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Ein Kommentar von Christian Reder



Da ist sie schon wieder Geschichte, die Verleihungsorgie der "Goldenen Henne" für dieses Jahr. Und man hat den Eindruck, als blähe sich diese Veranstaltung von Jahr zu Jahr immer weiter auf. Inhaltlich genauso wie von den Kosten … Und trotzdem fehlen dem als Festmahl gedachten Event unterm Strich ganz wichtige Zutaten, damit es schmeckt!

Schon weit vor der Eröffnung des Abends werden wir Augen- und Ohrenzeugen davon, wie sich zwei "Field-Reporter" O-Töne vom Roten Teppich einfangen. Beide haben vorher wohl die Camen-Nebel-Schule für aufgesetzte Fröhlichkeit und gekünsteltes Lachen erfolgreich abgeschlossen, und durften nun ihre überwiegend langweiligen aber stets überflüssigen Fragen an allerlei Prominenz raushauen. Wohl dem, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingeschaltet hatte. Was für eine ungelenk wirkende und bodenlos langweilige Verschwendung von Sendezeit.

Dann ging sie los, die "Geflügel-Kirmes". Die BLUE MEN GROUP eröffnete den Abend, und die sind auch viele Jahre nach ihren Anfängen in New York - eine Gruppe Performance-Künstler trat am 21. Mai 1988 blau angemalt am Big Apple erstmals auf - noch immer unterhaltsam. Feiner Beginn, tolle Darbietung. Ja, und dann wurde das Publikum dazu aufgefordert, zu dem aus der Konserve eingespielten Robbie Williams-Song "Let Me Entertain You" den Mann zu begrüßen, der uns alle die nächsten fast vier Stunden mit seinem immer gleichen Marktgeschrei nerven sollte: Florian Silbereisen. Eine Inszenierung, als käme ein Preisboxer zum Fight des Jahres aus der Umkleide … Dabei war's doch nur der Flori, dessen Bizeps genauso ausgeprägt scheint wie sein Talent, Leute gut zu unterhalten. Und weil sein Gelaber allein für die Distanz von fast vier Stunden nicht ausreicht, verpflichtete der mdr dazu noch die nicht weniger nervende ex-Gameshow-Assistentin und heutige Talk-Show-Plaudertasche Barbara Schöneberger. Hui, das versprach an dieser Stelle schon einen Riesenspaß für alle, die nicht allzu viel Wert auf Anspruch legen. Aber hey, liebe Hennen-Macher: Da sitzt ein Wolfgang Lippert im Publikum, der nicht nur weitaus sympathischer daher kommt, sondern der auch noch einen direkten Bezug zur "Henne" hat, und Ihr holt die beiden Fremdkörper hier für teuer Geld auf die Bühne? Wer auch immer das zu verantworten hat, sollte ab sofort in der Redaktion von "Du und Dein Garten" die nächsten Neuerscheinungen auf dem Gerätemarkt raussuchen dürfen aber für die Planungen des Abendprogramms nix mehr zu melden haben.

Silbereisen wurde dann auch über die komplette Distanz nicht müde, seinen nächsten Schlager-Operettenball im Januar immer und immer wieder anzupreisen, als sei das für jeden tödlich, der es verpassen wird. Dabei vergaß der Sender oben rechts in die Ecke den Vermerk "Dauerwerbesendung" einzublenden. Wenn das mal nicht abmahnfähig ist … Seine blonde Nebendarstellerin hielt ihm dabei hübsch die Stange und hatte auch reichlich Gelegenheiten, unlustig zu sein.





Kommen wir nun zu den Show-Acts und zu ganz viel Licht und Schatten. Wincent Weiss kam mit einer sehr gelungenen Version seines Hits "Musik sein" um die Ecke, und das zählte tatsächlich zur Kategorie "Licht". Das war wirklich klasse und wurde am Ende entsprechend laut vom Publikum mit Applaus abgefeiert.

Ihm folgte etwas später das Unternehmen, das sich KARAT nennt. Pünktlich zur Karnevalssaison haben die ein neues Lied in Umlauf gebracht, das schlicht "Wir" heißt und ganz wunderbar in die verrückte fünfte Jahreszeit passt. "Wir sind nett zu unseren Kollegen" oder "Wir haben ein schlechtes Gewissen" kam als Textzeile in dem von Werner Karma getexteten Song nicht vor, aber das wäre ja auch nicht sehr glaubwürdig rübergekommen, wie ich finde. Musikalisch hat das Kollegium eine Santiano-Nummer für Kassenpatienten aus der Hansi-Biebl-Komposition gemacht und reiht diese Schunkelnummer mit in die Fülle an erstklassigen Hits ein, die sie seit dem Ableben ihres großen Sängers Herbert Dreilich so abgelassen haben. Es geht doch nichts über Konstanz und Wiedererkennbarkeit. Single-Auskopplungen stellen ja nicht selten die besten Songs neuer Alben dar. Wenn das auch hier der Fall ist, freue ich mich schon jetzt auf das Endprodukt, das Anfang 2025 kommen soll und sicher wieder für eine Menge Frohsinn sorgen wird … genau wie "Labyrinth" und … Moment … wie hießen die anderen Dinger noch? Ach, nicht so wichtig. Der Vortrag brachte dem Quartett jedenfalls einen Anstandsapplaus ein (mehr nicht). Aber Flori hat's voll toll gefallen. Sicher der Beginn einer innigen Liebe zwischen den Beteiligten. Mal sehen, wann die Berliner Kapelle in einer von seinen Shows auftreten wird. Man hat sich ja inzwischen doch einander erschreckend angenähert.

Nicht unerwähnt sollte Max Giesinger bleiben, der einen neuen Song präsentierte, dabei allerdings wenig bleibenden Eindruck hinterließ. Mir will zu seinem Auftritt deshalb auch gar nicht so viel einfallen außer, dass der Text des Stücks am Anfang ganz ansprechend war, dann aber stark nachließ. Musikalisch war's eine weitere Produktion von der Stange. Feddich … Giesinger war etwas später nochmal mit einer recycelten Nummer aus seinem Repertoire zu erleben, denn wenn man schonmal ein Orchester im Haus hat, kann man da ja ruhig mal was zusammendengeln. Anders als das ist dagegen der Vortrag der Isländerin ÁSDÍS mit ihrer Performance zum Song "Flashback" zu bewerten. Die Nummer zündete, sie hinterließ großen Eindruck und einen Ohrwurm, der noch immer dort steckt, wo er hin sollte: Im Langzeitgedächtnis.





Dies gelang auch der Gruppe REVOLVERHELD, die mit dem mdr-Sinfonieorchester und dem mdr-Kinderchor auftrat und ihren Song "Einfach machen" präsentierte. Auch sie kassierten völlig zurecht großen Applaus. Ob zurecht oder zu Unrecht mag jeder selbst entscheiden, aber der als nächster Show-Act folgende Roland Kaiser bekam davon ebenfalls reichlich ab. Und als "Überraschung" noch ´ne Henne obendrauf. Aber zuerst trällerte er uns eine weitere dieser Mutmach- und Habt-Euch-doch-alle-lieb-Hymnen, wie sie derzeit zu Hauf in die Runde gehauen werden. Anschließend bekam er seinen dritten Vogel, dieses Mal eine Ehrenhenne. Die Überraschung darüber seitens Herrn Kaiser war dann genauso glaubwürdig wie das vorher von Flori und Babsi schleimig aufgestoßene Loblied auf ihn schmerzfrei zu ertragen war. Herrn K. wurde am Ende dieses Spuks dann der Pokal überreicht, und mir eine dringend nötige Magentablette … Später am Abend fragte ich mich dann jedoch, wieso Kaiser ausgerechnet dieses Jahr noch eine weitere Henne haben musste, statt den Herren der Stern-Combo Meißen endlich eine zu geben. Die feiern derzeit immerhin das 60. Dienstjubiläum und sind damit eine der ältesten noch aktiven Rockbands unseres Landes - zudem auch noch aus dem Osten stammend. Ich glaube, Helga Hahnemann hätte wohl eher ihnen den Preis gegeben, aber die Entscheidung darüber liegt ja leider nicht mehr in ihren Händen. Gefühlt wohl aber in den gleichen, die auch das Moderatoren-Tandem auf uns losgelassen haben. Die "Combo" und der Medienpreis standen ja noch nie unter einem guten Stern. Da war doch schonmal was ...?! Darum würdigen wir sie an dieser Stelle mit ihren aktuellen Videoclip und unterlassen die VÖ eines Videos von Kaisers Hennenauftritt …





Dann wurde es mal wieder Zeit für ein Highlight. Es kam die Band, die in den 80ern und nach ihrem Comeback mehrfach sehr eindrucksvoll gezeigt hat, dass man aus Karma-Texten viel … viel … viel mehr als nur eine Laubsägearbeit machen kann, nämlich SILLY. Die Band mit ihren Gesangsgästen Julia Neigel und Toni Krahl ist derzeit auf Elektroakustik-Tour und begeisterte auf der Leipziger Bühne mit handgemachter und qualitativ hochwertiger Musik. Hier wurde ein Medley aus verschiedenen Songs im neuen Klanggewand präsentiert. Das ging unter die Haut, das machte Lust auf "live" und zeigte wieder einmal, dass die Band noch lange nicht zum alten Eisen gehört. Die haben noch Bock, und das merkt und hört man ihnen an. In der Band ist wahrlich noch "alles rot"!

Die nächsten Show-Acts waren ein Geiger mit Stähnchen, der uns in der Vergangenheit schonmal AC/DC, gespielt auf seinem Instrument, unterjubeln wollte, und die großartige und zauberhafte georgische Pianistin Kathia Buniatishvilli, die locker leicht beweisen konnte, dass Klassik nicht altbacken wirken muss, und dass tolle Musiker in diesem Genre unterwegs sind … Außerdem wurden wir Augenzeuge, dass man Klavier auch in ungewöhnlichen Positionen spielen kann. Das war insgesamt ein Spitzenauftritt.

Was war noch? Ach ja … Frau Ott. Sicher hatte Flori seinen Dauergast Kerstin Ott am Freitag selbst mitgebracht. Die Sängerin (oder so) ist ja gefühlt irgendwie auch bei jedem von Silbereisens Schlager-Dingsbums-Jahrmärkten in der ARD dabei, darum passte ihr Mitwirken in Leipzig ja auch irgendwie. Sie blockierte hier am Freitag allerdings kostbaren Platz für einen dem Anlass entsprechenderen Musiker bzw. Band und präsentierte eine weitere Nummer aus ihrer inzwischen bedrohlich angewachsenen Lieder-Sammlung der Eintönigkeit. Bei der in ein Kunststoffarrangement gepressten Weisheit, dass "das letzte Hemd keine Taschen hat", konnte man wieder ihre immer gleich klingende und für meinen Geschmack ziemlich emotionslos wirkende Stimme auf sich wirken lassen. Wenn Frau Ott irgendwo auftritt ist das immer so überraschend wie die Entdeckung eines Gouda an der Käsetheke. Und genauso spannend.





Wenn sich eine Sendung dem Ende entgegen neigt, kommen immer die Hochkaräter dran. In diesem Falle war es Peter Maffay, der nicht nur live performte, sondern auch noch einen Preis abstauben konnte. Er wurde für sein Lebenswerk gefeiert und mit dem Goldvogel ausgezeichnet. Nach über 50 Jahren mit toller Musik in mehreren Sparten auch absolut korrekt, dies zu würdigen. Die Laudatio hielt dann ein anderer Großer des Rock, nämlich Klaus Meine von den Scorpions. An dieser Stelle befand sich das Niveau ganz oben auf der Leiter und Preisträger wie Laudator ließen internationales Flair durch die Halle wehen. Natürlich durfte Maffay nicht gehen, bevor er seinen großen Hit "Über sieben Brücken" noch präsentiert hatte. Ed Swillms von KARAT hatte das Stück vor 45 Jahren geschrieben und Maffay es sich Anfang der 80er ausgeliehen. Früher performte Maffay den gern mit seinem Kumpel Herbert Dreilich … dann Arm in Arm an der Bühnenkante. Am Freitag stellte man ihm zwar auch den Rest dessen Band mit auf die Bühne, aber er hielt beim gemeinsamen Vortrag des Songs doch auffallend großen Abstand zwischen sich und deren Mikrofonständer. Warum nur? Weiß einer mehr? Ich hab da so eine leise Ahnung. Wie dem auch sei. Maffays Auftritt war ein toller Abschluss einer teils echt seltsamen Show.

Bei den Preisträgern der "Goldenen Henne" beschränke ich mich hier einfach mal auf die Highlights und die Menschen, die zu unserem Thema "Musik" passen: Tränenreich nahm Inka Bause die erste Goldene Henne des Abends entgegen. Schon wieder! Man weiß nicht, ob die ungelenke Laudatio von Frau Kiewel so schmerzhaft in ihren Ohren klang, oder ob gerade Allergie-Saison ist, aber es war schon recht feucht um die Augen der blonden Bäuerinnen-Casting-Chefin. Gut, manch einer hätte wohl Herrn Lichter diese Henne mehr gegönnt, zumal sein Beitrag für's deutsche Fernsehen auch gehaltvoller und unterhaltsamer ist, aber das Leben ist ja bekanntlich kein Wunschkonzert, nech? Und diese Veranstaltung hier auch nicht. Da waren es doch am Ende wohl Glückstränchen, hmm?

Die nächste Henne ging an das Team des Wünschewagens des ASB Sachsen. Eine Gruppe von Leuten, die totkranken Menschen letzte Wünsche erfüllt. Hier waren tatsächlich Tränen angebracht. Von Herzen kommende und solche der Freude darüber, dass es noch Engel wie diese in unserer Gesellschaft gibt. Ich ziehe meinen Hut vor Euch und Eurer Leistung! An dieser Stelle sei noch angemerkt, dass allein wegen solcher Beiträge die Übertragung der Goldenen Henne weiter im Programm bleiben möge. Woanders als hier bekommen solch wertvolle Projekte und ihre Mitstreiter nämlich keine Gelegenheit mehr, sich vor so viel Publikum zeigen zu können. Dafür - trotz aller Kritik - auch mal ein Danke. Gleiches gilt für das Wisent-Projekt in der Döberitzer Heide, das ebenfalls mit dem vergoldeten Hühnervogel ausgezeichnet wurde. Auch vor dieser Leistung kann man nur den größten Respekt haben.





Zur Henne für Herrn Kaiser hab ich mich weiter oben ja schon ausgelassen. Aber noch ein Musikant wurde mit einer Henne ausgezeichnet, nämlich Wincent Weiß, der die Show ja - wie oben beschrieben - auch eröffnet hatte. Glückwunsch! Seiner Preisübergabe und der Laudatio folgte dann auch noch ein Auftritt mit einer Klavierballade, die nicht nur unter die Haut ging, sondern ihm sicher weitere Fans beschert hat. Ich jedenfalls will mich jetzt mal intensivere mit seinem Output beschäftigen.

Das Fazit kann nur lauten, dass am Freitag unterm Strich leider so vieles fehlte, was wichtig gewesen wäre. Die größte Versäumnis war die Ehrenhenne für die Stern-Combo Meißen - ich hab mich dazu ja weiter oben schon ausgelassen. Aber auch die Gelegenheit, der sich Anfang 2025 für immer von den Bühnen verabschiedenden Band PANKOW nochmal einen würdigen Abschied vom TV-Publikum einzuräumen, wurde ausgelassen. Und wieso fehlte Günther Fischer, der in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag feiern konnte? Dann hätten auch ROCKHAUS und das Duo Zöllner/Schmid einen Platz verdient gehabt, die nicht nur weit mehr mit der "Henne" zu tun haben als andere am Freitag aufgetretene Zeitgenossen wie Giesinger und Ott, sondern die auch noch neues Material und Programme im Gepäck haben. Das sind alles keine Kleinigkeiten, die man übersehen kann, sondern unverzeihliche Böcke, die eigentlich Konsequenzen nach sich ziehen müssten. Manches wirkt da auch auffallend wie Vetternwirtschaft … In der "Entwicklungsabteilung" dieser Veranstaltung müsste echt mal wieder feucht durchgewischt werden und fachkundiges Personal an die richtigen Plätze gesetzt werden. Teile der Belegschaft sollten ihr Gehalt wegen Leistungsverweigerung gleich wieder zurück überweisen. Ebenfalls zu streichen wäre das Kaschperl-Theater vor der Show. Unfreiwillig komische Fragensteller kann man sich nämlich genauso sparen wie die derzeit eingesetzten Gastgeber auf der Bühne. Man sollte sich vor jedem dieser Events zuerst mal fragen, ob Helga Hahnemann mit dem, was vorbereitet und eingeladen wurde, auch gut leben könnte. Immerhin zieht man das alles in ihrem Namen auf … Beim nächsten Mal also bitte besser machen. Viel besser!




   
   
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