OSTENDE live am 27. November 2009 in Leipzig

 

Bericht: Kerstin Kühn, Fred Heiduk
Fotos: Kerstin Kühn, Matthias & Sebastian Ziegert

 


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Bericht Kerstin Kühn:
Endlich! Wir haben sehr lange darauf gewartet! Vor sieben Jahren, als die Konzerttour das erste Mal über die Bühne ging, waren wir in diesem Bereich der Ostmusik noch nicht so aktiv. Wir haben die Konzerte einfach verpasst. Leider erst zwei Jahre später entdeckten wir IC Falkenberg und etwas später auch Dirk Zöllner für uns. Gehört hatten wir ja schon davon, aber... wie das manchmal so ist. Auf der Suche nach CDs fiel mir natürlich auch ostende in die Hände. Das war ein mich sehr beeindruckendes Hörerlebnis. Die besten Titel meiner Jugend, viele meiner Lieblingslieder - irgendwie passt hier wirklich nur der Liefersche Begriff "Soundtrack" - auf so ganz andere Weise interpretiert zu hören, begeisterte mich. Ich bedauerte es sehr, dass es da schon keine Konzerte mehr gab. Einmal die Chance zu haben, sie doch noch auf der Bühne erleben zu können, wäre schon etwas Besonderes. Ich träumte immer wieder davon. Offensichtlich war ich nicht die Einzige. Im Sommer hörte ich von der Idee, ostende noch einmal anzugehen. Ich war begeistert und freute mich nun schon seit einigen Monaten auf dieses Konzert. Deshalb sollte es jetzt auch etwas Besonderes sein. Wenn schon, dann mindestens das Premierenkonzert. In acht Wochen drei Mal Leipzig und drei Mal IC, in verschiedenen Projekten freilich, aber das ist auch für uns was ganz Besonderes.
So motiviert begaben wir uns also wieder einmal auf den Weg nach Leipzig. Navi sei Dank ist auch die Innenstadt kein Problem und wir finden sogar einen Parkplatz direkt vor der Tür der Moritzbastei. Und siehe da, die Herren Falkenberg und Zöllner parken da ja auch. Endlich, wir sind wie immer viel zu früh da, beginnt der Einlass. Stehkonzert. Erste Reihe. Was sonst?! Eine Weile dauert es noch ehe es los geht. Aber ich bin voller Vorfreude und natürlich gut vorbereitet. Die CD vorher noch einmal gehört, die Trackliste dabei. Dirk hatte auch neue Titel angekündigt. Darauf war ich natürlich sehr gespannt.
Und dann starten sie mit der "Sonne", dem Stern Meißen-Titel schlechthin. Ja, auch hier ist der Titel wieder einmal Sinnbild. Und bereits hier schließt sich für mich der Kreis, denn mit einem SCM-Konzert fing das alles an. Dann trägt nicht nur Lifts "Wind alle Worte fort". Citys "Glastraum" wird zelebriert. Zöllners "Viel zu weit", von beiden gemeinsam gesungen, geht unter die Haut. Nachdem einer den anderen beobachtet (Tino Eisbrenners "Ich beobachte dich") und es Hansi Biebls "Momente" gibt, soll das Liftsche "Herz ein Wasser" sein und die "Gefühle" von Rockhaus breiten sich aus. Schließlich bitten die beiden im Gedenken an Tamara um "Asyl im Paradies", lassen Karats "König der Welt" und den "blauen Planeten" neu aufleben und erkennen den "Reichtum der Welt". (Besser als ich ihn im vergangenen Jahr im Original von Holger Biege im Konzert gehört habe!) Und natürlich können Dirk Michaelis und Karussell mit "Als ich fortging" und Lifts "Nach Süden" in diesem Reigen der Lieder unserer Jugend nicht fehlen. Am Ende ist auch die dienstälteste DDR-Rockband Renft mit "Als ich wie ein Vogel war" vertreten. Womit auch sonst? Es ist ein bunter Reigen der schönsten Lieder, aber auch Texte meiner Jugend. Ich spüre, wie ich wirklich immer melancholischer werde.
Und dann die letzte Zugabe. Sie wurde dann noch zu einer richtigen Überraschung. Was ist denn das für ein Lied? Der Text... irgendwie... sehr melancholisch... mir völlig unbekannt. "Hauch mir wieder Leben ein", bezeichnend am Schluss des Konzertes. Damit werden wir Zuhörer in die Nacht entlassen. Das Lied lässt mich die Nacht über nicht los (Googelnderweise lässt sich am nächsten Morgen auch diese offene Frage auflösen: Ines Paulke! Sieh an! Man lernt doch immer noch was Neues dazu. Und schon begebe ich mich wieder auf die Suche...)
Es war ein Genuss, die alten Hits in völlig neuem Gewand und dieser ganz eigenen Interpretation zu erleben. Gemeinsam mit Frederik Sauer am Keyboard, Helge Marx am Bass und dem Drummer Michael Grabinger liefen die beiden - IC und Dirk - wieder einmal gemeinsam zur Höchstform auf. Auch wenn mal 'ne Textstelle wegrutschte oder ein Ton nicht genau so saß, wie sie es wohl gern gehabt hätten... Live ist eben live!
Für uns war es ein riesiger Spaß und ein tolles Konzert. Danke an alle Beteiligten. Leider konnte ich meinen eigentlichen Plan, am nächsten Abend auch in Magdeburg dabei zu sein, nicht realisieren. Schade! Und doch wird dieses Konzerterlebnis im Gedächtnis bleiben, auch dank der Zeit, die sich beide nach dem Konzert noch für uns Zuhörer genommen haben. Nun stehen in diesem Jahr nur noch zwei Konzerte auf dem Programm. Eine zweite Variante des Soundtracks meiner Jugend: Jan Josef Liefers in Erfurt. Auch darauf bin ich sehr gespannt. Und dann noch das wohl traurigste Konzert dieses Jahres. Ein letztes Mal Stern akustisch, und es wird nichts daran zu ändern sein.

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Bericht Fred Heiduk:
Langsam neigt sich ein ereignisreiches Ostrockjahr 2009 dem Ende zu. Was gab es da nicht alles für bemerkenswerte Auftritte, Festivals, CD Produktionen etc. Bei einigen davon durfte ich live dabei sein und berichten. Das Konzert 2 Tage vor dem 1. Advent in der Leipziger Moritzbastei gehört ganz gewiss zu diesen großen Erlebnissen. Schon weil die Künstler, die an diesem Tag auf der Bühne standen, ein gewisser Nimbus umgibt. Zwei Große aus der jüngeren Garde des Ostrock, beide durchaus als exzellente Solisten gleichermaßen wie als markante Frontmänner renommierter Bands bekannt. Zwei die musikalisch nicht im gestern stecken geblieben, vielmehr im hier und heute angekommen sind, haben nach einer Pause von sieben (!!!) Jahren zu einer erneuten Tour zusammengefunden und an besagtem Freitagabend in Leipzig gastierte. Die Band des Abends war keine geringere als Ostende, das (fast schon) legendäre gemeinsame Coverprojekt von Dirk Zöllner und IC Falkenberg.
Was lag also näher, als sich nach der umjubelten Tour 2002, die ich nicht erlebte, und der dazu gehörigen, vielgerühmten CD die damals entstand (die ich auch nicht kannte), einen eigenen Eindruck zu verschaffen? Zugegeben, ein wenig Skepsis hatte ich schon. Zum einen sind die Vorschusslorbeeren, mit denen beide Musiker gemeinhin bedacht werden, riesengroß. Zum anderen geht es um Coverversionen bekannter, großer Ostrockhits. Da drängt sich die Frage auf: "Darf man diese Titel interpretieren, besonders auch angesichts der Tatsache, dass man einige der Titel, von den Originalinterpreten gesungen, noch immer live hören kann?" Einige covern extrem nah am Original, andere verändern Titel dass es den Fan fast schmerzt. Wo würden sich da der begnadete Soulbarde Dirk Zöllner und der für mich schwer einzuordnende, zwischen grandiosem, zeitlosen Rock und Pop einerseits und schwerverdaulichem 80ger Jahre New Wave Stil andererseits pendelnde IC Falkenberg einordnen? Fakt ist: Das Geschäft mit dem "Covern" boomt gerade. Wollen sie womöglich auf der Welle ein wenig mit schwimmen? Doch wie es mit Klischees so ist, keines hat sich bewahrheitet, jedes wurde ad absurdum geführt.
Zöllner und IC machen aus den Songs gewissermaßen ihre eigenen Titel. Das, was sie da interpretieren, ist kein Cover im herkömmlichen Sinne! Es ist vielmehr eine Hommage von Kollegen an die Titel und ihre Interpreten, die mit dieser Musik, mit diesen Titeln groß geworden sind, bevor sie selbst erfolgreiche Musiker wurden. In gewisser Weise der (Ostrock)Soundtrack ihrer Jugend. Bei einigen Titeln erzählen beide Musiker dann auch, was diese Lieder oder die Originalbands für sie bedeutet haben, und warum sie für das Ostende Programm ausgewählt wurden. Da sich dieser "Soundtrack" auch nach Jahren nicht so stark verändert hat liegt es nahe, dass viele der 2002 gespielten Titel auch 2009 im Programm sind. Eine Reihe der bekannten und zum Teil auf der CD befindlichen Titel tragen dann auch das aktuelle Programm. Dennoch ist es nicht identisch mit dem der 2002er Tour. Das liegt zum einen an drei neu ins Programm aufgenommenen Titeln, vor allem aber auch an den Arrangements von Frederik Sauer, dem Keyboarder der Begleitband und den Interpretationen der beiden Sänger. Sauer, selbst ein gestandener Musiker aus Westdeutschland, hat mit seiner Sichtweise und den Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit Musikern von Nina Hagen bis Peter Fox gewissermaßen den Spagat geschafft, die Originale neu zu gewanden und ins heute zu transformieren, ohne ihren Charakter zu zerstören. Daran tragen allerdings IC und Zöllner einen nicht weniger geringen Anteil, schlagen sie doch mit ihren meist mehrstimmigen Gesangsparts nicht nur einmal eine gelungene Brücke zwischen alt und neu. So ist denn das gesamte Programm mit seinen 18 Titeln ein kurzweiliges Aha-Erlebnis, bei dem sicher für jeden der etwa 250 Besucher etwas dabei gewesen sein sollte.
Los ging es ziemlich pünktlich gegen 21:00 Uhr mit einem durchdachten Intro in Form einer Verknüpfung elektronischer Klänge mit Soundfetzen der Songs, die Bestandteil des Ostende Programms sind. Diese Klänge wurden elegant von der Band aufgenommen die sie, noch immer ohne Sänger, zum Intro des Silly Titels "Unter'm Asphalt" entwickelten. Dabei spielen sie ziemlich nahe am Original. Die Line des Titels aus den gehaltenen Tönen wird dabei zur Einmarschmelodie für IC und Zöllner, die dann auch sofort loslegen. Wie um eine Art Visitenkarte des Partners abzugeben, singt Zöllner die Liedstimme der ersten Strophe zu "Wir sind die Sonne". IC nimmt das auf und stellt sich damit gewissermaßen selbst noch einmal vor. Drei Titel später wird das mit umgekehrten Rollen mit Zöllners "Viel zu weit" wiederholt. Beide gehören an diesem Abend wie die zwei Seiten einer Medaille, wie Jing und Jang, eben untrennbar, zusammen. Dass sie dabei ihre Individualität wahren werden, steht jedoch auch schnell fest. Ob bewusst oder nicht gewählt unterstreicht das auch ihr Bühnenoutfit. Der eine in schwarz, der andere in Weiß. Von Beginn an ist zu erleben, dass der Satzgesang beider, vor allem der stete Wechsel zwischen Leadgesang und 2. Stimme, auch innerhalb der Titel, harmoniert. Stimmlich wie melodisch einfach gut... Das hat alles Klasse. Da hat jemand ganze Arbeit geleistet. Diese Harmonie wird in den folgenden Titeln noch deutlicher. Sie interpretiert den Lift-Titel "Wind trägt alle Worte fort" im Grunde recht nahe am Original und vermögen es doch, mit wenigen von ihnen veränderten Passagen im Gesang, dem Zuhörer ihr ganz eigenes Verständnis des Titels zu zeigen. Die Eindringlichkeit der Interpretation wird durch die jeweilige zweite Stimme speziell im Refrain und durch das Arrangement der Band, die sich auf die wesentlichen Melodieteile und den Rhythmus beschränkt, unterstrichen. Der eine oder andere könnte bei der Interpretation Gänsehaut bekommen haben.
Beim folgenden "Glastraum" von City wird ein stilistisches Mittel, dem sich die beiden Musiker immer wieder bedienen, ganz deutlich. Einer der beiden singt speziell den Refrain des Liedes als zweite Stimme nahe am Original, der andere invertiert Teile der Melodie wo es hinpasst. So fällt dann eine Melodie an Stellen wo sie im Original steigt und umgekehrt. Aber das geschieht nie schematisch. Man hat, wann immer dies eingesetzt wird, den Eindruck: "Ja, das passt gut!". Das unterstreicht einzelne Textpassagen, stellt sie in einen neuen Zusammenhang, stellt sie den Zuhörern aus einem anderen Blickwinkel vor. Es folgte der Titel, der zumindest bei mir vom ersten Ton an ein etwas zwiespältiges Gefühl erweckte. Zöllner kündigte die Interpretation von Jessicas "Ich beobachte Dich" an. Während bei eigentlich allen anderen Titeln deren Originalthema schnell erkennbar war, war das dabei eher nicht der Fall. Vielmehr wurde aus dem Ostdeutschen New Wave-Klassiker eine Mischung aus Funk, Soul und Reggae, die sich nur in wenigen Passagen des alten Sounds bedient. Ob hier Fred Sauer seine musikalischen Intentionen umgesetzt hat? Jedenfalls ist der Titel so modern gewandet, wie kein zweiter Titel des Abends. In Zöllners Interpretation klingt das gut, ist aber ein wenig gewöhnungsbedürftig, vergleicht man das mit den anderen Titeln, die sich weit mehr an den Originalen orientieren.
0000 20131017 1292589444An dieser Stelle hatte ich den Eindruck, dass es im Programm vernünftigerweise Titel geben würde, die mal besser zu IC, mal besser zu Zöllner passen. Doch ganz war dem nicht so. Zum einen ergänzten sich beide - wie schon erwähnt - ausgezeichnet und arbeiteten miteinander, nicht gegeneinander. Das gesamte Ostende-Konzept geht nur als Einheit aus zwei Sängern und Band. Zum anderen hatte ich den Eindruck, dass Zöllner besonders bei hohen und bei sehr laut zu singenden Stellen an diesem Abend ein paar Probleme mit seiner Stimme hatte, so dass IC, der ohnehin hörbar gut aufgelegt war, und wie auch Zöllner von Titel zu Titel mehr Spaß an der Sache zu haben schien, gefühlt etwas besser zur Geltung kam. Doch letzteres mag trügen und sich in den kommenden Konzerten völlig anders darstellen, da sich beide Musiker wohl nicht in ein starres Konzept zwängen, und von daher sicher zu jedem Ostende-Konzert für Überraschungen gut sein dürften. Überraschungen haben beide auch an diesem Abend bereit gehabt. So die Interpretation IC's des Biebl-Klassikers "Es gibt Momente". Allein dafür hätte sich eine CD Produktion gelohnt, so toll interpretiert er diesen Bluessong neu. Die Zöllner-Parts stehen dem in nichts nach. Seine fantastisch, weiche Soulstimme kommt bei diesem Titel unglaublich gut zur Geltung. Anfangs nahe am Original wird daraus ein ganz neuer, nicht in Kategorien einzuordnender Song. Wenn beide im Duett dann zu der Stelle "Hey alle Tore steh'n offen..." kommen, dann erreicht das Konzert einen ersten musikalischen Höhepunkt. Hier ist es den beiden Sängern eindrucksvoll gelungen, diesen Klassiker neu zu interpretieren. Dieser Titel wäre ganz zweifelsohne auch einer für beider Soloprogramme, so sie denn eine Erweiterung suchten. Die Band wird in einzelnen Titeln besonders in Szene gesetzt. So passten die etwas psychodelisch klingenden Keyboards schon brillant ans Ende des Titels "Glastraum". Der Bass bekommt im Titel "Gefühle" einen besonderen Part. Er wird enorm druckvoll in der Art von Queens "Another one bites the dust" gespielt und gibt im Zusammenspiel mit einem jazzigen Keyboard dem Rockhaustitel eine unerwartete Richtung. Sehr interessant ist auch der Keyboardpart bei "König der Welt". Das Intro zur Ostende Interpretation des Trepte-Klassikers "Mein Herz soll ein Wasser sein" ist ein weiteres Highlight für die Band. Das Keyboard wird zu einem kleinen Bläsersatz und macht aus dem Artrocktitel einen Mix aus R'n B und Reggae. Der Titel groovt vom ersten Takt an. Unglaublich, dass den Musikern nach dem phänomenalen Biege-Titel eine weitere Steigerung gelingt, obwohl die verkürzten Takte speziell in IC's Part ebenso ungewohnt klingen, wie die an Jean Michel Jarre's "Equinoxe" erinnernden Keyboardläufe. Insgesamt präsentieren die Musiker dennoch einen sehr stimmigen Titel. Überhaupt bleibt das Niveau im gesamten Verlauf des Abends unglaublich hoch.
Einzig "Asyl im Paradies" fiel hier etwas ab. Dieses Werk 00000 20131017 1746921384an sich zu covern scheint mir gewagt. An diesem Abend empfand ich dabei zudem Zöllners Gesangspart nicht überzeugend. Ob es an der Tontechnik oder der Raumakustik lag, dass er die 2. Stimme IC's fast übersang? Vielleicht geschah das auch einfach aus einer Emotion heraus, denn die Stimmung im Publikum stieg von Titel zu Titel und trieb so auch die Musiker zu immer höheren Leistungen an. Eine ganz besonders gelungene Interpretation stellt dann auch "Der Blaue Planet" dar. Hier stimmte der Satzgesang auf den i-Punkt. Dazu kam ein super-gut gelungenes Arrangement. Der alte Ostrocktitel ist gravierend verändert worden. Mir kamen Acid und House in Erinnerung, doch bekam ihm das sehr gut. Er wirkte frisch, so dass das Publikum geradezu euphorisiert mitging, zumal Sauer dem Cover wie dem Original einen opulenten Keyboardpart geschrieben hat. Ein zweiter Gedanke kam mir nach Zöllners Anmoderation in den Sinn. Er bemerkte, dass es sehr schade sei, dass Karat seit langem nichts Neues vorgelegt habe. Beim Zuhören hätte ich den Karatmusikern zurufen mögen, "Hört zu!" Wenn schon nichts ganz Neues, dann vielleicht eine beherzte Bearbeitung der alten Titel in der Art wie es Ostende vorgemacht hat. Das könnte man auch Karussell oder Renft zurufen, an deren Titel sich Zöllner und Falkenberg ebenfalls wagten. Die Art wie Ostende aus dem überspielten Titel "Als ich fortging" einen flottes, gut hörbares Cover zauberte, das selbst mich überzeugte, war schon beeindruckend. Dieses Cover ist um Längen besser geraten als die vielen fast 1:1 Kopien, Cover und Bearbeitungen des Originals von Rosenstolz bis Karussell. Getragen wird der Titel bei Ostende von einer fantastischen Gesangsleistung IC's. Er singt das Lied so, wie ich es mir vorstelle, dass es wohl so von Steineckert im Text angelegt war. Ohne den Pathos des Wendehits oder irgendwelche überflüssigen Schnörkel. Ob das improvisiert oder bewusst so angelegt war - gesanglich war das der Höhepunkt des Abends, auch weil Zöllner noch einmal zu großer Form auflief und beide so einen Satzgesang zauberten, der sicher einigen Gänsehaut bereitet haben dürfte. Zu Recht! Eine bessere Interpretation dieses Titels hab ich noch nirgendwo gehört.
Mit den beiden großartigen Titeln "Der blaue Planet" und "Als ich fortging" bewegte sich das Ostendekonzert schon auf der Zielgeraden. Erfreulich, dass beim folgenden Titel "Nach Süden" IC und Zöllner ihr Team nicht zu erwähnen vergaßen, das das Ostendeprojekt ebenso ausmacht wie die beiden Frontmänner. Ob Technik, Merchandising oder Crew, für jeden hatten die Beiden anerkennende, freundliche Worte und Szenenapplaus, begleitet von einer musikalischen Phrase der Band, übrig. Auch die Band selbst kam nicht zu kurz. Helge Marx und Carl-Michael Grabinger, die an Bass und Schlagzeug souverän agierten, bekamen noch einmal eine Gelegenheit sich separat in Szene zu setzen. Das brauchte Frederic Sauer an den Keyboards nicht. Dafür wiesen Zöllner und IC darauf hin, welch wesentliche Rolle er seit 2002 für das Projekt spielte und spielt, schrieb er doch alle Arrangements. Mir schoss es dabei durch den Kopf: "Ein Wessi der den Ostrock verstanden hat". Das Konzert endet ähnlich wie es begann. Zum Eingangsmotiv von Sillys "Unter'm Asphalt" verließen die Musiker nach und nach die Bühne. Klar, dass das Publikum sich mit diesem Abgang nicht zufrieden gab. Geradezu stürmisch forderten sie eine Zugabe. Und sie bekamen sie.
Der Zugabteil beginnt sehr originell. Zunächst legt das Schlagzeug einen Rhythmus vor, den das Keyboard aufnimmt und aus dem schließlich der Titel "Reichtum der Welt" entwickelt wird. Die Interpretation Zöllners, obwohl ruhig und getragen wie das Original, unterscheidet sich dennoch deutlich von der Vorlage, ist aber nicht minder gut gelungen.
Wenn es Zöllner-Titel im Programm gab, dann war dieser einer davon. Der zweite Titel im Zugabeteil ist der Renftsong "Als ich wie ein Vogel war". Neben einigen einführenden Worten, die zugleich eine Hommage an diese einmalige Band waren, legten beide noch einmal ordentlich los. Wenn man mit so großen Vorgaben umgehen will, dann muss man das wohl so machen, wie die beiden mit "Als ich wie ein Vogel war". IC und Zöllner singen das was sie empfinden, und das in ihrer Art und Weise. Mit dieser Authentizität machen sie jeden der Coversongs zu Ihren Liedern. Und sie begeistern derart, dass sie noch eine 3. Zugabe geben mussten. Mit "Hauch mir wieder Leben ein" von Ines Paulke stellen sie sich noch einmal der Herausforderung, einen Titel zu interpretieren, der im Original von einer Frau gesungen wurde. Und auch diese Hürde meisterten sie.
Unter'm Strich bleibt zu konstatieren, dass sich Ostende von den mir bekannten Coverbands deutlich unterscheidet. Wie Dirk Zöllner und IC Falkenberg die großen Hits des Ostrock gemeinsam mit Frederic Sauer bearbeitet haben, fordert Respekt und Anerkennung! Das zeugt gleichermaßen von Achtung vor den Vorlagen, wie von musikalischer Klasse und Können der Musiker. Dass sich beide im Nachgang unter's Publikum mischten, jede Frage beantworteten, jedem Fotowunsch nachkamen und viele Autogramme gaben, rundete den Abend für viele, vor allem der weiblichen Fans, geradezu ab. Mir bleibt die Empfehlung abzugeben: Wer die Möglichkeit hat, Ostende live zu erleben, sollte sich diese Chance nicht entgehen lassen. Ein kurzweiliges Musikvergnügen, angerichtet von zwei grandiosen Musikern, ist ihm gewiss. Denen, die diese Möglichkeit nicht haben, bleibt die vorliegende CD zu empfehlen, auch wenn das vermutlich nur ein kleiner Ersatz für das Live-Erlebnis ist. Bei der Klasse dieses Projektes wünsche ich mir natürlich, dass IC und Zöllner es zumindest fortführen und bis zur nächsten Tour nicht wieder 7 Jahre warten, sondern es vielleicht sogar mit weiteren Künstlern ausbauen.

 


 

Foto Impressionen:


Fotos von Kerstin Kühn

Fotos von S. & M. Ziegert

 


   
   
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