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Ein Beitrag von Christian Reder. Fotos: Pressematerial



 

 

001 20230905 1317007825Lieber Herwig!
So, so … Die Sieben steht seit heute vor der Null. Da könnte man durchaus auch mal ´ne große Sause starten. Aus solchen "besonderen Tagen" machst Du Dir aber nix, wie Du mal sagtest. Seitdem die Vier vor kurzem bei mir der Fünf Platz machen musste kann ich das gut nachvollziehen. Aber gestatte mir trotzdem diesen Zahlenwechsel als Gelegenheit zu nutzen, mich einfach mal bei Dir öffentlich und laut zu bedanken. DANKE für den Soundtrack meines Lebens. DANKE, dass Du mit dafür verantwortlich bist, dass ich heute das tue, was ich tue …

Zu meinem 11. Geburtstag bekam ich von Freunden meiner Eltern eine Schallplatte mit dem Titel "Levi's Rock-Festival" geschenkt. Darauf befanden sich u.a. drei Songs von EXTRABREIT, von denen sie glaubten, dass ich die cool fand. Da lagen sie gar nicht so falsch, aber ausgelöst haben sie damit ganz was Anderes. Auf der B-Seite waren drei Songs von SPLIFF, und die haben mich jungen Spund direkt gefangen genommen. Statt "Polizisten" und "110" liefen "Kill" und "Computer sind doof" viel häufiger, und gingen meinen Eltern ziemlich schnell auf den Keks. Die kannten sich mit Computerspielen nämlich ebenso wenig aus, wie mit dem digitalen Fortschritt, der in den Songs ja thematisiert wurde. Logisch, dass sie das nicht catchen konnte. In der Folge lernte ich mehr von SPLIFF kennen, auch von der Nina Hagen Band, in der Du auch schon fleißig getrommelt hast. Nein "Carbonara" und "Heut' Nacht" waren nicht meine Favoriten. Eher "Deja Vu", "Die Mauer" oder "Glaspalast". Also eher die frickeligen und sperrigen Titel. Und wer hat sie geschrieben?

Im Spätsommer 1983 brachte mein Nachhilfelehrer neben anderer Scheiben auch Dein Debüt-Album "Kein Mut - kein Mädchen" mit. Er jobbte nebenbei in einer Castroper Diskothek und konnte sich an den "spielfreien" Tagen die neusten Vinyl-Scheiben ausleihen. Ich durfte immer rein hören und mir aufnehmen, was ich gebrauchen konnte. Zu der damaligen Zeit war ich damit der König unter den Kids. Und dann hab ich was gemacht, wofür ich sicher ins Gefängnis gekommen wäre, wäre ich schon strafmündig gewesen: Ich habe Deine LP auf eine Kassette überspielt und somit eine Raubkopie angefertigt. Aber keine Sorge … ich hab sie nicht vervielfältigt und später, als ich immer genug Kohle auf der Tasche hatte, mir nicht nur die LP im Laden gekauft, sondern sogar die Weißmuster-Pressung auf einer Plattenbörse und Anfang der 90er die CD-Auflage bei einem Versandhandel. Ich hab mein Verbrechen also wieder gut gemacht und Dir am Ende des Tages sogar mehr eingebracht, als andere, die sich nur für ein Medium entschieden haben. Auch die anderen Scheibletten von Dir wollte ich gern haben, und hab sie mir - teilweise auf abenteuerlichen Umwegen - zugelegt. Manche Deiner Scheiben waren auf CD nämlich nur kurze Zeit zu haben und ruck zuck vergriffen. Gierige Händler verlangten für ein Exemplar Deines Erstlingswerks auf CD teilweise sogar Organe oder Anteile am Hauseigentum. Irgendwann fand ich aber auch das letzte fehlende Exemplar für meine Sammlung.

Deine Songs haben mich über all die Jahre begleitet. Sie waren mit im Urlaub … sie liefen auf langen Autofahrten zur Justiz-Akademie, in der ich ein gutes Jahr - weit weg von zu Hause - dröges Paragraphenreiten lernen musste, und ich hab meine Freunde bei jedem geselligen Abend immer wieder versucht zu missionieren, wenn sie sich vorher noch nicht mit Liedern des Herrn Mitteregger auseinandergesetzt hatten. Ein paar konnte ich echt anstecken … Dein Song "Ocean" war übrigens die Hymne in einem meiner Lehrgänge. Du bist mit Deinen kreativen Ergüssen also überall eingesickert.

In meinem Plattenschrank stehen sämtliche Vinyl, und im CD-Schrank alle digitalen Tonträger von Dir. Alben, Maxis … Promos. Und irgendwie wollen mir die Lieder nicht auf den Sack gehen, egal wie oft ich sie höre. Jeder Hit, der nur oft genug gespielt wird, nervt mich irgendwann. Ganz egal, wie gut er auch gemacht ist. Es gibt nicht viele, die das nicht tun. "Jede Stunde" von KARAT z.B. nicht. Dein "Immer mehr" tut es auch nicht. "Kalt wie'n Stein" ebenfalls nicht. Soll ich fortfahren? Ich glaub, Du weißt, wo das enden würde. Wo andere noch heute Rio Reiser hochjazzen, halte ich immer noch Dein Songmaterial dagegen, das für mich in der gleichen Liga unterwegs ist. Kurz: Ich hab alles! Alles? Nein, doch nicht. Deine letzte Arbeit, das Instrumental-Album "Im Moment.", habe ich nicht. Ich habe es bis heute auch noch nicht gehört, weil ich ein Dinosaurier bin, und Streaming sowie Herunterladen von Musik als MP3 konsequent boykottiere. Ich hasse es, dass sich irgendwelche Mittesser wie die großen Plattenlabel und Streaming-Dienste mit der Arbeit anderer Leute die Säcke voll hauen, und der Musiker am Ende noch nicht einmal ein McMenü kaufen kann, wenn seine Abrechnung kommt. Ich bot Dir vor zwei Jahren, als die Lieder heraus kamen, noch an, Dir eine CD-Auflage aus eigener Tasche zu finanzieren, aber das wolltest Du nicht. Das hab ich zähneknirschend akzeptiert. Du wolltest damit neue Wege gehen, was Du ja eigentlich immer gemacht hast. Das muss man dann so hinnehmen, auch wenn man als Vinyl- und CD-Junkie dann komplett auf kalten Entzug gesetzt wird. Aber ich hoffe, dass es nicht das letzte Album war, und dass das nächste dann auch wieder physisch zu haben sein wird.





Lieber h., auch wenn Du Tage wie diese nicht hervorheben und ein großes Tamtam um Dich machen willst, so hoffe ich doch, dass Du trotzdem einen Moment inne hältst, auf das Erreichte zurückblickst und feststellst, dass Du enorm große Spuren hinterlassen hast. SPLIFF trägt Deine Handschrift, ganz deutlich, und SPLIFF kennen heute sogar die nachfolgenden Generationen. Dein "Immer mehr" läuft nach wie vor im Radio und wird Dir sicher - neben anderen unvergessenen Arbeiten aus Deiner Feder - so manchen Taler von der GEMA auf das Konto spülen. Egal, was Du heute machen wirst … hab Dank für alles und hab einen schönen Geburtstag. Bleib gesund und behalt die Trommelstöcke fest in der Hand.

Das wünscht Dir
Christian







   
   
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