Bands an einem Ort spielten und sich gegenseitig befruchteten?
Festivals machen immer Spaß. Man trifft andere Kollegen und hört die Musik der anderen Bands. Das ist ein bisschen "Raus aus der Routine". Wobei: Die habe ich ja noch gar nicht (lacht).


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Vielleicht abschließend noch eine Frage zum aktuellen Geschehen. Berlin ist in Sachen Musik ja ein Dorf. Man kennt sich, läuft sich vielleicht mal über den Weg. Wie siehst Du die aktuelle Diskussion um Till Lindemann von RAMMSTEIN?
Es fällt mir schwer, da einen vernünftigen Beitrag zu bringen, aber ich versuche es mal. Ich bin zwar mit den RAMMSTEIN-Musikern nicht befreundet, aber wir kennen uns natürlich. Ich selbst war mehrere Male auf ihren Backstage-Partys. Auch in der Garderobe und natürlich auch in der Garderobe von Till. Ich weiß nicht, wieviele Leute da rum gerannt sind. Es war ein Rein und Raus. Auch waren viele attraktive junge Frauen da, aber nicht nur. Auch alte weiße Männer, wie ick. Ich will da jetzt gar nicht aus der Schule plaudern, was man da alles konsumieren konnte. Es gab in dieser Stimmung auch immer ein Knistern in der Luft, und das ist auch richtig und gut so. Ich kann über nichts berichten, was dort negativ war. Im Gegenteil. Das, was ich darüber in der Presse lese, ist mir zuviel Hörensagen. Ich habe zum Thema noch nichts Substantielles gelesen, außer Aussagen wie, "Ich habe mich nicht wohlgefühlt" und "angefasst hat er mich aber nicht". Es ist in Berlin nun wohl ein Ermittlungsverfahren eröffnet worden und ich hoffe, es nutzt der Band da ein bisschen Licht ins Gewirr zu bringen um zu sehen, was da wirklich dran ist. Wenn der einzige Vorwurf aber ist, dass Till ein Mann mit viel Sexappeal ist, dann weiß ich auch nicht. Ich empfehle, erstmal wieder Ruhe einkehren zu lassen und die Ermittlungen abzuwarten.

Toni, ich wünsche Dir viel Spaß mit den SILLYs und auf Tour. Ich hoffe für uns alle, dass das danach auch weitergehen wird. Klingt auf dem Papier schon gut und Du bist ja auch noch kernig unterwegs.
Genauso sehe ich das auch. Ich bin ja erstmal auf Probe. Aber bei CITY war ich ja auch über 40 Jahre auf Probe (lacht).



Interview: Christian Reder
Fotos: Thorsten Murr, Christian Reder, Dana Barthel








   
   
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