Benefiz-Konzert am 10. Oktober 2009 im
Kulturpalast zu Dresden
(Teil 1)

(mit Berluc, Stern-Combo Meißen, Lift, Bell Book & Candle, Heinz Rudolf Kunze u.v.a.)

 

Bericht: Hartmut Helms
Fotos: Hartmut Helms

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Der "Kulti" rockt in Dresden und so soll es bleiben!
Da beschleichen einem "altgedienten" Rockfan und Musikliebhaber der ersten Stunde schon sehr eigenartige Gefühle, in der ersten Reihe des 40jährigen Dresdner Kulturpalastes sitzend. Die in wenigen Minuten da oben auf der Bühne stehen werden, hätten, wenn auch in anderer Zusammensetzung und bis auf drei Ausnahmen, schon bei dessen Einweihung 1969 mit eigenen Liedern aufspielen, und ich hätte mit meinen damals 19 Lenzen durchaus dabei sein können, wenn ich nicht gerade bei der Fahne gewesen wäre. Doch an so eine Veranstaltung im Jahre 2009 unter solche "Umständen" und in dieser Konstellation hätte damals wohl noch keiner gedacht. Wie und warum auch!
Ich werde also von dieser ersten Reihe aus in Gesichter sehen können, die ich schon vier Jahrzehnte seit meiner Pennezeit kenne, mit denen ich ungezogen, wild, verliebt und manchmal auch unangepasst war. Zwei Drittel meines eigenen Lebens werden vor meinem Auge vorüber ziehen und die Lieder werde ich, Ausnahmen siehe oben, alle mitsingen können, denn sie sind quasi der Soundtrack manches DDR-Lebenslaufes, meines eigenen sowieso. Es sind diese nachdenklichen Momente kurz vor 21.00 Uhr, die mein Herz bis zum Halse schlagen lassen und ich spüre, bald wird "mein Herz ein Wasser sein". Deshalb bin ich hier und die nächste Generation in Gestalt meines Sohnes sitzt neben mir. Beinahe ein kleines Deja Vu...
STERN COMBO MEISSEN - Mensch Jungs, wo sind all die Jahre geblieben und wie emotional und frisch klingt ihr endlich wieder! Die neue Stimme der Band, Larry B., ertönt inzwischen auch schon über ein Jahr und breitet sich kraftvoll über dem Sound der Keyboards und der Rhythmus-Sektion aus. "Also was soll aus uns werden" erklingt wie eine synonyme Warnung im Dresdner Kulturpalast, in dessen 40. Jahr über einen "Umbau" diskutiert wird. Laßt die Finger von dem Gebäude, deswegen sitzen wir hier im großen Saal! Es gibt genug andere Aufgaben, die wichtiger sind und mit dem neuen Song über "Raimund S.", der Amok läuft, sprechen die Musiker ein brennendes und aktuelles Thema dafür an. "Reini" Fißler ist auch im Saal und ist sicher glücklich damit, die Kollegen so erleben zu können.
In diesen Chor der Meinungen stimmt auch LIFT mit einer Auswahl ihrer schönsten Klassiker ein: "Wasser und Wein", "Nach Süden", "Am Abend mancher Tage". Vielleicht hätten sie an diesem Abend noch einmal Teile der "Che Guevara-Suite" mit Heubach als Gast aufführen sollen, um unserem Trotz und der Wut im Stile von "Che" Nachdruck zu verleihen!
So ein Abend für den Palast in Dresden geht nicht ohne ELECTRA. Diese Band, die rockmusikalisch die Kunststadt an der Elbe verkörpert, läßt mit "Mampe" Ludewig den "Grünen Esel" verschmitzt über die Bretter toben und macht den großen Saal zur Kathedrale als der "Dom" erklingt. Da fahren meine Gefühle Achterbahn, während hinter mir die Dresdner und ihre Gäste wie aus dem Häuschen sind und toben.
Wenn diese drei ehemaligen DDR-Combos gleichzeitig auf der Bühne stehen, agieren sie auch als SACHSENDREIER, erweisen ihrer Stadt, dem Palast und dem 1. August auf dem Pferd an der Elbe ihre Referenz. Gemeinsam gehen sie mit uns auf die "Tagesreise" und wir erleben den "Kampf um den Südpol". Bis kurz vor Mitternacht dauert mein kleines Deja Vu aus 40 Jahren Lebenslauf. Was wären all diese Jahre ohne genau diese, meine Musik der drei Sachsenbands gewesen?!
Umbaupause und danach stehen Barhocker auf der Bühne und eine Generation jünger sitzt mit BELL, BOOK & CANDLE darauf. Auf deren Überhits "Read My Sign" und vor allem "Rescue Me" warten viele im Saal. Der eigentliche Knaller für mich ist allerdings das Puhdys-Cover von "An den Ufern der Nacht" und dann passen die vier Musiker plötzlich auch ins Konzept und zur Idee des Abends.
Was eigentlich will HEINZ-RUDOLF KUNZE in so einer Ostrockerriege, hab' ich mich und viele andere sicher auch, vor diesem Konzert gefragt. Der liefert mit einem fantastischen Gitarristen sowie einem Zauberer an Violine und Mandoline einen Akustik-Part ab, der mir Hochachtung abringt. Vor allem dieser geile "Blues" mit den integrierten Soli ist die reine Finesse. Das Trio da oben zelebriert blanke Musikalität und als der Kunze dann noch die Dresdner und deren Gäste auffordert, um ihren "Kulti" zu kämpfen, hat der Wessi auch meine Sympathie.
Eine Umbaupause weiter steht KARUSSELL auf der Bühne des Kulturpalastes. Wieder erklingen die Klassiker einer Sachsen-Combo und der frische Sound vergangener und unangepaßter Zeiten: "Mc Donald", "Autostop" und "Fischlein unterm Eis" verzaubern quer durch die Generationen und eine Stimme wie der Klang der Glocke von der nahen Frauenkirche intoniert "Als ich fortging". In meinem Bauch macht sich derweil ein zweites Mal so ein musikalisches Deja Vu breit und ein drittes steht noch aus.
Es ist schon weit nach Mitternacht, als die Küstenrocker BERLUC die Bühne im Sturm entern. Die "Seepiraten" stehen für Geradeaus-Rock und lassen den Palast mit ihren Hymnen "Glaube an dich", "No Bomb" und "Hallo Erde, hier ist Alpha" erbeben. Rockerposen, solides Handwerk und ehrliche Botschaften in den Songs machen den Reiz der Musik bis heute aus und mit "Die Erde lebt" singen sie eine der schönsten deutsch-sprachigen Hardrock-Balladen.
Was wäre ein Sachsen-Rock-Spektaculum ohne RENFT, auch wenn mit Monster nur noch ein originales Urgestein trotzig und kraftvoll auf der Bühne agiert. Die Band ist noch immer die Rockmusik gewordene ehrliche Unbequemlichkeit und brüllt des Volkes leises Ahnen laut in die deutsche Welt hinaus. "Nach der Schlacht" und "Zwischen Liebe und Zorn" sind so aktuell, wie in den 70ern und bei "Wandersmann" und mit dem "Liebeslied" kommt dann auch prompt mein drittes Deja Vu der Nacht, das mir mit dem "Apfeltraum" und dem Gruß vom Basskran an CÄSAR dann auch noch die Kehle zuschnürt - Klasse, meine Herren!! So lassen sich die nächsten zehn Jahre locker aushalten.
Die ersten im Saal zeigen Ermüdungserscheinungen, doch JÜRGEN KERTH singt ihnen zu "Komm herein!". Die Stunde zwischen 02.00 und 03.00 Uhr gehört dem Blues aus Thüringen und dem Mann mit "Der Einen", die er noch immer liebt. Diese eine Gitarre, ein Blues gewordenes Stück Holz, ist selbst ein historisches Stück Kulturgeschichte wie der Palast, in dem sie wimmert, schreit und den "Blues vom Blues" und "Oma hilf (mir)!" singt. Dieser KERTH ist unverwechselbar und so lange seine Gitarre noch hält, wird sie Thüringisch klingen, wie ihr Meister im rot gestreiften Jackett und den dünnen grauen Haaren.
Mit MERQURY und einer "Hommage an Queen" hätte diese Nacht ihr furioses Ende finden sollen. Davon haben viele auf dem Heimweg so kurz nach Drei'e schon nichts mehr mitbekommen, weder "We Will Rock You" noch "We Are The Champions". Das ist schade, denn die Jungs geben sich als solide Handwerker zu erkennen, wenngleich sie mich nach langen Blues-Soli und einer geballten Ladung besten Ossi-Rocks nicht mehr wirklich erreichen. Das Erlebnis einer großen Rocknacht im Kulturpalast zu Dresden haben sie dennoch würdig beendet und die letzten "Hundertschaften Unentwegter" in die verregnete Nacht oder auf die Fahrt nach Hause entlassen.
Der Kulturpalast Dresden lebt, und wie!! Er lacht, er rockt und er swingt - 40 Jahre kulturelle und künstlerische Vielfalt. Als gelernter Maurer weiß ich, wie hart Mauern und Beton sein können und deshalb sollte dieser prägende Bau in Elbflorenz die nächsten 40 Jahre locker durchhalten, auch wenn der eine oder andere stumpfe Betonkopf andere Ambitionen hegen sollte. Er wäre nicht der erste, den das Dresdner Volk und wir alle gemeinsam zum Aufgeben zwingen. Wir müssen es nur wollen!
Zum 50. Jubiläum des Hauses werde ich wieder da sein und dann will ich all die "alten Säcke" dort oben wieder auf der Rampe spielen sehen und noch einmal, dann selbst auch "alter Sack", dieses jugendliche Deja Vu im Bauch spüren! Wehe, ihr vermasselt mir die Chance, wir "Alten" haben nichts mehr zu verlieren, erst recht nicht unsere Identität, denn das Echo hallt noch in Dresdens Straßen: WIR SIND DAS VOLK!

 


 

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