Gartenparty und Schwanentanz

Die Gruppe WIR live 1979

 Ein Beitrag mit Fotos von Hartmut Helms

 


Manchmal blicke ich all die erlebten Jahre zurück. Manchmal muss ich dann lächeln, wenn ich manchmal an so einer Erinnerung für eine Weile hängen bleibe. WOLFGANG ZIEGLER und seine Gruppe WIR ist so eine Erinnerung. Diesen Mann mit seiner Gruppe WIR konnte ich nie irgendwo bleibend einordnen. Immer wenn ich dachte, diese Band hätte eine für mich fassbare Identität gefunden, hatte der Bandleader wieder mal etwas getan, das mich verunsicherte. Zum ersten Mal richtig aufgefallen ist mir WIR im Jahre 1972 mit dem Song "Soll das alles sein", veröffentlicht auf "Rhythmus 72" von AMIGA, und danach mit der krachenden Rocknummer "Eisberg" von ihrer ersten 1977er LP. Damals wollte ich glauben, dass Ziegler mit diesem Konzept bald zur ersten Rock-Liga der DDR gehören würde, zumal er Musiker der ehemaligen Band von UVE SCHIKORA für sich gewinnen konnte. Das waren waschechte Rocker und mit "Black Power" stellte die Band das eindrucksvoll unter Beweis. Ein Auftritt im WDR Rockpalast und die Übertragung des Konzerts live aus West-Berlin war ein weiteres überzeugendea Argument. Immerhin standen sie mit Udo Lindenberg und Rumpelstielz aus der Schweiz auf einer Bühne. In jener Zeit hätten Ziegler & Co. mich begeistern können.


Dann plötzlich sah ich mit Kathrin Lindner und Doris Martin (letztere wurde seine erste Ehefrau) zwei Damen auf der Bühne und ich wurde das Gefühl nicht los, Wolfgang Ziegler hätte eine Nancies-Kopie von Michael Hansen geschenkt bekommen. Mit "Gartenparty" hatten sie einen Hit mehr und einen Hörer weniger. Das war einfach nicht mehr mein Ding, und "e i n e Gruppe 'Kreis' im Lande genügte mir völlig", dachte ich. Aber auch diese Konstellation war nicht für die Ewigkeit gebastelt, und Wolfgang Ziegler suchte weiter auf seinem Weg.


Als dann 1978 "Ebbe und Flut" auf Platte erschien, war ich wieder versöhnlicher gestimmt, denn die Band rockte wie Jahre zuvor und dieser Sound passte zu dem Konzept von Konzerten, die wir regelmäßig durchführten. Am 25. April 1979 standen folgerichtig WOLFGANG ZIEGLER & die Gruppe WIR bei ROCK-MIX 5 auf unserer Konzertbühne im Kulturhaus von Plessa.


Was WOLFGANG ZIEGLER mit der Gruppe WIR in knapp zwei Stunden auf der Bühne abfackelte, war nichts anderes als eine professionelle Rock-Show mit durchgängig guter Musik, solistischen Glanznummern und gekonnten Show-Einlagen. Gleich zu Beginn erklang das wuchtige Gitarren-Riff von "Eisberg", ein Song, der in exzellenter Weise die rockige Seite der Band zeigte. Gleiches gilt für "Blutiger Sommer", eine rockige Nummer, die sich auf einem ausufernden Keyboard-Teppich ausbreitet und dem Sänger Wolfgang Ziegler die Möglichkeit gibt, seine Stimme zu entfalten und Gedanken sprechen zu lassen.


Zum damaligen Live-Programm gehörten natürlich die großen Hits von WIR, wie sie überall im Land bekannt und auf den ersten beiden AMIGA-LP's veröffentlicht waren. Songs, wie die schon erwähnte "Gartenparty" oder "Da schlug die Flamme", waren gern gehörte Standards. Für die eigentlichen Rock-Liebhaber spielte die Band ihren großen Erfolg "Zeit", eine Komposition mit Überlänge und Titel der gleichnamigen AMIGA-Scheibe, die bei keinem Live-Auftritt fehlte. Fulminanter Höhepunkt dieses Stückes war das krachende Schlagzeug-Solo von Hans-Joachim Kluge, bei dem er sich hinter Trommel, Becken und Toms so richtig austoben konnte, um direkt im Anschluss daran auch noch seine komische Ader auszuleben. Verkleidet mit einem zierlichen Röckchen und einer Straußenfeder am Kopf "tanzte" er zum Gaudi der Anwesenden aus dem Ballett "Schwanensee" zur Musik von Pjotr Tschaikowski den "Tanz der vier kleinen Schwäne", den er mit einem tiefen Knicks vor dem Auditorium beendete. Eine Nummer, die man von einem Drummer eigentlich nicht erwartet hätte, aber jeder, der sich auskennt, weiß: meist sind die Schlagzeuger die "Clowns" in der Band und von der Sorte Musikant kenne ich noch heute einige besondere Exemplare.


Aus der internationalen Kiste gab es an diesem Abend mit "Mighty Quinn" und "Davy's On the Road Again" zwei Songs von Manfred Mann's Earth Band, wobei der erste den Dylan-Liebhaber Ziegler verrät, denn auch der Dylan-Klassiker "It's All Over Bow, Baby Blue" wurde von Ziegler & Co. in der Version der legendären THEM mit Van Morrison gespielt. Das war durchaus beeindruckend, und vielleicht hat sich die Erinnerung daran genau deshalb bei mir so fest eingegraben, denn Fotos verraten solch klingende Details nach 30 Jahren nicht mehr, und selbst Wolfgang Ziegler brauchte ein paar Minuten und einige Gitarrenakkorde, um sich wieder daran zu erinnern. In jedem Konzert der Gruppe WIR gab es ein Rock'n'Roll-Medley als ein weiteres Indiz dafür, welche musikalischen Vorlieben Musikanten haben können. Diese Musik heizte den Saal an und gab den Musikern Gelegenheit, sich auch solistisch zu präsentieren. Neben dem Bandleader Wolfgang Ziegler und dem schon erwähnten Drummer Hans-Joachim Kluge standen Michael Höft, vom Oktoberklub kommend, am Baß sowie der Gitarrist Peter Falkenhagen, der sich mit dem Song "Mensch, wie die Zeit vergeht" auch als Sänger präsentieren konnte.


Ein Abend mit der Gruppe WIR endete meist mit "Nach dem Konzert", einer Komposition, welche d
ie Zweifel und Hoffnungen wohl eines jeden Musikers beschreibt, ob denn seine Show auch wirklich angekommen ist und verstanden wurde. Im April 1979 gab es jedenfalls keine Zweifel. Das Konzert war ein Erfolg, die Musiker zufrieden und wir waren es auch. Der Abend endete, wie so oft, mit dem Abbau und Einpacken der Technik und dem gemütlichen Bier gemeinsam mit den Musikern. Diese abschließenden Minuten waren immer ein bleibendes Erlebnis für alle fleißigen Helfer, das für die nächsten Vorhaben schon wieder die Weichen stellte. Auch in den Jahren danach, wechselte Wolfgang Ziegler immer mal wieder Musiker aus und änderte das Konzept, um letztlich bei gut gemachter Pop-Musik zu landen. Aber das war schon wieder nicht mehr mein Ding.


Im Jahre 1986 löste sich die Band auf und der einstige Bandleader startete eine erfolgreiche Solo-Karriere als (Schlager)Sänger, die bis in die Gegenwart anhält. Geblieben ist ein Ausnahmekünstler, einer, der weiß was er will und kann, und auch einer, der noch immer ein munterer Gesprächspartner ist.

 


 

Foto Impressionen:
 

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