Ein Nachruf von Christian Reder mit Fotos von Torsten Meyer
Es ist kalt, es ist grau und der Wind weht kräftig. Dieser 6. Februar 2022 ist nicht nur an der See ein ungemütlicher Tag, an dem die Schiffe lieber im heimischen Hafen belassen werden. Auch Egon Linde, der Mann hinter dem Namen Transit und als "Udo des Ostens" bekannt, hätte sein Boot heute wahrscheinlich nicht auf diese tosende See gesteuert. Man weiß es nicht. Eine Antwort auf die Frage werden wir nun auch nicht mehr bekommen, denn Egon hat uns heute in den frühen Morgenstunden im Alter von nur 77 Jahren verlassen.
"Ein Kind beginnt doch irgendwie immer, sich für Musik zu interessieren, sie zu mögen und selbst irgendwie Musik zu machen", antwortete Egon bei einem Interview im Sommer 2008 auf die Frage, wie er denn zur Musik gekommen sei. Von seinem Vater gefördert probierte er sich zuerst an der Mundharmonika aus, um dann das Spielen auf dem Akkordeon zu erlernen. Des Vaters Lieblingsinstrument. Als Teenager trat dann die Gitarre in sein Leben, jenes Instrument, mit dem er später Tausende von Fans begeisterte. Auch nachdem er die Küste, seine Heimat, der Arbeit wegen verließ, begleitete ihn die Klampfe, die er anfangs autodidaktisch erlernte und für dessen Feinheiten er später auch Unterricht nahm. Der gelernte Stahlbauschlosser spielte schon als Lehrjunge in kleinen Amateur-Bands. Nach der Ausbildung schrieb er sich an der Musikschule in Berlin-Friedrichshain ein, um in der dortigen "Spezialklasse für Tanzmusik" ein Studium aufzunehmen. Sein Ziel war die sogenannte "Pappe", die ihm das Musizieren als Profi ermöglichen sollte. So war das in der DDR - so einfach eine Bühne besteigen und den Rockstar geben, war nicht möglich. Egon ging diesen Weg, lernte zusätzlich Dinge, die er anfänglich gar nicht auf dem Schirm hatte, die für ihn aber in den Jahren danach sehr förderlich waren, und kam über die Evgenie Kantschev Combo und Klaus Lenz in die Band von Jürgen Heider. Nach dessen Tod - er verstarb an den Verletzungen eines Autounfalls - blieb der Rest der Band zusammen und bildete die erste Besetzung von TRANSIT.
Diese Band ließ Egon Linde nie wieder los. Sie wurde zu seiner Band und der Name war eindeutig ihm zuzuordnen. Sprach man von TRANSIT, wusste jeder gleich, "Jetzt kommt der Typ mit der tollen Stimme, der einen mit seinem Spiel auf der Gitarre in andere Welten versetzen kann." Die Bekanntheit der Band und Egon, die vorher schon u.a. durch die spannende Vertonung von Geschichts- und Sagenthemen nicht gerade klein war, stieg auf den Höhepunkt, als der Titel "Ich fahr an die Küste" erschien. Unüberhörbar hatte man sich hier stilistisch und gesanglich am großen Udo Lindenberg angelehnt. Egon brachte es den Spitznamen "Udo des Ostens" und der Band bei Konzerten den Zulauf von Lindenberg-Fans aus der DDR ein, die das Original bekanntlich ja nicht sehen konnten und hier eine großartige Alternative fanden. Ein veröffentlichtes Album ("Bernsteinhexe"), ein fertig produziertes aber bis zur Wende unveröffentlicht gebliebenes Werk ("Klaus Störtebecker Rock-Suite"), zwei Singles und unzählige beim Rundfunk der DDR im Studio aufgenommene Titel, darunter solche Klassiker wie "Zeiten", "Heinrich der Kneiper", "Der Leierkastenmann" oder "Goethe & Tischbein", sowie eine Vielzahl an erfolgreich gespielten Konzerten brachten der Band eine große Fangemeinde ein. Doch irgendwann ebbte die Begeisterung der Leute für TRANSIT und deren Musik ab. Egon Linde löste die Band deshalb auch nach diversen Experimenten in der Besetzung im Jahre 1989 auf.
Egon Linde probierte andere Dinge aus, um seine Brötchen zu verdienen. Er baute sich ein eigenes Studio auf, produzierte Theaterstücke und später - ausgebrannt und durch die Arbeit als Kunstschaffender mit einem Burn Out gestraft - kehrte er der Musik den Rücken und gründete eine Firma für Wintergärten, Fenster und Bauelemente in Schöneiche bei Berlin. Das Meer, wo er herkam, bot ihm den Platz, seinen Stress aus dem Berufsleben abzubauen, um nicht wieder in die Burn Out-Falle zu tappen. Er konnte ein Segelboot sein Eigen nennen und nutzte jede freie Zeit, um die unendliche Freiheit darauf zu genießen. Hin und wieder ergab sich auch mal die Chance, mit seinem Kumpel Siggi Scholz im Duo die alten TRANSIT-LIEDER an einem Hafen an der Ostsee zu spielen. Und so wurden wir von Deutsche Mugge auch wieder auf Egon aufmerksam.
Irgendwann im Jahre 2007 hatte ich das erste Mal Kontakt mit Egon. Es war ein erstes Telefonat. Gespräche dieser Art wiederholten sich und Egon erzählte dabei Geschichten aus seiner Zeit als Musikant. Das konnte er sehr gut, sogar so gut, dass aus eher unschönen Erlebnissen im Rückblick Positives gezogen werden konnte. Er konnte aus einem "Winter an der See" innerhalb weniger Sätze einen Sommer entstehen lassen. Obwohl man ihm in der Jugend übel mitgespielt und ihn bei der Staatssicherheit angeschwärzt hatte, zeigte er sich milde, verzeihend und fand bei allem, was ihm dadurch verbaut wurde, noch Positives. Ein unglaublich feiner Charakter und sympathischer Gesprächspartner. Ich redete ihm Mut zu, seine Geschichte doch mal öffentlich zu machen. Ein Buch würde sicher keinen Verleger finden, aber bei Deutsche Mugge bot ich ihm unbegrenzten Platz für seine Lebensgeschichte an. Es dauerte eine Zeit, dann sagte er nach anfänglichem Zögern doch zu. Unser damaliger Kollege Fred war ein Riesen-Fan von TRANSIT, meldete sofort sein Interesse an und führte am Ende auch dieses Interview. Voller Ehrfurcht in der "Sie-Form" geführt, dabei war Egon ein Kumpeltyp, mit dem man locker wie mit einem Freund reden konnte. Bei diesem Interview und auch in den Gesprächen vorab wurde auch immer ein mögliches Comeback von TRANSIT angesprochen. Auch hier zeigte sich Egon eher zurückhaltend und schloss es eher aus, als einen Gedanken an das in die Tat umsetzen zu investieren. Wenn überhaupt, meinte er damals noch, würde ein Comeback eher spontan, ohne große Vorbereitung und wohl als einmalige Aktion aus purem Spaß an der Freude stattfinden. Auch hier nahm die Geschichte einen anderen Lauf. Die Reaktionen auf das Interview waren so enorm und vielzählig, dass man TRANSIT am 12. Juni 2009 erstmals seit 20 Jahren wieder live auf einer Bühne erleben konnte. Die Mugge auf der Parkbühne in Berlin-Biesdorf gab uns allen Recht, die ein großes Interesse der Leute an der Band und ihrer Musik voraussagten. Nach dem erwähnten Interview trat Lutz Krüger an Egon heran, der vom zurückgekehrten Spaß bei Linde las, und diesen Aufwind für eine Re-Union nutzen wollte. Wie schon erwähnt und wie wir ja alle wissen, klappte es damit auch.
"Ein Kind beginnt doch irgendwie immer, sich für Musik zu interessieren, sie zu mögen und selbst irgendwie Musik zu machen", antwortete Egon bei einem Interview im Sommer 2008 auf die Frage, wie er denn zur Musik gekommen sei. Von seinem Vater gefördert probierte er sich zuerst an der Mundharmonika aus, um dann das Spielen auf dem Akkordeon zu erlernen. Des Vaters Lieblingsinstrument. Als Teenager trat dann die Gitarre in sein Leben, jenes Instrument, mit dem er später Tausende von Fans begeisterte. Auch nachdem er die Küste, seine Heimat, der Arbeit wegen verließ, begleitete ihn die Klampfe, die er anfangs autodidaktisch erlernte und für dessen Feinheiten er später auch Unterricht nahm. Der gelernte Stahlbauschlosser spielte schon als Lehrjunge in kleinen Amateur-Bands. Nach der Ausbildung schrieb er sich an der Musikschule in Berlin-Friedrichshain ein, um in der dortigen "Spezialklasse für Tanzmusik" ein Studium aufzunehmen. Sein Ziel war die sogenannte "Pappe", die ihm das Musizieren als Profi ermöglichen sollte. So war das in der DDR - so einfach eine Bühne besteigen und den Rockstar geben, war nicht möglich. Egon ging diesen Weg, lernte zusätzlich Dinge, die er anfänglich gar nicht auf dem Schirm hatte, die für ihn aber in den Jahren danach sehr förderlich waren, und kam über die Evgenie Kantschev Combo und Klaus Lenz in die Band von Jürgen Heider. Nach dessen Tod - er verstarb an den Verletzungen eines Autounfalls - blieb der Rest der Band zusammen und bildete die erste Besetzung von TRANSIT.
Diese Band ließ Egon Linde nie wieder los. Sie wurde zu seiner Band und der Name war eindeutig ihm zuzuordnen. Sprach man von TRANSIT, wusste jeder gleich, "Jetzt kommt der Typ mit der tollen Stimme, der einen mit seinem Spiel auf der Gitarre in andere Welten versetzen kann." Die Bekanntheit der Band und Egon, die vorher schon u.a. durch die spannende Vertonung von Geschichts- und Sagenthemen nicht gerade klein war, stieg auf den Höhepunkt, als der Titel "Ich fahr an die Küste" erschien. Unüberhörbar hatte man sich hier stilistisch und gesanglich am großen Udo Lindenberg angelehnt. Egon brachte es den Spitznamen "Udo des Ostens" und der Band bei Konzerten den Zulauf von Lindenberg-Fans aus der DDR ein, die das Original bekanntlich ja nicht sehen konnten und hier eine großartige Alternative fanden. Ein veröffentlichtes Album ("Bernsteinhexe"), ein fertig produziertes aber bis zur Wende unveröffentlicht gebliebenes Werk ("Klaus Störtebecker Rock-Suite"), zwei Singles und unzählige beim Rundfunk der DDR im Studio aufgenommene Titel, darunter solche Klassiker wie "Zeiten", "Heinrich der Kneiper", "Der Leierkastenmann" oder "Goethe & Tischbein", sowie eine Vielzahl an erfolgreich gespielten Konzerten brachten der Band eine große Fangemeinde ein. Doch irgendwann ebbte die Begeisterung der Leute für TRANSIT und deren Musik ab. Egon Linde löste die Band deshalb auch nach diversen Experimenten in der Besetzung im Jahre 1989 auf.
Egon Linde probierte andere Dinge aus, um seine Brötchen zu verdienen. Er baute sich ein eigenes Studio auf, produzierte Theaterstücke und später - ausgebrannt und durch die Arbeit als Kunstschaffender mit einem Burn Out gestraft - kehrte er der Musik den Rücken und gründete eine Firma für Wintergärten, Fenster und Bauelemente in Schöneiche bei Berlin. Das Meer, wo er herkam, bot ihm den Platz, seinen Stress aus dem Berufsleben abzubauen, um nicht wieder in die Burn Out-Falle zu tappen. Er konnte ein Segelboot sein Eigen nennen und nutzte jede freie Zeit, um die unendliche Freiheit darauf zu genießen. Hin und wieder ergab sich auch mal die Chance, mit seinem Kumpel Siggi Scholz im Duo die alten TRANSIT-LIEDER an einem Hafen an der Ostsee zu spielen. Und so wurden wir von Deutsche Mugge auch wieder auf Egon aufmerksam.
Irgendwann im Jahre 2007 hatte ich das erste Mal Kontakt mit Egon. Es war ein erstes Telefonat. Gespräche dieser Art wiederholten sich und Egon erzählte dabei Geschichten aus seiner Zeit als Musikant. Das konnte er sehr gut, sogar so gut, dass aus eher unschönen Erlebnissen im Rückblick Positives gezogen werden konnte. Er konnte aus einem "Winter an der See" innerhalb weniger Sätze einen Sommer entstehen lassen. Obwohl man ihm in der Jugend übel mitgespielt und ihn bei der Staatssicherheit angeschwärzt hatte, zeigte er sich milde, verzeihend und fand bei allem, was ihm dadurch verbaut wurde, noch Positives. Ein unglaublich feiner Charakter und sympathischer Gesprächspartner. Ich redete ihm Mut zu, seine Geschichte doch mal öffentlich zu machen. Ein Buch würde sicher keinen Verleger finden, aber bei Deutsche Mugge bot ich ihm unbegrenzten Platz für seine Lebensgeschichte an. Es dauerte eine Zeit, dann sagte er nach anfänglichem Zögern doch zu. Unser damaliger Kollege Fred war ein Riesen-Fan von TRANSIT, meldete sofort sein Interesse an und führte am Ende auch dieses Interview. Voller Ehrfurcht in der "Sie-Form" geführt, dabei war Egon ein Kumpeltyp, mit dem man locker wie mit einem Freund reden konnte. Bei diesem Interview und auch in den Gesprächen vorab wurde auch immer ein mögliches Comeback von TRANSIT angesprochen. Auch hier zeigte sich Egon eher zurückhaltend und schloss es eher aus, als einen Gedanken an das in die Tat umsetzen zu investieren. Wenn überhaupt, meinte er damals noch, würde ein Comeback eher spontan, ohne große Vorbereitung und wohl als einmalige Aktion aus purem Spaß an der Freude stattfinden. Auch hier nahm die Geschichte einen anderen Lauf. Die Reaktionen auf das Interview waren so enorm und vielzählig, dass man TRANSIT am 12. Juni 2009 erstmals seit 20 Jahren wieder live auf einer Bühne erleben konnte. Die Mugge auf der Parkbühne in Berlin-Biesdorf gab uns allen Recht, die ein großes Interesse der Leute an der Band und ihrer Musik voraussagten. Nach dem erwähnten Interview trat Lutz Krüger an Egon heran, der vom zurückgekehrten Spaß bei Linde las, und diesen Aufwind für eine Re-Union nutzen wollte. Wie schon erwähnt und wie wir ja alle wissen, klappte es damit auch.
Noch einmal ging Egon Linde mit seiner Gruppe TRANSIT auf große Fahrt. Sein Geschäft lief weiter, die Band blieb aber am Ball. Sie spielte zahlreiche Konzerte und auch CDs mit neuen Songs erblickten das Licht der Welt. Die Texte dafür lieferte u.a. unser Freund und Vereinskollege Andreas Hähle, weitere schrieben Ralf Hander und Egon selbst. In den letzten Jahren machten jedoch gesundheitliche Probleme das Leben Egon Lindes schwer. Er war an Demenz erkrankt, und es war für mich fast unerträglich von einem Treffen zu hören, bei dem der Musiker enge Vertraute aus seinem Umfeld schon nicht mehr erkannte. Wer Egon kannte, seine herzliche und liebenswürdige Art, den Wesenszug, über andere nie ein böses Wort zu verlieren, der hätte ihm noch viele Jahre mehr und ein anderes Abtreten von der großen Bühne gewünscht. Aber Egon ist heute trotz des Sturms und des Regens raus auf die hohe See gesegelt. Auf ein Meer, das ruhig in der Sonne liegt und ihn an einen Ort ohne Leid führen wird. Wir bleiben am Ufer zurück, dort wo der Wind kräftig bläst und der Regen in jede Naht unserer Kleidung dringt, und hoffen auf ein Wiedersehen … irgendwann … da drüben. Tschüss Egon, Du wirst vielen Menschen fehlen!
Erinnerungen in Bild und Ton: