Ein Herbsttag mit Regen und Wind

Gedanken zum Palast der Republik

Autor Klaus Schmidt

 
 
Eine deutsche Geschichte die nachdenklich macht
Ein Herbsttag mit Regen und Wind. Es pfeift um die Ohren und alte Erinnerungen werden wieder wach. Da wird man eben ein wenig nachdenklich und es sei gestattet, dass ich einen Blick zurück werfe.

Ich stehe auf dem Schlossplatz in Berlin. Sicher nicht nur für mich ein historisches Areal. Hier stand das ehemalige Stadtschloss. Kurfürst Friedrich II ließ 1443 dazu den Grundstein legen. Es überstand die Jahrhunderte bis Februar 1945. Am Ende des 2. Weltkrieges wurde es bei einem Luftangriff schwer getroffen und brannte aus. Mit der Sprengung der Ruine des alten Stadtschlosses glaubten wohl die DDR-Führer die Vergangenheit der Kaiser und Könige begraben zu können. Immerhin rettete man die alte Schlossfassade und klebte sie an das Staatsratgebäude. Von dieser Fassade hatte Karl Liebknecht 1918 die „Sozialistische Republik“ ausgerufen. Es blieben noch die Keller der Ruine erhalten. Hier hinein schleppten meine Kollegen und ich der Ü-Stelle Berlin schweres Gerät wie V45 (Röhrenbetriebener Mixer), mobile Abhörboxen Z1, OB-Telefone (so mit Kurbelinduktoren zum Rufaufbau), Kabelkisten, Mikrofone (M19, M14 u.a.), Kopfhören und Lichtsignale, ganze Lkw-Ladungen. Nach mühsamer mehrtägiger Installation stand dann eine funktionstüchtige, wenn auch vorsintflutige Anlage für die Übertragung der Maikundgebungen bereit. Auch die Kollegen der Bild-Technik und die „Beschaller“ der Elektro-Akustik belegten mit uns die muffigen Kellerräume. Die Staatsmacht skalierte ihre Parolen, Reporter schilderten die spannenden Ereignisse und wahrscheinlich keine Sau zu Hause interessierte sich für die Show.

Dann plötzlich regte sich neues bauliches Leben. Im Herbst 1973 rückten die ersten Bauarbeiter mit gewaltigen Maschinen an. Von nun an konnte man jedes Mal beim Vorbeifahren etwas Neues sehen. Es wuchs ein gewaltiges Bauwerk: Der Palast der Republik (im Verlauf auch kurz "PdR" genannt). Schon vor der Eröffnung hatte ich Gelegenheit den Rohbau zu besichtigen. Auch unsere Meinungen betreffs der Übertragungsanlagen und Kabelnetze wurden berücksichtigt. Noch vor der offiziellen Eröffnung fanden Testveranstaltungen mit großen und kleinen Orchestern statt, die wir mit dem Übertragungswagen FZ 34 aufgezeichnet hatten. Ein Mehrzweckobjekt mit allem drum und dran sollte es werden. Neben dem großen Saal war auch noch der Plenarsaal für die damalige Volkskammer untergebracht. Gastronomie, Kegelbahnen, Clubs, Kutscherkneipen – an Geld wurde nicht gespart.

Erichs „Lampenladen“ zeigte sich nur vom Feinsten. Die Übertragungswagen Bild und Ton hatten einen abgesicherten Standplatz auf dem Hof des Marstalles. Fest installiert im Haus war ein kleines Rundfunkstudio. Hier konnten auch kleinere Musikproduktionen realisiert werden. Internationale Gäste klopften an. Alle wollten sich präsentieren. Besonders der zunächst nicht erwünschte Auftritt von Udo Lindenberg sorgte für Wirbel. Es ging u.a. um den „Sonderzug nach Pankow“, obwohl der Ortsteil Pankow ja eigentlich nichts mit dem Standort des PdR zu tun hatte, um Lederjacken und Schalmeien. Es ist in diesem Rahmen kaum möglich alle Veranstaltungen ausführlich aufzulisten und zu beschreiben. Jedenfalls wurde der Palast nicht nur vom Berliner Publikum angenommen. Unsere DDR-Rockszene war gut vertreten. Es gab z.B. mehrmals jährlich Rockfestivals u.a. auch das „Politische Lied“, (Herman van Veen, Miriam Makeba, Mikis Theodorakis, Mercedes Sosa, Czeslaw Niemen u.v.m.) oder „Rock für den Frieden“. (Puhdys, Stern-Combo Meißen, Karat, Pankow). Manche Festivals gingen über mehrere Tage. Dabei waren alle Etagen des Palastes belegt. Das war alles gar nicht so rot wie es zunächst den Anschein hatte. Zu vielen Veranstaltungen organisierte ich die PA`s und kümmerte mich um die Tonregie für den großen Saal. Ein Manko des PdR war, dass es keine eigene gute Musik-Beschallung gab. Zu erwähnen wäre noch das „TIP“, das Theater im Palast im 4. Geschoss. Hier fanden interessante Aufführungen statt. Der Thomanerchor, Jazzkonzerte, Chansonabende u.v.m.

Ich möchte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass ich ein Anhänger der DDR-Nostalgie bin. Dennoch bin ich der Meinung, dass der Abriss des Palastes der Republik eine große Dummheit war. Die Sache wäre vielleicht noch erklärbarer, wenn nahtlos der Wiederaufbau des Stadtschlosses angeschlossen worden wäre. Aber dafür ist ja keine Knete vorhanden. Also egal, erst einmal weg mit dem DDR-Mief und danach heiße Luft und keine konkrete Planung. Nun haben wir eine triste Rasenfläche, und die Sturköpfe, die sicher nie einen Bezug zum PdR hatten, haben eine historische Stätte ersatzlos entfernt. Einer davon ist heute sogar stellvertretender Bundestagspräsident. Ganz nebenbei: der Beschluss zum Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland - ein wahrhaftig historisches Ereignis – wurde in diesem Gebäude von der ersten demokratisch gewählten Volksvertretung gefasst. Allein dies wäre wohl schon ein guter Grund gewesen den Palast der Republik zu erhalten. Etwa 60 Mio € kostete das Spektakel. Ob ich es wohl noch erleben werde, dass das historische Stadtschloss eröffnet wird, und was wird mich wohl dann antreiben, dort einen Besuch zu machen?

Nun stehe ich wie in meiner Jugendzeit vor den Kellergeschossen, die kurioserweise wieder erhalten geblieben sind. Aber sicher werde ich nun keine tonnenschwere Audiotechnik da hinein schleppen, um Jubelfeste übertragen zu können.
 
 

   
   
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