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Ein Nachruf von Christian Reder.
Foto: Reinhard Baer + Pressefoto der Band (oben)



Nachdem der Posaunist Conny Bauer Anfang 1973 die MODERN SOUL BAND verlassen hatte um im Jazz-Bereich eigene Wege zu gehen, spielten Band-Chef Hugo Laartz und seine Musikanten die nächsten Konzerte nur mit zwei Bläsern. Daraufhin kam Hugos Nachbar Henry "Cott'n" Kotowski auf ihn zu und fragte, "Sag mal, willst Du in Zukunft nicht wieder einen Posaunisten mit in Deine Besetzung aufnehmen? Ich kenne da einen …" Hugo bejahte Cott'ns Frage und dieser vermittelte nach dem Gespräch den jungen Musikanten Dagobert Darsow an seinen Kumpel Hugo. Dieser nahm ihn in seine Band auf und bezeichnet das Zusammentreffen heute als Glücksfall.001 20210708 1479646617 Hugo Laartz beschreibt Dagobert Darsow als einen der aktivsten Mitglieder der Modern Soul Band, was Komposition und Arrangements angeht, mit denen er jemals zusammen gearbeitet hat. Darsow sei musikalisch sehr gut ausgebildet und spieltechnisch auf seiner Posaune ein absoluter Könner gewesen, der zudem über ein ausgeprägtes Gehör verfügt habe, das ihm das Heraushören von Feinheiten besonders leicht machte. Die Feststellung, "… einer der verlässlichsten Typen, die ich je kannte", schickt Laartz noch über den Berliner Kollegen hinterher. "Wäre da nicht diese Scheißkrankheit gewesen, wäre er noch heute in meiner Band".

Bereits im Jahre 2017 musste sich der Posaunist leider vom Publikum und seinen Kollegen bei der Modern Soul Band verabschieden. Der Grund für den Rückzug von der Bühne war eben erwähnte Erkrankung, die in einem schleichenden Prozess zunehmend schlimmer wurde. Dagobert war an Demenz erkrankt und die "Ausfälle" mehrten sich, erinnert sich Hugo Laartz an diese Zeit. Die Krankheit nagte bereits sehr an ihm. Bei Konzerten gab es schon Momente, in denen er kräftemäßig abbaute. Dazu kam, dass der einst so zuverlässige Kollege immer mehr mit Vergesslichkeit zu kämpfen hatte und auch am Instrument Schwächen zeigte, für die er aber nichts konnte. "Es kam eins zum anderen", sagt Laartz, "und da mussten wir uns eben trennen." Dieser Schritt war unumgänglich und wäre auf Kurz oder Lang sowieso gekommen, denn nach Dagoberts Ausstieg schritt die Demenz immer schneller voran. Es wurde so schlimm, dass er nicht mehr zu Hause versorgt werden konnte. Die letzten zwei Jahre lebte er deshalb in einem Pflegeheim, wo er im März des Jahres noch seinen 77. Geburtstag beging.

Dieser körperliche Verfall ist nur schwer zu begreifen wenn man bedenkt, dass der Mann mit der Posaune ein Baum von Kerl war. "Dagobert war ein Kraftpaket", erzählt Laartz über seinen Freund und Kollegen, "der immer Sport getrieben hat". Er hat Lehramt für das Fach Sport studiert, und war auch als Sportlehrer aktiv, der vor seinem Studium als Bootsbauer gearbeitet hatte. Alles Jobs, für die man fit und kräftig sein muss. Letztlich zog es ihn aber zur Musik, wo er auch tatkräftig anzupacken wusste. Nicht nur dort, denn Darsow hatte einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Bandchef Hugo Laartz denkt da speziell an eine der ersten Erlebnisse nach Darsows Einstieg bei der Modern Soul Band. Bei einer Mugge im Weimarer "Kasseturm" zum Fasching 1973 kam es zwischen dem Schlagzeuger und einem Konzertbesucher zu einem Streit, der handgreiflich zu werden drohte. "Ich weiß nicht mehr, worum es dabei ging", so Laartz, "aber Dagobert, der gerade erst frisch als neuer Kollege zur Band gestoßen war, ging dazwischen um zu schlichten." Es gab dabei schon "körperliche Kontakte" und eine Rudelbildung im Saal, fährt Hugo fort, "und auch der Club-Chef des "Kasseturms" wollte zur Auflösung des Streits beitragen." Laartz schildert das Geschehen amüsiert weiter, als wäre es erst gestern gewesen. "Als sich der Club-Chef von hinten näherte, um in das Geschehen einzugreifen dachte Dagobert, da wolle einer den Streit wieder anfeuern und ihn hinterrücks angreifen. Er drehte sich kurz um und gab dem Chef des Hauses einen ordentlichen Kinnhaken. Der - selbst von großer Statur - taumelte nach dem Schlag, fiel aber nicht um - worauf er heute noch stolz ist Die Konsequenz sollte sein, dass der sich verteidigende Musikant vor die Tür gesetzt werden sollte. Doch dazu kam es zum Glück nicht, denn eine Aussprache zwischen allen Beteiligten sorgte letztlich dafür, dass die Wut verpuffte und der Club-Chef, Hajo Fischer, nicht nur zum dicksten Freund sondern auch zum Ehrenmitglied der Modern Soul Band wurde. Das ist er übrigens bis heute und neben ihm gibt es keinen anderen, der diesen Status bei Modern Soul inne hat.

Nicht, dass jetzt ein falsches Bild auf den Menschen Dagobert Darsow fällt, und auch Hugo Laartz unterstrich das in seiner Erzählung über ihn ganz dick: Dagobert hat nie Streit gesucht. "Er war ein lieber, netter und verträglicher Kumpel, der nur Ungerechtigkeiten aus dem Weg geräumt hat." Er sei körperlich und musikalisch immer gut beisammen gewesen, und hat - egal ob in der Musik oder im Privatleben - immer seinen Mann gestanden.

Gegen die ihm auferlegte Bürde, die Demenz mit all ihren feigen Angriffen auf den Körper und das Gedächtnis, hatte das Kraftpaket aus dem Modern-Soul-Bläsersatz aber keine Chance. Auch ein Kinnhaken in Richtung des unsichtbaren aber deutlich spürbaren Gegners hätte nicht geholfen. Am Mittwoch (7.7.) wurde Dagobert Darsow von seinen Leiden erlöst und er schloss für immer seine Augen. Für ihn ganz sicher eine Erlösung, wenn man überlegt, dass man vor kurzer Zeit noch mit anpacken konnte und zuletzt ohne fremde Hilfe nichts mehr tun konnte. Aber für seine Familie und seine Freunde ein unwiederbringlicher Verlust. Vielleicht hilft die eine oder andere Anekdote, die man sich über ihn erzählen kann, etwas über die Trauer hinweg und helfen dabei, dass er nicht in Vergessenheit gerät. Seinen Kollegen von MSB kann das nicht passieren, denn sie haben da einige Geschichten mit ihm erlebt …





   
   
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