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Ein Beitrag von Christian Reder mit Fotos von Holger John und aus Kunos Privatschatulle



001 20220520 1874063919"Eigentlich sollte ich besser zu Hause bleiben", antwortete Christian "Kuno" Kunert in unserem Interview im Jahre 2010. Da war er noch keine 60 und hatte bereits damals schon dieses unangenehme Problem mit dem Gehör. "Kuno" beschreibt es mit den Worten, "mir ist im wahrsten Sinne des Wortes der Sinn für Musik abhanden gekommen". Den Humor hat er jedenfalls nicht verloren. Trotzdem sei er auch "ein altes Zirkuspferd, das es nicht lassen kann", gibt er zu und hat seitdem doch wieder so einige Bühnen betreten. Er liebe halt den Stress und den Schweiß der Manege, und es sei unbeschreiblich, wenn man ins Licht der Scheinwerfer tritt. Es muss wohl seine Droge sein. Aber es sind längst nicht mehr die großen Bühnen, von denen laut der Krach in den Saal dröhnt, bei denen man "Kuno" treffen kann. Inzwischen sind die Bühnen wesentlich kleiner und gerade so groß, dass ein Tisch mit Leselampe, ein Stuhl und ein Ständer samt Akustik-Gitarre drauf passt.

Das bisher Erlebte, sprich sein Lebenslauf, ist so spannend wie ein Abenteuerroman und wenn er Dir daraus erzählt, kommen Dir nicht selten die Tränen. Aber vor Lachen. Er hat einen ganz feinen Humor. Einen, der schon ins "Englische" geht und der mit ein Grund dafür ist, dass man ihm gerne zuhört und als Musik-Fan sogar Spaß an der grauen Theorie entwickelt. "Kuno" ist ein ehemaliger Thomaner. Dem weltberühmten Chor gehörte er von 1961 bis 1965 an. Und weil man nicht mal eben im Vorbeigehen ein Teil dieses Gesangsvereins werden kann, arbeitete er hart für die Aufnahmeprüfung und das, obwohl er von sich selbst behauptet, nie der Fleißigste gewesen zu sein. Aber ganz offenbar ehrgeizig und zielstrebig. Daran, dass er überhaupt in der Musikszene landete, hatte auch seine Oma einen gehörigen Anteil. Sie spielte Kirchenorgel und wenn sie ihrem Instrument Töne entlockte, war der kleine "Kuno" schwer beeindruckt. Schließlich sang er später zum Orgelspiel seiner Frau Großmutter und lernte mit ihr den trockenen Stoff der Musiktheorie. Rüstzeug für das spätere Beruf(ung)sleben. Erschwerend hinzu kam, dass er sich vor dem Thema "Musik" kaum in Deckung bringen konnte, denn alle Kinder der Großmutter wurden Musiker, seine Mutter z.B. Konzertpianistin. Den letzten Schubs ins Fach Musik bekam "Kuno" jedoch im Alter von 14 Jahren während eines Ferienjobs im Sägewerk. Das frühe Aufstehen und der lange Arbeitstag waren so gar nicht seins, wie er sagt, und - das hängt er noch mit einem verschmitzten Lächeln hinten an - Mädels konnte man mit seinem Aussehen auch nur abgreifen, wenn man als Beruf Musiker angeben konnte.

Und als Musiker kann er alles. Er ist ein Multiinstrumentalist, weil er alles mal ausprobiert hat. "Querflöte, Klavier, Okarina, Schlagzeug, Klampfe, Kamm, Mundharmonika, Zerrwanst, Triangel" zählt Kunert auf, und Posaune hat er schließlich studiert. Nur richtig gut sei er auf keinem der Instrumente, gibt er zu. Wenn er das so sagt, glaubt man ihm aber kein Wort. Als er Ende 1971 bei RENFT einstieg, war es jedenfalls das Keyboard, das er dort bedienen sollte, weil es dort "eine Planstelle für Kamm oder Triangel nicht gab".


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Christian "Kuno" Kunert wurde bei RENFT der Nachfolger von Michael Heubach, und ging dort durch eine harte Schule. Er war aus der geordneten und geregelten Thomaner-Welt mit klassischer Musik in den wilden RENFT-Kosmos mit Rockmusik und gesteigerter Feierlaune gestolpert, und RENFT war damals in jeder Hinsicht schwer angesagt. "Wir spielten öfter zweimal im selben Laden, erst Matinee, abends Jugendtanz", erinnert er sich an die Zeit. Man fuhr zu sechst im Wolga, hintendran den Hänger mit Instrumenten und Technik. Auf- und abgebaut wurde selbst. Techniker? Crew? Fehlanzeige. Die heutige Jugend, der RTL und Sat 1 alles mundgerecht zum Musizieren hinstellt, würde vermutlich nicht glauben, was damals abging. Und dann gehörte "Kuno" auch dazu, als die Kapelle um Bandchef Klaus "Jenni" Renft die beiden Alben einspielte, die heute Klassiker sind. Zu guter Letzt erlebte er 1975 das Verbot von RENFT live und in Farbe mit. Kunert beschreibt es als willkommenes Ereignis, denn ohne Verbot wäre die Band wohl am internen Streit um die weitere Ausrichtung zerbrochen. So hat man aber quasi einen Ritterschlag und diesen "Mythos" von oben frei Haus erhalten.

Im August 1977 wurde "Kuno" nach einer Inhaftierung in die BRD abgeschoben. Gründe für den Bau waren "staatsfeindliche Hetze", die Inhalte einiger neuer Lieder, die er zusammen mit dem RENFT-Texter Gerulf Pannach aufgenommen und aufgeführt hatte, und den für den Staat DDR unangenehmen Fakt, dass diese auch noch beim Klassenfeind westlich von Marienborn veröffentlicht wurden. Im Westen angekommen wechselte er nicht etwa den Beruf, sondern nahm mit Pannach, der ebenfalls "rüber geschoben" wurde, die Arbeit als Duo wieder auf. Zwischen der Abschiebung und ihrem ersten Konzert in der Akademie der Künste lagen nur wenige Wochen. Weitere Konzerte in der neuen Heimat folgten, neue Lieder wurden ebenfalls geschrieben und man brachte fleißig neue Platten auf den Markt. Diverse LPs sind tönerne Dokumente dieser Zusammenarbeit. Aber auch die KUNO BAND wurde gegründet, von der es eine heute unter Sammlern heiß begehrte 12" Maxi Single als Promo gibt, und das Projekt KUNO & DIE TRÄLLERASSELN, mit dem er 1998 ein Album veröffentlichte.


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Zu der Zeit begannen auch die eingangs schon erwähnten gesundheitlichen Probleme. Die Reißleine zog er 2005 schon bei RENFT, wo er Ende der 90er nochmals einstieg, und die er nach ein paar Jahren des Krachmachens wieder verließ. Dies hatte jedoch andere Gründe als die Ohren. Aber der "Gitarrenhunger" war größer als die Vernunft, und so sah man ihn danach doch noch bei Muggen wieder, wie der gleichnamigen Veranstaltung im November 2009, bei der er mit diversen andern Gitarristen der Szene auftrat. Danach traf man ihn immer wieder bei musikalischen Lesungen, die er - wie eingangs schon angedeutet - mit der eigenen Klampfe und Liedern wie z.B. "Ballade vom Mann mit dem Feindbild" oder aus der RENFT-Zeit bekanntem Liedgut musikalisch würzt. Gelesen wurde zuletzt aus seinem im Jahre 2017 veröffentlichten Roman "Ringelbeats". Und wer ihn kennt weiß, dass es nie einfach nur Lesungen sind. Es sind kleine Messen mit viel Humor und der Garantie, die Probleme des Alltags für knapp zwei Stunden abschalten zu können. Das kann er nämlich auch, der "Kuno".

Für heute sind - zumindest hier - Unwetter angekündigt. Die mögen dem Geburtstagskind "Kuno" zu seinem 70. aber in jeglicher Form erspart bleiben. Höchstens auf dem Gabentisch soll es windig und rau zugehen, denn der Autor dieser Zeilen wünscht ihm viele Gratulanten und ebenso viele Geschenke, die ihn glücklich machen. Gern würde man ihm seinen Wunsch nach "Kindheits- Brötchen, diesen irrsinnigen Ost-Semmeln" erfüllen, für die er - wie er selbst sagt - Marathon laufen würde. Aber die gibt es leider ebenso wenig mehr, wie ihn auf einer lauten Rockbühne. Die Redaktion von Deutsche Mugge wünscht trotzdem einen schönen Geburtstag, Gesundheit und maximale Zufriedenheit im Alltag. Prost, auf Dein Wohl, lieber "Kuno".





   
   
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