Herbert Dreilich - die KARAT Legende
inkl. des letzten Interviews mit ihm vor seinem Tod



Das Jahr 2003 war ein ziemlich bewegtes Jahr für KARAT und seine Fans. Die Band veröffentlichte mit "Licht und Schatten" im April ein neues Studioalbum. Nach der Albumveröffentlichung stand ein gut gefüllter Terminkalender mit Konzerten und TV-Auftritten an. Die neuen Lieder sollten vorgestellt ewrden. Das ganze Land befand sich damals im Ostalgie-Fieber. Nach den Erfolgen im Kino mit den Filmen "Good Bye, Lenin!" und "Sonnenallee" war es nur eine Frage der Zeit, bis auch RTL Morgenluft witterte und mit auf den fahrenden Zug sprang. Das Format "Die DDR Show" wurde über Nacht aus dem Boden gestampft. Zwischen den hochnotpeinlichen Filmchen zum Thema DDR,001 20130908 1759179898 die eher was mit einem Besuch im Zoo als mit einem vernünftigen Umgang mit dem Thema zu tun hatten, gab es auch musikalische Gäste, und all die großen, noch existierenden Bands durften mal wieder zur besten Sendezeit ins Fernsehen. So auch KARAT. Es war ein toller Auftritt, aber leider der letzte. Herbert Dreilich war zu diesem Zeitpunkt schon schwer krank und sollte schon längst im Krankenhaus sein. Doch den Auftritt im Fernsehen wollte er sich nicht nehmen lassen. Keine Teilnahme an der für den Spätsommer geplanten "Ostival Tour", bei der die großen Bands des Ostens auf eine gemeinsame Tour in den Westen gehen wollten, keine Konzerte mehr ... Angst und Ratlosigkeit bei den Fans. Die Achterbahn der Gefühle und Emotionen war selten so schnell unterwegs wie 2003, dabei hatte die Band schon wenige Jahre zuvor eine lange Zeit der Ungewissheit überstehen müssen, als Herbert einen Schlaganfall erlitten hatte. Es gab 2003 für das Webmaster-Team der Karat-Homepage zwei Möglichkeiten, mit Herbert Interviews zu führen. Die erste Möglichkeit ergab sich anlässlich der Veröffentlichung von "Licht und Schatten", als sich Christian vor einem Konzert in Norddeutschland mit Herbert traf. Das zweite Interview fand kurz nach Herberts Krankenhausaufenthalt im Herbst 2003 statt. Was im Oktober 2003 aber keiner wissen konnte: Es sollte das letzte Interview mit Herbert Dreilich sein. Etwas über ein Jahr später verstarb die Stimme und Seele von Karat ...

 


 

 

Kein Licht ohne Schatten

Interview vom 11. April 2003. Vor dem Auftritt der Band in Osterholz-Scharmbeck geführt und auf www.jede-stunde.de (damals noch die Karat-Homepage) veröffentlicht. Übrigens das allererste Interview überhaupt, das Christian geführt hat ...


Das neue Album ist fertig und die Fans können nach "Balance" endlich wieder ein reines Studioalbum genießen. Doch warum dauerte das sechs Jahre?
Das lag an der Plattenfirma. Bis zu unserem 25-jährigen Bestehen wollte man immer noch die Nostalgie haben. Es wurden zwar ständig CDs rausgebracht, auf denen immer neue Stücke mit drauf waren, aber letzten Endes handelte es sich stets um Remakes von älteren Liedern und nur ein bis zwei neue Songs. Das wollten wir diesmal nicht mehr!

Das Album heißt "Licht und Schatten". Einen gleichnamigen Song gibt es aber nicht darauf. Was bedeutet der Titel?
Das ist eigentlich im großen Umfang gemeint. Ohne Licht gibt's keinen Schatten. Man kann auch sagen, dass die Welt in Licht und Schatten geteilt ist. So sehe ich das. In Gut und Böse.

003 20130908 2050278901Wer ist denn der für manche Karat-Fans vielleicht unbekannte Leslie Beathoven, der erstmals als Produzent für eine Karat-CD tätig war, und wie ist der Kontakt zu ihm zustande gekommen?
Der wohnt bei mir in der Straße (lacht). Wir kennen uns aber schon länger. Er war Keyboarder bei ROCKHAUS. Jetzt spielt er für's Theater irgendwelche Musiken ein. Wir haben uns kurzgeschlossen und ich hab' in ihm einen ganz tollen Produzenten gefunden.

Ist eigentlich demnächst mit noch mehr Remakes von alten Songs zu rechnen? Bei den Fans ist z.B. "Halleluja Welt" immer wieder gefragt, ein Song, den es auf keiner CD gibt. Wie wäre es damit?
Nee. Ich fand bei "Halleluja Welt" den Text so beschissen, bei dem es egal ist, ob ich die erste Zeile als letztes nehme oder umgekehrt - völlig gleich. Das ist so ein Text, wie sich "klein Fritzchen" den Sozialismus vorstellt. Damit kann ich nicht umgehen. Eigentlich wollte ich den gar nicht singen, wurde aber überstimmt.

Eine Frage zum Wechsel von der BMG zu ZYX-Music: Was unterscheidet die beiden Labels und wo liegen die Vor- und Nachteile einer solchen Neuorientierung?
BMG ist eine Weltfirma, da bist Du einer von vielen. ZYX gibt sich bedeutend mehr Mühe, und das merkt man auch. Dort bist Du als Künstler die Nummer Eins und nicht irgendwer.

Auf "Licht und Schatten" kann man förmlich spüren, dass Ihr noch lange nicht satt seid und nach wie vor richtig Hunger habt. Wie war die Zeit der Arbeit am neuen Album? Hat es Spaß gemacht, wieder für ein ganzes Album im Studio zu sein, und hat es lange gedauert?
Naja ... Die Lieder sind ja fast alle von mir, die habe ich im Laufe der Jahre zusammengetragen. Es gibt noch viel mehr. Die Songs, die jetzt auf der Platte zu hören sind, haben wir ausgesucht, der Produzent und ich - und dann zusammen eingespielt. Die Aufnahmen insgesamt haben nicht so lange gedauert. Die Stücke waren als Demoversionen schon fertig. Leslie Beathoven brauchte nur noch die Arrangements ausfeilen und ein paar Ideen mit einbringen. Und so dauerte die Arbeit etwa zwei Monate. Die Ideen waren schon vorher da.

Ed Swillms hat ja - zumindest interaktiv für "Jede-Stunde.de" - die "Karatjacke" wieder angezogen. Könnte eine musikalische Zusammenarbeit mit ihm noch mal zustande kommen?
Das ist ziemlich unwahrscheinlich. Er schreibt ja nichts Neues mehr.

Wo wir gerade beim Thema Internet sind: Von Dir hört man immer wieder, Du hast gar kein Interesse daran. Warum eigentlich nicht?
Das interessiert mich einfach nicht so sehr, das ist eigentlich auch nichts anderes als Telefon. Ich möchte meinen Computer auch gar nicht so gerne im Internet benutzen, sehe da irgendwie keinen Grund. Es ist sicher ganz angenehm, dass man Bilder verschicken kann - das ist schon ok, das nutze ich auch ab und zu mal. Aber Surfen im Internet ist nicht mein Fall. Das ist genauso wenn einer einen Computer hat und sich nur für die unwesentlichen Dinge interessiert, die man damit machen kann. Ich nutze meinen PC nur zum Komponieren und nichts anderem. Nur ab und zu gehe ich mal ins Internet rein. Aber wie gesagt: selten.

005 20130908 1334338742Spielt Ihr in diesem Jahr noch weitere Konzerte in den alten Bundesländern?
Ja, das ist auch wieder im Kommen. So wie damals in den 80ern nimmt das wieder zu.




Keine halben Geschichten!

Interview vom 8. Oktober 2003. Im August wurde Herberts Krebserkrankung bekannt. Nach seinem Krankenhausaufenthalt sprachen Christian und Herbert über die neue Situation und die Zukunftsaussichten. Ein halbes Jahr nach dem oben stehenden Interview gab es eine völlig neue Situation. Es ist das letzte Interview mit Herbert Dreilich ...


Hallo Herbert, schön, dass Du uns für ein paar Fragen zur Verfügung stehst! Wie geht es Dir im Moment?
Eigentlich soweit ganz gut. Ich hab' erstmal alles überstanden. Die Zeit wird zeigen, wie es weitergeht.

Viele Fans waren nach bestimmten Presseberichten sehr beunruhigt, ob es mit Karat weitergehen kann. Gerade eine bestimmte Zeitung hat da reichlich Sachen veröffentlicht, die unkommentiert im Raume stehengeblieben sind. Möchtest Du selbst noch etwas dazu sagen?
Alle Presseleute wollen ja am liebsten Mord und Totschlag sehen. Darum habe ich eigentlich auch einen völligen Nachrichten-Stop ausgegeben. Mir geht es jedenfalls wieder ganz gut und ich bereite mich auf's nächste Jahr vor.

009 20130908 1063602005Dieses Thema wirst Du sicher langsam nicht mehr hören/lesen können ... von daher unterhalten wir uns lieber über die Musik. Wir haben vor ein paar Tagen ein Interview mit Peter Meyer von den Puhdys gemacht, wo auch deine Puhdys-Zeit, Ende der 60er Jahre, zur Sprache kam. Kannst Du Dich noch daran erinnern? Welchen Part hast Du da übernommen?
Ich war 1968 bei den Puhdys, hab' Gitarre gespielt und gesungen. Aber damals haben wir ja keine eigene Musik gemacht, nur gecovert. Als ich bei ihnen war, waren die Puhdys eine reine Coverband. Es gab auch keine Produktionen. 1969 bin ich dann zu den Alexanders gewechselt.

Apropos Alexanders: Zwei Stücke von dieser Band kann man auf einem Sampler namens "Beat Kiste" finden. Gab es eigentlich auch Tonträger andere Platten mit Songs von den Alexanders oder weitere Rundfunkaufnahmen?
Wir haben zwar auch schon eigene Sachen mit den Alexanders gemacht, aber nur wenig. Ein Album oder Singles gab es nicht. Nur Rundfunkaufnahmen.

Wie lange gab es diese Gruppe?
Die gab es nur ein Jahr. Danach entstand daraus Panta Rhei.

Was hast Du in der - wenn auch kurzen - Zeit nach Panta Rhei gemacht? Gab es da vor Karat noch etwas anderes?
Das ging nahtlos ineinander über. Aus Panta Rhei wurde dann Karat.

Die aktuelle LP ist bei den Fans unheimlich gut angekommen. Bei einer Abstimmung auf der Fanpage sind 80% aller Nutzer sehr begeistert von dieser CD. Ist schon ein Nachfolger für "Licht und Schatten" in Arbeit?
Das ist immer so eine Sache ... Es liegen noch eine Menge Lieder rum. Es ist auch eine Frage der Plattenfirma und der Verkaufszahlen von "Licht und Schatten". Also Leute: Kauft die CD und brennt sie Euch nicht.

Einige Leute wünschen sich von Karat einmal wieder Songs mit "Überlänge" und orchestralem Einschlag, wie z.B. "Albatros" und "Wie weit fliegt die Taube". Wird es sowas nochmal geben oder ist die Zeit für solche Songs nicht mehr da?
Das werden wir mit Sicherheit tun. Aber auch das ist nicht immer im Interesse der Plattenfirma. Wir werden demnächst für die LP eine Fassung machen und dann eine für die Single. Lieder mit Überlänge spielt nämlich keine Radiostation.

Die Ostival-Tour fällt ja nun leider für euch aus. Werden die Fans in Bayern, Nordrhein- Westfalen oder Hessen denn trotzdem irgendwann noch einmal Karat in ihrer Nähe genießen können?
Ich denke schon. Ich gehe aber erst wieder auf die Bühne, wenn ich komplett fit bin. Ich mache keine halben Geschichten.

Ihr hattet in diesem Jahr einen reichlich gefüllten Terminkalender. Das bedeutet immer viel Streß mit der Anreise, den Konzerten und überhaupt mit dem ständigen "Unterwegssein". Wie hältst Du Dich z.B. fit, um die Konzerte so kraftvoll spielen zu können? Ich lebe einfach ziemlich gesund, seit meinem Schlaganfall ohnehin, denn ich bin nicht mehr der Jüngste.

Bei unserem letzten Interview in Osterholz-Scharmbeck war die aktuelle Ostalgie-Welle noch nicht so im Gange wie im Moment. Ihr wart in der Zwischenzeit sogar bei RTL in der großen Show, und, egal welche Sendung sich mit der Vergangenheit beschäftigt, Karat ist immer mit von der Partie. Was hältst Du persönlich von dieser derzeitigen Ostalgie und den damit verbundenen Shows?
Ich bin da geteilter Meinung. Ich weiß nicht, warum diese Welle da ist. Es riecht sehr nach Geschäftemacherei. Ich habe letztens z.B. "Sonnenallee" gesehen. Dieser Film ist sowas von dumm, das ist eine Beleidigung für Ost und West. Das ist so, als ob irgendein Amerikaner aus Texas, der noch nie in Deutschland war, diesen Film über die DDR gemacht hat. Grausam!

Ich danke Dir, dass Du uns diese Fragen beantwortet hast. Gibt es noch etwas, was Du selbst den Fans noch mitteilen möchtest?
Ja, ich freue mich sehr auf nächstes Jahr, und die Band auch! Sie steht mir derzeit sehr zur Seite. Wir haben schon gemeinsam gute Pläne für's nächste und übernächste Jahr gemacht. Lasst Euch überraschen!


Interviews: Christian Reder
(April + Oktober 2003)
Fotos: Pressematerial (SONY, ZYX), Christian Reder

 

 

 

 

 


   
   
© Deutsche Mugge (2007 - 2023)

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.