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Ein  Beitrag  von  Christian Reder  mit  Unterstützung
von Bodo Kommnick. Fotos: Archiv Eberhard Klunker



002 20220415 1845182494Not macht erfinderisch, so heißt es im Volksmund. Menschen, denen sowohl das Land DDR als auch die innerbetrieblichen Grenzen der Republik zu eng wurden, konnten zwischen 1961 und 1989 bekanntlich nicht einfach so gehen und ihr Glück woanders neu suchen. Man kam halt nicht raus aus dem mit Zäunen und Mauern zum Westen hin "abgesicherten" Arbeiter- und Bauernstaat. Also musste man sich was einfallen lassen, wie man zu seiner Freiheit kommen und zu Lande, zu Wasser oder durch die Luft diese Zäune und Mauern überwinden konnte. Es ist hier nicht bekannt, ob der Song "Er hat ein knallrotes Gummiboot" von Wencke Myhre den Herren Wegener und Klunker damals im September 1975 auch ein Stück weit als Inspiration für ihr Abenteuer über die Ostsee in die Freiheit diente, aber ihnen kam beim Angeln eine Spitzenidee in den Kopf und am Ende nutzten sie ein solches Gefährt als Hilfsmittel für die Flucht aus der DDR in die BRD. Mag sein, dass manche es für seinen größten Hit halten, aber in Sachen Musik hat Eberhard Klunker viel mehr Spuren hinterlassen als damals auf der Ostsee. Er, der über Umwege und eben auch aus der Not heraus zum Kapitän wurde, feiert jetzt seinen 70. Geburtstag, und wir gratulieren ihm herzlich.

"Klunki", wie Freunde den Gitarristen nennen, erblickte am 16. April 1952 in einer Gemeinde namens Herzberg im Landkreis Ostprignitz-Ruppin (Brandenburg) das Licht der Welt. Mit 13 Jahren bekam er seine erste Gitarre, und seit diesem Tag hat er das Instrument nicht mehr aus der Hand gelegt. Das Spielen auf den sechs Saiten brachte er sich selbst bei, einen Lehrer brauchte er dafür nicht. Relativ schnell beherrschte er die Kunst und schloss sich im Alter von 15 Jahren einem Quartett namens MODERATOS an,003 20220415 1676946839 das im Kreis Königs-Wusterhausen zum Jugendtanz aufspielte und über STONES bis BEATLES alles coverte, was bei den Kids damals so angesagt war. Mit 16 oder 17 Jahren war die Blues-Rock Band B-CLUB 66, bei der er auf Jörg 'Speiche' Schütze traf, seine nächste Station. Nachdem diese Kapelle im Jahre 1970 u.a. wegen "unästhetischen Aussehens auf der Bühne" verboten wurde, stieg Klunker bei Hugo Laartz' MODERN SOUL BAND ein und wurde dort Nachfolger von Hansi Biebl. Zu dieser Zeit wurde Klunki auch Profi samt Berufsausweis, den man in der DDR brauchte, um überhaupt eine Bühne betreten zu dürfen. Über die Big Band von Klaus Lenz und die Kapelle von Theo Schumann landete er 1974 schließlich in der Hansi Biebl Blues Band - jener Gruppe, dessen Bandchef er wenige Jahre zuvor bei seiner ersten Profistation an der Gitarre beerbt hatte. Eineinhalb Jahre nach seinem Einstieg und der Produktion von Liedern für eine LP unternahm Eberhard Klunker mit seinem Kumpel und Bandkollegen Olaf Wegener die eingangs angesprochene "Abenteuerreise" …

Wie schon angerissen, kam den beiden Musikanten beim gemeinsamen Angeln der Geistesblitz, dass man mit so einem kleinen Schlauchboot ja durchaus auch auf größeren Gewässern wie der Ostsee genauso gut voran kommen müsste, wie auf dem übersichtlichen Tümpel, in den man gerade die Rute hielt. Laut gedacht und auch getan: Anfang September 1975 stießen die beiden nach Anbruch der Dunkelheit von der Insel Poel aus nur mit einem Schlauchboot und einem Kompass ausgestattet nach Schleswig-Holstein und damit in Richtung Westen in See. Sie ruderten im Dunkel der Nacht unter dem Radar der DDR-Grenzschützer hindurch in die Freiheit. Von unserem Kollegen Hähle im Deutsche-Mugge-Interview befragt, ob er dabei Angst gehabt hätte, erzählte Klunki sogar von Spaß, den die beiden dabei hatten und über Scherze, die man während der 16-stündigen Reise machte und mit denen man sich zum Lachen brachte. Am neuen Tag landete das Duo mit dem Gummiboot an der Küste von Schleswig Holstein - direkt am Strand und mitten unter den dort urlaubenden Badegästen.



Die beiden Musiker waren nun im Westen, die DDR-Behörden verboten daraufhin die Hansi Biebl Blues Band und die geplante LP war ebenfalls vom Tisch. Sie kam erst Jahre nach der Wende unter dem Titel "Savannah" auf CD heraus. Klunker und Wegener zog es - die Heimatluft suchend - nach Westberlin, wo das alte Zuhause zumindest durch den Stacheldraht und über die Mauer aus der Ferne zu erspähen und der vertraute Geruch bei richtigem Wind in verdünnter Dosierung wahrnehmbar war. Zusammen mit den ebenfalls, allerdings auf anderen Wegen aus der DDR in den Westen übergesiedelten Musikern Christiane Ufholz,004 20220415 1192087085 Thomas "Monster" Schoppe und Klaus Renft gründete man einige Zeit später die Gruppe WINDMINISTER. Der Name war eine Idee von Eberhard und seinem Kumpel Olaf, die Band stand aber unter keinem guten Stern. Der "lange Arm" der Stasi reichte sogar in den Westen und sorgte beim Debüt-Konzert dafür, dass der Tatendrang, der Mut und die Zuversicht in ihr Projekt ein schnelles Ende fanden und die Musikanten entnervt aufgaben noch bevor es richtig begonnen hatte. Ein katastrophal gelaufenes Konzert, eine Hand voll Demo-Aufnahmen und das Ensemble zerfiel wieder in seine Einzelteile. Klunki und Wegener machten dann unter dem gleichen Band-Namen noch als Duo weiter, musikalisch aber schließlich was komplett anderes als das, was mit der großen Besetzung vorgesehen war. WINDMINISTER gab es bis in die 2000er in dieser Zweierbesetzung und mit "Bootsmann" im Jahre 2004 sogar eine CD.

Eberhard Klunker war auch abseits der WINDMINISTER-Sache in all den Jahren ein umtriebiger und ruheloser Kreativling, der sich und seine Musik immer wieder weiter entwickelte und beides in immer neuen Projekten ausprobierte. Im Jahre 2010 kamen z.B. Christiane Ufholz und er nach 1980 und ihrer gemeinsamen WINDMINISTER-Zeit nochmals zusammen. Sie gaben Konzerte und brachten eine Live-CD und mit "Beautiful Machines" auch ein Studio-Album heraus. Im Jahre 2015 erschien mit "Lietzensee" und 2018 mit "Sixteen" je ein Solo-Album, ehe Klunker 2019 mit Beata Kossowska eine neue Duett-Partnerin fand, mit der er auf die Bühne ging und im gleichen Jahr das von Bodo Kommnick produzierte Album "Wildflowers" aufnahm.



Bodo Kommnick ist nicht nur Produzent, sondern auch genau der richtige Ansprechpartner wenn es darum geht, den Menschen Eberhard Klunker näher zu beschreiben. Er erzählt über seinen Kumpel, dass er rastlos immer neue Ziele verfolge und sich ständig weiterentwickle. Bodo weiß ebenfalls zu berichten, dass Klunki jeden Tag auf der Gitarre übt und sein Spiel dadurch immer weiter perfektioniert. Die Themen "Alter" oder gar "Zur Ruhe setzen" existieren für ihn überhaupt nicht. Neben all dem Handwerklichen im Beruf ist Eberhard Klunker zudem ein belesener und gebildeter Mann, der aufs Fernsehen komplett verzichtet und sein Wissen aus dem geschriebenen Wort bezieht. "Mit ihm kann man zwei oder drei Stunden am Telefon quatschen, und zwar über alles", schwärmt Bodo über seine besondere Freundschaft zu Eberhard Klunker. Das wirklich tolle dabei: "Er betrachtet die Dinge von allen Seiten".

006 20220415 1799719657Auf der Bühne durften wir Eberhard Klunker auch schon mehrfach erleben und können das mit der "Perfektion" nur bestätigen. Was er aus einer einfachen Akustikgitarre herauszuholen vermag, muss man live und in Farbe gesehen bzw. gehört haben, um es auch wirklich zu glauben. Instrument und Musiker scheinen eins zu sein, die Gitarre für Eberhard ein von Gott zusätzlich gegebenes und fest mit ihm verbundenes Organ. Er selbst brauchte niemanden, der ihm das Gerät erklärte, aber er könnte dem Nachwuchs mit Sicherheit sachdienliche Hinweise darüber geben, wie man die Sache mit der Klampfe richtig angehen muss. Ein Konzert und auch das Hören einer seiner CDs geraten schnell zu einer intensiven Erfahrung für Ohr und Geist. Klunker ist einer, der mit Tönen zaubern und Dich innerhalb von Sekunden in andere Welten bringen kann, ohne dass Du dafür ein Transportmittel besteigen musst.

Dir, lieber Eberhard, alles Gute zum 70. Geburtstag. Es war wohl nicht nur die Not allein, die Dich hat erfinderisch werden lassen, und die Sache mit dem Schlauchboot ist wirklich nur ein kleiner Teil Deiner Biographie. Die anderen "Greatest Hits" finden sich auf diversen Platten und CDs, und können nach wie vor bei Deinen Muggen live erkundet werden. Gern hätten wir Dir zum Geburtstag die Wencke Myhre und damit die Möglichkeit zu einer gemeinsamen Coverversion ihres größten Hits geschenkt. Einfach so, weil es so gut gepasst hätte … Aber leider kennt niemand von uns die Frau und wir waren uns auch gar nicht sicher, ob Du dieses Lied aus einem für Dich doch eher fremden Fach so einfach aus den Fingern auf Deine sechs Saiten hättest fließen lassen wollen ;-)









   
   
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