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Er war Clown in einem Zirkus...
Als ich 1975 KARAT zum ersten mal erlebte, war der Frontmann der Band noch Hans-Joachim Neumann, genannt Neumi. Bei Titeln wie "Leute welch ein Tag", "Hey Erna" oder "Such ein Zimmer" gab er der Band und den Liedern seine Stimme. Im Jahre 1977 war dann seine Zeit bei KARAT beendet, denn Neumi musste seinen Wehrdienst bei der NVA antreten. Fortan war Herbert Dreilich der einzige Sänger und Frontmann von KARAT. Nach Neumis Armeezeit begann Neumi im Jahre 1979 sein eigenes Bandprojekt zu verwirklichen, welches er NEUMIS ROCK CIRCUS nannte.

Mit von der Partie bei NEUMIS ROCK CIRCUS waren neben Hans-Joachim 'Neumi' Neumann selbst als Sänger der Keyboarder Rainer Oleak, der Bassist Hans-Joachim Schweda, an der Gitarre Stefan Schirrmacher und der Schlagzeuger Daniel Mischna, der aber bald wieder ausstieg und durch Ingo Politz ersetzt wurde. Das Konzept der Band war Rockmusik mit Clownerie zu verbinden, ein bisschen Kabarett dazu und - wie es der Bandname bereits sagte - eine gehörige Portion Zirkus. Entsprechend sah auch das Bühnenoutfit der 5 Musiker aus. Der erste Hit, und warscheinlich auch der erfolgreichste und bekannteste Titel der Band, war "Der Clown". Die Titel für die Band schrieben Hans-Joachim Neumann und Rainer Oleak zum Teil gemeinsam, zum Teil auch jeder einzeln. Die Texte stammen aus der Feder von Hans-Joachim Neumann.

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Ich habe die Band Anfang der 80er Jahre bei einem Konzert im damaligen Kulturhaus in Kyritz erlebt. Vor dem Konzert trat ein Typ mit Bart auf die Bühne und begann irgendwelches wirres Zeug zu erzählen. Wer dieser Typ war, weiß ich nicht. Möglicherweise war es der Manager, Techniker, Tourbegleiter oder sonst ein Mitglied des Ensembles. Schließlich sagte er dann: "...und jetzt volles Licht für die Musikanten", danach schraubte er eine Glühbirne in eine Lampenfassung fest, die an einem Kabel von der Decke herabhing. Kurz darauf ging dann aber die richtige Bühnenbeleuchtung an, und Neumi begrüßte wie ein echter Zirkusdirektor in Frack und Zylinder alle anwesenden Konzertbesucher. Der erste Titel, der gespielt wurde, hieß "Gorilla-la" und handelte von einem Affen, der unbedingt einen Hit landen will. Er probiert alles Mögliche, nimmt sogar Ballettunterricht, aber mit dem Hit klappt es nicht. Am Ende versucht er es ganz natürlich und dann heißt es: "Gorilla-la, jetzt bist Du da, und hast den Hit der Welt sogar". Zu diesem Titel sprang auch der Typ vom Anfang wieder auf der Bühne rum. Diesmal im Affenkostüm, eine Fahne mit der Aufschrift "NRC" schwingend. Im Song "Der Simulant" klagt jemand beim Doktor sein Leid, ihm geht es so schlecht und er braucht einen Krankenschein. Der Doktor sagt dann "Nein mein Herr, Sie irren sich, Sie sind kerngesund, täglich diese Rockmusik bringt Sie auf den Hund, hör'n Sie sich mal Schlager an, Lieder mit viel Herz..."

"Der Mann im Frack" wurde im Tango-Rhythmus gespielt, und es geht um einen Herrn, der in einem Tanzlokal mit Tischtelefonen die Damen zum Tanz führt. Beim "Schlapphutblues" klimperte Rainer Oleak auf einem Piano und Neumi sang "Ich bin der Schlapphut, und sing den Schlapphutblues..." Neumi sang mit verstellter Stimme, hatte einen Hut auf und während Rainer Oleak spielte, sprang Neumi ins Publikum, verzog das Gesicht zur Grimasse und klatschte Beifall. Weiter ging's mit dem Titel "Jumbo". "Jumbo" ist ein Zirkus-Elefant. Er mag seine Dompteuse nicht so richtig. Schließlich kommt eine neue Dompteuse, das Fräulein Knutschfleck, die auch noch toll aussieht und die kann er viel besser leiden. Natürlich wurde auch "Der Clown" an diesem Abend gespielt, ebenso "Bella Senorita" und "Mensch, Du bist krank. Dir fehlen die Tassen im Schrank..." Schließlich gab es noch den "Cirkuswalzer". Neumi trat dabei mit Frauen-Perücke und angezogen wie eine Opern-Diva mit Glitzerkleid und hochhackigen Schuhen auf und sang mit hoher Frauenstimme. Als er dann zu seinem höchsten Ton ansetzte, riss er plötzlich sein Kleid vorne auf. Seine beiden Musiker-Kollegen Rainer Oleak und Ingo Politz sprangen sofort auf, um es wieder zu schließen, aber der BH mit den kreisenden Lichtern war deutlich zu sehen.

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An diesem Abend gab es zu erstklassiger Rockmusik, gespielt von erstklassigen Musikern, allerhand Nonsens, Clownerie, Gags und Show zu sehen. Wer hier hergegangen war, um ernsthafte und schwer verdauliche Texte zu hören, war sicherlich fehl am Platze. Natürlich wurde die Band nicht ohne Zugabe entlassen. Nachdem das Publikum die Band mit Zugabe-Rufen auf die Bühne zurückholte, erzählte Neumi, dass sich die Gruppe geschworen habe, falls man irgendwann einmal eine Zugabe von Ihnen fordern würde, dass sie unbedingt einen ganz bestimmten Titel spielen wollte. Der Tag schien nun gekommen zu sein, und als Zugabe spielte die Band den Song "Rosamunde". Dieses Lied ist bekanntlich eine Polka und fehlt bei keiner böhmischen Blaskapelle im Repertoire. Bei NEUMIS ROCK CIRCUS gab es diesen Titel als knallharte Rocknummer mit hartem Bass und Gitarrenriffs. Damit endete das Konzert.

Viel weiter ging's dann für NEUMIS ROCK CIRCUS nicht mehr. Hans-Joachim Neumann stellte einige Zeit nach diesem Konzert im Jahre 1983 einen Ausreiseantrag, der dann auch irgendwann von den DDR-Behörden genehmigt wurde. Er ging dann in die Bundesrepublik. Damit war das Ende der Band besiegelt. Gitarrist Stefan Schirrmacher ging danach zur Band von Petra Zieger. Rainer Oleak gründete die Gruppe DATZU, in die er dann auch Stefan Schirrmacher und Ingo Politz holte. Diese Gruppe arbeitete nacheinander mit den Sängerinnen Ines Paulke, Anke Schenker und Annett Kölpin. Ohne die genannten Solistinnen war DATZU auch Begleitband für Frank Schöbel. Dabei nannte man sich aber nicht DATZU, sondern NANU. Zu DATZU bzw. NANU gehörte u.a. auch der jetzige Puhdys-Bassist Peter "Bimbo" Rasym. Den Namen Rainer Oleak liest man ab und an in Abspannen von Fernsehfilmen als Komponist von Filmmusiken. Er ist heute Komponist und Produzent und war maßgeblich am Erfolg von "Ostrock in Klassik" beteiligt. Bei den Konzerten von "Ostrock in Klassik" konnte man "Ole" auch wieder mal live in Aktion erleben. Bassist Hans-Joachim Schweda arbeitete später als Studiomusiker, spielte u.a. die LP "Schritte" von INKA (Bauses) und das Album "Signal für beide" von Matthias Tost mit ein. Ingo Politz ist wie Oleak ebenfalls als Produzent tätig. Im Jahre 2002 gründeten Politz zusammen mit Bernd Wendland die Produktionsfirma VALICON, die inzwischen schon für viele namhafte Musiker Platten produziert hat. Stefan Schirrmacher ist gefragter Studiomusiker, spielte in der Band von Frank Schöbel und in der AC/DC-Coverband Dr. Kinski.
Und was wurde aus Bandgründer und -kopf Hans-Joachim 'Neumi' Neumann? Er ist auch der Musik treu geblieben, arbeitet als Komponist und Produzent. 1990 gründete er gemeinsam mit Norbert Endlich (H&N) die NEUEND-Musikproduktion. Als Musiker war er zuletzt ebenfalls 1990 mit dem Projekt "Amadeus und die Mozartkugeln", einem Popklassik Projekt, zu sehen und hören. Bei diesem Projekt war Neumi der Sänger. Heute ist er als Sänger nicht mehr zu erleben, sondern arbeitet ausschließlich im Hintergrund. Last but not least: Das Kulturhaus in Kyritz, wo besagtes Konzert stattfand und ich zu DDR-Zeiten City, Ute Freudenberg & Elefant und die ungarische Gruppe GENERAL erlebt habe. Das Haus stand nach der Wende erst einmal leer und war dem Verfall preisgegeben. Inzwischen ist es aber wieder eine Spielstätte für Veranstaltungen.

 


   
   
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