Es gibt Menschen, die können mit ihrer Art und ihrem Humor überall und zu jeder Zeit die schlechte Stimmung in einer Gruppe ins Gegenteil umkehren. "Atze hatte einen herrlich trockenen und englischen Humor. Wenn da Leute mit so einem ‚Flunsch' rum saßen, ließ er einen Spruch kommen, und plötzlich lachten alle", erinnert sich Willi Woigk heute noch gern an seinen alten Kumpel und Band-Kollegen Wolfgang "Atze" Klawonn, mit dem er 1972 zusammen die legendäre Gruppe BLUES VITAL gründete. Der Anlass für diese schönen Erinnerungen ist jedoch kein schöner: "Atze" ist bereits am 29. Januar 2022 im Alter von 71 Jahren gestorben.
Wolfgang Klawonn, den jeder nur "Atze" nannte, wurde am 14. April 1950 geboren. Er wuchs in Görlitz auf und studierte später an der Hochschule "Franz Liszt" in Weimar Musik. Schwerpunkt seines Studiums waren Saxophon, Klarinette und Querflöte, er lernte in den Jahren darauf zusätzlich aber auch noch Gitarre, Klavier und andere Instrumente. "Atze war ein Multiinstrumentalist und ein hervorragender Musikant", merkt Woigk in unserem Gespräch über Klawonn an. Woigk lernte seinen Kumpel in einer Phase kennen, als er Anfang der 70er eine neue Band gründen wollte, ihm die DDR-Behörden wegen "fehlender Besonderheiten" dafür aber keine Genehmigung erteilen wollten. Als Trio nur mit Schlagzeug, Bass und Gitarre waren die Jungs der STUDIOGRUPPE 72 - so hieß das Unternehmen damals - den Betonköpfen "zu popelig" und zu wenig originell, weshalb sich Woigk auf die Suche nach einem vierten Musiker machte, der etwas mehr Farbe ins Spiel bringen sollte. Schon vorher empfahl ihm jemand, sich in Weimar an der Hochschule mal den einen oder anderen Musiker näher anzuschauen, und es kam auch schon zu einer gemeinsamen Probe, bei der neben Michael Schwandt (Schlagzeug, später und bis heute KARAT) eben auch der Saxophonist Wolfgang Klawonn dabei war. Bandchef Willi Woigk dachte damals sofort an Klawonn und fragte ihn, ob er sich als Saxophonist nicht der Gruppe anschließen wolle. Und der wollte! Neben Thomas "Tommy" Abendroth an den Tasteninstrumenten gehörte ab Mai 1972 auch Atze Klawonn zur Besetzung und aus dem einstigen Trio wurde ein Quintett. Den Behörden fehlten nunmehr (zumindest vorerst) die Argumente, wieso die Burschen aus Gotha nun nicht mehr gemeinsam Musik machen durften, und aus der STUDIOGRUPPE 72 wurde BLUES VITAL.
Wolfgang KIawonn war für die Band mehr als nur der Saxophonist. Er war zudem Sänger und schrieb als Komponist und Texter mit dem "Blues von der Flüchtigkeit der Zeit" für BLUES VITAL den bekanntesten Song, der ihnen auch eine Plattenveröffentlichung (AMIGA-Sampler "Hallo Nr. 8") einbrachte. Als eben schon näher beschriebener Spaßvogel sorgte er auch innerbetrieblich stets für gute Laune. Willi Woigk denkt da heute besonders an den Auftritt von BLUES VITAL bei den Weltfestspielen der Jugend und Studenten 1973 in Ostberlin, bei der die noch junge Amateurband mit einfachster Technik auf dem großen Platz, auf dem heute das Stadtschloss wiedererrichtet steht, neben so großen Bands wie z.B. den PUHDYS mit ihrem Profi-Equipment inkl. Erstklassiger Ton-Anlage auftreten durfte. Dieses Ungleichgewicht veranlasste "Atze" zu sarkastischen Kommentaren und auch zu flotten Sprüchen wie z.B. "Wir sollten unsere Technik lieber in einem Wohnzimmer als hier vor so vielen Leuten aufbauen." Wo andere eher frustriert gewesen wären, weil der Ton schon ab Reihe 20 auf dem großen Platz nicht mehr zu hören war, nahm er es mit Humor und kommentierte Missstände mit spitzer Zunge. Bis September 1973 gehörte "Atze" der Band an, dann zog es ihn in die überschaubare Welt der professionellen DDR-Rockszene. Zuerst wechselte er zusammen mit Michael Schwandt und Thomas Abendroth zur Horst-Krüger-Band, später spielte er bei Ute Freudenberg in der Gruppe ELEFANT. Im Jahr 1985 stieg er in Weimar bei der Gruppe HOT STRINGS ein, wo er bis zuletzt Mitglied war und Gitarre spielte.
Dieses noch junge Jahr 2022 hielt für Wolfgang KIawonn nichts Gutes bereit. "Anfang Januar ging es ihm nicht gut und er bekam Fieber, weshalb er sich bei den Kollegen meldete und eine angesetzte Band-Probe absagen musste", erzählt Willi Woigk. Er kam dann auch relativ schnell ins Krankenhaus und man stellte den Corona-Virus bei ihm fest. "Atze war nicht geimpft", fügt Willi hinzu. Es wurde dann so schlimm, dass er ins künstliche Koma versetzt werden und um sein Leben kämpfen musste. "Er hatte wohl auch noch einen Schlaganfall, während er da im Koma lag", schildert sein Freund Willi die dramatische Entwicklung der letzten Januar-Tage. Aus dem Koma ist "Atze" nicht mehr erwacht und starb am Samstag, den 29. Januar 2022. Der Musiker hatte vor fünf Jahren nochmals eine Künstlerin aus Halle/S. geheiratet, lebte aber trotzdem in einer Fernbeziehung und allein in seiner Weimarer Wohnung. Er hinterlässt damit seine Frau, und mit Julia und Konrad zwei Kinder aus erster Ehe.
Abseits der Beisetzung, die im engen Familienkreis stattfinden soll, wollen ein paar Freunde und Musikerkollegen, allen voran "Atzes" Kollegen von HOT STRINGS, im Frühjahr eine kleine Abschiedsfeier auf die Beine stellen, denn mit ihm hat die Thüringer Musikszene jemanden verloren, der diese wesentlich mitbestimmt hat. "Außerdem", so Willi Woigk, "ist uns da ein hervorragender Musikant und Freund verloren gegangen, über dessen plötzlichen Tod wir alle ziemlich erschüttert sind." Der Termin für diese Trauerfeier steht aber noch nicht fest. Fest steht aber der Entschluss von Willi und anderen ehemaligen Kollegen von "Atze", nichts mehr auf die lange Bank schieben zu wollen. "Wir von BLUES VITAL wollten uns bestimmt schon seit 10 Jahren alle mal wieder zusammen treffen, haben das aber immer wieder verschoben. Nun ist es zu spät." Das ärgert ihn und die anderen mächtig, und letztlich hat auch das dafür gesorgt, dass ihnen die Nachricht von "Atzes" plötzlichem Tod den Boden unter den Füßen weg gerissen hat. "Es gibt da einen Kollegen, der brauchte erst mal drei Tage bis er die Nachricht sacken und sich auf meine Mail melden konnte", schildert Willi die Reaktionen seiner ehemaligen Mitstreiter. "Man sollte als alte Freunde immer zusehen, dass man sich regelmäßig mal wieder trifft, und das nicht - aus welchen Gründen auch immer - verschiebt." Eine Erkenntnis, die wir so nicht nur einfach wiedergeben, sondern jedem von Euch auch ans Herz legen möchten: Geht raus und trefft Eure Freunde so oft es geht … Gerade in Zeiten wie diesen und mit jedem Jahr, mit dem wir älter werden, ist die Zeit nicht mehr unser Freund …
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