"Die Rückkehr der Gummiadler" live bei
der Geburtstagsfeier von Angelika Mann

(Weitere Fotos auch am Ende des Berichts)

 

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Da schiebe ich nun seit Wochen diesen Bericht vor mir her und weiss immer noch nicht so recht, wie ich's anfangen soll. Dabei hab ich seitenweise Notizen, Eindrücke ohne Ende und sollte also mühelos ein paar Zeilen zu Stande bringen. Aber dem ist ganz und gar nicht so. Es fällt sehr schwer, das Erlebte in treffende Worte zu fassen. Dabei war der Abend im wahrsten Sinne des Wortes aus mehrerlei Gründen ein wirklich unvergesslicher Abend. Im aller positivsten Sinne des Wortes. Wenn man ihn treffend beschreiben will, bräuchte man im Grunde wohl nur einen Satz, sogar nur ein Wort zu bemühen: Unbeschreiblich! Unbeschreiblich hilft aber dem, der nicht dabei war, sehr wenig. Also werde ich mich mühen, das Unbeschreiblich, doch zu beschreiben, in Worte zu fassen.
Worum geht es eigentlich? Was war so einzigartig, dass es mir so schwer fällt, es in Worte zu fassen? Es geht um einen ganz besonderen Abend im Juni 2009 Es geht um den Abend des 13. Juni. Es geht um den 13. Juni in Berlin. Nicht irgendwo in Berlin, sondern im wahrsten Sinne des Wortes im Herzen von Berlin. Genau gesagt: es war ins Opernpalais geladen worden. Nicht irgendwer aus irgendeinem Anlass hatte geladen. Nein - ein runder Geburtstag einer großen, kleinen Berlinerin war Grund der Einladung. Unter dem Motto "Die Lütte wird 100!" feierte Angelika Mann Geburtstag. Doppelgeburtstag. Lütte wurde 60 und steht seit 40 Jahren auf der Bühne. Damit ist sie zwar ein Urgestein der Ostmusik, doch hat sie keinen Deut der Kraft und Energie verloren, mit der sie seither stets ihr Publikum, gleich ob als unverwechselbare Sängerin oder als gestandene Schauspielerin, zu begeistern, ja zu fesseln vermochte. Seit 40 Jahren strahlt sie eine Natürlichkeit gepaart mit unglaublicher Intensität ihrer Darbietungen aus, die sie zu einer einzigartigen Künstlerin machen. Das dieses außergewöhnliche Energiebündel und mittlerweile irgendwie auch Berliner Original, eine Berliner Pflanze war und ist die Lütte ja unzweifelhaft, ihren Geburtstag nicht ruhig und beschaulich als angehende Rentnerin begeht (vor 40 Jahren hätte Frau Mann ab 14. Juni 2009 Rente beziehen können und würde mittlerweile, so es denn eine für Künstler gibt, diese abzugsfrei bekommen) musste jedem klar sein, der sie nur ein wenig kennt. Vielmehr hat sie sich selbst, ihren Gästen und Fans eben etwas besonderes gegönnt. Das Besondere heißt: "Die Rückkehr der Gummiadler" und ist eine musikalisch kabarettistische Homage an alle 20ger, 40ger und 60ger Jubiläen, die 2009 so gefeiert werden. Da sind vornan die 60 Jahre Bundesrepublik Deutschland, 40 Jahre Mondlandung, 20 Jahre Mauerfall und damit verbundene 20 Jahre ohne den ostdeutschen Gummiadler, aber eben auch 3 mal 20 Jahre Lütte und 40 Jahre Bühnenjubiläum. Dieses Programm, und die Möglichkeit der Lütten persönlich gratulieren zu können, waren mir allemal einen Tagesausflug nach Berlin wert. Das Ganze wurde ein wenig erschwert durch die modernen Umweltvorschriften Berlins. Als Fahrer eines Diesel PKW, der vom Lande kommt, wo es Umwelt, aber keine Umweltzonen gibt, war meine Reise in Ermangelung einer bunten Plakette am Südkreuz beendet. Das jedoch erreichte ich mühelos und die gut 2,00 Euro für ein einfaches BVB Ticket (Nein, nicht das für die Borussia aus Dortmund, Anm. d. Red.) waren sehr gut angelegtes Geld, denn ich kam mühelos und ohne jede Parkplatzsorgen über den Ostbahnhof, wo ich Juli traf, die an diesem Abend fotografierte, zur Friedrichstraße. Von da aus ging es Schnur stracks Richtung Unter den Linden, Humboldt Uni, Staatsoper zum Opernpalais. Dass ich es schaffte, einen ordentlichen Umweg zu marschieren, erzähl ich aber niemandem. Das liebevoll sanierte Opernpalais, ein Bau von 1733, später klassizistisch erweitert und dann Prinzessinenpalais der preußischen Könige, genauer der im Rokoko Stil prächtig ausgestattete Salon Königin Luise war genau der richtige Rahmen für die Premiere und die anschließende private Geburtstagsfeier. Nachdem wir pünktlich die elegant geschwungene Treppe zum Salon erklommen hatten, wurden wir freundlich von Lüttes Manager, Valco von Vriedrichshein, so zu sagen dem guten Geist des Abends, denn bei ihm lag der Großteil der Organisation und Vorbereitung des gesamten Abends, begrüßt. Auf die Frage, welche Fotoanweisungen Juli zu beachten habe, lautete seine Antwort schlicht und einfach: "Immer halte druff, Mädel". Nach und nach füllte sich der dicht bestuhlte Raum. Den Gästen war anzumerken, dass sie höchst gespannt dem entgegen sahen, was sie ab 20:00 Uhr erleben sollten.
Was ebenfalls immer wieder zu bemerken war, waren die vielen freudigen js 20130307 1175544877Begrüßungen und angeregten Gespräche zwischen den Gästen. Das hatte etwas Familiäres, Vertrautes. Das gilt auch für die anwesenden bekannten Kollegen und Freunde Angelika Manns, die sich nicht als VIP feiern ließen oder gar abgeschirmt wurden, sondern mitten im Publikum sitzend, stets für ein kleines Gespräch mit anderen Gästen offen waren. Das traf sowohl auf den geradezu umlagerten Herbert Köfer, als auch auf Ulla Kingbeil, Jörg Stempel, Monika Eckard und die anderen prominenten und weniger prominenten Gäste zu. Es herrschte einfach eine angenehm gelöste, erwartungsvolle Stimmung. Und dann war es soweit. Mit einer kleinen Verspätung, da sich die Gäste wohl etwas länger orientieren mussten, um einen der letzten freien Platz zu finden, als geplant war, betrat Frank Golischewski das Podest. Wie es sich gehört für den Mann am Klavier trägt er schwarz. Schwarzen Frack, mit schwarzer Fliege zu blütenweißem Hemd. Er hielt sich nicht lange mit Vorreden auf, sondern setzte sich an seinen Platz, den Flügel, auf dem sich dem Anlass entsprechend ein Rosenbukett und eine Papiertüte mit der Aufschrift in bunte Buchstaben "Happy Birthday" befanden, und kündigte die Hauptperson des Abends Angelika Mann an. Wenige Augenblicke später betrat diese unter kräftigem Applaus den Raum und begab sich hinter das auf dem Podest stehende Mikro. Nun begann die eigentliche Premiere des von Frank Golischewski geschriebenen Programms "Die Rückkehr der Gummiadler" - ein deutsch-deutsches Kabarett - betont musikalisch. Es begann mit dem charmanten Hinweis Golischewskis, dass sich 2009 eines der wichtigsten Jubiläen zum 20. Mal jährt und dass bereits zum 3 Mal. Der Geburtstag der Lütten. Es folgten einige biografische Angaben speziell aus den zweiten 20, also der Zeit, als die Lütte zum gefeierten Star der Musikszene der DDR aufstieg, und sich dort über all die Jahre behauptete. Dabei zeigte sich, dass Golischewski sehr wohl zu fabulieren versteht. Die gerade vorgetragenen Lobeshymnen aufnehmend setzte Lütte zum ersten Titel des Abends an.
hk 20130307 1518138879Der hieß treffend "Ich bin ein Gesamtkunstwerk" und ist eine Folge flotter bis frecher Sprüche und Behauptungen, gewürzt mit einem gehörigen Schuss Selbstironie, den ihr Golischewski da in den Text schrieb. Ein famoser Auftakt, der klar machte, wohin die Reise an diesem Abend gehen würde. Es folgte eine Aufzählung verschiedener Ereignisse, die sich vor 20, 40 oder 60 Jahren ereigneten. Nicht nur die, die jedem einfallen, sondern auch solche, denen trotz ihrer runden Jahrestage kaum jemand gedenkt. Das Programm wäre auch anlässlich dieser Jubiläen entstanden, versicherte Golischewski. Besonders auch wegen des Endes der Gummiadler vor 20 Jahren. Jetzt wäre der rechte Zeitpunkt für deren Rückkehr. Auf's Stichwort kamen die Tiere aus den Kostümen der beiden. Natürlich nicht ohne passende, witzige Kommentare. Die sind als Wechselgespräch der beiden auf dem Podest inszeniert und wirken, als wären sie Standup Comedy par Exzellenz. Ich hab mich nach der Vorstellung mit Frank Golischewski zum Thema unterhalten, wie viele der Dialoge und Texte geschrieben sind und wie viel beide live hinzufügen, also improvisieren. Er bestätigte mir, dass es einen nicht unerheblichen Live-Anteil gibt. Und die Pointen die hier hin und her gingen waren gut. Bezugnehmend auf das umfassende Thema Deutschland 20 Jahre nach dem Mauerfall, wurde eine Bestandsaufnahme der besonderen Art vorgenommen. Sie ging weit über die sichtbaren Dinge, über das Bekannte hinaus. Sie suchte nach Ursachen, Gründen und den Dingen hinter den Fassaden. Und das mit Humor, Hintersinn und jeder Menge Musik. Die ersten lauten Lacher erntete der Spruch der die blühenden Landschaften Kohls gallebitter überzeichnet aktualisierte "...das einzige was uns blüht, ist die Pleite...". Nichts wovor die beiden Akteure halt machten. Da bekamen die Parteien ihre Kommentare. Mir gefiel die Sequenz - "Die Grünen sind die Gelben von morgen" - "Macht nichts. Ich bin Schwarz Rot Gold", um schließlich mit der Wortspielerei: "...wir durften nicht miteinander saufen, sonst hätten wir die gleiche Fahne gehabt..." die Pointe zu setzen. Galliges tiefes Lachen der Marke "hohoho" war zu hören, als Golischewski aus dem unverfänglichen Klavierspiel ein vergessenes Kampflied erwachsen ließ. Der eine und andere erkannte "Stalin: Freund, Genosse" recht schnell. Andere erst als Golischewski den Refrain sang. Diesem "weltoffenen, vorwärtsgewandten" Lied wurde mit Schlagerzitaten "mit Linksruck" aus der frühen Bundesrepublik entgegnet, was schließlich in Evelyn Kühneckes Titel "Die Sphinx" (rückt nach links) von der Lütten interpretiert gipfelte. Und dann erzeugte Lütte, zwar recht unvermittelt, aber dafür umso ergreifender, ein erstes Mal Gänsehaut. Sie sang "Muttersprache und Vaterland", ein echtes Lüttelied mit einem sehr modernen Text. Und Lütte zeigte, dass sie nichts verlernt hat. Und so ging es Schlag auf Schlag weiter. Kabarett der allerbesten Sorte. Tiefsinnig, vielfältig, sprachlich brillant und musikalisch perfekt. Ein munterer Wechsel von Texten, musikalischen Sequenzen und Beispielen, Dialogen und allem was bestes Kabarett ausmacht. Unterhaltung auf allerhöchstem Niveau, die man nach Wunsch einfach auf sich wirken lassen kann, in der man aber auch tiefen Sinn finden kann, so man sich darauf einlässt. Das ist nicht Klamauk, auch wenn einzelne Programmpunkte separat betrachtet vielleicht so wirken. Das Programm ist als Gesamtheit zu sehen, und dadurch wird es Komik in den Traditionen großer Vorbilder des Wortwitzes und des Musikkabaretts. Ein Thema, das angerissen wurde, war wie es der Name des Programms nahelegt, die deutsche Esskultur - vom Gummiadler über die Fritte. Das führte zum für mich härtesten Gag des Abends. Sinngemäß ging der: "Dick und Doof waren auch mal Kinder. Damals waren es 2. Heute sind's ganz Viele". Da lachte nicht jeder. Anders beim Eingeständnis Golischewskis, dass er nie Karl May gelesen habe, weil er von Ostverwandten drei Blaue Bücher geschenkt bekommen habe mit dem Hinweis, "Hier hast den Karl May". Es habe Jahre gedauert, bis er merkte, dass es sich dabei um die drei Bände des Kapitals gehandelt habe. Aus der alten Kamelle einen echten Gag zu machen, das zeugt davon, wie tief Golischewski das Thema durchdrungen hat und welch fantastischer Texter er ist. Was er musikalisch kann, und das ist ebenfalls beachtlich, lässt er vor allem in den Stücken aufblitzen, die er der Lütten maßgeschneidert hat, aber auch in seinen so lässig dahin geklimperten Songschnipseln. Seien es die Adaptionen auf die Nationalhymnen Ost / West, die kurzerhand zu beliebigen Melodien erklärt wurden. Oder die Zitate bekannter Seemanns- und Mutterschlager von "Mama" bis "Junge komm bald wieder".
Dabei wurde scharfsinnig geschlussfolgert, dass der Deutsche West in aa 20130307 1918488962seinen Liedern seine Mutter und ein Schiff brauche, und die unübertroffene Hymne dessen der Superhit "Junge komm bald wieder" sei, den ja wie man hören könne, eine Mutter, wahrscheinlich eine Cousine von Zahra Leander, gesungen habe. Was ich hier so langweilig aufschreibe, ist im Programm Angelika Manns und Frank Golischewskis ein echter Brüller. Die meisten Pointen kommen unvermittelt und trocken. Alle sind auf den Punkt gesetzt. Und das obwohl es geradezu ein Stakkato der spitzen Worte gab. An die Schiffsnummer schließt sich ein rigoroser Schwenk in Richtung Österreich, zur dortigen Musik der Zeit, an. An der Rose vom Wörthersee und dem Mariandl wurde die Musik als ein wenig zurückgeblieben ausgemacht. Einen der Höhepunkte des Abends erlebten wir, als die Lütte das Lied sang, das ihr zu Folge zur gleichen Zeit im Osten gesungen wurde. Das Publikum sang textsicher mit, als Lütte mit Pioniergruß "Der Volkspolizist" sang. Nach einem sehr schönen Chanson, der von Frank Golischewski gesungen wurde, legt Angelika Mann noch eine Schippe drauf. Sie kündigt den Titel "Ich träum die ganze Zeit von Stuttgart" an, um mit einem Blick auf Golischewski hinzuzufügen - "...wegen der rassigen Männer". Und dann beginnt sie dieses Chanson zu singen. Das Mikrophon in der Hand, holt sie tief Luft, schließt die Augen leicht und dann ist es da... dieses unglaubliche Gefühl. Da vorn steht Angelika "Lütte" Mann und singt mit der Urgewalt, mit der sie vor vielen Jahren wohl Jannis Joplin gesungen haben muss. Sie singt in der Art, wie man die Mann aus den Tagen ihrer größten Erfolge kennt. Druckvoll, kraftvoll, einfach unglaublich intensiv. Der letzte Ton war verstummt, und das Publikum wurde in ein Pause entlassen. In der gab es reichlich lobende Worte über das Programm und viele Gespräche unter den Gästen. Viele nutzten die Pause auch, um sich mit einem Getränk vom improvisierten Pausentresen des Opernpalais etwas zu erfrischen. Denn die geschätzten 200 Gäste hatten den Salon Luise gehörig aufgeheizt und die Luft zum Schneiden dick werden lassen.
Gestärkt und etwas abgekühlt, den Raum bestmöglich durchlüftet, ging es schwungvoll in die zweite Runde. Die begann beschwingt. Passend zur verbalen Einleitung interpretierte Lütte ihre Selbsterkenntnis, "ich war nicht immer auf Linie", in einer tollen Swingnummer. Und man mag es kaum glauben, die so professionelle Angelika Mann gestand dem Publikum, dass sie schon lange nicht mehr so ein Lampenfieber wie an diesem Tag gehabt habe, und das es sich unüblicher Weise auch während der Vorstellung noch nicht gelegt habe. Die Aufregung mag Lütte beflügelt haben, notwendig wäre sie nicht gewesen. Die beiden waren perfekt. Daran ändert auch der Fakt nichts, dass der eine mal hier etwas hing, der andere dort. Diese Minipannen überspielten beide routiniert in dem sie sie offen zugaben und die betreffenden Passagen wiederholten. Ebenso routiniert und souverän gingen beide mit Einwürfen aus dem Publikum um, die nicht ganz unerwünscht schienen. So brachte der Dialog Golischewskis mit einem Gast im Publikum Szenenapplaus für den Dialog. Er entspann sich in etwa - Golischewski: "Ich bin ja im Ruhrgebiet geboren, jetzt aber ein Schwabe", woraufhin ein Gast laut lachte. Golischewski fragte: "Warum lachst du?", worauf die Antwort aus dem Publikum kam, "also aus'm Prenzelberg". Den Applaus nutzte Golischewski, um die nächste Episode umzubauen. Den türkischen Marsch klimpernd, erzählte er, dass er 'ne furchtbare Kindheit und Jugend hatte, in der sich alles um's Klavier gedreht habe. Dabei personifizierte er die Melodie des Türkischen Marsches letztlich für sich und stellte sie am Ende des am Flügel gespielten Dialoges anstelle von Worten gegen andere bekannte, moderne Melodien, die für die Dialogpartner stehen. So wurde aus einem gesprochenen Programmteil ein musikalischer. Bei soviel Abstraktion war es nicht verwunderlich, dass Golischewski so zu den größten Philosophen überhaupt kam. Nitsche, Schopenhauer, Sartre und Sinatra, aus deren Welterkenntnis der Titel "Schöne Frauen kochen nicht" entsprungen ist. Die Idee nahm dann die Lütte auf, um Auskunft zu geben, dass der Fischkoch schuld daran war, dass sie so rund war. Weil es ja keinen Fisch im Osten gab, musste sie ja anderes Ungesunderes essen. Und dann waren da ja noch die vielen Diäten. Für jeden Tag mindestens eine, wobei sie am häufigsten ihre Lieblingsdiät gemachte habe: "Iss alles und tu' so als sei es nichts". Diäten war ihr Stichwort zum folgenden, ja fast Rap-Song. Zumindest war es ein irre komplizierter Sprechgesang, den Angelika Mann ohne jeden Textwackler vortrug und gegen den die Zungenbrecher wie "Fischers Fritz" kalter Kaffee sind. Und das war nicht die erste sprachtechnische Glanzleistung der Lütten an diesem Abend. Und so ganz nebenher hab ich mir die Frage gestellt, wie man auf diese geradezu genialen Satzkonstrukte kommt, die dann auch noch songtechnisch passen? Wie schon im ersten Teil gab es noch einmal eine Gegenüberstellung von Ost- und Westtiteln. Für den Osten startet Schöbels "Wie ein Stern". Ein Titel mit starker, guter Sozialisationswirkung auf das Publikum durch seine Einbeziehung durch offene Fragen im Liedtext, so beschreibt ihn Golischewski. Ihm gegenüber standen die Schlager der 70er von Rex Gildo und Bata Illic, die die eingebaute RTL Taste vorweggenommen hätten. Nach diesem turbulenten Programmpunkt wurde es zunehmend ernst. Frank Golischewski sang "Sterne über Berlin", eine Hommage an Helen Vita, an dass sich ein tolles Chanson im ¾ Takt, "Hast du nicht gewusst", anschloss. Zu diesem Zeitpunkt wurde es zunehmend gewiss, dass das Programm mit Volldampf auf sein Ende zu steuerte. Und wie es sich für ein Finale gehört, musste sich ja die Spannung dort noch steigern. Angelika Mann gelang eine Steigerung durch das Lied "Mary Steward". Ihrem Lied, das so erzählte sie, eigentlich einmal für Georg Preuss (Mary - Anm. d. Verf.) geschrieben wurde. Eine tolle Interpretation, bei der die Lütte noch einmal richtig Vollgas gab. Auch andere haben das nahende Ende wohl so registriert. So bekam die Lütte aus dem Publikum ein Schild gereicht, auf dem "Hurra 60 - und knackig wie immer" stand. Auf ihr Alter anspielend sang sie "Nicht mehr werberelevant". Dann wurde es noch einmal frech, ein wenig frivol beim Titel "Nächstes Jahr hauen wir uns auf's Altenteil" (wie immer der wirklich heißt). Den Titel sang sie mit ihrer Kindergesangsstimme. Das tat sie so gekonnt, dass Frank Golischewski vorschlug, Angelika Mann im kommenden Jahr zum Europan Song Contest zu schicken. Das forderte Lüttes Geschichte vom Goldenen Orpheus, an dem sie mit Lacky teilnahm, geradezu. Damals habe die Künstleragentur sie delegiert und leider auch eingekleidet. Daher hatten sie nie eine Chance zu gewinnen, sagte sie lachend, um ein Bild von ihrem Traumoutfit zu entwerfen. Grüner enger Stretch, Highheals und eine Showtreppe. Und dann gab sie zum 3. Mal Gas. Die Signale, Augen, Luft stimmten, und dann klang das Stück. Der endgültig letzte Titel des Abends, "Mein Taxi" war ein Geschenk Nico Hollmanns, eines ehemaligen Musikers und Freundes der Lütten. Er schloss das Kabarett Programm rundum würdig ab. Und dann bildete sich eine Schlange vor der Bühne. Lütte und Frank Golischewski standen für Fotos bereit, grüßten bekannte Gesichter, schüttelten Hände und Angelika Mann, die sich keine Geschenke gewünscht hatte, wurde mit diesen fast überhäuft. Sie strahlte vor Glück und Freude. Sicher sowohl über das tolle Programm, als auch über das, was da gerade anlässlich ihres Geburtstages passierte. Auch ich stellte mich in die Reihe der Gratulanten, um ihr persönlich gratulieren zu können. Juli schoss, wie es Valco sagte, fleißig Fotos, und so endete dieser Teil des Geburtstages von Angelika Mann, die Premiere des Stücks "Die Rückkehr der Gummiadler", einem ganz großen Kabarettprogramm mit einer Vielzahl hochkarätiger Texte und Pointen, mit wunderschönen, abwechslungsreichen Musiktiteln und nicht zu vergessen zwei fantastischen, höchst professionellen und ebenso sympathischen, da ehrlichen Darstellern, Angelika Mann und Frank Golischewski. Was Angelika Mann an diesem Abend auf die von ihr so geliebten Bretter zauberte, war alles andere als altbacken oder langweilig. Das war aktuell, frisch, spritzig und frech. Lütte wie man sie kennt und mag, begleitet, und gewissermaßen musikalisch und textlich in Szene gesetzt von ihrem kongenialen Bühnenpartner Frank Golischewski. Ich kann jedem, der die Möglichkeit hat dieses Programm zu sehen, nur empfehlen: "Hingehen! Ansehen! Zuhören!" Gleich, ob man als Kabarettfreund an sich, als Freund witziger, spitzer Wortbeiträge, als Liebhaber gepflegtem Chansons oder als Fan des Ostrockstars Angelika "Lütte" Mann dieses Programm ansieht, man wird nicht enttäuscht sein. Für mich zählt es zur absoluten Spitze dessen, was man in dem Genre aktuell sehen und hören kann. Und ich hatte den Eindruck, dass ich mit meinem überaus positiven Eindruck nicht allein war. Während das Publikum nach und nach den Luisensalon verließ, konnte man entsprechende Bemerkungen allerorts vernehmen. Die einen gingen um diesen großen Abend reicher nach Hause. Freunden und Verwandten Angelika Manns wurden zu einer, von Freunden, Sponsoren und Gönnern unterstützten und zum Teil aus den Einnahmen des Abends finanzierten Geburtstags- und Premierenfeier, ins dem Anlass angemessene, schönen Ambiente des Operncafe eingeladen. Dort gab es zunächst zu guter, dezenter Musik viele Gespräche in lockeren Runden. Die Kellner flitzten, so dass keiner der Gäste auf dem Trockenen bleiben musste. Nach einem Toast auf das Geburtstagskind, eröffnete diese das bereitstehende Buffet. Die Gäste bedienten sich, während die Lütte, die ohnehin sehr diszipliniert ist bezüglich ihrer Essgewohnheiten, ganz andere Verpflichtungen hatte. Sie musste in die Rolle des Fotomodells schlüpfen und für die zahlreichen privaten und professionellen Fotoapparate posieren. Zu Julis Ärger begann ihre Kamera nach und nach den Dienst zu quittieren, da Juli vor allem ohne Blitz fotografierte und die Kamera durch die vielen Blitzlichtaufnahmen anderer so zu sagen irritiert war und nicht bei jedem Klick auch auslöste. Ich will jetzt nicht "Fluch der Technik" sagen... So hatte Juli jedenfalls ordentlich zu tun für die schönen Fotos, die ich mir für diesen Bericht wünschte. Neben den Fotos wurde Angelika Mann natürlich von jedem im Raum für ein paar persönliche Worte beansprucht. Sie hatte ein wirklich volles Pensum. Ich nutzte die Zeit - wie die meisten anderen - für ein paar Gespräche und Verabredungen.
bb 20130307 1544441699An interessanten, gutgelaunten und offenen Gästen war ja kein Mangel. So gegen 23:30 Uhr bewegten sich verkleidete, junge Leute ins Operncafe. Die Partyshakers, eine Gesangsgrupe junger Leute, neben Lüttes Tochter Ulrike wohl vornehmlich weitere Mitglieder des Popchors Teltow, die Hits vergangener Jahre im mehrstimmigen Satzgesang covern, und mit einer ausgeklügelten, nicht immer ganz ernst zu nehmenden, dafür umso mitreißenderen Bühnenshow aufwarten, bauten ihre Anlage und ein paar Requisiten auf und übernahmen das Regiment im Saal. Und dann ging's ab. Einer der Herren, der den Conférencier gab, begrüßte die Geburtstagsgesellschaft, ließt Angelika Mann hochleben und kündigte in groben Zügen ein buntes Potpourri von bekannten Melodien an. Er kündigte ferner an, dass sich anlässlich des Geburtstags ihrer Mutter, Ulrike habe erweichen lassen, ein ganz besonderes Geburtstagsständchen darzubieten. Die drei jungen Frauen und fünf oder sechs jungen Herren haben allesamt tolle, markante Stimmen und die entfachten ein wahres Feuerwerk. Da traten "Take That" und Robbie Williams auf, da wird Chers "Shoop, Shoop Song" dargeboten. Ein Highlight waren "Achy Breaky Heart", ein anderes war der Auftritt als Beastie Boys. Und dann kamen irgendwann das angekündigte Stündchen von Ulrike. Sie sang extra für diesen Tag, und wohl auch einmalig, Schlager. Andrea Berg, wenn ich mich nicht irre. Und alle machten ihren Part gut. So gut, dass die Leute mal mittanzten, mal mitsangen und klatschen, wann immer die Band das forderte. Kurzgesagt: Sie heizten dem Opernpalais so richtig ein. Das ging soweit, dass um besser mittanzen zu können, Lütte ihre Schuhe auszog. Als Beastie Bosys überschütten die Jungs Lütte mit einer Unmenge an Komplimenten, um am Ende des Vortrages vor der Lütten auf die Knie zu fallen. Ein Stück später trugen die jungen Männer und Frauen Lütte sozusagen auf Händen. Im wörtlichen Sinne. Lütte machte alles mit, ließ sich auch auf den Arm nehmen. Sie wirbelte den ganzen Abend aufmerksam und gutgelaunt durch ihre Gäste, war ausgelassen, in einigen Passagen des Partyshakerprogramms fast schon ansteckend albern. Ansteckend in sofern, als Herbert Köfer im Duett mit Achim Menzel die alten wie die neuen Hits lauthals mitsangen, und als einige der Gäste - in Lüttes Alter - der Jugend zeigten, wie man Rhythmus und Rock'n Roll richtig ausdrücken kann - wild und ekstatisch so zu sagen. Da gingen viele aus sich raus und machten den Auftritt der jungen Leute zu einem echten Erlebnis. Ich glaube nicht, dass sich jemand im Nachhinein seines Einsatzes schämte oder über den eines anderen pikiert war, denn es war eine Feier ganz im Sinne von Spaß, Lebensfreude und Gemeinschaft, wie es möglicherweise für die Lütte an sich ein Geschenk war. Eine Feier, wie ich denke, die ihr an sich gefallen hat. Dass die Partyshakers nach etwa einer ¾ Stunde nicht ohne Zugaben von der improvisierten Bühne kamen, muss sicher nicht extra betont werden. Die jungen Leute sind eben ansteckend munter und richtig gut. Zudem sorgte ihre Kostümierung, zum Beispiel die mit Afrolookperücken und kleinem Schwarzen auftretenden Sängerinen, die durchaus an die Bands der 60er erinnerten, oder der Rock'n Roll Stil der Herren, für Erheiterung. Nach diesem Auftritt leerte sich dann aber nach und nach das Opernpalais, war es doch mittlerweile deutlich nach Mitternacht.
Die Verbleibenden fanden sich wieder zu lockeren Gesprächen und ließen wohl auch den Abend, den sie miterlebt hatten, Revue passieren. Mit wem ich mich auch unterhielt, jeder war angetan von dem, was er in den letzten Stunden erlebt hatte und viele wussten ein Loblied auf die Jubilarin zu singen. So auch Frank Golischewski, mit dem ich mich zu vorgerückter Stunde noch einmal vor allem zum Gummiadlerprogramm unterhalten konnte. Er bestätigte mir nochmals das, was Viele wohl schon lange ahnten oder wussten: Angelika Mann ist etwas ganz Besonderes (mir fällt da der Eröffnungstitel des Programms, ein Gesamtkunstwerk, ein). Sie verfügt über die Fähigkeit, textlich wie musikalisch anspruchsvollste Aufgaben mit absolut professioneller Leichtigkeit und Lockerheit abzuarbeiten, die ihm Hochachtung abnötigt, und sie in die erste Reihe im Kollegenkreis stellt. Zudem strahlt sie stets eine besondere Freundlichkeit aus, und so umgibt sie besondere, schwer zu beschreibende Aura, was die gemeinsame Arbeit mit ihr umso angenehmer macht. Das widerum kann ich aus eigenem Erleben nur unterstreichen und durfte es an diesem Premierenabend einmal mehr erleben. Irgendwann nach 1:00 Uhr verabschiedeten sich Juli und ich von der Lütten, und machten uns auf den Weg nach Hause. Dieses mal auf den kürzest möglichen. Wir waren uns einig, dass das ein ganz außergewöhnlicher Abend war, der uns lange sehr angenehm in Erinnerung bleiben wird. Der mich postwendend zum Parkhaus am Südkreuz führte. Welch Luxus in dieser Stadt, nachts gegen 2:00 Uhr volle Bahnen und ein problemloser Transfer kreuz und quer durch Berlin. Ob's an der Nacht der Wissenschaften lag, die gerade stattfand? Jedenfalls war ich ruck zuck durch halb Berlin, und konnte mein Auto aus dem Parkhaus auslösen und die Heimfahrt antreten. Die entsprechenden Preise verschlugen mir zwar schier den Atem, aber Berlin soll ja große Schulden haben und der Bahn soll's auch nicht so blendend gehen. Vielleicht kam meine Spende ja an der richtigen Stelle an. Dieser etwas fade Beigeschmack modernen Raubrittertums konnte jedoch den überwältigenden Eindruck des Abends nicht wirklich trüben. Geradezu beschwingt und in Erinnerungen schwelgend fuhr ich zurück nach Leipzig, von Müdigkeit keine Spur. Als ich am Schkeuditzer Kreuz von der A9 auf die A14 wechselte, strahlte im Norden, da wo Berlin liegt, ein heller Stern. Ich fand den Gedanken schön, dass er dort als Wegweiser zu dem tollen, erlebten Programm und zur Lütten an sich, dieser großen, kleinen Frau, strahle und jedem der es hören will sagt: "Da in Berlin, da blinkt ein ganz besonders schöner, heller Stern - Angelika Mann!"
Jetzt hab ich viel aufgeschrieben, doch weiss ich immer noch nicht, ob das, was ich erleben durfte, verständlich rübergekommen ist. So es rüberkam hoffe ich, ich habe damit ein wenig Interesse an Angelika Mann und ihren fantastischen Programmen geweckt. So ich das Besondere des Abends, der Lütten und insbesondere des Programms "Die Rückkehr der Gummiadler" nicht rüberkam, dann kann ich nur empfehlen: Seht Euch die Lütte und ihr Programm selbst an, und macht euch selbst ein Bild von dem was ich beschrieben habe.

Foto Impressionen:

Interview mit Angelika Mann

 


   
   
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