Mit HÖHNE & Co. am Badestrand
Die Freibadmugge 1978
Ein Bericht mit Fotos von Hartmut Helms
Es gab keine staubigen Steppen in diesem Land, keine karge Wüste mit felsigen Bergen am Horizont. Wir hatten nur diese großen Tagebaulöcher und die Kegelberge aus Dreck sowie die Weite der Heidelandschaft, den Schraden oder die Lausitz. Die Songs vom Land weit weg hinter dem Ozean, vom staubigen Westen und den Bergen in Montana stammen von einem anderen Kontinent, aus einer anderen Welt. Diese Songs klingen nach Sehnsucht, nach Leid und Traurigkeit, aber auch nach Ursprünglichkeit und Freude. Kein Gedanke an Deutschland, DDR schon gar nicht - und doch! Meine Heimatstadt Elsterwerda hatte einst, die DDR existierte noch, ein Strandbad, das jährlich tausende Besucher und Badelustige ins Grüne lockte. Auch dann, wenn mal nicht die Sonne, die auch über den Bergen von Montana aufgeht, schien oder das Gras vom letzten Regen nass war.
In dieses Freibad paßte das Gefühl von Country & Western und den Bergen, die es hier nicht gibt. Auch wenn diese Musik aus den Weiten des Amerikanischen Westens in der DDR offiziell nicht stattfand, Fans gab es dennoch viele und die warteten auf Gelegenheiten, Country & Western zu hören und zu leben. 1978 organisierte ich mit Freunden das 2. Strandfest und wir hatten eine Band gefunden, die genau zu diesem Feeling paßte.
Höhne und Co. kamen eher aus Richtung Ost(Sachsen) und waren zu jener Zeit Kult bzw. unter Fans ein Geheimtipp. Andreas "Hugo" Höhne und sein Partner Dietmar "Diete" Bernhardt waren in Dresden zu Hause, stammen aber aus der Gegend, wo man das "Rrr" so einmalig schön rollen kann, aus der Oberlausitz.
Höhne und Bernhardt, zwei Neugersdorfer Nachbarskinder der Jahrgänge 1952/53, verschrieben sich schon früh den Songs der Baumwollpflücker, Farmer, Cowboys, Holzfäller und der Western Railroad, die sie bauten. Lieder, die von Liebe, Arbeit, den Menschen, ihren Sorgen und Freuden und ihrer Geschichte erzählen, wie es Johnny Cash einst sinngemäß formulierte.
An diesem 3. August 1978 standen Höhne & Co. auf einem von uns selbst gezimmerten Holzpodest mitten im Freibad Elsterwerda und ließen diese Lieder erklingen und die hohen Pappeln an der Sandwüste rauschten dazu, als "The Night They Drove Old Dixie Down" den nicht vorhandenen Gleisen zwischen den hohen Bäumen folgte. Für knappe zwei Stunden machten uns Höhe & Co. den Cash und den Nelson und, was "Old Dixie" betrifft, Robbie Robertson & The Band. Über die Wasserfläche wehte der weite Hauch der "Countryroads", die John Denver und später Olivia Newton-John besangen, und ein wenig Amerikanische Bürgerkriegshistorie wurde mit "Johnny Reb" lebendig.
Andreas Höhne (Gitarre, Banjo, Mundi) und Dietmar Bernhard (Bass) ließen diese Musik erklingen, als wären beide direkt aus den Weiten der Prärie geradewegs ins Freibad geritten gekommen. Dazu bedienten beide außerdem mit Pauke, Bongos, Trommel und Waschbrett diverse Rhythmusmacher. Der dritte Mann auf dem Holzpodest, Peter "Piet" Behrendt, gab dem Live-Sound mit seinem virtuosen Geigenspiel den letzten und perfekten Schliff. Das Dreiergespann war keine reine Coverband, sondern hatte, wie alle im DDR-Rock-Zirkus damals, auch eigene Stücke im Programm. So etwa den Song "Dieselqualm", der von einem Fernfahrerdasein erzählt, ebenso wie "Frühling 61", in dem es natürlich auch um Fernweh und Liebe geht. Davon singen die Drei auch in "Walk The Line", sie intonierten mit "Comanche" ein Indianer-Thema und ließen es mit den absoluten Klassikern "Fireball Mail" und natürlich "Ring Of Fire" in der Version von Johnny Cash so richtig krachen. Der Abend war eine einzige Freiluftparty bei schönsten Sommerwetter.
Höhne & Co. mit ihrem Gast "Piet" Behrend und seiner Geige haben das alte Freibad für einen Abend in ein Gefühl von Prärie, Weite, Silbersee und Indianerfeuer getaucht, denn ein solches hatten wir zu später Stunde entzündet. Wir saßen im Kreis um die Glut, mit einem knackigen Watzdorfer in der Hand und ließen unseren Gedanken und Gesprächen freien Lauf bis in den Morgen.
Noch heute gilt mein Dank dem Bademeister PETER, der eigentlich Alfred heißt, und der mit seiner stämmigen Figur, seinem Rauschebart und seinem einmalig sonnigen Gemüt für das Gelingen solcher Abende einfach unabkömmlich war. Auch wenn ich schon wieder gedanklich ewig gestrige Sprücheklopfer vom immerwährenden grauen Alltag im Sozialismus faseln höre, in diesen Stunden zählte die gemeinsame Freude und das gemeinsame Erleben mit Freunden - an Staatsrat, Zentralkomitee und FDJ hat damals selbst im nüchternen Zustand keiner einen Gedanken verplempert. Das machte sich mit Watzdorfer und Bratwurst im Bauch sowie mit Goldbrand in der Birne (und ganz ohne ND) ohnehin nicht besonders gut...
Die Geschichte von Andreas Höhne und Dietmar Bernhard als Musikanten in der DDR endete tragisch, wie die vieler anderer guter Musikerkollegen leider auch. Im Jahre 1986 verließen beide nach persönlichen Schikanen und ständigen Querelen die größte DDR der Welt in Richtung BRD, wo sie zum zweiten Mal mit Country & Western-Music durchstarteten und als WESTERN RAILROAD ihre erste eigene LP produzierten. Das ist inzwischen auch schon wieder seit mehr als zwei Jahrzehnten Geschichte.
Seitdem und bis heute haben "Diete" und "Hugo" in der Szene einen klangvollen Namen und sind mit der Musik aus dem "Wilden Westen" in den Klubs des Landes, und überall dort, wo Stimmung angesagt ist, "on the road again", und mit ein wenig Glück führt diese Straße vielleicht auch wieder in Richtung Osten, wo die alten Fans sehnsüchtig warten.
Foto Impressionen: