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Interview vom 21. September 2018



BOBO oder BOBOLINA sagt man zu Christiane Hebold, und daher kommt auch das "BOBO" im Namen ihrer Band BOBO IN WHITE WOODEN HOUSES. Über diese Band ist das Schaffen der Künstlerin jedoch schon lange hinaus gewachsen. Nach den 90ern und Erfolgen im Indie-Rock und Indie-Pop gab es Ausflüge in verschiedenste Richtungen.001 20180926 1915546235 Die aktuelle bunte Blumenwiese, auf der sich BOBO nach Herzenslust auspowern kann, ist die Weltmusik. Hier wird deutsche Dichtkunst mit der Musik aus allen Ecken unseres Planeten vereint, und einen Preis hat sie mit ihrem Bühnenpartner Sebastian Herzfeld dafür auch schon erhalten. Jetzt erscheint mit "Blick in den Strom" das dritte Album von BOBO & HERZFELD (Rezension: HIER) und unser Kollege Christian nahm dies zum Anlass, mit der Musikerin ein ausführliches Gespräch über ihr aktuelles Projekt, Vergangenes und Zukünftiges zu plaudern. Das Ergebnis findet Ihr hier ...




"Blick in den Strom" ist das dritte Album von Dir und Sebastian Herzfeld alias BOBO + HERZFELD. Ihr beiden kennt Euch schon ganz lange, sogar schon längere Zeit bevor Ihr zusammen als Duo arbeitet, richtig?
Ja, wir kennen uns wirklich schon ewig und haben früher einmal zusammen in einer Jazzrockband gespielt. Sebastian war der Bassist der Band und ich weiß noch, wie er mir damals für unsere erste Probe einen Monitor mit einem Fahrradanhänger durch die Stadt gefahren hat. Das war der Beginn unserer Freundschaft.

Euer erstes gemeinsames Album "Lieder von Liebe und Tod" bekam 2008 den Musikpreis "Ruth", nämlich dafür, dass Ihr Volkslieder mit eigenen Ideen zu Weltmusik gemacht habt. Wie seid Ihr denn damals auf die Idee gekommen, das so zu verbinden?
Da muss ich vielleicht ein bisschen weiter ausholen. Wir hatten uns zwischendurch viele Jahre aus den Augen verloren, ich war in den Neunzigern mit meiner Band unterwegs und Sebastian hat in dieser Zeit vor allem Musik für Theaterproduktionen geschrieben. Als wir uns dann nach einem meiner Konzerte wieder trafen, erzählte er mir, dass er gerade Lieder zu Texten von Joseph von Eichendorff für eine Theaterproduktion am Puppentheater geschrieben hat, und fragte mich, ob ich die eventuell dafür einsingen würde. Ich fand die Lieder gleich beim ersten Hören großartig, die alten Texte und seine schwebenden Pizzicato Klanglandschaften hatten für mich etwas total Vertrautes. Ich bin ja mit Chorälen und romantischen Liedern aufgewachsen und hatte damals gerade angefangen, ein paar düster romantische Volkslieder aufzunehmen, die ich immer am Lagerfeuer zur Gitarre gesungen hatte. Mir schwebte damals ein deutschsprachiges Album mit melancholischen Liedern vor, so was Ähnliches wie Nick Cave's Murder Ballads. Lieder, die zeitlos sind und von grossen Themen wie Liebe und Tod erzählen. Und dann haben wir Herzfelds Gedichtvertonungen und die Volkslieder zusammengebracht und unser erstes Album "Lieder von Liebe und Tod" genannt.

Das erste Album lief aber noch unter dem Namen BOBO, richtig? Zumindest stehst nur Du auf dem Cover der CD, die ich hier vorliegen habe ...
Das war so, weil ich einen Vertrag als Solokünstlerin mit dem Berliner Label Traumton hatte, mit dem wir seitdem zusammen arbeiten. Beim zweiten Album haben wir den Namen dann in BOBO & Herzfeld geändert, weil dieses Projekt eine gleichberechtigte Zusammenarbeit von uns Beiden ist.

Knapp fünf Jahre später, also 2013, kam "Liederseelen" heraus. Da habt Ihr Euch deutsche Dichter der Romantik vorgeknöpft, und jetzt, wieder fünf Jahre später, folgt mit "Blick in den Strom" das nächste Werk. Zufall, oder sind diese fünf Jahre zwischen den Platten so beabsichtigt?
Ich frage mich auch manchmal, warum schon wieder so viel Zeit vergangen ist, aber es ist ja auch immer so viel los. Wir haben ja beide auch noch andere Projekte und alles, was das Leben sonst noch so mit sich bringt. Ich sage immer, das Wichtigste ist, die Termine rechtzeitig zu blocken, alles andere findet sich dann schon. Sebastian schreibt viel Musik für Film und Theater und arbeitet oft auch in anderen Städten. Und ich mache meine eigenen Sachen und arbeite als Stimmbildnerin und Vocalcoach'in in Berlin.

Wenn Du es beschreiben müsstest: Was erwartet den Hörer Eures neuen Albums? Würdest Du sagen, dass Ihr Euch musikalisch treu geblieben seid, was das in Szene setzen der Gedichte von Lenau, Rilke und Goethe betrifft, oder empfindest Du die neuen Lieder als Weiterentwicklung?
Ja, wir sind weiter auf den Pfaden der Romantik gewandelt, die drei Alben sind eine Art Trilogie mit Texten aus der Zeit der Romantik, mit ähnlichem Spirit. "Blick in den Strom" ist getragener und sphärischer, und irgendwie auch experimenteller. Eine Art Mischung aus modernem Kunstlied und experimenteller Instrumentalmusik. Neu sind Yegors Akkordeonsounds, die die Arrangements orchestraler und sakraler machen und neue Farben reinbringen.

Ich habe schon ein paar Namen genannt. Nach welchen Kriterien habt Ihr Euch die Gedichte ausgewählt, um sie letztlich in Liedform zu bringen? Ging es ausschließlich um die Inhalte oder war auch der Name des Dichters ein gewichtiges Argument für eine Verarbeitung zu Musik?
Der Text ist für mich immer die Seele eines Liedes. Welche Worte berühren, welche Gedanken und Gefühle will ich gerne immer wieder singen? Das sind ja schließlich auch mächtige Energien, die man da immer wieder durch seinen Körper fließen lässt. Ich suche nach zeitlosen und universellen Themen. Gedichte, die schon beim Lesen wie Musik sind. Bei Eichendorff und Goethe werden wir eigentlich immer fündig. Und dann habe ich glücklicherweise auch einen Lyrikberater, der mir immer schöne Sachen ans Herz legt, auf die ich alleine nicht kommen würde, wie das Lenau Gedicht "Blick in den Strom".

Gerade merkte ich noch an, dass auf der ersten CD nur Dein Name stand. Auf der dritten ist nunmehr noch Yegor Zabélov mit aufgeführt. Kannst Du den Lesern diesen Musiker mal etwas näher vorstellen? Wo kommt er her und vor allem, wie fand er zu Euch?
Das war ein herrlicher Zufall. Herzfeld und ich waren in dem Film "Sound of Heimat" zu sehen, das ist ein Dokumentarfilm von Arne Birckenstock über Musiker in Deutschland, die sich in irgendeiner Form mit traditionellem Liedgut beschäftigen. Der neuseeländische Musiker Hayden Chisholm, mit dem wir dann später auch zusammen gespielt haben, fährt durch das ganze Land und interviewt die verschiedensten Musiker, die auf ganz eigene Weise mit altem Material umgehen. Er befragt Leute zu dem oft zwiespältigen oder sogar ablehnenden Gefühl der Deutschen zu Liedern ihrer eigenen Kultur. Der Film war ziemlich erfolgreich und daraufhin kamen auch die Leute auf uns zu, die das internationale Akkordeonfestival in Halle organisieren. Sie wollten uns gern auf das Festival einladen, aber wir konnten natürlich nicht ohne Akkordeon auf einem Akkordeonfestival spielen. Und es war ihre Idee, uns den Kontakt von Yegor zu geben und wir haben ihn gefragt, ob er für ein Konzert den weiten Weg aus Weißrussland auf sich nehmen würde. Er hat sofort zugesagt, obwohl es erstmal nur als ein einmaliges Konzert im Hallenser Opernhaus geplant war. Er kam dann, bestens vorbereitet, und es hat sofort alles zusammengepasst. Er ist ein wirklich großartiger und unkonventioneller Akkordeonvirtuose. Und wir sind glücklich, dass er seitdem immer den weiten Weg aus Minsk auf sich nimmt und mit uns im Trio spielt.

Wie kann man sich den Entstehungsprozess einer neuen Platte bzw. neuer Lieder bei Euch vorstellen? Wie ist da der Arbeitsablauf. Bist Du in den Entstehungsprozess der Kompositionen und Arrangements der Stücke involviert oder ist das ausschließlich die Aufgabe von Sebastian?
Für dieses Album habe ich zuerst nach Gedichten zu Themen wie Freiheit, Freundschaft und Fremde gesucht. "Der Freund" von Eichendorff ist ein Lied über die Stürme des Lebens, "Wolken Wälderwärts" ein Sehnsuchtslied mit vielen Naturgleichnissen, und "In der Fremde" könnte das Lied eines Geflüchteten unserer Tage sein ... Sebastian sucht sich davon aus, was ihn zu Liedern inspiriert. Dann nimmt er erstmal allein ein Demo auf, entwirft eine Melodie und spielt Klavier oder Harmonium dazu. Dann suchen wir die passende Tonart für meine Stimme und ich ändere während des Zusammenspielens die Melodie hier und da, wir suchen zusammen nach der besten Struktur. Aber da er alle Instrumente spielt, sage ich meistens nur sowas wie, "ja toll, so in diese Richtung weiter", oder sage ihm Bilder wie, "... das sollte klingen wie ein grosses bewegtes Wasser." Und da wir schon so lange zusammen arbeiten, geht das alles inzwischen ziemlich mühelos. Er sagt dann wiederum solche Sachen zu mir wie, "Sing das mal so, als würdest Du ein Hieronymus Bosch Gemälde betrachten."

Gibt es auf dem neuen Album für Dich ein Lied, das besonders ist und das aus den anderen hervor sticht, oder hast Du unter den zwölf Liedern keinen Favoriten?
Hm, gar nicht so einfach ... Wahrscheinlich "Der Freund" von Eichendorff. Oder "Freudvoll, leidvoll" von Goethe. "In der Fremde" von Eichendorff finde ich besonders stark. Ein Text, der die Gefühle eines Menschen in der Fremde, wo auch immer auf der Welt, schmerzlich beschreibt. Mit den Zeilen, "Und keiner kennt mich auch hier" am Ende.

Nun ist das, was Ihr da macht, ja sehr speziell und spricht naturgemäß nur einen begrenzten Kreis von Leuten an - allein schon der Sprache wegen. Für Radio und TV scheint Eure Musik eher nicht geeignet und in bestimmten Kreisen der Bevölkerung dürftet Ihr sicher auch nur fragende Gesichter erzeugen. Wen möchtet Ihr mit Eurer Musik ansprechen?
Wir haben keine bestimmten Erwartungen und Vorstellungen, wem was gefallen könnte. Wir versuchen, die Essenz einzufangen. Manchmal kommen die besten Versionen der Lieder erst zustande, wenn wir sie eine Weile live spielen. Von "Blick in den Strom" haben wir inzwischen vier verschiedene Arrangements. Das Lied scheint wie das Wasser selbst zu sein, ständig anders. Aber, um auf Deine Frage zurück zu kommen, im Radio wird unsere Musik vor allem in Kultursendungen gespielt, Deutschlandradio, und was in diese Richtung geht. Es gibt ja doch viele Leute, die sich für Kunst, Poesie und Musik jenseits des Mainstreams interessieren. Feuilleton für die Ohren, oder Randgruppenpop.

Wie sieht das Interesse des Publikums bei den Konzerten aus? Was sind das für Menschen, die zu Euch kommen, und wie reagieren sie auf Euer Bühnenprogramm?
Wir spielen zwar nicht allzu viel live, aber wenn, dann meistens an wirklich schönen und besonderen Orten. Wo Leute hingehen, die offen für Neues sind oder die wissen, dass die Veranstalter dort interessante und alternative Konzertprogramme haben. Manche kommen natürlich auch, weil sie mich noch von Bobo in White Wooden Houses kennen, und mal hören wollen, was ich jetzt so mache. Aber die meisten interessieren sich, glaube ich, für diese Melange von Poesie und Musik.

Apropos Bühnenprogramm: Mit der neuen Platte seid Ihr ab September auch auf Tour. Die Termine reichen bis ins nächste Jahr. Was habt Ihr für die Tour vorbereitet? Spielt Ihr das komplette Album live und streut ausgewählte Nummern der vorherigen Alben mit ein?
Ja, wir spielen alle Lieder vom neuen Album, Yegor gibt eines seiner furiosen Solostücke zum Besten und dann gibt es noch ein Best of von "Liederseelen" und "Lieder von Liebe und Tod".

Ich würde gern mit Dir jetzt mal in die Geschichte eintauchen und gucken, wo Bobo alias Christiane Hebold herkommt und wie sie zur Musik fand? Wollen wir das machen?
ja gerne ...

Wenn meine Aufzeichnungen stimmen, bist Du 1967 in Gräfenhainichen geboren, in Ziesar aufgewachsen und in Halle/S. zur Schule gegangen. Stimmt das?
Stimmt so ein bisschen. Geboren bin ich in Merseburg und wir haben in Ziesar und Gräfenhainichen gewohnt, bevor ich nach Weimar gegangen bin. Und ja, soll man mich ruhig jünger machen!

Dein Vater war Pfarrer. Das ist von Rock'n'Roll und der Musik, die Du später ja gemacht hast, weit weg. Wie und wo hast Du Deine Leidenschaft zur Musik entdeckt?
Meine Eltern sind ja beide Kirchenmusiker und Musik machen gehörte bei uns immer zum Alltag. Singen habe ich von Kindheit an geliebt, mit meiner Mutter habe ich jeden Tag die Liederbücher hoch und runter gespielt, sie hat mich am Klavier begleitet und ich wusste schon sehr früh, dass ich eine Sängerin bin. Das war wohl meine Bestimmung.

Mit 13 Jahren sollst Du der Legende nach Deine erste eigene Band gegründet haben, stimmt das?
Ja, genau ...

Wie hieß die?
Candle.

Was war das für eine Band, aus wem bestand sie und was habt Ihr für Musik gemacht?
Wir waren drei Freundinnen und haben alle möglichen Folksongs gespielt, deutsche und englische. Eine von uns hat auch schon eigene Lieder geschrieben, und ich wurde als Leadsängerin auserkoren.

Wer jetzt richtig gerechnet hat weiß, dass das ungefähr 1980 gewesen sein muss. Und das in einem Land, wo man nicht mal eben eine Band gründen und ohne "Führerschein" öffentlich auf eine Bühne gehen durfte. Wie haben Eure Auftritte damals denn ausgesehen und wo habt Ihr gespielt?
Ja das war in der Zeit, wir waren Teenager. Ein paar Mal haben wir in Kirchen gespielt und sonst nur auf irgendwelchen Wiesen am Rande von Folkfestivals, sind mit unseren Gitarren rumgetrampt. Unser größter Auftritt war in einer Kirche in Dresden, in die uns Bernd Aust von electra eingeladen hatte.

Wie lange ging das mit dieser Band?
Oh, das weiß ich gar nicht mehr so genau, vielleicht zwei oder drei Jahre ...

Bist Du direkt nach der Schule auf die Musikhochschule in Weimar gegangen oder hast Du zuerst einen anderen Beruf erlernt?
Ich wollte Krankenschwester werden, wie sich das für eine Pfarrerstochter in der DDR gehörte, aber dann hat sich durch einen glücklichen Zufall ergeben, dass ich doch gleich nach der Schule mit dem Gesangsstudium in Weimar anfangen konnte. Da war ich 17. Das war das einzige Studium, das man ohne Abitur machen konnte, und ich war ja auch nicht in der FDJ. Aber bei Musikern hat man manchmal eine Ausnahme gemacht.

Ich nehme an, dass Du auch in den 80ern und während Deines Studiums nicht untätig warst und Musik gemacht hast. Gab es weitere Bands oder wie sah Dein musikalischer Werdegang bis 1990 aus?
Während des Studiums, und das schließt sich er Kreis, habe ich in einer Jazzrockband in Halle gesungen, in der Sebastian Herzfeld Bass gespielt hat. Wir haben Songs gecovered und hatten noch ein Quintett in fast der selben Besetzung, mit dem wir in Hotelbars Jazzstandards gespielt haben.

Hast Du die Hochschule mit Abschluss verlassen?
Ja, und glücklicherweise habe ich damals auch gleichzeitig Gesangsmethodik studiert. Seit Anfang 2000 arbeite ich ja auch als Stimmbildnerin und Vocalcoachin, das nährt mich und das sehe ich auch als eine meiner wichtigsten Lebensaufgaben.

Nach der Wende im Jahre 1990 zog es Dich nach Berlin. Das hat es davor auch schon viele Musiker in der DDR, aber die DDR gab es ja nun nicht mehr. Waren die Gründe für den Umzug nach Berlin trotzdem die gleichen wie für andere Kollegen in den Jahren davor auch - sprich Musikhauptstadt?
Wir haben immer gescherzt, "Wenn schon Provinz, dann Berlin." Ich hatte schon immer einen Drang, in die weite Welt zu kommen und damals war Berlin das Ultimative. Ich habe eine Wohnung im Friedrichshain besetzt und Dank der lottrigen Umstände hatte ich die dann auch bald sicher.

Eine Begegnung mit großer Nachhaltigkeit war die mit dem Gitarristen Frank Heise. Wann und wie habt Ihr Euch genau kennengelernt?
Heise und ich haben zusammen studiert, obwohl wir damals eigentlich noch gar nicht so viel miteinander zu tun hatten. Er hat mit meinem damaligen Freund in einer Band gespielt, die ATA hieß. Sie haben Punk und Ska gespielt und mein Freund hat ihn dann zu uns nach Berlin geholt. Ich hab' mich selbst gewundert, dass Frank eingewilligt hat, mit mir zu spielen, denn ich dachte, ich wäre ihm viel zu poppig. Dabei war er viel poppiger als ich!

Kann man sagen, dass es BOBO IN WHITE WOODEN HOUSES nicht gegeben hätte, wenn Ihr Euch nicht über den Weg gelaufen wärt?
Das sicher nicht, denn ich hatte vorher schon angefangen mit verschiedenen Musikern zu proben und hatte, bevor Frank dazu kam, schon mit mehreren Besetzungen gespielt. Das war die Zeit, in der viele nach Ungarn gegangen sind, jede Woche hat sich was geändert. Es hat eine Weile gebraucht, bis wir uns alle gefunden hatten. Aber mit Lexa Schäfer, Frank Heise und Uli Lange habe ich unser erstes Album aufgenommen. Das ist die Urbesetzung der Band.

Erzähl doch bitte mal, wie diese Band entstanden ist. Das muss ja alles ziemlich schnell gegangen sein, denn noch im gleichen Jahr, als Du nach Berlin kamst, nämlich 1990, habt Ihr die Kapelle auf die Beine gestellt ... Wo kamen Uli Lange und der vorher schon bei Stern Meissen und Maschine am Bass spielende Lexa Schäfer her und letztlich zu BOBO ...?
Mein Freund Emu, der dann auch unser Manager wurde, hat mir die Jungs immer ins Haus gebracht. Ich selbst war damals noch sehr zurückhaltend in der Beziehung. Lexa kannten wir auch aus Weimar und ich weiss selbst nicht mehr genau, wie eigentlich Uli Lange zu uns kam. Die Jungs haben alle in verschiedenen Bands gespielt, aber Emu war da rigoros, was in der Beziehung ziemlich gut war. Er hat immer gesagt, entweder spielt ihr nur mit Bobo, oder gar nicht. Das hat zumindest eine Zeitlang geklappt ...

Wir reden über eine Zeit, in der es - anders als heute - noch nicht ganz so leicht war, bei einer Plattenfirma unter zu kommen. Trotzdem ist es Euch gelungen, Euer erstes Album 1992 sogar bei Polydor auf CD zu veröffentlichen. Wie habt Ihr es geschafft, so schnell bei einem Label zu landen?
Emu war unheimlich ambitioniert und konnte Leute mitreißen, hat alles schnell durchblickt und die Connections gemacht. Kurz nach der Wende haben ja auch alle interessiert gen Osten geschaut. Er hat Konzerte und Geld organisiert, wir waren eine passionierte Liveband und in Windeseile kamen viele Leute zu unseren Konzerten. Das war 'ne schöne wilde Zeit.

Du hast irgendwann mal den Stempel "Deutschlands Pop-Hoffnung aus dem Osten" aufgedrückt bekommen. War das für Dich eine passende und schöne Beschreibung Deiner Person und Deines Talents, oder fandest Du das in Anbetracht der Tatsache, dass die Einheit Deutschlands ja schon ein paar Monde her war, eher daneben?
Nein überhaupt nicht, ich fand, dass ich eine Hoffnung sein sollte, wohl eher schmeichelhaft. Und der Zusatz "aus dem Osten" ging völlig Ordnung. Kannste meinetwegen immer noch sagen.

Bis 1995 erschienen drei Studioalben und die Band hatte eine treue Stammhörerschaft. Dann nahm sich Frank Heise das Leben? Was hat ihn zu so einem Schritt gebracht und gab es vorher Anzeichen dafür, dass er des Lebens überdrüssig war?
Das war ein totaler Schock. Ich wünschte, wir hätten besser auf ihn aufpassen können. Aber er war schon eine ganze Weile vorher aus der Band ausgestiegen, und wir haben eine zeitlang wenig von ihm gehört. Wir haben dann das dritte Album in völlig neuer Besetzung aufgenommen, und Heise hat nur noch auf einem Lied, "Cosmic Ceiling", Gitarre gespielt. Die Melodie, die das Lied so besonders macht, war von ihm.

Danach ging es auch für die Band nicht weiter. War diese Tragödie der ausschlaggebende Punkt für das Ende von BOBO IN WHITE WOODEN HOUSES?
Ja, mit ihm ging diese erste, unbeschwerte Zeit zu Ende. Aber wie gesagt, wir hatten uns vorher schon getrennt und mit "Cosmic Ceiling" wollte ich dann auch ganz bewusst in eine andere musikalische Richtung gehen. Das war eine Zeit, in der ich alles anders machen wollte und ich auch von elektronischer Musik beeinflusst war. Instinktiv wusste ich auch, dass ohne ihn etwas Neues kommen musste, denn er war nicht ersetzbar.

Erschien das Album "Cosmic Ceiling" eigentlich vor oder nach Franks Tod?
Frank ist im März von der Erde gegangen, im April kam meine Tochter Camille auf die Welt und das Album wurde im gleichen Monat veröffentlicht. Ich kann es kaum selbst glauben, während ich das hier erzähle. Freud und Leid zeitlich so dicht beieinander.

Du hast anschließend an verschiedenen Projekten mitgewirkt und mit dem London Session Orchestra sogar ein erstes eigenes Album veröffentlicht, auf dem sich auch Songs Deiner Band befinden. Wie kam es dazu?
Auch das habe ich eigentlich Emu zu verdanken, er hat Wil Malone, den grossartigen Arrangeur aus London, der schon für Led Zeppelin, Massive Attack, Nenneh Cherry und Depeche Mode und viele andere Orchesterarrangements geschrieben hatte, einfach eine Kassette von uns geschickt. Wir konnten es selbst kaum glauben, dass er sofort zugesagt hat. Zum Teil waren es unsere eigenen Lieder, die er für Orchester arrangiert hat und dann haben wir noch ein paar schöne Coverversionen dazu genommen. "Black Hole Sun" von Soundgarden aufzunehmen, war Wils Idee. Und ich bin ihm immer noch dankbar dafür.

Im Jahre 2001 gab es ein Bandprojekt namens ALASKA. Wer gehörte dazu und mit welchen Zielen seid Ihr damals in den Proberaum gegangen?
Nach dem Orchesteralbum wollte ich unbedingt wieder eine Band. Rock. Alles sollte neu sein, sogar der Bandname, weil alle Musiker neu dazu kamen. Olsen Involtini, der seit ewigen Zeiten Tonmann von Rammstein ist und Seeed produziert hat, an der Gitarre, Sascha Moser am Schlagzeug und Tim Schallenberg am Bass. Wir waren zwei Jahre jeden Tag im Proberaum und haben zusammen alle neuen Songs geschrieben, die Jungs haben die Arrangements gemacht und ich die Texte und Melodien. Dann sind wir ein Vierteljahr ins Studio gegangen, haben uns ein Landhotel auf Rügen gemietet und im großen Stile das Album produziert. Der Produzent war Jacob Hellner, der alle frühen Rammstein-Alben produziert hatte. Das wurde dann auch unser rockigstes Album und war in gewissen Sinne auch unser Waterloo, weil dieses Album dann nie erschienen ist. Der wundervolle Tim Schallenberg ist im letzten Jahr gestorben, was nicht nur für mich wieder ein grosser Verlust eines geliebten Menschen war. Ich weiss, dass ihm dieses Album sehr am Herzen lag und sein absolutes Lieblingslied auf dem Album war "Miner of Sensation". Es war eine grosse Sache für uns, eines der Herzstücke unseres Lebens.

Warum ist das nie erschienen und was ist aus den Liedern geworden?
Das würde zu weit führen, das alles zu erzählen. Es gab viele Schwierigkeiten und es hat uns wirklich viel gekostet, in jeder Beziehung. Die Songs waren für mein Gefühl vielleicht die besten, die ich bis dahin geschrieben hatte. Einige der Lieder wie "Remote", "Sister Sadness" oder "Source of Joy", die aus dieser Zeit stammen, habe ich dann im Alleingang einige Jahre später, mit anderen Arrangements und Musikern, 2007 neu aufgenommen und auf "Mental Radio" veröffentlicht.

Im Jahre 2004 gab es dann das Comeback von BOBO IN WHITE WOODEN HOUSES. Da die Besetzung bis auf Deine Person eine komplett andere als die in den 90ern war, liegt die Vermutung nahe, dass die Idee zur Rückkehr mit dieser Band von Dir kam. Was war der Auslöser, die Kapelle wieder auf die Bühne und später auch ins Studio zu bringen?
Die ganze ALASKA-Geschichte hat mich ziemlich ausgebremst, ich war auch vertraglich gebunden und kam da nicht raus, bis alles zurückgezahlt war. Aber dann habe ich mich irgendwann wieder aufgerappelt und mir wieder eine neue Besetzung gesucht. Das waren auch wieder alles großartige Musiker, Tim Lorenz am Schlagzeug, Stephan Gade am Bass, Thimo Sander an der Gitarre. Mit Thimo habe ich dann auch eine längere Zeit im Duo gespielt. Aber ohne den Support eines größeren Labels habe ich mich ziemlich durchbeißen müssen.

Wollte Lexa damals noch nicht wieder zurück, oder warum fehlte er in der Comeback-Besetzung und stieß erst drei Jahre später wieder dazu?
Ich hatte damals noch Befürchtungen, wieder zurückzugehen. ich wollte damals noch nicht an "Altem" anknüpfen, sondern weitergehen. "Road to move on", das war das Motto.

Das letzte Album war "Transparent", und das ist inzwischen acht Jahre alt. Besteht die Band noch, befindet sie sich nur im Pause-Modus, oder hast Du sie inzwischen aufgelöst?
Wir haben 2015 unser Jubiläumskonzert im Privatclub in Kreuzberg gespielt, 25 Jahre BOBO IN WHITE WOODEN HOUSES, und ich habe viele der Musiker, mit denen ich in all den Jahren gearbeitet habe, dazu eingeladen. Es war ein grosses Fest, das mir für immer in absolut freudiger Erinnerung bleiben wird. Aber danach hatte ich das Gefühl, das dies ein würdiger Abschluss war.

Kann man denn trotzdem noch mit neuen Liedern und einem neuen Album rechnen?
Ich habe ein paar neue Songs, die ich in den letzen Jahren geschrieben habe, und einige davon will ich auf ein neues Album nehmen. In den letzten Jahren habe ich mich ja mehr auf das Romantikprojekt mit Herzfeld und Zabelov konzentriert und da ich auch die ganze Organisation mache, war wenig Platz für anderes. Aber der Wunsch, ein neues eigenes Album aufzunehmen, wird immer größer!

Wir haben jetzt über Bobo & Herzfeld und das neue Album, sowie über Deinen Werdegang sehr ausführlich geplaudert. Ein Thema hab ich aber nicht angesprochen. Hast Du es bemerkt?
Rammstein.

Gibt es überhaupt ein Interview, in dem Du nicht darauf angesprochen wirst?
Na, meistens kommt es zur Sprache.

In jeder Kurzbeschreibung Deiner Person und auch sonst wird das immer zum Thema gemacht, dabei ist das nur ein kleiner Bruchteil dessen, was Du alles an tollen Songs und Platten in Umlauf gebracht hast. War dieser Ausflug zu den RAMMSTEINen und Dein Beitrag zu zwei oder drei Songs rückblickend betrachtet ein Fluch oder eher ein Segen?
Natürlich ein Segen! Ich finde Rammstein großartig und ich weiß es zu schätzen, dass ich damals den "Engel" gesungen habe und dass bei ihren Konzerten für einen Moment meine Stimme immer noch mit durch die Welt reist.

Kanntest Du die Jungs schon aus Feeling B-Zeiten - ich meine, die Musikszene in Berlin war damals ja ein Dorf - oder erst über Eure gemeinsame Plattenfirma Motor Music?
Die Jungs aus meiner Band waren mit den Jungs von Rammstein befreundet und dann war ich es auch. Es gab da viele Verbindungen.

Was liegt außer Bobo & Herzfeld als nächstes bei Dir an? Hast Du schon konkrete Pläne für die Zeit über das Jahr 2018 hinaus?
Vor allem sehne ich mich danach, wieder mehr Zeit für neue Songs zu haben. Singen und Gitarre spielen macht mich immer glücklich. Und am liebsten bin ich in der Natur und spiele an Lagerfeuern. Das will ich im nächsten Jahr noch mehr machen. Also, liebe Leute mit Landhäusern, Gärten oder irgendwelchen rockigen Locations, ihr könnt mich gerne einladen! Diese archaische Form, Musik zu machen, ist mir immer die größte Freude. Und mit meiner Tochter Flora Camille, die inzwischen auch eine Singer/Songwriterin ist, singen wir im Duett und vielleicht wird da bald auch noch ein Album draus. Wir lassen dann von uns hören!

Ich danke Dir für Deine Zeit und die Antworten auf meine Fragen. Möchtest Du abschließend noch ein paar weitere Worte an unsere Leser richten?
Liebe Leute, seid alle herzlich gegrüsst, danke für Euer Interesse. Ich freue mich, Euch möglicherweise irgendwo kennenzulernen, wenn sich unsere Wege kreuzen. Keep moving on! Alles Liebe, Bobo



Interview: Christian Reder
Fotos: Pressematerial, Archiv Bobo








   
   
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