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Ein Beitrag von Christian Reder mit
Fotos von Jens Uphal & Herbert Schulze



"Der Manne hatte immer so einen friesischen Einschlag im Dialekt", erinnert sich Manfred Kählers Kumpel und langjähriger Bandkollege Dietmar Ränker. Die Gischt, die dem Seemann im Bart hängt, hing ihm offenbar immer so ein bisschen auf der Zunge. Er war halt ein echter mecklenburgischer Jung und ein angenehmer Mensch,001 20210219 1038600524 mit dem man gern zusammen Musik machte. Kähler, von Mitte der 70er bis Ende der 80er DIE Stimme der Gruppe BERLUC, war stets am Bug anzutreffen, wenn man in irgendeinem Hafen das Schiff BERLUC betrat.

In den Tiefen der 70er musizierten in und um Rostock herum ein paar Tanzkapellen. Dietmar Ränker war damals der Sänger der Tanzkapelle BERLUC und fing sich irgendwann einen üblen Stimmbandschaden ein. "Ich konnte gar nicht mehr reden", blickt Dietmar heute auf diese Zeit zurück, "weshalb ich auf die Suche nach einem neuen Sänger ging". In einer anderen Kapelle spitzte Manne Kähler seine Buntstifte mit der besonders scharfen Klinge, was auch Ränker schon aufgefallen war. Irgendwann saßen die beiden dann irgendwo in Warnemünde zusammen am Tisch und gönnten sich ein schaumiges und gut gekühltes Brauereierzeugnis. Dietmar fragte Manne, ob er sich in der Lage sähe auch Songs von Uriah Heep, Manfred Mann's Earth Band und Pink Floyd zu singen, was dieser mit den Worten, "Das kann ich Euch alles singen", bejate. Als die Antwort auf die letzte Frage, ob er auch gut trinken könne, mit einem lachenden "Joooo" beantwortet wurde, war das "Einstellungsgespräch" beendet und die Zukunftsplanungen hatten längst begonnen.

Schon bei einer ersten Bandprobe stellte Ränker fest, dass Manne Kähler in seiner schlechtesten Zeit immer noch um Klassen besser sang, als er selbst. Mit seiner Verpflichtung war ihm ein Glücksgriff gelungen. Sowas passiert Dir einmal im Leben … "Manne war ein Rock-Urfiech, ein sehr fleißiger und akribischer Mensch", schwelgt Ränker in Erinnerungen. Er war immer am Vorankommen der ganzen Band interessiert und tat dafür alles. Er konnte an gebrauchten Tagen aber auch anders drauf sein, erinnert sich Dietmar Ränker. Bei einem Festival mit über 20 Bands war was mit dem Ton. Der lief nicht ordentlich. Am Ende hatte Manne zwei Monitore von der Bühne getreten und aus dem Mikrofon-Ständer eine Acht gemacht. "Da hab ich mich hinterher drum gekümmert und dann waren die Wogen auch wieder geglättet. Aber auch das war Manne. Ein Rocker eben!" Wer es kuscheliger wollte, hätte ja auch zum Synchronschwimmen gehen können.

In der Anfangszeit von Kähler wechselte BERLUC von der Tanzmusik zum Covern. Gleich der erste Live-Einsatz führte die frisch besetzte Band BERLUC mit neuem Bühnenprogramm in die Sowjetunion. Eine große Tour stand an und ausgerechnet beim ersten Konzert in Sotschi verletzte er sich so schwer am Fuß, dass es lange Zeit gar nicht gut aussah. Die Mugge fand in einem riesengroßen Zirkuszelt statt und die Artisten hatten ihren Arbeitsplatz alles andere als ordentlich hinterlassen. Manne stolperte über irgendeine Matte und knickte dabei um. Der Fuß wurde dick, lief bis zur Wade auch blau an. Doch Kähler biss auf die Zähne, und zog durch. Er beendete nicht nur das Konzert unter großen Schmerzen, sondern danach auch die komplett Tour. Ein Schattenparker war er nachweislich nicht.

002 20210219 1568339436Nach einigen Monaten des Coverns merkte Manfred Kähler doch sehr schnell, dass da mehr Potential in der Band steckte, als sich nur am Material international operierender Kollegen zu bedienen. Was Eigenes musste her. "Ab sofort machen wir deutsche Musik und spielen eigene Songs", beschloss der wuselige und umtriebige Musikant und legte damit den Grundstein für eine Deutschrock-Legende. Er trug Kompositionen von Kollegen zusammen und schrieb selbst an eigenen Liedern, Das frühe Stück "Bleib, Sonne bleib" stammt ebenso aus seiner Feder wie so bekannte Lieder wie "Hunderttausend Urgewalten", "Fliegen vor der Zeit", "Glaube an Dich" und der Überhit "No Bomb". Der Rest ist Geschichte. Zwischen 1978 und 1988 füllte Manne mit BERLUC nicht nur Plätze und Säle, sondern auch drei Langspielplatten und eine Reihe von Singles mit feinster Rockmusik. Dann war Schluss.

Das Leben eines Rockers ließ sich nicht mit dem eines angehenden Familienvaters in Verbindung bringen. Kähler hatte geheiratet und zog 1988 die Reißleine. Er lenkte seinen Fallschirm in das befriedete Gebiet der Familie und ließ das rockende und stampfende Schlachtross BERLUC weiterziehen. Dies setzte seine Fahrt zuerst mit Ralf Dohanetz, kurz darauf mit Andreas Schenker und ab 1993 mit dem jetztigen Frontmann Ronnie Pilgrim fort. Aber keiner der Herren, so gut sie auch sind/waren, war ein Manne Kähler und BERLUC irgendwie nie mehr wie es mal war. Manne übernahm ab 1988 verschiedene Jobs abseits der Musik und wurde bodenständig. Nach der Wende trafen sich die Ränkers, die in Rostock gerade eine Diskothek eingerichtet hatten, in der auch Dietmars Frau Regina arbeitete, und der ehemalige Frontmann wieder. Familie Ränker verschaffte Manne dort den Job am Biertresen und so war man auf einem anderen beruflichen Gebiet wieder miteinander vereint. Für Manne war der neue Job auch der Grund für die Rückkehr in seinen Geburtsort Kühlungsborn, wo er seine Zelte wieder aufschlug. Kurze Zeit später machte er sich als Kneiper selbständig, übernahm einen eigenen Laden und stieg - wenn auch auf kleiner und regional züngelnder Flamme - wieder in die Musik ein. Als Tonmann war er für die Gruppe IRON HORSE tätig und mit der Gruppe FEUERWASSER nahm er als Sänger noch drei Alben auf, ehe er sich irgendwann komplett vom Zirkus verabschiedete.

003 20210219 1924080412"Zuletzt hatte er sich ja leider komplett zurückgezogen, so dass der Kontakt abgerissen war", erzählt Dietmar Ränker, erinnert sich aber noch gut an das letzte Zusammentreffen. "Wir hatten eine Mugge in Nienhagen, da hat er uns noch mal besucht. Ich feuerte ihn damals an, dass wir doch noch einmal zusammen auf die Bühne gehen könnten … so spontan … einfach aus der Laune heraus. Aber das wollte er nicht." Es war der letzte Kontakt der beiden Urgesteine, die so viel zusammen erlebt und so viel zusammen bewegt haben. Jetzt ist Manfred "Manne" Kähler im Alter von 71 Jahren in seiner Heimat Kühlungsborn verstorben. Ruhig und abseits des Medien-Tamtam, das uns täglich umgibt. "Die Nachricht hat mich unendlich traurig gemacht", sagt Dietmar Ränker beim Telefonieren und schiebt nach: "Jetzt ist er im Rocker-Himmel".

Man kann nur den Hut davor ziehen, was dieser schnauzbärtige Mann von der Waterkant aus einer kleinen Tanzkapelle hat entstehen lassen und man wundert sich, wie wenig diese Leistung doch medial gewürdigt wird. Kähler gehörte zu den Pionieren, die Rock und Pop salonfähig haben werden lassen und die unter erheblich erschwerten Bedingungen echte Kunst schufen. Gute Reise, Du Wegbereiter, und grüß die Kollegen, die in der neuen Welt schon warten ...






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