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Ein Nachruf von Christian Reder (Fotos: Redaktion)



Über eins wollte der General vor ein paar Tagen nicht sprechen. Es sollte ein positives Interview werden und nichts sollte den Leser da runter ziehen. Abgesehen davon, dass so eine Sache auch privat ist und nicht jeder so offen damit umgehen möchte, wollte auch ich das Thema nicht weiter vertiefen. Es ist mir vor ein paar Jahren schon schwer gefallen, mit Carsten Mohren alias Beathoven das Thema Krankheit im Interview einfließen zu lassen. Hier wollte aber der Betroffene selbst darüber sprechen und die Fans über seine Situation informieren. Klaus Selmke wollte aber in diesen Zeiten eher für etwas Abwechslung und etwas Positives sorgen. So war er an diesem Samstag (9. Mai) auch gut drauf. Das wollten wir beiden dann auch nicht wegen dieser "Sache". Wir schwelgten dafür gemeinsam in Erinnerungen aus fast 50 Jahren CITY und 70 Jahren Lebenserfahrung. Es war ein entspannter Nachmittag, es wurde gelacht, Späßchen gemacht und auch das Mikro mal für ein Wort abseits des Protokolls aus gelassen. Trotzdem - so schien es - schimmerte in unserem Gespräch doch schon die Gewissheit durch, dass es einer der letzten guten Tage sein würde. Klaus Selmke war schwer krank und an dem Tag, als wir uns für das Interview zusammengesetzt hatten, war seine Stimme schon sehr brüchig. So war das damals bei Thomas Kurzhals und dem eben schon genannten Beathoven auch. Geht die Stimme, gehen die Kräfte zu Ende. Trotzdem schafften wir es beide, den dicken schwarzen Vorhang für eine kurze Zeit beiseite zu schieben. Wir genossen ein paar letzte Sonnenstrahlen, denn wir redeten über etwas, das Klaus liebte: Musik und seine Band - CITY.

Diese Band gründete er vor 48 Jahren zusammen mit Fritz Puppel. Mit einer kurzen Unterbrechung in der Wendezeit gehörte Klaus dieser Band an. Mit ihm hatte die Berliner Rockgruppe einen ganz besonderen Drummer und Blickfang zugleich. Klaus spielte sein Instrument in einer eher ungewöhnlichen Sitzposition - fast ebenerdig und die Snare in Augenhöhe - und dies obendrein auch noch barfuß. Barfuß deshalb, damit er das von ihm ausgeübte Handwerk unverfälscht spüren konnte. Mit den Händen hielt er seine Stöcke und hatte das direkte Gefühl auf dieser Ebene schon von "Natur aus". Ohne Schuhe holte er es sich auch in die untere Hälfte des Körpers. Manch einer - so wie ich - kann oder konnte sich das nicht richtig vorstellen, wie man das Schlagzeug in der Position spielen kann, aber Klaus hatte es drauf. Sein Spiel war druck- und kraftvoll und doch mit sehr viel Feinfühligkeit und voller Feinheiten. Dabei machte er stets einen entspannten Eindruck, wie er da mit seinen Kopfhörern, über die er den Sound der Kollegen bei Live-Konzerten einfing, und den entspannten Gesichtszügen locker und leger die Felle und Becken bearbeitete. Ich habe ihn ein paar Mal live erleben dürfen und oft blieben die Blicke längere Zeit auf diesem Musiker mit der ungewöhnlichen Spielart haften.

Abseits des Rock'n'Roll, den er mit der Gruppe CITY spielte, führten ihn Ausflüge und längere Aufenthalte auch immer wieder in den Jazz. Er spielte in der Klaus Lenz Big Band und gründete in den 80ern ein eigenes Jazz-Trio, in dem er mit Conny Bauer und Stephan Bieneck alias Steve Binetti bis zur Auflösung im Jahre 1992 gemeinsam spielte. Die Musik war eben seins und man kann als Fan den beiden namentlich nicht mehr bekannten Musikern beim Ernte-Einsatz nur dankbar sein, die damals ihre Instrumente mitbrachten und Klaus mit ihrer "Lagerfeuer-Unterhaltung" für den Rock'n'Roll begeisterten.

Der Schlagzeuger hätte sicher noch ein paar Jahre mehr Bock auf das Leben gehabt. "Theoretisch" hat er sich auch auf die Rock-Legenden-Tour im kommenden Jahr gefreut. Das "theoretisch" in seiner Antwort auf die Frage nach der Vorfreude auf eben diese Tour erklärt sich jetzt von selbst. Heute um 14:00 Uhr ist Klaus Selmke in der Berliner Charité für immer eingeschlafen. Seine Trommelstöcke bleiben nun liegen, er kann sie nicht mehr spielen und von den Rock-Legenden gibt es jetzt einen weniger. Die Gruppe CITY verliert einen Freund, ein Gründungsmitglied, ihren Schlagzeuger und einen sehr angenehmen Kollegen. Wir Fans einen Musiker, der seinem Publikum immer viel Spaß bereitet hat. Meine Erinnerung an das Gespräch mit Klaus vor nicht einmal zwei Wochen ist noch sehr frisch und ich kann es gar nicht glauben, was mir heute hier mitgeteilt wurde. Klaus hat das ins schriftlich übertragene Interview vor der VÖ nochmal gegengelesen und ein paar Ergänzungen eingefügt. Das war unser letzter Kontakt. Am vergangenen Wochenende wollte er mir noch Fotos schicken, aber da kam keine Mail und kein Anruf mehr. Als ich das Interview am Mittwoch veröffentlichte, hatte ich schon so eine Ahnung. Ich hätte mich da nur allzu gern geirrt.

Dass Klaus zuletzt schwer krank war, ist inzwischen bekannt. Aber das, was ihn uns heute genommen hat, bleibt unausgesprochen. Klaus wollte darüber zu Lebzeiten nicht sprechen, also werden wir es an dieser Stelle auch nicht tun. Hab Dank dafür, dass Du ein Teil unserer kleinen Welt warst und mach's gut!
 
Bitte beachtet auch:
• Interview mit Klaus Selmke vom 9. Mai 2020: HIER 
 



Videoclip:

Klaus' Video von Anfang April 2020:






   
   
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