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Ein Beitrag von Christian Reder mit
Fotos von Reinhard Baer + Matthias Ziegert



"Ich habe Parkinson" - mit dieser Aussage schockte Jenne Brüssow vor ein paar Jahren die Szene. Die Diagnose bekam er schon im Jahre 2004, mit gerade mal 37 Jahren. Bis 2018 konnte er seinem Job als Bassist bei der Gruppe LIFT damit zwar noch nachgehen, dann nahm er sich nach einem letzten Einsatz beim Konzert von LIFT und RENFT auf der Biesdorfer Parkbühne in Berlin eine Auszeit, weil die körperlichen Einschränkungen, die er durch die fortgeschrittene Erkrankung hatte, zu groß wurden. Während dieser Auszeit wollte er sich diverser Behandlungen unterziehen. So war der Plan und dies tat er auch. Ziel war es, der Krankheit etwas entgegen zu halten und zu versuchen, ihr ein Schnippchen zu schlagen. Jenne war guter Dinge, dass ihm dies auch gelingen würde. Nicht nur aus psychologischen Gründen hielt er sich die Option offen, bei erfolgreicher Behandlung ganz oder teilweise wieder in "seine" Band einsteigen zu können. So hatte er es damals den Kollegen gesagt. "Bimbo" (Peter Rasym, Anm. d. Red.) war zu dem Zeitpunkt gerade frei, und konnte meine Vertretung übernehmen", erzählt Jenne. Das ist nun fünf Jahre her.


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Vor ein paar Wochen erfuhr Jenne dann eher beiläufig und durch Zufall, dass er bei LIFT nicht mehr nur "pausiert", sondern dass man mit ihm offenbar nicht mehr plant und sein Name aus der Besetzungsliste komplett verschwunden ist. Auch Peter Rasym steht dort nicht mehr als Bassist, sondern Namen von ihm völlig unbekannten Leuten, die die neue Rhythmusgruppe bilden, und die auf der LIFT-Homepage nun als neue Mitglieder geführt werden. Und dies - witziger Weise - auch erst wegen "gelegentlicher Fragen" von außen was die aktuelle Besetzung der Band betrifft. "Mit mir persönlich hat niemand gesprochen", sagt Jenne und fügt hinzu, "… und nach so einem Verhalten bekommt man schon das Gefühl, dass auch die Jahre davor irgendwie nutzlos gewesen sind."

Jenne Brüssow fühlt sich übergangen und hat den Eindruck, dass seine Arbeit nicht viel wert war. "Dabei bin ich der am längsten bei LIFT aktive Bassist. Niemand vor mir war länger dort am Bass tätig. Und angeblich sei ich sogar Werthers Lieblings-Bassist unter all denen, die da bisher gespielt haben", sagte er mir am Telefon. Da verwundert einen die Vorgehensweise doch doppelt. Den ehemaligen Bassisten hat dies schwer getroffen: "Es hat mich immer mit ein bisschen Stolz erfüllt, dass ich noch als pausierendes Mitglied von LIFT geführt wurde", sagt er. Es vermittelte ihm das Gefühl, noch Teil des Ganzen zu sein und ihn hat die Option, irgendwann demnächst wieder mal mit LIFT spielen zu können - egal ob nur für ein oder zwei Muggen oder wieder fest und für länger - und nach der Zeit seit dem letzten Konzert in Berlin mal wieder den Bass auf einer Bühne in Händen halten zu können, stets aufrecht gehalten. Dies wäre laut Jenne auch möglich, denn die Behandlungen zeigen nach verschiedenen, teils alternativen Behandlungen für sein Empfinden Wirkung. "Man hat mir damit die Möglichkeit genommen, selbst zu entscheiden, wann ich ganz aussteige und aufhöre", zeigt sich Jenne einmal mehr in unserem Gespräch enttäuscht. Und das Schlimme daran … "Man hat es mir noch nicht einmal persönlich gesagt." Hätte man es klar kommuniziert und ihm gesagt, dass es für ihn kein Zurück mehr gibt, wäre das für ihn ok gewesen, denn "so wichtig bin ich nun auch wieder nicht", sagt er über sich. Aber die Art und Weise, wie es nun gelaufen ist, ist alles andere als schön.


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Unsere Redaktion kam auch hier wieder der journalistischen Sorgfaltspflicht nach, schrieb Werther Lohse per Mail an und gab ihm die Gelegenheit, zu dem, was uns Jenne erzählt hat, auch was sagen zu können. Seine erste Reaktion war, zuerst bei Jenne anzurufen: "Werther hat sich erstmal fast eine Stunde lang telefonisch bei mir gewundert, was das alles soll", erzählt Jenne. "Ich hab ihm versucht zu erklären, was für mich durch sein Verhalten kaputt gegangen ist", ergänzt er die Ereignisse vom gestrigen Tag. Es war wohl die erste Gelegenheit für ihn, seinem ehemaligen Chef zu sagen, wie er sich durch sein Verhalten fühlt. Direkt im Anschluss seines Anrufs bei Jenne bekam unsere Redaktion von Werther Lohse folgende kurze und irgendwie am Thema vorbei gehende Antwort auf die an ihn gerichtete Bitte um eine Stellungnahme:

"Zu unserem leider schwer erkrankten ehemaligen Bassisten Jens Brüssow habe ich bis heute ein ausgezeichnetes Verhältnis."

Da unterscheiden sich aber die Wahrnehmungen beider Musiker, denn Jenne antwortet uns darauf mit den Worten, "Das ist seine Sichtweise. Für ihn ist das zwischen ihm und mir ein ausgezeichnetes Verhältnis." Jenne führt fort, "Nach 2018 und meinem letzten Auftritt rief er mich auch nochmal zu meinem Geburtstag an. Wir wünschten uns auch noch ein frohes neues Jahr. Dann war irgendwann Ruhe". Da gibt es wohl zweierlei Definitionen zum Thema "ausgezeichnetes Verhältnis". Hier entsteht vielmehr der Eindruck, als seien Bandmitglieder nur irgendwelche Nummern, die wortlos austauschbar sind.

An die Zeit mit LIFT erinnert sich Jenne aber mit guten Gefühlen: "Die Leute haben mich immer noch gern auf der Bühne gesehen", sagt er, "und in Biesdorf bei meiner letzten Mugge gab es richtig großen Applaus für mich. Das hat mir gerade an schlechten Tagen immer ein gutes Gefühl gegeben, dies bei Gelegenheit wieder haben und erleben zu können." Regelmäßigen Kontakt hält Jenne aber noch zu seinen ehemaligen Band-Kollegen Peter Michailow und René Decker. Die beiden teilen sich übrigens das gleiche Schicksal, das auch Jenne nun erlebt hat, denn weder Michailow noch Decker haben je gesagt bekommen, dass sie nicht mehr zur Band gehören. Peter antwortete auf unsere Nachfrage mit den Worten, "Ich weiß davon gar nichts. Mir ist das inzwischen aber auch völlig egal. Soll er machen, was er will", und lässt die Fans schön grüßen. Michailow lebt inzwischen wieder in seiner Heimat Bulgarien und will vom Thema LIFT bzw. Lohse nichts mehr hören.


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Jenne Brüssow leidet nach wie vor an den Folgen seiner Parkinson-Erkrankung. Sie ist nicht heilbar. Aber man kann sich gegen sie stemmen, wie er es tut. "Es gibt Tage, da bin ich zu gar nichts zu gebrauchen", erzählt er zur aktuellen Situation und fährt fort, "… dann gibt es richtig gute Tage, das macht mich sehr froh. Ich kann wieder Bass spielen, was ich phasenweise gar nicht mehr konnte." Sehr dankbar ist er da einer guten Seele aus seinem Umfeld, die "Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hat", damit es ihm wieder besser geht. Sie hat u.a. diverse Mittel wie Aminosäuren aufgetan, die ihm echt geholfen haben. Und Jenne schmiedet wieder Pläne. So will er vielleicht im Herbst schon wieder an Songs arbeiten und evtl. sogar ein altes Projekt aufleben lassen, bei dem drei Bassisten und ein Schlagzeuger spielten und es mit Improvisationen haben ordentlich grooven lassen. "Das würde mir Spaß machen", sagt er dazu, und dafür drücken wir ihm die Daumen. Alles Gute, Jenne. Bleib weiter tapfer. Für viele Menschen bist Du mehr als nur eine Nummer, das darfst Du nie vergessen!





   
   
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