Zum 60. Geburtstag von

Tamara Danz

Ein Beitrag von Christian Reder (14.12.2012)
 

Ich bin ganz ehrlich... Es fällt mir gar nicht so leicht, zu Tamara Danz' 60. Geburtstag ein paar Worte zu schreiben. Ich fange hier nun zum vierten Mal an und hoffe, dass es mir jetzt gelingt. Egal wie oft ich jetzt anfangen habe, am Ende ist der Text mehr die Geschichte von mir und mein Kennenlernen von SILLY und Tamara. Außerdem halte ich mich auch sonst nicht unbedingt für den geeigneten Schreiber eines solchen Textes zu Tamaras runden Geburtstag. Mir ist es leider nie vergönnt gewesen, ein Konzert von SILLY mit Tamara als Sängerin live zu sehen, geschweige denn, sie mal persönlich zu treffen. Auf Video und DVD habe ich das zwar, aber das ist doch nicht das gleiche. Trotzdem war und bin ich heute noch ein großer Bewunderer von Tamara Danz, ihren Texten und ihrer Art zu singen.

Ich habe erst Anfang der 90er angefangen, mich intensiv mit SILLY zu beschäftigen. Ich kannte die Band vom Namen her zwar schon vorher, aber so einen richtigen Kontakt gab es bis dahin nicht. Damals lief hier bei uns im Radio der Song "Verlorene Kinder". Es war kurz nach der Wende und ich muss dazu sagen, dass ich im Westen der Republik geboren und aufgewachsen bin, und hier auch immer noch lebe und arbeite. Während der Arbeitszeit, damals habe ich noch bei einer Behörde im Büro gearbeitet, lief immer das Radio meiner Kollegin. Das dudelte von früh bis spät alle möglichen Lieder, die zu der Zeit so angesagt waren. U.a. lief da irgendwann auch ein Song, der mit orientalischen Klängen begann. Kurz darauf begann eine Sängerin zu singen, die mir glatt die Schuhe auszog. Gesang und Musik nahmen mich sofort gefangen. Eine so schöne Klavierfigur hatte ich zuletzt bei Bruce Hornsby und seinem Song "The Way It Is" gehört. Und ich konnte mich nicht daran erinnern, dass es eine Sängerin bis dahin mal geschafft hatte, mir schon nach einer Handvoll gesungener Worte eine Gänsehaut zu bescheren. "Was ist das für ein Lied?", fragte ich meine Kollegin. Er lief damals auf dem Sender zum ersten Mal, und sie wusste es auch nicht. So blieb mir der Name der Band und der Titel des Songs erstmal unbekannt. Aber der Song sollte nicht zum letzten Mal gelaufen sein. Er kam wenige Tage später noch einmal, und diesmal war ich vorbereitet. Ich rief die Radiostation an und fragte, welches Lied da gerade lief. "SILLY mit 'Verlorene Kinder' ist das", bekam ich als Antwort. Bingo! Schnell den Gesamtkatalog vom Disc-Center in Weikersheim raus gekramt und eine Bestellung aufgegeben. Neben dem Album "Februar" kaufte ich auch gleich noch "Mont Klamott" dazu. Ein paar Tage später war die Bestellung da... Mann, was hat mich diese Musik umgehauen. Beide CDs katapultierten sich sofort auf die vordersten Plätze meiner persönlichen Charts der damaligen Zeit. Ein Song besser als der andere. Und überhaupt... "Verlorene Kinder". Das Stück lief im Westradio und war dabei doch eine zu Musik gewordene Milieustudie über die Jugend der DDR. Genauer gesagt über die Jugend in einer Plattenbausiedlung. Der Song hatte es geschafft, dass ich mich in eben diese Situation hinein versetzen konnte.

Kinder zwischen gestern und heute, mit fehlender Perspektive nach der Wende und von allen alleingelassen. "...in die warmen Länder, würden sie so gerne flieh'n", heißt es da. Hammer! Allein der Text schaffte es, Gänsehaut zu erzeugen, und dann noch in Verbindung mit der Stimme von Tamara Danz... Großartig! Auf der "Februar" CD befanden sich noch andere Songs, die ebenfalls immer und immer wieder bei mir liefen. "Paradiesvögel" ist z.B. so ein Song, der zu meinen absoluten Favoriten aus dem SILLY-Repertoire gehört. Und "Mont Klamott" wusste mit so starken Titeln wie "Ein Lied für die Menschen" oder "Unter'm Asphalt" zu überzeugen. Beide Alben waren nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich sehr unterschiedlich, und "Februar" war ganz nah am Puls der Zeit. Wenn man sich ein bisschen mit der Situation in der damaligen DDR beschäftigte, also der echten Situation, und nicht der, die einem von den Medien vorgelogen wurde, konnte man sich sehr gut in die Texte hinein versetzen. Manches ließ sich sogar auf die Welt hier im Westen übertragen. Und das war es, was mich an SILLY so faszinierte. KARAT, die Band, die ich als erstes für mich als Lieblingsband auserkoren hatte, hatte seine Stärken bei den lyrischen Texten und deren rockmusikalischen Umsetzung. SILLY ging mit ihren von Werner Karma, Tamara Danz und Gerhard Gundermann verfassten Texten einen anderen Weg, und der war für mich nicht weniger interessant. Ich hatte eine neue Band für mich entdeckt. SILLY war "meins"...

Kurz darauf erschien mit "Hurensöhne" ein neues Album. Das bekam ich aber erst gar nicht mit, sondern wurde durch eine Maxi CD mit dem Titelsong dieses Albums aufmerksam, die im Fach mit Promo-CDs in einem Platten-Laden stand. Es war die Zeit, in der deutsche Musik völlig "out" war. Nicht nur die aus dem Osten, sondern auch die aus dem Westen. Die Charts waren mit Dance-Zeug und Musik "Made in USA" verstopft. "Hurensöhne" gehörte genauso wie die damals veröffentlichten Stoppok-Alben zu erfrischenden Alternativen zu eben diesem Plastik-Pop und Ami-Zeug, fand aber Chart-technisch irgendwie nicht statt. Auch mit den Songs auf dem "Hurensöhne"-Album berührte mich Tamara mit ihrer Art zu singen wieder dermaßen, dass ich auch von dieser Scheibe nicht mehr los kam. Sie war Dauergast in meinem heimischen CD-Player und im Auto.

Und auch hier waren die Texte wieder eines der Stärken des Albums. Für mich waren die Texte, die Tamara da in Musik kleidete, erstklassig und auf dem gleichen hohen Niveau wie bei Rio Reiser oder Herwig Mitteregger. Rockmusik mit solchen Inhalten, die wirklich so greifbar und nachvollziehbar sind, gab's sonst kaum oder gar nicht. Und Tamara selbst war die Stimme dieser Band, die dem Hörer nicht nur diverse wohlige Schauer über den Rücken laufen lassen konnte, sondern ihn auch fesselte und an ihren Lippen hängen ließ. Tamara Danz war DIE deutsche Rocksängerin. Danach kam eine ganze Weile gar nichts.

Im Frühjahr 1996 wurde ein neues Album von SILLY angekündigt. "Paradies" sollte es heißen. "Wunderbar", war mein erster Gedanke. Und bei dieser Album-Veröffentlichung wollte ich dann auch mein erstes Live-Konzert von SILLY erleben. Ich war inzwischen eh schon ein "Konzertreisender" und war sehr oft in den östlichen Bundesländern als Konzertbesucher unterwegs. SILLY stand für 1996 fett auf meiner "To Do"-Liste. Sobald die neue Scheibe veröffentlicht ist, würde die Band sicher auch touren. Die Faszination, die von Tamara schon über die Alben aus ging, wollte ich endlich auch mal live und in Farbe sehen und hören. Es musste etwas Großes sein, diese Stimme und diese Bühnenpräsenz live erleben zu können. Doch dazu sollte es gar nicht kommen. Ich weiß nicht mehr, in welcher Zeitung es gemeldet wurde, aber Tamara Danz war schon während der Produktion zum Album "Paradies" schwer krank. So krank, dass es ein Live-Erleben auf einer Bühne nicht mehr geben würde. Das Album erschien und Tamara starb im Alter von nur 43 Jahren an Krebs. Der Klos, den ich im Hals hatte, als ich davon erfuhr, war dermaßen groß, dass er sich lange nicht schlucken ließ. Den richtigen Hammer bekam ich aber versetzt, als ich das Lied "Asyl im Paradies" hörte. Dieses Gefühl lässt sich auch heute noch nicht in Worte fassen...

"Meine Uhr ist eingeschlafen
Ich hänge lose in der Zeit
Ein Sturm hat mich hinaus getrieben
Auf das Meer der Ewigkeit"

Allein diese ersten zwei Zeilen, gesungen von einer Frau, die mich über fünf Jahre faszinierte und begeisterte, und die inzwischen nicht mehr lebte, versetzten mir beim Hören einen Schlag.

Meine Zeit mit Tamara war eine kurze, die dazu noch aus einem Beobachten aus der Entfernung bestand. Ich habe sie leider nicht live erleben können, und ich habe sie auch nach ihrem Tod nicht vergessen können. Auch heute noch gehört "Paradies" zu meinen absoluten Lieblings-Alben. Dass ihre Kollegen nach dem Tod über Jahre nicht in der Lage waren, mit SILLY weiter zu machen, zeigt für mich auch den Respekt, den ihre Bandkollegen vor ihr hatten und gleichzeitig auch die Liebe ihrer Musikerkollegen zu ihr als Sängerin und Herz von SILLY. Ich kann das auch heute noch sehr gut nachvollziehen... Andere gehen mit so einer Situation anders um, und noch bevor der Kollege richtig weg ist, wird nach Ersatz gesucht oder ein Neuer steht sogar schon in den Startlöchern.

Heute wäre Tamara Danz 60 Jahre alt geworden. Es ist müßig darüber nachzudenken, was wohl in den letzten 16 Jahren gewesen wäre, hätte sie diese Drecksseuche Krebs nicht ereilt und ihren Kampf gegen dieses heimtückische Monster verlieren lassen. Es ist wie es ist, und längst ist bei SILLY wieder Leben eingezogen. Die Welt hat sich weiter gedreht, doch sie ist nicht mehr ganz so farbig wie sie das vor 16 Jahren noch war... Was uns bleibt sind einige Alben voller Musik und Tamaras einzigartiger Vortragskunst. Vergessen sein wird sie jedenfalls nie!

Nun habe ich es doch geschafft, einen Beitrag zu Deinem Geburtstag zu schreiben und ich hoffe, ein paar Lesern wird er an Deinem heutigen Geburtstag Freude bereiten und an Dich denken lassen. Du hast uns lange Zeit mit Deiner Musik Freude bereitet und eine Stimme wie Deine gibt es bis heute nicht wieder. Danke, und alles Gute zum 60. Tamara.

 

 


   
   
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