Ein Beitrag von Christian Reder (Fotos: Jim Rakete)
Im Jahre 1982 bekam ich von Bekannten meiner Eltern eine Schallplatte geschenkt, auf der vier damals angesagte bzw. aufstrebende Bands mit einigen ihrer Lieder vertreten waren. Das Ehepaar wusste, dass ich Fan der Gruppe SPLIFF war und der Name stand auch vorn auf dem Cover. Ganz sicher der Grund, warum die Wahl auf diese Platte als Mitbringsel fiel. "Levi's Rock Festival" heißt die Scheibe und war begleitend zu einer im Jahre 1982 gelaufenen Tournee der vier Bands veröffentlicht worden. Neben SPLIFF waren noch EXTRABREIT, PRIMA KLIMA und INTERZONE auf der Langrille zu hören, und hätte ich diese Platte nicht bekommen, wäre INTERZONE möglicherweise an mir vorbei gegangen.
Die Berliner Band war mit ihren Songs "BLNW" (was nix anderes als "Berlin West" heißt) und "Blues" zu hören, und aus dem Rhythm'n'Blues-Bereich kamen die Herrschaften um Heiner Pudelko auch. Ich war zu diesem Zeitpunkt 11 Jahre alt und sowohl die Band als auch die beiden Titel übten einen besonderen Reiz auf mich aus. Beim ersten Hören empfand ich das Szenario, das der Sänger in den Liedern zeichnete, ziemlich düster und ein Stück weit auch verstörend. Ihn selbst als unheimlich aber faszinierend zugleich. Mit sowas beschäftigt sich ein kleiner Junge ja eigentlich noch nicht. INTERZONEs Frontmann Heiner Pudelko war für mich das markante Erkennungsmerkmal dieser Formation, der mich am Ende auch an INTERZONE hängen bleiben ließ. War dieser in weiß gekleidete und blasse Mann von kleiner Statur nun ein Engel, oder steckte ihn ihm gar der Teufel? Nicht nur die auf den ersten Blick undurchsichtigen Textzeilen im Song "Blues" ("Heute ist Sonntag oder Donnerstag / Dein tägliches bisschen Leben / Wird gerade abgepackt") oder die zynischen, wenig sentimentalen und auch überhaupt nicht romantischen Zeilen der zweiten Nummer "BLNW" ("Hier ist alles piepegal, hier haste noch die freie Wahl, hier gibt es eisenharte Knechte, drüben Linke hüben Rechte."), die alles andere als ein vertontes Postkartenmotiv der damals noch getrennten Stadt Berlin darstellen, sondern ganz besonders diese Stimme hielt den Spannungsbogen straff. Ich habe die Lieder immer wieder gehört, sie landeten irgendwann auch auf einem Mixed Tape für den Walkman - meinem ständigen Begleiter in den 80ern - und ich erhörte mir nicht nur die Botschaften, las zwischen den Zeilen und sog die heiße Musik in mich auf, sondern fand immer größere Freude an der Gesangsleistung Pudelkos. Er konnte seine Stimme vom tiefen und bedrohlich wirkenden Bariton bis in die höchsten Etagen des Falsetts empor schießen, ohne dabei wie eine Kreissäge zu kreischen. Es schien ihm spielend leicht zu fallen, und auch da oben in den Höhen, wo unsereiner niemals hinkommen würde, konnte er mit der Stimme spielen und Dich in den Tiefen Deiner Seele berühren.
Ich liebte diese Schallplatte, auch wenn ich mit PRIMA KLIMA nie wirklich warm geworden bin. Aber SPLIFF hatte mich sowieso schon eingefangen, EXTRABREIT begeisterte mich mit "1-1-0" und "Polizisten", nervte mich dagegen inzwischen aber schon mit der "brennenden Schule", und INTERZONE war für mich die Neuentdeckung. Die rotzige Blues-Musik, einem Genre, mit dem ich bis dahin noch nichts zu tun hatte, verbunden mit der schon in höchsten Tönen gelobten und unverwechselbaren Stimme ihres Sängers begleitete mich auch in den Wochen und Monaten danach. Das Debüt-Album hatte ich auf Band, das ein Jahr später erschienene zweite Werk "Aus Liebe" hatte ich mir auch besorgt, und trotzdem verlor ich die Band irgendwann und irgendwie aus den Augen. In einer Zeit ohne Internet und nur mit Taschengeld, das pauschal für Platten drauf ging und für Musikmagazine nicht ausreichte, konnte das damals schon passieren. Insbesondere immer dann, wenn Bands oder Solisten nicht in die Charts einstiegen. Dies gelang INTERZONE in all den Jahren leider nie. Auch wenn sich ihre Scheiben gut verkauften, war INTERZONE eben keine Chart-Band und TV-Auftritte dementsprechend selten. Es blieben die beiden Alben auf Band und natürlich die eingangs erwähnte Schallplatte, die immer wieder zum Einsatz kamen, irgendwann dann aber auch im Schrank standen und von neueren Platten und Bändern abgelöst wurden, deren Inhalte mich auch sehr interessierten.
Im Jahre 1985 gab es ein Wiedersehen im damals noch im Ersten laufenden "WWF Club". Das war eine Sendung, deren Musikredaktion gerade bei den Bühnengästen auch mal abseits des Mainstream Einladungen aussprach. Heute undenkbar - sowohl, dass es eine Musikredaktion gibt, als auch dass über den Mainstream hinaus etwas in den Medien stattfindet. Dort stolperte man dann aber z.B. über Musiker wie LÜÜL, Hans Hartz, Georg Danzer, Feltman trommelt oder eben INTERZONE. Eines schönen Freitagabends kündigte Moderator Frank Laufenberg die Berliner Band mit ihrem neuen Song an, zu dem es bis dahin noch kein Album gab. "Ich und mein Freund die Katze" stellte die Kapelle dort vor und so außergewöhnlich der Titel klang, so außergewöhnlich war natürlich auch die Musik. Ganze drei Jahre hatte ich die Band nicht gesehen und auch wenn sich die Musik deutlich verändert hatte, so waren Pudelko und seine Stimme immer noch die Alten. Neben der Musik änderte sich auch der Inhalt. Dieses Mal waren nicht die Verlierer des Milieus, große Träumer oder "Hintermänner" das Thema, sondern die Liebe und das sich Hingezogen fühlen zu einer sich mit Sonne vollknallenden Frau im "Südsee Atoll". Da hat man aber reichlich am Sound und am Inhalt in der langen Zeit nach "Aus Liebe" gearbeitet, war der erste Gedanke. Dass man aber insbesondere auch wegen einer schweren Erkrankung des hageren, blassen, blonden Mannes mit den zum Dutt gebundenen Haaren so lange nichts von INTERZONE hörte, und dass zwischenzeitlich auch ein Musiker aus der Band verstorben war, wusste ich damals nicht. Woher auch?! INTERZONE war auch keine Band, für die sich der Boulevard interessierte. Umso mehr freute ich mich über den Auftritt und die Tatsache, dass es sie noch gab. Das in der Show angekündigte dritte Album ging an mir aber leider ebenso vorbei wie an vielen anderen Menschen der sich damals in voller Blüte befindlichen 80er. Die Scheibe floppte, nicht zuletzt auch wegen mangelnder Werbung durch die Plattenfirma RCA, die Zeit, Geld und Energie in ihre international erfolgreichen Zugpferde Rick Springfield, Mr. Mister, Barry Manilow, Eurythmics und Sandra steckte.
Als sich INTERZONE auch aufgrund mangelndem kommerziellen Erfolges auflöste, hatte Pudelko schon längst ein Angebot für ein Solo-Album in der Tasche. Derer schuf er bis 1992 noch zwei, ehe seine Gesundheit vom Krebs aus dem Hinterhalt angegriffen wurde. Der Mann, den seine Freunde als klugen, belesenen und charmanten Menschen beschrieben, musste plötzlich gegen einen aggressiven Feind im Kopf kämpfen. Jenem Zentrum seiner Kreativität, das ihn in den Jahren zuvor zu etwas hat werden lassen, was es vor ihm und auch nach ihm nie wieder gegeben hat, und das auch in dieser schweren Zeit noch Ideen produzierte, die als Demos aufgenommen wurden. Am 18. August diesen Jahres wäre Heiner Pudelko 70 Jahre alt geworden. Niemand weiß, ob er ohne den Feind im Kopf, der ihn am 11. Januar 1995 aller Kräfte beraubt an einen schmerzfreien und von allen anderen Problemen befreiten Ort geschickt hat, auch heute noch Musiker wäre oder ob er nicht schon längst ein produktiver Autor ohne Mikrofon in der Hand geworden wäre. Hinterlassen hat er uns jedoch einige Alben voller Lieder, die er einzigartig mit seiner Art des Gesangs veredelt hat und die niemand so präsentieren kann, wie es Pudelko selbst nur konnte. Die Schallplatte, mit der für mich alles begann, habe ich immer noch, genauso wie ich Pudelko, der mich damals als vorpubertären Musik-Fan anzündete, immer noch in guter Erinnerung habe. Auf Dein Wohl, wo auch immer Du jetzt bist, Du unheimliche und gleichzeitig so faszinierende Erscheinung der deutschen Musikszene.
Die Berliner Band war mit ihren Songs "BLNW" (was nix anderes als "Berlin West" heißt) und "Blues" zu hören, und aus dem Rhythm'n'Blues-Bereich kamen die Herrschaften um Heiner Pudelko auch. Ich war zu diesem Zeitpunkt 11 Jahre alt und sowohl die Band als auch die beiden Titel übten einen besonderen Reiz auf mich aus. Beim ersten Hören empfand ich das Szenario, das der Sänger in den Liedern zeichnete, ziemlich düster und ein Stück weit auch verstörend. Ihn selbst als unheimlich aber faszinierend zugleich. Mit sowas beschäftigt sich ein kleiner Junge ja eigentlich noch nicht. INTERZONEs Frontmann Heiner Pudelko war für mich das markante Erkennungsmerkmal dieser Formation, der mich am Ende auch an INTERZONE hängen bleiben ließ. War dieser in weiß gekleidete und blasse Mann von kleiner Statur nun ein Engel, oder steckte ihn ihm gar der Teufel? Nicht nur die auf den ersten Blick undurchsichtigen Textzeilen im Song "Blues" ("Heute ist Sonntag oder Donnerstag / Dein tägliches bisschen Leben / Wird gerade abgepackt") oder die zynischen, wenig sentimentalen und auch überhaupt nicht romantischen Zeilen der zweiten Nummer "BLNW" ("Hier ist alles piepegal, hier haste noch die freie Wahl, hier gibt es eisenharte Knechte, drüben Linke hüben Rechte."), die alles andere als ein vertontes Postkartenmotiv der damals noch getrennten Stadt Berlin darstellen, sondern ganz besonders diese Stimme hielt den Spannungsbogen straff. Ich habe die Lieder immer wieder gehört, sie landeten irgendwann auch auf einem Mixed Tape für den Walkman - meinem ständigen Begleiter in den 80ern - und ich erhörte mir nicht nur die Botschaften, las zwischen den Zeilen und sog die heiße Musik in mich auf, sondern fand immer größere Freude an der Gesangsleistung Pudelkos. Er konnte seine Stimme vom tiefen und bedrohlich wirkenden Bariton bis in die höchsten Etagen des Falsetts empor schießen, ohne dabei wie eine Kreissäge zu kreischen. Es schien ihm spielend leicht zu fallen, und auch da oben in den Höhen, wo unsereiner niemals hinkommen würde, konnte er mit der Stimme spielen und Dich in den Tiefen Deiner Seele berühren.
Ich liebte diese Schallplatte, auch wenn ich mit PRIMA KLIMA nie wirklich warm geworden bin. Aber SPLIFF hatte mich sowieso schon eingefangen, EXTRABREIT begeisterte mich mit "1-1-0" und "Polizisten", nervte mich dagegen inzwischen aber schon mit der "brennenden Schule", und INTERZONE war für mich die Neuentdeckung. Die rotzige Blues-Musik, einem Genre, mit dem ich bis dahin noch nichts zu tun hatte, verbunden mit der schon in höchsten Tönen gelobten und unverwechselbaren Stimme ihres Sängers begleitete mich auch in den Wochen und Monaten danach. Das Debüt-Album hatte ich auf Band, das ein Jahr später erschienene zweite Werk "Aus Liebe" hatte ich mir auch besorgt, und trotzdem verlor ich die Band irgendwann und irgendwie aus den Augen. In einer Zeit ohne Internet und nur mit Taschengeld, das pauschal für Platten drauf ging und für Musikmagazine nicht ausreichte, konnte das damals schon passieren. Insbesondere immer dann, wenn Bands oder Solisten nicht in die Charts einstiegen. Dies gelang INTERZONE in all den Jahren leider nie. Auch wenn sich ihre Scheiben gut verkauften, war INTERZONE eben keine Chart-Band und TV-Auftritte dementsprechend selten. Es blieben die beiden Alben auf Band und natürlich die eingangs erwähnte Schallplatte, die immer wieder zum Einsatz kamen, irgendwann dann aber auch im Schrank standen und von neueren Platten und Bändern abgelöst wurden, deren Inhalte mich auch sehr interessierten.
Im Jahre 1985 gab es ein Wiedersehen im damals noch im Ersten laufenden "WWF Club". Das war eine Sendung, deren Musikredaktion gerade bei den Bühnengästen auch mal abseits des Mainstream Einladungen aussprach. Heute undenkbar - sowohl, dass es eine Musikredaktion gibt, als auch dass über den Mainstream hinaus etwas in den Medien stattfindet. Dort stolperte man dann aber z.B. über Musiker wie LÜÜL, Hans Hartz, Georg Danzer, Feltman trommelt oder eben INTERZONE. Eines schönen Freitagabends kündigte Moderator Frank Laufenberg die Berliner Band mit ihrem neuen Song an, zu dem es bis dahin noch kein Album gab. "Ich und mein Freund die Katze" stellte die Kapelle dort vor und so außergewöhnlich der Titel klang, so außergewöhnlich war natürlich auch die Musik. Ganze drei Jahre hatte ich die Band nicht gesehen und auch wenn sich die Musik deutlich verändert hatte, so waren Pudelko und seine Stimme immer noch die Alten. Neben der Musik änderte sich auch der Inhalt. Dieses Mal waren nicht die Verlierer des Milieus, große Träumer oder "Hintermänner" das Thema, sondern die Liebe und das sich Hingezogen fühlen zu einer sich mit Sonne vollknallenden Frau im "Südsee Atoll". Da hat man aber reichlich am Sound und am Inhalt in der langen Zeit nach "Aus Liebe" gearbeitet, war der erste Gedanke. Dass man aber insbesondere auch wegen einer schweren Erkrankung des hageren, blassen, blonden Mannes mit den zum Dutt gebundenen Haaren so lange nichts von INTERZONE hörte, und dass zwischenzeitlich auch ein Musiker aus der Band verstorben war, wusste ich damals nicht. Woher auch?! INTERZONE war auch keine Band, für die sich der Boulevard interessierte. Umso mehr freute ich mich über den Auftritt und die Tatsache, dass es sie noch gab. Das in der Show angekündigte dritte Album ging an mir aber leider ebenso vorbei wie an vielen anderen Menschen der sich damals in voller Blüte befindlichen 80er. Die Scheibe floppte, nicht zuletzt auch wegen mangelnder Werbung durch die Plattenfirma RCA, die Zeit, Geld und Energie in ihre international erfolgreichen Zugpferde Rick Springfield, Mr. Mister, Barry Manilow, Eurythmics und Sandra steckte.
Als sich INTERZONE auch aufgrund mangelndem kommerziellen Erfolges auflöste, hatte Pudelko schon längst ein Angebot für ein Solo-Album in der Tasche. Derer schuf er bis 1992 noch zwei, ehe seine Gesundheit vom Krebs aus dem Hinterhalt angegriffen wurde. Der Mann, den seine Freunde als klugen, belesenen und charmanten Menschen beschrieben, musste plötzlich gegen einen aggressiven Feind im Kopf kämpfen. Jenem Zentrum seiner Kreativität, das ihn in den Jahren zuvor zu etwas hat werden lassen, was es vor ihm und auch nach ihm nie wieder gegeben hat, und das auch in dieser schweren Zeit noch Ideen produzierte, die als Demos aufgenommen wurden. Am 18. August diesen Jahres wäre Heiner Pudelko 70 Jahre alt geworden. Niemand weiß, ob er ohne den Feind im Kopf, der ihn am 11. Januar 1995 aller Kräfte beraubt an einen schmerzfreien und von allen anderen Problemen befreiten Ort geschickt hat, auch heute noch Musiker wäre oder ob er nicht schon längst ein produktiver Autor ohne Mikrofon in der Hand geworden wäre. Hinterlassen hat er uns jedoch einige Alben voller Lieder, die er einzigartig mit seiner Art des Gesangs veredelt hat und die niemand so präsentieren kann, wie es Pudelko selbst nur konnte. Die Schallplatte, mit der für mich alles begann, habe ich immer noch, genauso wie ich Pudelko, der mich damals als vorpubertären Musik-Fan anzündete, immer noch in guter Erinnerung habe. Auf Dein Wohl, wo auch immer Du jetzt bist, Du unheimliche und gleichzeitig so faszinierende Erscheinung der deutschen Musikszene.