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Interview vom 15. Oktober 2018



Zehn Jahre nach ihrem letzten Studioalbum "On The Verge Of An Autobiography", einem Comeback der RAINBIRDS im Jahre 2014 und diversen Projekten, an denen sie mitwirkte, ist im September mit "Musik! Musik!" endlich mal wieder ein eigenes Album der Katharina Franck in Umlauf gekommen (Rezension: HIER).001 20181017 2036426306 Ein guter Grund, mal wieder für unser Magazin mit der Künstlerin zu plaudern. Dies tat Christian in den letzten Tagen und erfuhr bei der Gelegenheit sogar ganz frische Neuigkeiten über geplante Aktivitäten im kommenden Jahr ...




Liebe Katharina, ein neues Album von Dir ist erschienen. "Musik! Musik!" heißt es. Wolltest Du mit dem Titel gleich alle Irrtümer ausschließen, damit keiner etwas anderes als Musik darauf vermutet?
Der Titel "Musik! Musik!" eignet sich einfach als Schlachtruf. Den skandiere ich im Outro des ersten Songs "Die Masse Tobt!". Und auf diesem Album wird wirklich ausschließlich musiziert. Es ist keines dieser Alben, auf dem die Songs aus hunderten von Aufnahmen zusammengeschnitten werden. Aber dazu später mehr.

Gleich als erstes sticht das von Dir gerade genannte "Die Masse tobt" ins Auge bzw. Ohr. Ein Statement zur aktuellen Lage der Nation? Richtet es sich in beide Richtungen oder ist da eine ganz besonders gemeint?
Wenn Du mit Richtungen "links" und "rechts" meinst, muss ich verneinen. Dass es um Deutschland geht, ja. Viele der Menschen, die sich von erzkonservativen Politiker*innen und Populisten gegen Migranten auf die Straße treiben lassen, sind wohl eher unpolitisch. Sie haben einen mal mehr mal weniger klar definierbaren Frust, eine mal mehr mal weniger klar empfundene Angst, und das wird von Leuten benutzt, denen es in erster Linie um die eigene Macht geht. Jede/r, die/der sich ganz bewusst aufmacht, ein eigenes Leben zu verwirklichen, stößt immer wieder an Grenzen. Manche werden ihr/ihm in den Weg gestellt, manche stecken in ihr/ihm selbst. Keine, und seien sie noch so ungerecht, rechtfertigen die vermeintlich "Anderen" zu verunglimpfen oder ihnen sogar nach dem Leben zu trachten. Dass "ich" in diesem Song bei Wut und Frust und einem allgemeinen "Sackgassengefühl" in den Garten gehe und ihn umgrabe, etc., soll ein Bild dafür sein, dass man zuerst bei sich selber schauen sollte, was falsch läuft, bevor man einen anderen Schuldigen bestimmt.

002 20181017 1594995399Auf der CD befindet sich ein Titel, der "Gespenster" heißt. Und es gab wohl auch einmal ein Live-Projekt unter diesem Namen. Ist der Song ein Teil dieses Programms gewesen?
Ja. Mein neues Soloalbum sollte eigentlich das Album eines Duos sein, bestehend aus der Gitarristin Kerstin Sund und mir. Bei der Namensfindung schlug ich "Gespenster" vor, wohl wissend, dass das Wort in Deutschland eher negativ besetzt ist. Daraufhin sagte sie: "Wir müssen die Bilder eh neu besetzen". Und mit dieser Zeile beginnt der Song. Ich habe Kerstin Sund Ende 2014 angesprochen, ob sie nicht Lust hätte, mit mir gemeinsam was aufzuziehen. Mir schwebte ein Duo vor, das so viel wie möglich live spielt, musikalisch vielfältig, ungewöhnlich gut groovend. Sie hatte leider kein Vertrauen in die Idee und zog sich im Herbst 2016 aus dem Projekt zurück. So ein Album zu realisieren ist kein Pappenstiel, in jeder Hinsicht. Und am Ende waren unsere Vorstellungen und Energien auch zu verschieden. Insofern habe ich Verständnis für ihre Entscheidung.

"Meilenstein" ist auch so ein Titel, der hängen bleibt. Sehr sparsam arrangiert und mit melancholischem Inhalt. Der ist mir bei Deinem Konzert hier in Castrop-Rauxel Anfang des Jahres schon aufgefallen. Welche Idee steckt dahinter? Wie bist Du auf diesen Text gekommen?
Einer meiner Lieblingstexte auf diesem Album. Weil er so einfach und dennoch vielschichtig, sogar humorvoll ist. Die Möglichkeit, dass einem der eigene Herkunfts- und Lebenshintergrund im Weg stehen könnte, aber auch die Erkenntnis, dass man, egal wie alt man ist, auf ein Leben zurückblickt. Das minimalistische Arrangement ist typisch KF. Man hätte aus dem Song alles machen können, von einer R'n'B-Ballade bis hin zu einem leichten Bossa Nova-Popsong. Mir schwebte eher der "sprichwörtliche" Weg vor, der bereits vor dem Einsetzen des eigenen Selbstbewusstseins gegangen wird. Also habe ich alle Musiker mit bildhaften Beschreibungen auf diesen "marching band"-Ansatz geführt.

Auch "Wohin gehst Du wenn Du schläfst" hast Du bereits in Castrop-Rauxel vorgestellt. Auch der blieb hängen und auch hier stelle ich die Frage, welche Idee diesem Lied zu Grunde liegt.
Den Song spiele ich seit 2010. Den Text habe ich von einem Freund von mir geschickt bekommen, Roman Mauer. Ich habe die Musik dazu geschrieben. Es sind die Gedanken einer Person, die nachts neben einem geliebten Menschen wach liegt, sich sorgt, über das Leben, das Lieben, das Sterben.

003 20181017 1435366911"NY loves me" ... Inwiefern wirst Du von einer Metropole weit weg über dem großen Teich geliebt? Welche Verbindung hast Du zu New York?
Der Satz "NY Loves Me" stand auf einem T-Shirt, als freche Variante von dem bekannten "I Love NY". Das T-Shirt war schon etwas älter, längst zum Schlafshirt "degradiert", der Schriftzug verwaschen, bröckelig. Ich habe dem Gitarrenpart zugehört und mir vorgestellt, in was für einem Zimmer dieses T-Shirt in der Ecke liegen könnte. Und wie die Stimmung darin ist. New York, Berlin, Paris, Gera ... sind alles nur Namen für mögliche Sehnsuchtsorte, Begriffe, die irgendetwas in einem auslösen sollen. Das muss nicht immer tiefgründig sein. Wer Madrid oder Mailand mit "Hauptsache Italien" ergänzt, weiß wieviel Vergnügen ich auch an solchen geflügelten Querverbindungen habe.

Jetzt habe ich schon so einige Titel angesprochen ... Gibt es einen Dir sehr wichtigen Song auf der Platte, den wir hier nicht vergessen sollten zu erwähnen?
Ich könnte Dir zu jedem Song etwas Besonderes erzählen, sogar zu dem Dada-Text von "Sieben Tage Regen". "Tiefenschärfe" möchte ich erwähnen, weil mich die spannende Persönlichkeit Vivian Maier dazu inspiriert hat. Die Fotografin, die Zeit ihres Lebens versucht hat ihre Spuren zu verwischen, nebenbei noch das "Selfie" erfunden hat, wie ich finde, und deren Bilder erst kurz vor ihrem Tod entdeckt wurden, weil sie den Mietzahlungen für ihre Lagerräume nicht mehr nachgekommen ist. Und "Salz in der Suppe der Sehnsucht" - eine Wesensbeschreibung, die ich im Vorwort zu einem Buch mit Biografien Schwarzer Deutscher Frauen gefunden habe. Das Vorwort stammt von Audre Lorde, eine Schwarze lesbische Dichterin und Aktivistin, die auf keinen Fall ihre Spuren verwischen wollte, sondern Zeit ihres Lebens dafür gesorgt hat, dass die Leben Schwarzer Frauen wahr- und ernstgenommen und respektiert werden. Aber der Song ist ganz persönlich. Das einzige gesellschaftspolitische an diesem Song ist, dass ich durch die Namensnennung und detaillierten Beschreibung der Herkunft dieses Satzes im Cover meiner CD zeigen will, dass ich mir nicht einfach einen so wundervoll poetischen Satz aneigne, ohne die Urheberin zu nennen.

004 20181017 1388089641Apropos Platte: Das Album erschien hauptsächlich digital. Man kann es also nur runterladen oder streamen. Wer es in der Hand haben möchte, muss Dich anschreiben oder Deine Konzerte besuchen, und erhält es dann auf CD. Hast Du mit der physischen Veröffentlichung Deiner Musik abgeschlossen? Ist das eine Art "Aufgeben"?
Nein, das ist ein Missverständnis. Ich habe eine ganz offizielle CD herstellen lassen, die man über meinen Webshop www.katharinafranck.de/shop bestellen kann. Nur arbeite ich weder mit einem Label, noch einem Vertrieb zusammen. Die Digitale Release läuft über das Label Sans Soleil und dem Vertrieb Zebralution, so wie alle meine Solo-Veröffentlichungen.

Die Fans Deiner Musik sind doch gerade die, die noch CDs und Platten kaufen ... Oder hast Du zuletzt etwas anderes beobachtet?
Ich finde nicht, dass man das so bestimmen kann. Das Hauptproblem ist, wie kann ich bei der Fülle an täglichen Neuerscheinungen mein sogenanntes Zielpublikum erreichen. Ich bin mir natürlich bewusst, dass ich das kommerzielle Potenzial dieses Albums so nicht komplett ausschöpfen werde. Aber es ist zeitlos und für jeden erhältlich, der auf dem einen oder anderen Weg mir und meiner künstlerischen Arbeit begegnet.

Zurück zur Musik, bzw. erstmals eine Frage zur Musik: Wie würdest Du das selbst beschreiben, was man auf dem Album hören kann? Würdest oder könntest Du Deine Musik kategorisieren oder möchtest Du Dich da gar nicht festlegen?
Ja, ich lege mich nicht fest, weil ich gar nicht auf diese kategorisierende Art an die Arbeit gehe. Das spannende an dem Album "Musik! Musik!" ist, dass alle Musiker zu den jeweiligen Solo-Performances meiner Songs gespielt haben. Es gibt keinen Click-Track, ich gebe das Metrum vor. Alles Nachträgliche ist dazu gespielt. Wenn ich mich zurücklehne, muss das die Band auch tun. Wenn ich das Tempo anziehe oder wild werde, muss die Band das auch, oder sie muss aussetzen und an anderer Stelle wieder einsteigen. Das ist Teil des jeweiligen Arrangements.

Bei den Arrangements fallen einige Songs besonders auf, wie z.B. "Himmel und hier", wo mal locker flockig eine Posaune Verwendung fand. Wie kommt man auf diese besonderen Zutaten und diese Feinheiten? Hat man die vorher schon beim Schreiben der Songs im Kopf oder entsteht das erst im Studio?
Beim Schreiben eines Textes höre ich den jeweiligen Song an die hundert Mal. Dass die Basslinie von "Der Himmel und Hier" von einer Posaune gedoppelt werden sollte, habe ich irgendwann im Ohr gehabt. Ich sehe diese Linie vor mir und der Zug des Instruments macht in meiner Vorstellung eine tänzerische Bewegung. So soll die Linie dann interpretiert werden.

In den Credits stolpert man dann u.a. auch über bekannte Namen aus RAINBIRDS-Zeiten. Eine Art Klassentreffen im Studio?
Außer dem Schlagzeuger Tim Lorenz war kein weiterer Rainbird beteiligt. Bassist Markus Runzheimer habe ich in Reinhardt Repkes' Club der Toten Dichter kennengelernt. Mit Christoph Bernewitz, Fred Sauer, Jo Ambros, Antonia Hausmann und Jan-Frederick Berendt habe ich zum ersten Mal zusammengearbeitet. Peter Hinderthür war Bassist und Co-Produzent meines zweiten Soloalbums "Standing On The Verge Of An Autobiography". Nur Leonhard Eisenach und mein Co-Produzent und Engineer Clemens Matznick waren etwas näher dran. Leo war Bassist in der Live-Besetzung zu Rainbirds "Yonder" und Clemens hat einen großen Teil der Songs auf Rainbirds "Yonder" gemischt.

Du hast ja mal erzählt, dass die Trennung von einigen der ehemaligen Kollegen nicht so freundlich abgelaufen ist. Hast Du - mit Ausnahme der zuletzt mit Dir im Studio arbeitenden Kollegen - zu anderen ehemaligen Musikern Deiner Band denn noch engeren Kontakt?
Mein engster Kontakt besteht nach wie vor zu Udo Arndt, dem Produzenten vom ersten und zweiten Rainbirds-Album, der auch das dritte Rainbirds-Album "Two Faces" gemischt hat und mein erstes englischsprachige Soloalbum "First Take Second Skin" co-produziert hat. Wir besuchen uns gegenseitig und halten uns auf dem Laufenden.

Wir sprachen am Rande unseres Konzerts in Castrop-Rauxel Anfang des Jahres ja schon darüber, aber ich frage Dich jetzt in diesem Interview ganz offiziell nochmal: Ist das Kapitel RAINBIRDS für Dich nun endgültig abgeschlossen, oder erfährt der spannende Roman nach dem Cliffhanger 2014 noch eine Fortsetzung?
Meine Gedankenspiele gehen eher in Richtung eines Nachfolgealbums für "Zeitlupenkino". Aber die Texte müssen erst einmal geschrieben werden. Und ob sie dann auch noch vertont werden, von mir, oder von jemand anderem, weiß ich jetzt noch nicht. Es gibt tolle Künstler*innen da draußen, mit denen ich mich gerne mal zusammentun würde. Es muss auch nicht immer gleich ein ganzes Album sein.

Du hattest ein Comeback der Rainbirds bzw. ein Wiederbeleben des Namens schon einmal ausgeschlossen und bist 2014 mit zwei neuen Jungs an Deiner Seite und "Yonder" wiedergekommen. Was macht Dich so sicher, dass es keine weitere Wiederauferstehung geben wird?
Ich bin mir gar nicht sicher, aber ich beschäftige mich auch nicht ständig damit. Rainbirds ist längst ein Label und keine, an bestimmte Personen geknüpfte Band mehr. Nur ohne mich geht es halt nicht.

Eine reine Tour zum neuen Solo-Album gibt es wohl nicht, oder habe ich die Termine nur nicht gefunden?
Ja, es gibt keine explizite "Musik! Musik"-Tour. Und auch lediglich ein Konzert in kompletter Bandbesetzung. Darauf freue ich mich, aber ich genieße die Freiheit meiner Soloauftritte sehr. Das Repertoire setze ich mit Songs aus über 30 Jahren zusammen, je nachdem wie sich die Geschichte, die ich zwischen den Songs erzähle, entwickeln soll. Die reißt sich auch manchmal los ;-). Es ist immer wieder spannend. Mit einer kompletten Band, oder eben auch im Duo oder Trio, könnte ich zwar mehr Songs noch vom neuen Album spielen, aber unter den aktuellen Konditionen kann ich von den vielbeschäftigten Musiker*innen kaum verlangen, dass sie sich mal eben 30-40 Songs raufschaffen, damit ich spontan sein kann.

Du bist also das ganze Jahr live unterwegs und man kann Dich jederzeit buchen? Auch noch mit anderen Programmen oder ab sofort nur mit dem "Musik! Musik!"-Programm?
Ich bin seit Neustem Teil des neuen musikalischen Projektes eines alten Kollegen. Ich gehe mit Reinhardt Repkes Club der Toten Dichter und "Fontane neu vertont" ins Studio und Ende März 2019 auf Tour. Die Anfrage kam völlig überraschend und meine Entscheidung mitzumachen ist keine drei Wochen alt. Eigentlich hatte ich geplant, in 2019 für eine Weile auszusetzen, zu lesen, zu schreiben, mal abgesehen von der eine oder andere Song-Co-Op mit Kollegen. Dass ich nun doch so viel unterwegs sein werde, habe ich erst nach längeren Gesprächen mit meiner Familie und engsten Freund*innen entschieden.

Eine Frage noch zum Abschluss. Wir haben ja jetzt schon ein paar Interviews gemacht und fast alles von Dir unter die Lupe genommen. Erzähl doch mal wie es dazu kam, dass Du das schöne Portugal für ein Dir unbekanntes Deutschland verlassen hast.
Erst einmal wollte ich natürlich, wie fast alle jungen Leute, mein Elternhaus verlassen um selbstständig zu werden. Ich bin kurz vor meinem 18. Geburtstag nach Deutschland gekommen. Meine erste Adresse war ein Musikmanager aus Bonn, der per Inserat für eine Band eine Sängerin suchte. Es war zwar nicht der Anfang meines Musiker*innenlebens, ich hatte ja in Portugal schon in Bands gesungen und sogar eigene Songs aufgenommen, aber es war doch noch ziemlich am Anfang meines Werdeganges.

Ich danke Dir für die Zeit und die Antworten auf meine vielen Fragen. Möchtest Du noch ein paar letzte Worte an unsere Leser richten?
Ich danke Dir! An die Leser, nur noch dies: Wenn wir uns demnächst bei meinen Auftritten begegnen, dann reden wir weiter! :-)



Interview: Christian Reder
Fotos: Pressematerial, Judith Rahner, Christine Meyer, Adam Glagla








   
   
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